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Sophie

Bewertungen

Insgesamt 167 Bewertungen
Bewertung vom 12.01.2021
Hartung, Alexander

Als die Nacht begann


sehr gut

„Als die Nacht begann“ von Alexander Hartung ist schon der siebte Teil aus der Reihe um den Ermittler Jan Tommen – und ich gebe zu: mein erstes Buch aus der Reihe. Daher war es ein wenig schwierig, in die Dynamik des Ermittlerteams um Jan hineinzufinden. Als Quereinsteiger hat man es mit diesem Roman also nicht leicht. Warum sich das Lesen trotzdem lohnt verrate ich hier …

Kurz zum Inhalt: In Berlin erschießt ein Heckenschütze auf offener Straße eine junge Frau – Jan und sein Team, bestehend aus der Gerichtsmedizinerin Zoe, dem IT-Spezialisten Max und dem unterweltaffinen Chandu, heftet sich sofort auf die Spur des Schützen, jedoch zunächst ohne Erfolg. Und der nächste Mord folgt wenig später und führt das Team tief in die Welt der IT-gestützten Verbrechensvorhersage.

Mit viel Witz und trockenem Humor ermittelt das zusammengewürfelte Team zumeist bei gemeinsamen Abendessen und ist dabei eine erfrischend sympathische Abwechslung zu den düsteren Ermittlerfiguren vieler anderer Krimis. Dass sie es dabei mit dem Gesetz nicht so genau nehmen und ungestraft Regeln über Regeln brechen, wird jedoch schnell zu einem ermüdenden und wenig glaubhaften Topos. Auch die lapidare Schilderung einiger einschneidender Vorfälle hinterlassen das leise Gefühl, die Charaktere nicht als echte Personen für voll nehmen zu können. Eine Tatsache, die den Lesegenuss ein wenig trübt.

Insgesamt ist „Als die Nacht begann“ jedoch in erster Linie ein schneller, handlungsorientierter Krimi mit ausreichend Spuren, Wendungen, Hinweisen und Überraschungsmomenten, um mich als Leserin völlig gefesselt zu halten. Wer auf klassische Ermittlerkrimis steht und sich über Plot-Twists freut, dem sei der Roman (trotz kleiner Schwächen) wärmstens empfohlen.

Bewertung vom 16.12.2020
Korten, Astrid

Seelen unter dem Eis


gut

In „Seelen unter dem Eis“ von Astrid Korten begleiten wir den zum Tode verurteilen Werbemacher Tom in seinen letzten Tagen auf der Death Row. Während er seine letzten Angelegenheiten regelt, wird in Rückblenden erzählt, wie es dazu kam: von seiner tödlich endenden Affäre mit seiner Studentin Amal und der immer schwieriger werdenden Beziehung zu seiner Frau Helen.

Der Roman beginnt leise und traurig, ein erschütternder Einstieg in die Lebensrealität eines Mannes, der seinen Tod vor Augen hat. Wir begleiten Toms Alltag im Hochsicherheitstrakt, den er mit anderen Todeskandidaten und dem erstaunlich empathischen Wärter „Goodman“ verbringt. Auf dieser Zeitebene war ich als Leserin ganz gefesselt, habe mit Tom gelitten und empathisiert, obwohl er wegen Mordes verurteilt ist. Ein fein gezeichnetes Porträt eines Menschen, der große Fehler gemacht hat.

Leider gibt es jedoch nicht nur Positives über diesen Roman zu sagen. Der Autorin gelingt es nicht, mich als Leserin in eine US-amerikanische Lebenswelt hineinzuziehen: Da wird dann plötzlich Goethe zitiert, Weizenbier bestellt, und ein Trakt im Gefängnis ist der „Zauberberg“. Das deutsche Bildungsbürgertum mogelt sich so immer wieder in ein vorgeblich amerikanisches Setting.

Die Frauenfiguren, allen voran die „Verführerin“ Amal, werden leider nie mehr als Stereotype: Als femme fatale begeht Amal Tom gegenüber richtiggehende Gräueltaten, ist sexuell unersättlich, und ihr Leben dreht sich einzig und allein um ihn. Eine Biographie, einen Einblick in ihr Warum erhalten wir dabei nie. Auch Helen bedient eine ganze Reihe typisch weiblicher literarischer Topoi, ohne dass ihr eine echte Persönlichkeit oder eine Geschichte zugestanden wird.

Der Roman krankt ganz klar an der fehlenden Tiefe der Frauenfiguren, die jedoch absolut zentral für die Geschichte sind. Auf der Handlungsebene überzeugt er hingegen mit einem intensiven, sich langsam, aber stetig aufbauenden Spannungsboden und einem explosiven Twist. Ein Buch, das ich mit gemischten Gefühlen zur Seite lege.

Bewertung vom 22.11.2020
Puhlfürst, Claudia

Der Totschneider / Lara Birkenfeld Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Claudia Puhlfürsts Thriller „Der Totschneider“ hält wirklich nicht hinterm Berg mit Grausamkeiten und seelischen Abgründen. Kurz gesagt, dreht sich der Roman um die Kriminaljournalistin Lara Birkenfeld, die mehr zufällig in die Story des Serienmörders Dr. Nex hineinrutscht. Dr. Nex, der den amerikanischen Serienkiller Ed Gein verehrt, jagt junge Frauen, weidet sie aus und nutzt ihre Organe für ein perfides Kunstwerk. So viel lernen wir bereits auf den ersten Seiten. Der Clou an der Sache: Lara hat so etwas wie Visionen von den Morden, die sie zuerst nicht richtig zuordnen kann. Erst nach und nach wird sie auf die Spur des Psychopathen gelockt, während dieser derweil munter weitermordet.

