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meggie3

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Insgesamt 142 Bewertungen
Bewertung vom 30.06.2020
Kaiser, Ann-Sophie

Unter den Linden 6


sehr gut

Kampf um Bildung und Frauenrechte Anfang des 20. Jahrhunderts

„Unter den Linden 6“ ist ein Roman, dessen Handlung in Berlin im Jahr 1907 spielt. Lise Meitner ist Physikerin und kommt mit dem Ziel in die Stadt, ihre wissenschaftliche Forschung bei Max Planck fortzusetzen. Schnell muss sie feststellen, dass es Frauen in Preußen nicht möglich ist, sich zu immatrikulieren. Auch Anni ist neu in Berlin, allerdings unfreiwillig, um eine Stelle als Dienstmädchen anzutreten. Hedwig hingegen möchte studieren und ist Teil einer Gruppe von Frauen, die für mehr Rechte und Mitbestimmung von Frauen kämpft. Die drei sehr unterschiedlichen Frauen treffen sich zufällig und werden Freundinnen. Sie verfolgen ihre Ziele und müssen immer wieder feststellen, welche Hürden es für Frauen in Berlin Anfang des 20. Jahrhunderts gibt.

Zwischendurch hatte ich etwas Sorge, dass der Roman sehr in Richtung Liebesroman „kippen“ könnte und war kurzzeitig ein bisschen skeptisch. Dies ist, meiner Meinung nach glücklicherweise, nicht passiert. Natürlich geht es auch um Gefühle, Liebe und Männer, aber eben nicht ausschließlich und es kommt zu keiner Romantisierung. Stattdessen werden Sinnfragen gestellt und es wird die Ungeduld der Frauen, die täglichen Ungerechtigkeiten und mangelnde Anerkennung für von Frauen Geleistetem beschrieben. Besonders gut konnte ich die Verzweiflung und auch Wut von Lise nachvollziehen, die große Leistungen für den wissenschaftlichen Fortschritt erbringt und trotzdem nicht annähernd ausreichend gewürdigt wird.

Die drei Protagonistinnen sind mehrdimensional und sympathisch beschrieben. Der Kampf gegen Widerstände und der damit verbundene Mut wechseln sich mit Passagen ab, in denen die Hauptcharaktere keine Kraft mehr haben und fast aufgeben wollen. Die Entwicklung der Charaktere ist detailliert beschrieben und wirkt realistisch und nicht romantisch oder gar fantastisch. Auch die Freundschaft zwischen den Dreien wirkt nicht unrealistisch, obwohl sie aus so unterschiedlichen Verhältnissen kommen. Der Schreibstil lässt sich gut lesen und ich bin gerne dabeigeblieben.

Ich habe auf den etwa 450 Seiten sehr viel gelernt, in erster Linie über Berlin bzw. Preußen und die gesellschaftlichen Verhältnisse in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg. Aber auch im Bereich Physik und der Entwicklung der wissenschaftlichen Gebiete habe ich dazugelernt. Wirklich lesenswert und lehrreich sind die Anmerkungen der Autorin am Ende des Romans.

Insgesamt hat mich „Unter den Linden 6“ positiv überrascht und bis auf wenige kurze Passagen sehr überzeugt.

Bewertung vom 24.06.2020
Garcia Saenz, Eva;Garcia Saenz, Eva

Die Herren der Zeit / Inspector Ayala ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Toller Abschluss der Trilogie

In Vitoria sind Unai Lopez de Ayala alias Kraken und seine KollegInnen auf der Suche nach zwei verschwundenen Schwestern. Dann wird ein Toter während einer Literaturveranstaltung, zu dem sich in aller Munde befindenden historischen Buch „Die Herren der Zeit“, gefunden. Schnell wird klar, dass sich die Mordmethode an dem im Mittelalter spielenden Roman orientiert. Neben den aktuellen Ereignissen gibt es in einem zweiten Erzählstrang eben diese Auszüge aus dem historischen Buch, in denen die Begebenheiten aus dem 12. Jahrhundert beschrieben werden.

Mir hat der dritte Teil um Unai und Estibaliz sehr gut gefallen. Von Beginn an war ich gefesselt und der Spannungsbogen ist nicht abgerissen. Die ProtagonistInnen sind mir über die drei Romane ans Herz gewachsen. Auch in „Die Herren der Zeit“ bekommen die Hauptcharaktere viel Raum für private und nicht ermittlungsbezogene Fragen und werden liebevoll beschrieben. Für mich ist das Buch nicht nur ein Krimi, sondern auch bildhafte Beschreibung der Stadt Vitoria und detaillierte Charakterzeichnung und -entwicklung.

Zwischendurch habe ich die vielen Personen und Stammbäume bzw. die Familienkonstellationen als sehr komplex wahrgenommen, sodass ich nach Lesepausen kurz gebraucht habe, um mich wieder einzufinden. Wenn ich etwas Zeit hatte und mich komplett auf die Geschichte konzentrieren konnte, habe ich den historischen Kontext aber - wie in den beiden Teilen zuvor - sehr schätzen können. Als Leserin habe ich einen weitreichenden Eindruck von Vitoria im 12. Jahrhundert und den zu dieser Zeit herrschenden Machtkämpfen sowie des alltäglichen Leben damals gewonnen.

Es ist schade, dass die so spannende Trilogie um die liebenswürdigen ProtagonistInnen nun beendet ist. Ein kleiner Trost ist das für mein Empfinden stimmige Finale. „Die Herren der Zeit“ hat mich voll überzeugt.