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Bewertungen

Insgesamt 206 Bewertungen
Bewertung vom 20.01.2023
Chalandon, Sorj

Verräterkind


sehr gut

»»Was denn, mein Gott, er ist doch noch ein Kind!« [Tante]
- »Genau! Ein Verräterkind, das sollte er wissen.« [Großvater]

1962 war das, da war ich zehn.«
(S.29)

Der französische Schriftsteller und Journalist Sorj Chalandon (*1952) hat für sein Schaffen zahlreichen Preisen erhalten und u. a. für seine Reportagen über den Prozess gegen den Klaus Barbie mit dem Albert-Londres-Preis (dem renommierteste Journalistenpreis Frankreichs) ausgezeichnet.

In seinem autobiografischen Buch »Verräterkind« (»Enfant de salaud«, aus dem Französischen von Brigitte Große) schreibt der Autor in zwei Handlungssträngen über seine Erlebnisse als Journalist bei genau diesem Prozess gegen K. Barbie, und parallel über die Anwesenheit seines Vaters bei dem Prozess in Lyon, über toxische Familienverhältnisse und die Lügen und Wahrheiten seines Vaters, der im 2. Weltkrieg mehr als einmal desertiert ist. …

Es ist viel Zeit vergangen seit er als kleiner Junge von seinem Großvater als »Verräterkind« bezeichnet und von seinem Vater manipuliert worden ist. 1987 während des Prozess gegen den Nazi-Verbrecher K.Barbie erhält Sorj Chalandon die Akten über seinen Vater und sucht in diesen Protokollen, Dokumenten und Beweisen nach der Wahrheit über diesen ihm so nahen und doch so fremden Vater.

Warum sucht der Autor so vergeblich nach der Wahrheit seines Vaters?

»Du warst im Knast, du Idiot! […] Das hättest du mir erzählen sollen. Ich muss wissen, wer du bist, um zu verstehen, woher ich komme. Ich will, dass du mit mir redest, dass du mir zuhörst, verstehst du, das verlange ich von dir! Ich bin nicht mehr in dem Alter, in dem man alles glaubt, sondern in dem, wo man versteht und akzeptiert. Diese Wahrheit bist du mir schuldig.« (S.63)

Es ist ein aufwühlendes, emotionales Buch bei dem ich mehr als einmal schwer aufgeatmet habe. Der Prozess gegen einen Nazi-Verbrecher und die erschütternden Zeugenaussagen werden sehr gut in die autobiografische Erzählung gebettet. Ich habe sehr mit dem Autor mitgefühlt, der sich mit dem Lügenkonstrukt seines Vaters fast (?) schmerzhaft auseinandersetzt. Eine beeindruckende schriftstellerische Leistung, mit großartigen Formulierungen dank der großen Übersetzungsleistung!

» »Warum haben Sie gelogen?«, fragt er.
»Weil ich dachte, dass ich mir so besser Geltung verschaffen kann.«

»Geltung verschaffen« habe ich mit einem fetten Rotstift un-terstrichen. Als du diese Worte zum ersten Mal in den Mund nahmst, warst du zweiundzwanzig, und heute, dreiundvierzig Jahre später, ist dieser Wunsch noch immer dein Elend und unser Schrecken.«
(S. 126)

Kein einfaches Buch, aber ein sehr wichtiges, das viele verschiedene Themen beleuchtet und vor allem eines zeigt: Das Wahrheit schwer greifbar ist.

Bewertung vom 11.01.2023
Weber, Sara

Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?


ausgezeichnet

»I don’t want to be a girl boss. I don’t want to hustle.I simply want to live my life slowly and lay down in bed of moss with my lover and enjoy the rest of my existence reading books, creating art, and loving myself and the people in my life.« (S.32) zitiert Sara Weber @miainmoments .

… & wer kann da bitte nicht zustimmen? 🤝🏼

Wir sollten uns also dringend mit Arbeit mehr, konstruktiver und intensiver auseinander setzen und neue Lösungen gemeinsam denken, entwickeln und umsetzen 💭

Warum?