„Der Totschneider“ ist kein überraschendes Buch, bietet aber ein reichhaltiges Buffet für Freunde des Makabren und Grausigen. Die Spannung wächst auf jeder Seite des Thrillers unnachgiebig, und darin liegt eine der größten Stärken des Romans: Als Leserin befindet man sich stetig im Sog der Geschichte und folgt dem dauerhaft steigenden Spannungsbogen atemlos bis zum fulminanten Finale. Einzig die Persönlichkeit des Killers, die doch sehr klischeebeladen daherkommt, hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Er will nicht so recht an Subtanz gewinnen, sondern bleibt das ganze Buch hindurch eine Ansammlung von literarischen Topoi und Serienkillerklischees. Dafür wächst uns Lara umso mehr ans Herz, die so gar nicht die allmächtige Heldin, sondern eher eine normale Frau mit einer unnormalen Gabe ist. Mit ihren Emotionen und Reaktionen können wir uns bestens identifizieren, und das macht das Buch zu einem lohnenswerten Leseerlebnis.

PS: „Der Totschneider“ hat auch eine Fortsetzung! Wer sich noch nach ein wenig Gore und kranken Hirnen seht, wird dort sicher auch fündig.

Bewertung vom 12.11.2020
Woolf, Julia

Marigolds Töchter


sehr gut

„Marigolds Töchter“ ist ein herzzerreißendes Buch über Demenz, Familie und Liebe. Die Geschichte spielt in einer englischen Kleinstadt, wo die 66-jährige Marigold mit ihrem hingebungsvollen Mann Dennis, ihren beiden erwachsenen Töchtern und ihrer eigenen hochbetagten Mutter lebt. Marigold betreibt einen kleinen Dorfladen und kümmert sich um die Familienangehörigen, die nach und nach ins elterliche Haus zurückgekehrt sind: Da ist die egozentrische Instagram-Influencerin Suze, die sich durchfüttern lässt, die künstlerisch begabte Daisy, die mit einem gebrochenen Herzen aus ihrer Wahlheimat Italien zurückkehrt, und die stets übellaunige Nan, die nach eigenen Angaben ständig mit einem Fuß im Grab steht.

Eigentlich die Zutaten für eine liebenswert schräge Familienkomödie – aber bereits auf den ersten Seiten wird deutlich, dass etwas ganz anderes im Vordergrund steht: Marigold wird vergesslich. Das beginnt mit leichten Andeutungen, und die Geschichte nimmt uns aus ihrer Perspektive mit, in der sie allmählich versteht, dass sie vergisst und dass das keine normale Alterserscheinung ist. Die liebenswert schrulligen Dorfbewohner tun das als Tüdeligkeit ab, und auch ihre eigene Familie beginnt nur allmählich zu erahnen, wie schlecht es um Marigold bestellt ist: Suze ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, Dennis will es nicht wahrhaben, Nan glaubt, sie solle sich nicht so anstellen … einzig Daisy, die stille Heldin des Romans, wagt es, sich mit der Lage auseinanderzusetzen und die anderen damit zu konfrontieren. Dabei hat sie selbst genügend zu kämpfen, hat sie doch ihre Beziehung und ein ganzes Leben in Italien zurückgelassen und muss jetzt von null anfangen.

Der Erzählton ist leicht und humorvoll, was das schwierige Thema etwas zugänglicher macht. Einige Nebenhandlungen lockern die Tragik der Situation auf, bekommen jedoch manchmal etwas zu viel Raum, wie ich finde. Der Aufbau in der ersten Hälfte des Buches illustriert wunderbar und sanft die Realisation und das Fortschreiten der Krankheit aus der Perspektive der Betroffenen. Die Angst und die Unsicherheit erleben wir so hautnah mit, und es wird klar, was das für Betroffene bedeutet, wenn man nach und nach merkt, wie die Erinnerungen schwinden. In der zweiten Hälfte sackt der gefühlvoll aufgebaute Erzählbogen jedoch etwas ab: Größere, unvermittelte Zeitsprünge und einige sehr hastig abgeschlossene Erzählstränge trüben den Leseeindruck.

Trotzdem ist „Marigolds Töchter“ ein eindringliches, empfehlenswertes Buch, das das Thema Demenz auf eher leichte, zugängliche Art verhandelt und dabei nie den Humor verliert. Die Hoffnung und eine positive Lebenseinstellung stehen im Vordergrund und bieten Anker und Bewältigungsstrategien für das Schreckliche an, sodass man als Leserin nicht droht im Sumpf der Tragik zu versinken. Marigolds Familie und das ganze Dorf vermitteln ein positives Lebensgefühl, auch mit Demenz. Um es mit den Worten der Protagonisten zu sagen: „Was ist falsch am Jetzt?“

Bewertung vom 26.08.2020
Neuhaus, Nele

Zeiten des Sturms / Sheridan Grant Bd.3


gut

Für die Urlaubslektüre ist dieses Buch ideal! Eine lange, vollgepackte Story, ein richtig dicker Wälzer, mit viel Spannung und vielen Handlungssträngen. Was mich persönlich am Buch gestört hat, war, dass es an allen Ecken und Enden mit Klischees arbeitet. Die ganze Hauptfigur ist ein Klischee, mit dem es mir schwerfällt, mich wirklich zu identifizieren - zu viele klischeehafte literarische Frauenfiguren werden hier zu einer vermengt. Die Geschichte an sich und der Spannungsbogen sind aber definitiv positiv zu bewerten, was das Buch insgesamt lesenswert macht, wenn man nach einer netten Urlaubslektüre sucht und gerne etwas Zeit investiert.