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murphy12

Bewertungen

Insgesamt 133 Bewertungen
Bewertung vom 02.08.2021
Schulman, Alex

Die Überlebenden


ausgezeichnet

Schwere Kost
Schon lange habe ich nicht mehr so viel beim Lesen geweint. Das schon mal vorab.
Bei diesem Buch handelt es sich um die herzergreifende Erzählung über 3 Brüder, die in einem wenig stabilen Umfeld aufwachsen. Die Eltern sich nicht bösartig, aber auch leider nicht wirklich in der Lage sich angemessen um die Kinder zu kümmern und diese zu fördern. Auch untereinander leben die Brüder eine Rivalität aus, die aus einer Unsicherheit resultiert. Die Eltern sind routinierte Trinker und verhalten sich oft gleichgültig gegenüber ihren Kindern. Aber es gibt auch schöne Momente. Diese Zerrissenheit und die Liebe zu den Eltern werden sehr realistisch und nachvollziehbar dargestellt.
Erzählt wird aus der Perspektive von Benjamin jedoch durch einen übergeordneten Erzähler. Benjamin ist der mittlere Sohn und versucht eine Harmonie in der Familie herzustellen.
Der Schutzumschlag um das Hardcover- Buch ist perfekt gewählt und zeigt 2 Jungen in Sepiatönen. Es versetzt mich direkt in die richtige Stimmung für den Roman. Dieser ist gegenläufig geschrieben. Zum einen werden Erlebnisse aus der Kindheit geschildert, zum anderen wird der Tag der Brüder in der Gegenwart geschildert, an dem sie ihre Mutter beerdigen. Dieser Tag wird vom Abend zum Morgen erzählt, während die Erlebnisse aus der Vergangenheit chronologisch erzählt werden.
Dennoch ist das Buch sehr leicht verständlich. Es hat mich quasi eingesaugt und ich musste immer weiterlesen. Die Sprache und der Schreibstil sind ansprechend und unterstützen die Geschichte.
Die Kinder und insbesondere Benjamin sind mir sofort ans Herz gewachsen. Ich habe mit Ihnen gelitten und wollte das Trauma aus ihrer Jugend aufdecken- die Situation verbessern/ heilen.
Besonders beeindruckt hat mich auch das Vorwort des Autors. Auch dieses ganz persönlich in schöner Sprache verfasst.
Dieses Buch ist keine leichte Sommerlektüre für zwischendurch, sondern schön geschriebene und ausgestaltete harte Kost, die mich weiterhin begleiten wird. Dieses Buch erzeugt einen Nachhall und ist deshalb eine klare Leseempfehlung von mir.