»Wie wir heute abreiten, macht uns krank. […] Ich habe auch keine Lust mehr darauf: Weil ich glaube, dass unsere Art zu arbeiten weder besonders menschlich noch besonders nachhaltig ist. Nicht für uns, nicht für das Klima, für niemanden.« (S.17) 💥

In ihrem Sachbuch »Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten« (ET: 12.01.2023) setzt sich die Journalistin und Autorin Sara Weber in zwei Teilen intensiv damit auseinander, wie die Arbeitswelt für alle besser gestaltet werden kann. In Teil 1 wird die aktuelle Situation analysiert, kritisiert und bewertet, während in Teil 2 des Buches Visionen, Lösungen und neue Denkansätze diskutiert werden und konkrete Beispiele - sowohl negativ (z. B. Behindertenwerkstätten) als auch positiv - vorgestellt werden. Fachbegriffe wie Losy, Lovely and Bullshit Jobs oder auch mobiles Arbeiten werden erläutert und differenziert. Insgesamt wird viel Wissen vermittelt, mit Quellen und Studien belegt und sehr gut argumentiert. Eine fundierte Basis für uns alle, um die Diskussion rund um Arbeiten auf ein neues Level zu heben 🫴🏼

Eine große Leseempfehlung von mir für dieses sachliche, wissenschaftliche, informative und gut geschriebenes Sachbuch 🚀 Fans von ‚ALLE_ZEIT‘ von Teresa Bücker und allgemein von guten Sachbüchern wird dieses Buch ebenfalls sehr gefallen. 💁🏼‍♀️

[4.5/5 ☆]

Bewertung vom 18.12.2022
Schmitt, Caroline

Liebewesen


sehr gut

Warum Schwangerschaftsabbruch kein Tabu-Thema sein sollte und vieles mehr!
»Weil Männer nicht mitansehen können, dass andere Männer ihr Potential nicht voll ausschöpfen, ist die Welt so, wie sie ist, dachte ich.« (S.32)

Die Protagonistin Lio aus dem Debütroman »LIEBEWESEN« ist der Debütroman von Caroline Schmitt ist feministisch, eigenständig, intellektuell und witzig. Lio arbeitet als Biologin in einem Labor und lebte, bis sie den Radiomoderator Max über eine bekannte Dating-App kennenlernte, mit ihrer besten Freundin Mariam zusammen in einer WG. Der Roman erzählt eine Love-Story von Kennen- und Liebenlernen über Zusammenziehen und Zukunftsgedanken. Aber es wird auch erzählt, dass nicht alles rosarot ist. In Gedankenrückschauen erfahren Lesende von Lio gewalttätiger, dominanter und unberechenbarer Mutter und ihrem zurückhaltenden Vater, von einer Kindheit, die prägend war. Dabei ist der Schreibstil in der Ich-Form sehr klug, witzig, stellenweise sarkastisch, wenn nicht sogar zynisch und fein, so dass manchmal erst beim zweiten Lesen die eigentliche Schlagkraft eines Satzes bewusst wird:

»Ich hatte ihm nicht verraten, dass ich fast jede Woche mit Mariam Tennis spielte und mein Schlagarm besser in Schuss war als Max' Stimmbänder. Like mother, like daughter.« (S.40)

Es wird Max’ Depression thematisiert, die die gemeinsame Beziehung sehr belastet:

»Der Mann, dem morgens die ganze Stadt zuhören konnte und der abends seine Freund innen traf, war gut gelaunt, charmant und ironisch. Der Mann, mit dem ich zusammenlebte, war nicht in der Lage, seine Teller abzuwaschen oder staubzusaugen. Nur zu Hause und bei mir ging es ihm schlecht, für alle anderen blieb Max ein Magnet, der Strahlkraft für zehn hatte.« (S.107)

Schlussendlich wird Lio ungewollt schwanger und entscheidet sich alleine für einen Schwangerschaftsabbruch. Es ist ein Roman, der viele aktuelle Themen aufgreift und das Thema Muttersein, Schwangerschaftsabbruch und bewusste Kinderlosigkeit in den Vordergrund stellt. Es ist eine wirklich sehr realistische - stellenweise bedrückende - Erzählung einer möglichen Beziehung zwischen zwei Menschen, was dieses Buch so emotional werden lässt. Besonders der Schreibstil hat mich begeistert und ich musste stellenweise lachen, während ich überwiegend sehr mitgefühlt habe und Bedrückung, Trauer und Wut verspürt habe. Eine Achterbahn der Gefühle hat das Buch bei mir hinterlassen und auch viele Gedanken zu den genannten Themen. Stellenweise hätte ich mir noch mehr Auseinandersetzung gewünscht und zT war ich überrascht über einige Wendungen …

Ein wichtiges Buch und ein emotionales Leseerlebnis - ich bin gespannt auf alles weitere, was von dieser Autorin kommen wird. Meiner Meinung nach fehlt hier allerdings der wichtige Hinweis auf Triggerwarnung!

