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Leiraya

Bewertungen

Insgesamt 154 Bewertungen
Bewertung vom 09.10.2021
Schulman, Alex

Die Überlebenden


ausgezeichnet

Seit meiner Studienzeit habe ich viel gelesen. Aber schon lange ist mir kein Werk mehr wie dieses begegnet! Mit nur wenigen Worten gelingt es Alex Schumann ein Bild vor dem inneren Auge entstehen zu lassen, das einen regelrecht in das Geschehen der Geschichte hineinzieht. Man ist sofort "drin" im Leben einer schwedischen Familie, das abwechselnd im Jetzt und zu früheren Zeiten erzählt wird. Auch sprachlich wird dies geschickt verdeutlicht, u.a. durch verschiedene Tempi. Alex Schumann weiß gut, mit Worten umzugehen und schafft damit eine ganz eigene Welt, durch Metaphern und Bildern untermalt, die nachhallen. Zwar sind die Umstände, unter der die drei Söhne groß werden, sehr schwierig und bedrückend, man möchte aber trotzdem unbedingt mehr wissen und kann das Buch kaum aus der Hand legen. Und es bleibt bis zum Schluss fesselnd! Obwohl es sich um eine Übersetzung handelt, ist das Buch wirklich von herausragender Qualität. Einziger Wermutstropfen sind ein paar wenige Schreibfehler, die aber sehr wohl zu verschmerzen sind!

Bewertung vom 06.10.2021
Lecoat, Jenny

Die Übersetzerin


sehr gut

Liebe begegnet uns überall - im realen Leben, aber auch in der Fiktion. Tragisch wird es immer dann, wenn diese Liebe eigentlich gar nicht sein soll. Ein Motiv, für das in vielen Büchern gern als Schauplatz der zweite Weltkrieg gewählt wird. So auch hier: die jüdische Österreicherin Hedy verliebt sich auf der Kanalinsel Jersey in den deutschen Oberstleutnant Kurt. Hedy ist hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen und der Vernunft, dass eine solche Verbindung nicht sein darf. Sie wird meiner Meinung nach authentisch: nicht immer nur nett, sondern auch etwas eigensinnig, mit Ecken und Kanten. Das macht sie als Charakter interessant. Ebenso verhält es sich mit Kurt. Er ist nicht überzeugt vom Krieg, wie sicher viele Männer zu der Zeit, die den Krieg erleben mussten.

Besonders für mich und somit auch ein Grund das Buch zu lesen war aber, dass die Geschichte auf Jersey spielt, der größten englischen Kanalinsel zwischen England und Frankreich. Einige schöne Orte der Insel werden schön beschrieben, dass man es sich gut vorstellen kann, wie es ist, auf der Insel zu leben. Jedoch hätte dies noch viel ausführlicher passieren können! Das hat mich ehrlich gesagt etwas enttäuscht.
Ebenso verhält es sich mit den Auswirkungen des Krieges auf die Insel. Man erfährt leider kaum etwas, zur politischen Auseinandersetzung zwischen London und der Besatzung. Der Handlungszusammenhang wird zeitlich eingeordnet, indem z.B. der Russlandfeldzug erwähnt wird. Und am Rande sind manche Themen wie der große Hunger der armen Bevölkerung angerissen, wie und was z.B. Hedy isst oder dass verschiedene Dinge wie bspw eine Zeitung plötzlich sehr kostbar sind, weil man so viel damit machen kann. Leider war mir dies alles etwas zu wenig ausgeprägt.

Und so kann ich sagen, dass das Buch eine schöne Liebesgeschichte erzählt. Allerdings könnte diese, obwohl sie auf wahren Begebenheiten beruht, fast überall zu Zeiten des zweiten Weltkriegs stattfinden. Die Chance, Jersey als besonderen Schauplatz zu nutzen, wurde leider nicht ausreichend genutzt.

Bewertung vom 06.10.2021
Doucleff, Michaeleen

Kindern mehr zutrauen


sehr gut

Die Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Michaeleen Doucleff wollte, wie sonst auch in ihrem Leben, wissenschaftlich ans Thema Kindererziehung herangehen. Als sie jedoch am Morgen nicht einmal mehr aufstehen wollte - aus Angst vor dem Tag mit ihrer Tochter - wusste sie, dass sich etwas ändern müsste und die einschlägigen Erziehungstipps für sie einfach nicht wirkten. Doch erst als sie auf einer ihrer Forschungsreisen zufällig auf Yucatan beobachtet, dass es auch spielend leicht zu gehen scheint, ein Kind großzuziehen, begann sie zu recherchieren. Dabei entdeckte sie, dass vieles von dem, was wir in der westlichen Erziehungskultur als richtig und wichtig erachten, oft keine wissenschaftlich verlässliche Grundlage hat und auch oft eigentlich nicht funktioniert.
Was liegt also näher, als Menschen um Rat zu fragen, die nicht den Unmengen an Ratschlägen der westlichen “weird“ (dt. komischen) Kultur ausgesetzt sind? Doucleff reist daher mit ihrer Tochter u.a. zu den Maya, Inuit und den Hadza in Afrika, um altes Menschheitswissen neu zu beobachten und zu erlernen. Dabei behandelt sie u.a. Themen wie Hilfsbereitschaft, Spielzeug, Lob, Kontrolle, Machtkämpfe zwischen Eltern und Kindern, Schlafen, Schimpfen.