Bewertung vom 02.08.2021
Carlsson, Christoffer

Unter dem Sturm / Die Halland-Krimis Bd.1


ausgezeichnet

Tragödie in 3 Akten
Dieser Kriminalroman ist kein typischer Krimi, sondern eher eine ruhige Erzählung die den Leser mitnimmt und eine Geschichte erzählt, die viel mehr ist als eine Jagd nach einem Mörder.
Das HC hat einen schönen Schutzumschlag, dessen Bild gut zu dem Text passt. Ruhig, naturbelassen mit einem Eindruck eines drohenden Unheils- aber subtil, eher ein Gefühl, als eine Drohung.
Bereits ab der ersten Seite hat mich die Wortwahl und der Schreibstil begeistert. Der Autor findet eine klare Sprache und verwendet dabei auch gewählte und nicht so gebräuchliche Ausdrücke. Dadurch hebt er sich deutlich von übrigen Krimis ab. Der Krimi liest sich- auch wegen der Schriftgröße und des Schriftbildes- sehr angenehm.
Behandelt wird der Mord an Lovisa. Sie wurde erschlagen und anschließend wurde das Wohnhaus in Brand gesteckt. Mit diesem Feuer beginnt der Roman. Der erste Abschnitt umfasst 118 Seiten und spielt im November 1994. Als Verdächtiger wird gegen ihren Partner Edvard Christensson ermittelt. Seine Schuld ist seinem Umfeld auch schnell klar, da er sich zum Tatzeitpunkt in der Nähe befand und familiär entsprechen vorbelastet ist. Er wird sofort in Gewahrsam genommen und schließlich auch verurteilt.
Im Wesentlichen wird die Geschichte aus 2 Sichtweisen erzählt. Dem jungen Polizisten Vidar Jörgensson, der eher zufällig in die Ermittlungen involviert wird, da er in der Nähe des Tatorts wohnt und somit um zu helfen zum brennenden Haus kam und dem Jungen Isak Nyqvist, der der Neffe des Tatverdächtigen Edvard ist, eine enge Bindung zu ihm hat und ihn vergöttert.
In diesem ersten Abschnitt läuft die Verbrechensaufklärung eher nebenbei. Deutlicher wird die Auswirkung der Verbrechens und der Verhaftung für Isak und seine Familie beleuchtet. Diese erfahren Ausgrenzung und Anfeindung. Dadurch kommt es auch in der Ehe der Eltern zu Problemen und die Mutter flüchtet sich in Alkohol. Isak kann das Ganze nicht richtig verstehen, akzeptiert schließlich aber, dass sein Onkel wohl die Tat begangen hat und geht davon aus, dass etwas Böses auch in ihm schlummert.
Der 2. Abschnitt beginnt 10 Jahre später in 2004. Vidar ist weiterhin bei der Polizei und inzwischen aufgestiegen. Er ist im Einbruchsdezernat. Durch einen aktuellen Fall kommen ihm Zweifel, ob Edvard der Täter war. Dieser ist weiterhin inhaftiert und beharrt darauf, dass er unschuldig sei. Vidar beginnt vorsichtig und heimlich zu ermitteln.
Isak ist 18 und Schüler. Er hat Aggressionsprobleme, nimmt leichte Drogen und kämpft weiterhin mit seinen Dämonen. Er versucht zu ergründen was es über ihn aussagt, dass sein Onkel ein verurteilter Mörder ist.
Der letzte Abschnitt beginnt 12 Jahre später in 2017.
Besonders die Hauptfiguren Vidar und Isak werden gut herausgearbeitet und entwickeln sich über den Roman deutlich- leider überwiegend nicht zu ihrem Vorteil. Besonders Isak verliert zeitweise den Halt und wird von der Situation und seinen Gefühlen mitgerissen. Aber auch Vidar kämpft mit privaten Problemen und muss sich neu orientieren. Beide Figuren sind mir ans Herz gewachsen. Ich hätte so gerne geholfen und zumindest Isak aufgefangen.
Dieser Roman hat es geschafft, mich zu fesseln und immer weiterlesen lassen, ohne Verfolgungsjagden und ständige Gefahr für Leib und Leben. Ich wollte einfach weiter am Leben der Figuren teilhaben und habe so gehofft, dass alles gut werden würde.
Das Einsortieren in das Genre Krimi tut dem Buch meiner Meinung nach nicht gut. Es ist eine Tragödie, die mit einem Mord beginnt.
Von mir eine klare Leseempfehlung- nicht für die üblichen Krimi- und Thrillerleser, denn für diese Leserschaft wird wohl zu wenig Bewegung im Buch vorkommen, aber für Leser, die die schöne Sprache schätzen und einfach eine Geschichte hören möchten.

Bewertung vom 02.08.2021
Thompson, Tade

Wild Card


ausgezeichnet

Mordermittlung zwischen den Fronten

Weston Kogi lebt in London und kehrt nach 15 Jahren in seine Heimat Alcacia in Westafrika zurück, um seine Tante zu beerdigen, die ihn großgezogen hat. Dort trifft er unweigerlich auf Verwandte, mit denen er nichts gemein hat, seine Exfreundin Nana, mit der er wieder eine Beziehung eingeht und einen ehemaligen Mitschüler Church, der ihn schon zu Schulzeiten gequält hat. Um sich vor seinen Übergriffen zu schützen berichtet er ihm, dass er nun bei der Mordkommission arbeite- eine Lüge. Prompt wird der auf den Mordfall von Pa Busi angesetzt. Die beiden führenden Rebellengruppen LFA und PCA erwarten von ihm den Mord aufzuklären und herauszufinden, dass die jeweils andere Partei die Verantwortung trägt. Nach den anfänglichen Gedanken an Flucht übernimmt Weston tatsächlich den Fall und ermittelt.
Dieses Buch ließ mich bereits mit dem auffälligen Cover, das schön und überaus passend gestaltet ist, in ein fiktives Afrika eintauchen, das rau und gefährlich ist. Der Autor hat es geschafft mit seiner Sprache ein Gefühl zu vermitteln. Ich war als Leserin mit Weston unterwegs und habe empfunden, was er fühlt. Ich war hypnotisiert und habe das Buch verschlungen.
Gut gefallen hat mir auch der Umstand, dass zwar ein Leben der Bevölkerung im Bürgerkrieg und damit im Ausnahmezustand und abgestumpft gegen die Gewalt geschildert wird; Gewalt, Tod und Sex aber eher unaufgeregt am Rande erwähnt wurde. Darauf liegt nicht der Hauptaugenmerk der Geschichte und somit ist es auch stimmig, dass hier nicht so viele Worte verloren werden. Gewalt gehört zum dortigen Alltag. Es hat für mich die Szenerie stimmig gemacht und abgerundet, ohne dabei zu detailliert beschrieben zu werden.
Die Hauptfigur Weston startet in die Geschichte als Europäer, wird jedoch durch seine Erlebnisse und die äußeren Umstände verändert und passt sich an das Verhalten der Ortansässigen an. Dieser Prozess geschieht schleichend- wieder ohne viele Worte und innere Zerrissenheit- aber authentisch, da diese Änderung notwendig ist, um vor Ort zu bestehen.
Den Autor kannte ich bislang nicht, ich werde aber weitere Bücher von ihm lesen. Für mich ein außergewöhnliches Buch, dass eine klare Leseempfehlung erhält.