[3.5/5 ☆]

[TW: Schwangerschaftsabbruch; Gewalt; toxische Beziehung; Depression]

Bewertung vom 19.11.2022
Westermann, Christine

Die Familien der anderen


gut

»Ob ich all die Romane, die ich empfehle, auch wirklich immer bis zum Ende lese, werde ich oft gefragt. Eine Frage, die mich leicht verwirrt. Nur kurz die ersten zehn Seiten lesen, dann in der Mitte noch mal durchgeblättert, damit ich nichts Wichtiges verpasse und die letzten paar Seiten natürlich, damit ich den Buchtipp zu einem guten Ende bringen kann? Was für eine Mogelpackung wäre das denn?« (S.84)

Genau diese charmante Ehrlichkeit und unkonventionelle Art bei der Literaturanalyse/-kritik machen Journalistin, Autorin und Literaturkritikerin Christine Westermann so sympathisch! In ihrer Autobiografie »Die Familien der anderen. Mein Leben in Büchern.« schreibt sie in 15 Kapiteln (alle beginnen mit tollen Zitaten übers Lesen) über ihren Werdegang, ihr Leben, Bücher und das Lesen des Klassikers »Der Zauberberg« von Thomas Mann.

Das Buch verspricht eine Autobiografie in Bücher zu sein. Das stimmt insofern, als dass die Autorin Details aus ihrem Leben beschreibt, aber zu einem Großteil schreibt sie über den Inhalt von (insgesamt 47) Büchern, die sie sehr gerne gelesen hat. Das war mir einfach zu viel Inhaltsangabe/Buchempfehlung im Buch, auch wenn sie natürlich begründet, warum sie ihr Leben stückweit mit Büchern erzählt: »Ich habe jene Romane gelesen, weil sie gut erzählt waren, mich unterhalten, mich oft genug auch etwas gelehrt haben. Über das Leben der anderen, in denen ich meines wiedergefunden habe.« (S.8) Genau diese Verbindung zu ihrem eigenen Leben hat mir gefehlt und hätten diese Buchbeschreibungen für mich in den passenden Kontext gesetzt, wenn Bücher zur Erzählung eines Lebens genutzt werden (was ich als Booklover by heart sehr berechtigt finde!).

Insgesamt eine sehr interessante Autobiografie, die viele Fragen zur Person (wahrscheinlich sehr bewusst) offen lassen, dafür gibt die Autorin - ganz in ihrem Element - umso mehr Buchtipps. Leseempfehlung für alle Fans von Frau Westermann 💖

[3.5/5 ☆ ]

Bewertung vom 18.11.2022
Leßmann, Max Richard

Liebe in Zeiten der Follower


ausgezeichnet

Moderne Lyrik, die berührt, zum Nachdenken und Reflektieren anreget, bewegt, einen Nerv trifft, aufwühlt und gleichzeitig einfühlsam ist - ich weiß nicht, wie Max Richard Leßmann das macht, aber er macht es fantastisch mit seiner Lyrik.

Jeden Tag veröffentlicht der Künstler, Musiker und Poet Max Richard Leßmann ein Gedicht auf Instagram. Wie das täglich aussieht, könnt Ihr auf seinem tollen Account @maxrichardlessmann selbst sehen. Jetzt gibt es seine schönen, einfühlsamen, Mut machenden, ehrlichen und nachdenklich machende Gedichte auch zum Durchblättern als kleines Buch: »Liebe in Zeiten der Follower« 💜

In diesem Gedichtband versammelt Max seine digitalen Favoriten und macht diese auch allen außerhalb von Instagram zugänglich. Ein wirklich schönes Büchlein, das sich auch bestens als Geschenk eignet. (Ich habe es bereits an einen Lieblingsmenschen verschenkt 🤌🏼) Große Lesseempfehlung ♥️

Bewertung vom 02.11.2022
Würger, Takis

Unschuld


ausgezeichnet

»Manchmal war die Einsamkeit so groß, dass Molly sich fragte, wie sie weiteratmete.« (S.25) 💔