Da ich selbst zwei kleine Kinder habe und unsre Dreijährige in manchem recht stark Michaeleen Doucleffs Tochter ähnelt, hat mich das Buch gleich angesprochen. Ich war äußerst gespannt!
Vieles, was Doucleff beschreibt, macht unsere Kleine momentan auch! Doucleff argumentiert, unsre neumodisch denkende Gesellschaft will so vieles von unseren Kindern. Es soll alles “funktionieren“ und das am besten nach einem Schema! Aber das entspricht nicht wirklich unsrer Biologie! Daher findet sie es viel sinnvoller, darauf zu schauen, wie es ursprünglich war bzw was sonst passend sein könnte, dass Kinder in ihrem Aufwachsen gut begleitet werden, ohne dass wir Eltern völlig am Ende mit unseren Nerven und unserer Energie sind.
Doucleff zieht als eine ihrer Hauptaussagen aus ihren Beobachtungen und Erfahrungen bei den indigenen Völkern, dass wir im Westen zu “kindzentriert“ seien und dass stattdessen ein “erwachsenenzentrierter“ bzw “familienzentrierter“ Umgang erstrebenswerter sei. Sie relativiert, dass dies natürlich nicht im selben Umfang möglich sei, wie bei den zuvor angesprochenen indigenen Völker. Jedoch sollten auch die Eltern zufrieden sein, ihre Aufgaben schaffen können und nicht ständig Dinge tun (müssen), um das Kind zu bespaßen, obwohl sie selbst keine Lust darauf haben. Wie so oft ist hier sicherlich der Mittelweg sinnvoller, denke ich. Unsere Kultur erlaubt es uns nicht allumfänglich, so zu leben wie bspw. die Maya. Aber unsre eigenen Bedürfnisse bzw. die der Familie sind auch wichtig und dürfen nicht immer und überall dem Kind untergeordnet werden - außer wir wollen uns kleine Narzissten großziehen. Doucleffs TEAM-Konzept (Teamwork, Ermutigung, Autonomie, Minimales Eingreifen) finde ich daher sehr spannend.
Das Kind als Teil des TEAMS zu erziehen finde ich sehr schlüssig und denke, dass sich das auch in vielen Bereichen, z.B. in der Küche, gut umsetzen lässt. So sollten laut Doucleff, wie bei den Urvölkern, die Kinder z.B. beim Essenzubereiten mit einbezogen werden. Ganz neu ist diese Idee nun nicht, denn es gibt hierzulande schon noch Familien, in denen dies so gehandhabt wird. Jedoch geht dieses Verhalten in den USA aber auch bei uns immer mehr verloren, wie ich in beiden Ländern schon beobachten konnte. Daher finde ich es sehr gut, den Fokus wieder etwas mehr ins Zentrum zu rücken: Nicht eltern-, nicht kind- sondern familienzentriert.

Manche Konzepte und Ideen waren mir “weird“ Westlerin neu, die ich auch sehr überzeugend fand und gerne ausprobieren will. Was mir allerdings gefehlt hat sind mehr Tipps zum Umgang mit mehreren Kindern. Das wird leider nur am Rande thematisiert, aber da Doucleff nur eine Tochter hat, wäre es aus ihrer Erfahrung heraus natürlich nicht möglich, darauf aus ihrer Sicht näher einzugehen.

Bewertung vom 06.08.2021

Fahr mit!: Auf der Baustelle


ausgezeichnet

Bereits das Cover lädt zum Fahrzeugschieben ein - klasse! Und auch sonst weiß man durch die Gestaltung dessen bereits, welche Fahrzeuge einen erwarten werden.

Das Buch hat ein tolles, großes Format für kleine Kinderhände. Das ist mir auch als erstes positiv aufgefallen - es war viel größer als ich gedacht hatte. So ist es für die kleinen Patschehändchen auch viel leichter möglich, die einzelnen Fahrzeuge herumzuschieben. Anders als bei vergleichbaren Büchern mit Schiebemöglichkeit, klappt das Schieben prima: nichts bleibt hängen oder verklemmt sich. Das hatten wir bei anderen Kinderbüchern schon öfter, dass etwas hängen blieb und klemmte und es sorgt bei jedem Vorlesen erneut für Frust auf der betreffenden Seite. Nicht so hier! Ich hoffe, dass das auch so bleibt, wenn das Buch in häufiger Benutzung war.

Auch der Grund, warum die einzelnen Fahrzeuge bewegt werden sollen, ist gut erklärt und für die Kleinen einleuchtend. Schön finde ich, dass die meisten Fahrzeuge von Personen mit Namen in der Geschichte gelenkt werden und ganz im Sinne der Gleichberechtigung sind das sowohl Männer als auch Frauen.
Durch die Bilder und Erklärungen ist es auch für mich als Mama, die sich von Hause aus nicht grade für Baustellen interessiert, gut möglich die Fahrzeuge meinem Sohn zu erklären und nahezubringen.

Einziger Kritikpunkt ist beim Fahrzeug auf der zweiten Seite, das geschoben werden soll, dass es "das große Auto" heißt aber eigentlich ein Betonmischer ist.