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Benutzername: 
Frau M. aus M.
Wohnort: 
Magdeburg

Bewertungen

Insgesamt 112 Bewertungen
Bewertung vom 01.11.2021
Gesammelte Werke
Sandgren, Lydia

Gesammelte Werke


ausgezeichnet

"Gesammelte Werke" von Lydia Sandgren ist mit 874 Seiten ein ziemlich dicker Schmöker. Die Geschichte spielt in Schweden, hauptsächlich in Göteborg. Sie rankt sich um den fünfzigjährigen Verleger Martin Berg, der sich in einer Lebenskrise befindet, und dessen Familie, zu der auch sein langjähriger Jugendfreund der Maler Gustav Becker zu zählen ist. Cecilia, Martins Frau hat die Familie vor vielen Jahren von einen Tag auf den anderen verlassen und ist seitdem unauffindbar. Diese Tatsache hält viele Seiten über die Spannung in der Geschichte. Wie kam es dazu? Warum ging sie? Wohin ging sie? Wo ist sie jetzt? Was bedeutet das für die Kinder Rakel und Elis?

Mit leichtfüßiger und vielseitiger Sprache werden Stimmungen, Gefühle, Situationen, Figuren und auch Orte sehr genau und ausführlich beschrieben. Das war sicher auch für die Übersetzer eine besondere Anforderung. Die Autorin nimmt sich die Zeit, sehr genau hinzusehen und die Dinge auch wirken zu lassen. Sie schwelgt im Spiel mit sprachlichen Bildern. Die Figuren beschäftigen sich mit Psychologie, Philosophie, Kunst, Literatur und Geschichte. Das alles fließt direkt in den Roman ein. Er beschäftigt sich sozusagen auch mit seiner eigenen Entstehung. Die Ereignisse werden von den verschiedenen Positionen der Familienmitglieder aus betrachtet. Dadurch ergeben sich sehr detaillierte und sehr schöne Bilder. Zwischen all dem Text gibt es außerdem auch viel Unausgesprochenes.

Dies ist kein schneller Roman. Man kann sich Zeit nehmen, sich darauf einzulassen und ihn zu genießen. Für mich ist der Roman ein sprachliches Gemälde, "eine Dichtung, der es um die seelische Tiefe des Menschen geht" (S.130).

Bewertung vom 30.09.2021
Betongold
Weber, Tanja

Betongold


ausgezeichnet

Der Schani, der Moni und der Smokey
Die Geschichte ist in München im Corona-Jahr 2020 angesiedelt. Sie dreht sich um drei alte Freunde in den Sechzigern. Einer von ihnen, der Schani, wird tot in einer Baugrube aufgefunden. Der Smokey ist ein schon seit einigen Jahren pensionierter Mordermittler, der in dieser Sache eigene Ermittlungen dazu anstellt, weil er natürlich persönlich daran interessiert ist, herauszufinden, was mit seinem Freund passiert ist. Der Moni mit seiner Eck-Kneipe ist immer wieder ein Anlaufpunkt, um zur Ruhe zu kommen.
Toll finde ich, wie die Rückblenden zu anderen wichtigen Zeitpunkten eingestrickt sind. So wird erkennbar, wie die einstigen Jungs zu erwachsenen Männern wurden und wie sie durch Ereignisse in ihren Leben geformt, verbogen, verletzt und letztendlich zu dem wurden, was sie jetzt sind.
Der Sprachstil und damit auch die Denke ist durch und durch bayrisch. Das hat mir beim Lesen großen Spaß gemacht.
Die eindringliche Bezeichnung auf der Titelseite, dass es sich um einen Kriminalroman handelt, erschien mir zunächst etwas übertrieben, auch wenn es um einen Todesfall geht, der genauerer Untersuchung bedarf. Im Verlaufe der Handlung wird jedoch klar, dass ganz andere kriminelle Umstände gemeint sind. Vor dem Hintergrund der angespannten Immobiliensituatiion in München geht es um Bestechung, Intrigen und andere Macht- und Geldspielchen, bei denen die Täter unerkannt bzw. unbehelligt bleiben, weil das System diese Art von Handlungen begünstigt. Diejenigen, die sich nicht hundertprozentig darin einfügen und skrupellos genug sein können, können daran zerbrechen.
Es ist ein tolles Buch, ein klares Zeitdokument und ein spannender Krimi.