Molly Carver will die Unschuld ihres Vater Florentin beweisen, der wegen Mordes im Gefängnis sitzt und dem die Todesstrafe droht. Er soll den damals 16-jöhrigen Casper Rosendale ermordert haben. Diese Geschichte erzählt Autor & Journalist Takis Würger in seinem neusten Roman »UNSCHULD« und greift dabei gleich mehrere brisante und gesellschaftsrelevante Themen auf: Todesstrafe 💉, Stottern, Medikamentenmissbrauch, Huntington-Krankheit und Waffenlobbyismus 🔫 in den USA. Mit seinem pointierten Schreibstil gelingt es ihm, Leser:innen in seinen Bann zu ziehen und Stück für Stück die Perspektiven auf die Wahrheiten zum Mord von Casper zu enthüllen. Es ist keine Story, die noch nie in einer ähnlichen Variation erzählt worden wäre. Nein, das ist es nicht, was die Bücher von Takis Würger so besonders macht. Es ist die Art und Weise, wie der Autor schreibt, wie er Charaktere im Kopf der Lesenden lebendig werden lässt und es sind die feinen Worte, die er wählt, und das Zwischenmenschliche. ❤️‍🔥

» »Ich kenn dich. Du kannst schneller rennen als jedes andere Kind. Ich hab dich draußen beim Tauchen gesehen. Ich weiß, wie zäh du bist. Du bist eine Kriegerin. Keine Frage. Du musst mir nichts beweisen. Gar nichts. Und wenn du jeden Tag heulen willst, kann ich dich jeden Tag trösten. Tränen sind was Gutes. Beweist, dass bei dir im System alles im Lot ist. Ich weiß aber nicht, ob man so glücklich werden kann. Vielleicht ja, vielleicht nein. Musst du rausfinden. Aber ich weiß was anderes. Eine andere Möglichkeit.
Gegen das Weglaufen, meine ich.« […] »Was denn?«, fragte Molly. […] »Stehen bleiben«, sagte er.« 
(S.37) ❤️‍🩹

Können wir bitte mal darüber sprechen, was für ein GROSSARTIGER Erzähler Takis Würger ist?! 🫠 Nach »Der Club« 🦋🥊(Roman), »Stella« 👩🏼(Roman) & »Noah« 💙 (biografischer Bericht)ist es das vierte Buch, das ich von dem Autor gelesen und dabei nicht mehr aus der Hand legen konnte, bis ich es beendet habe. #pageturner

GROSSE LESEEMPFEHLUNG von mir für alle (und auch alle seine weiteren Bücher). Insbesondere alle Fans von »Der Club« 🦋🥊 werden von »UNSCHULD« lieben 💚

Bewertung vom 01.11.2022
Maar, Paul

Ein Hund mit Flügeln


gut

Wer kennt es nicht?! Das SAMS von Paul Maar 😍 Meine Schwestern und ich sind mit den großartigen Geschichten vom Sams aufgewachsen und umso gespannter bin ich, wenn ein neues Buch vom Autor Paul Maar (*1937) erscheint. Über 40 Bücher und Theaterstücke für junge Leser:innen hat der Autor veröffentlicht. Seine Biografie »Wie alles kam« [2020] fand ich ebenfalls sehr interessant und bewegend.

Jetzt ist der feine Erzählband »Ein Hund mit Flügeln: Erfundenes und Erlebtes« erschienen und vereint Kurzgeschichten, Gedichte, Gedankenfragmente und Erinnerungen des Autors auf 176 Seiten. Nicht alle der 19 Texte haben mich gecatcht - aber ich schätze, dass dies eine mögliche Eigenschaft von einem Kurzgeschichten-Band ist. Es ist ein bunter Blumenstrauß an Gedanken, Texten und Fragmenten und sicherlich für jede:n etwas dabei, das gefällt 💐 Stellenweise fand ich die ein oder andere Aussagen etwas antiquiert - sicherlich kann sich dies darauf zurückführen lassen, dass die Texte eine Sammlung über die über 50 jährige Schaffenszeit des Autors darstellen. Nichtsdestotrotz ist es ein sehr kurzweiliges, nachdenklich stimmendes 💭 aber auch erheiterndes Buch.

Das Gedicht »Mit dir« aus Seite 120 gehört ab jetzt zu meinen Lieblingsgedichten und fand ich sehr passend und berührend.

Insgesamt ein sehr kurzweiliges Buch, das erwachsene Fans des Autors sicherlich sehr begeistern wird.

