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JohnnyZombie

Bewertungen

Insgesamt 122 Bewertungen
Bewertung vom 14.07.2023
Grabuschnig, Ralf

Unterwegs zwischen Grenzen (eBook, ePUB)


sehr gut

Ralf Grabuschnig macht sich auf in die Grenzgebiete Europas, wo Kulturen und Sprachen von Minderheiten mehr oder minder gut überlebt haben. „Unterwegs zwischen Grenzen“ ist ein Reisebericht, der die historischen Entwicklungen, die zu diesen interessanten Konstellationen geführt haben, den heutigen Begebenheiten gegenüberstellt.

Der Stil ist dabei locker und humorvoll, wobei viel von der Persönlichkeit des Autors rüberkommt. Das bedeutet jedoch nicht, dass er sich vor den schwierigen Themen - seien es die zahlreichen Bevölkerungswanderungen im Mittelalter oder Verfolgungen im Nationalsozialismus - scheut.

Der Autor trifft dabei auf viele Angehörige dieser Minderheiten und Forscher:innen, die sich mit ihnen beschäftigen. Dadurch bekommen wir als Leser:innen nicht einfach nur den Blick von außenstehenden Personen mit, sondern erfahren auch viele Dinge, die den Menschen selbst wichtig sind, zum Beispiel ihr rechtlicher Kampf um Anerkennung als Minderheit oder die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die ihre Kultur bedrohen.

Mein einziger Kritikpunkt ist die Balance zwischen dem humorvollen Reisetagebuch und den historischen Fakten. Jedes Gebiet, das besucht wird, ist faszinierend genug für eine viel längere Abhandlung und ich hätte gerne mehr der Geschichte oder Interviews mit Expert:innen und Angehörigen dieser Minderheiten gelesen.

Andererseits schafft es das Buch dadurch auch, in wenigen Seiten sehr viele faszinierende Gruppen und Menschen vorzustellen, von denen ich vorher noch nie gehört habe. Für einen Überblick über die fünf vorgestellten Minderheiten lohnt es sich allemal.

Bewertung vom 26.01.2023
Bekono, Simone Atangana

Salomés Zorn


ausgezeichnet

Salomé hat das Gefühl, ihr Leben endgültig in den Sand gesetzt zu haben. Nicht nur im Gefängnis ist sie gefangen, sondern auch im Strudel ihrer Erinnerungen an mit ihrer Familie verbrachte Tage in ihrem Haus in den Niederlanden oder bei der Verwandtschaft in Kamerun und Rassismuserfahrungen in der Schule.

Das Buch liest sich sehr persönlich. Wir lernen Salomés innerste Gedanken kennen, ihre Ängste, Selbstzweifel und natürlich auch ihre Wut. Der Schreibstil, der in der Ich-Perspektive gehalten ist, und die prägnanten Sätze unterstreichen das. Vor allem die Szenen, in denen sie träumt oder Halluzinationen im Fieberwahn hat, haben mich sprachlich beeindruckt, weil die Sprache auch der Logik dieser Situationen gefolgt ist.

Stück für Stück dringen Salomé und wir zum Kern der Sache vor, dem Grund, warum sie eingesperrt worden ist. Und auch diese Szenen sind von ihrer persönlichen Einschätzung geprägt, nicht von der einer neutral beobachtenden Person. Wir bekommen mit, wie sie es sich fast anders überlegt hätte, wie sie es dann doch nicht auf sich sitzen lassen konnte, und dass sie es nicht bereut.

Aber auch die anderen Mitglieder ihrer Familie lernen wir kennen, samt ihrer Reaktionen zu Salomés Verhaftung. Sie sind allesamt realistische Figuren mit ihren Schwächen, die die Geschichte umso realer erscheinen lassen, ebenso wie die anderen Insassinnen im "Donut", wie das Gefängnis genannt wird.

"Salomés Zorn" nähert sich schwierigen und allumfassenden Themen, wie Rassismus, Ausgrenzung und dem Gefängnis-System, auf sehr persönlicher Ebene und macht ihre Auswirkungen dadurch umso deutlicher. Ein eindrücklicher und berührender Roman, der einen auch durch sein offenes Ende noch lange begleiten wird.