(3,5 / 5 Sterne)

Bewertung vom 31.10.2022
Olsen, Tillie

Ich steh hier und bügle


sehr gut


Tillie Olsen (1912-2007) gilt als Ikone der literarischen Selbstermächtigung und Feministin. Sie ist bekannt für ihre Kurzgeschichten, Essays und Vorträge sowie einen Romanentwurf, welche nun erstmals ins Deutsche übersetzt und vom Aufbau Verlage veröffentlicht worden sind.

Das Buch »Ich steh hier und bügle« enthält 4 Stories der Autorin und wird ebenfalls um ein sehr passendes Nachwort ergänzt. Olson schreibt hierin über die Herausforderungen, denen Frauen gegenüber stehen, über Mutterschaft & Berufstätigkeit, über Familie, Gesellschaftsklassen und Armut.

Olson zeigt in ihren Essays, Vorträgen und Stories, dass sie intersektional Diskrimminierungsformen zusammendenkt und plädiert mit ihren Werken für eine Vision von einem literarischen Miteinander, in dem alle Stimmen gehört und gelesen werden. Eine große und nach wie vor sehr wichtige Vision ❤️‍🔥

Ich habe beide erschienen Bücher von Tillie Olson [»Was fehlt« & »Ich steh hier und bügle«] hintereinander gelesen und kann diese Kombination sehr empfehlen und finde, dass sich diese hervorragend ergänzen. Ich freue mich sehr über diese für mich literarische Entdeckung. Große Leseempfehlung 🫰🏼

Bewertung vom 31.10.2022
Olsen, Tillie

Was fehlt


sehr gut

Große Literatur einer - zu Recht - Ikone der literarischen Selbstermächtigung
»Wer schreibt, weiß, wie wichtig es ist, ernst genommen, mit Respekt für die eigene Vision und Redlichkeit behandelt zu werden, mit anderen Schreibenden kameradschaftlich zu verkehren, nach dem eigenen Werk beurteilt zu. Werden und nicht nach anderen Maßstäben, aber auch, welchen Zufälligkeiten Anerkennung und Veröffentlichung unterworfen sind. […], doch die allermeisten schreibenden Frauen sind hier im Nachteil.« (S.86 in »Was fehlt«)

Tillie Olsen (1912-2007) gilt als Ikone der literarischen Selbstermächtigung und Feministin. Sie ist bekannt für ihre Kurzgeschichten, Essays und Vorträge sowie einen Romanentwurf, welche nun erstmals ins Deutsche übersetzt und vom Aufbau Verlage veröffentlicht worden sind.

Den Titel dieser Essay- und Vortragssammlung »Was fehlt« von Tillie Olson, kann man als Frage oder auch als wehmütige Aussage verstehen. Das Buch versammelt 5 Vorträge / Essays der Autorin und das Vorwort von Julia Wolf setzt dieses sehr gelungen in den aktuellen Kontext.
Insbesondere das Essay »Das Schweigen in der Literatur« (1961) hat mich sehr begeistert und ist nach wie vor hochaktuell. Tillie Olsen hinterfragt in diesem Essay den Literaturbetrieb und Mechanismen: Wen lesen und hören wir bzw. wen nicht? Und weshalb? Zudem untersucht sie, welche verschiedenen Arten des Schweigens in der Literatur zu finden sind und warum. 💭 Dabei zitiert sie passende Stellen von Autor:innen und

Das Buch »Ich steh hier und bügle« enthält 4 Stories der Autorin und wird ebenfalls um ein sehr passendes Nachwort ergänzt. Olson schreibt hierin über die Herausforderungen, denen Frauen gegenüber stehen, über Mutterschaft & Berufstätigkeit, über Familie, Gesellschaftsklassen und Armut.

Olson zeigt in ihren Essays, Vorträgen und Stories, dass sie intersektional Diskrimminierungsformen zusammendenkt und plädiert mit ihren Werken für eine Vision von einem literarischen Miteinander, in dem alle Stimmen gehört und gelesen werden. Eine große und nach wie vor sehr wichtige Vision ❤️‍🔥
Ich habe beide erschienen Bücher von Tillie Olson [»Was fehlt« & »Ich steh hier und bügle«] hintereinander gelesen und kann diese Kombination sehr empfehlen und finde, dass sich diese hervorragend ergänzen. Ich freue mich sehr über diese für mich literarische Entdeckung. Große Leseempfehlung 🫰🏼

Bewertung vom 19.10.2022
Bücker, Teresa

Alle_Zeit


ausgezeichnet

»Warum empfinden wir, dass die Zeit niemals reicht?« (S.13) ⌚️

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