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Insgesamt 208 Bewertungen
Bewertung vom 07.02.2022
Das Archiv (eBook, ePUB)
Leuchtenberger, Michael

Das Archiv (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

"Das Archiv" ist eine Kurzgeschichte von Michael Leuchtenberger, die ca. 15 Seiten umfasst. Erzählt wird die Geschichte in Briefform von Johannes Meerbusch, der, als Mitarbeiter eines hochschulischen Zentralen Prüfungsamtes, die Aufgabe hat, die Dokumente eines lang verschlossenen Kellerraumes zu sortieren. Schnell erkennt er, dass der Kellerraum nicht umsonst abgeschlossen war. „Das Archiv“ ist eine sehr atmosphärische Gruselgeschichte mit einem unheimlichen Setting. Der Grusel breitet sich innerhalb der Handlung schön sanft aus, wodurch die Erzählung einen besonderen Sog auswirkt.

Bewertung vom 07.02.2022
Derrière La Porte
Leuchtenberger, Michael

Derrière La Porte


ausgezeichnet

„Derrière La Porte“ ist ein Kurzgeschichtenband von Michael Leuchtenberger. Der Schwerpunkt des Bandes liegt auf Horror-/Gruselgeschichten; es finden sich allerdings auch Erzählungen anderer Genres. Jeder Geschichte ist außerdem ein kleiner Text vorangestellt, in dem Michael Leuchtenberger Einblicke in den Entstehungsprozess der jeweiligen Erzählungen gibt. Insgesamt bestechen die Kurzgeschichten durch eine hohe atmosphärische Dichte: Die jeweiligen Handlungen entfalten sich meist behutsam, sodass sich oft eine latente Spannung/ein subtiler Grusel durch die Geschichten zieht. Zudem lassen sich die Kurzgeschichten sehr flüssig lesen. Damit man sich ein besseres Bild von dem Sammelband machen kann, stelle ich im Folgenden jede Geschichte kurz und spoilerfrei vor.

1. Den Beginn von „Derrière La Porte“ macht „Das Archiv“. Erzählt wird die Geschichte in Briefform von Johannes Meerbusch, der, als Mitarbeiter eines hochschulischen Zentralen Prüfungsamtes, die Aufgabe hat, die Dokumente eines lang verschlossenen Kellerraumes zu sortieren. Schnell erkennt er, dass der Kellerraum nicht umsonst abgeschlossen war. „Das Archiv“ ist eine sehr atmosphärische Gruselgeschichte mit einem unheimlichen Setting. Der Grusel breitet sich innerhalb der Handlung schön sanft aus, wodurch die Erzählung einen besonderen Sog auswirkt.

2. „Lampionfest“, eine Geschichte über die Mitglieder eines Campingvereins, ist keine paranormale Erzählung. Im Gegenteil: Sie könnte sich genauso in unserer Welt abspielen, da sie sich mit einem gesellschaftlich relevanten Problem auseinandersetzt. Auch „Lampionfest“ besticht durch einen behutsamen Aufbau, wodurch das Ende umso eindrücklicher wird.

3. „Die schwarzen Augen“ ist eine Horrorgeschichte, die im 18. Jahrhundert in Frankreich spielt. Der Plot dreht sich um zwei junge Liebende, deren Glück jäh unterbrochen wird.

4. „Zwei Inseln“ ist die kürzeste Geschichte des Bandes. Sie spielt in einer dystopischen Zukunft, in der das Klima vollends gekippt und die Klimakatastrophe Realität geworden ist.

5. „Marie Marais“ handelt von einem Reisenden und seiner schaurigen Tante. Auch diese Geschichte ist wieder dem Horrorgenre zuzuordnen. Besonders gut hat mir die eindrückliche Beschreibung des Verhaltens der Tante gefallen.

6. „Dein Name an der Tür“, in deren Mittelpunkt ein ruinöses Haus steht, zeichnet sich durch eine große Vagheit aus, die in eine träumerische Richtung geht. Durchzogen ist die Erzählung von einem melancholischen Ton.

7. In „Das schwarze Bild“ spielen erneut paranormale Elemente eine große Rolle. Sie handelt von einer Freundschaft, die in Hass umschlägt. Die Geschichte hat eher einen prologartigen Charakter, sodass am Ende nicht alle Fragen geklärt werden.

8. „Radegundes Kamm oder Die unverhoffte Flucht“ ist eine interessante Mischung aus Märchenmotiven und Science-Fiction-Elementen. Zu Beginn erinnert die Geschichte an „Rapunzel“, allerdings wendet sie sich schnell in Richtung Sci-Fi: Radegundes Kamm ist nämlich ein Smart Device, das mit der Zeit gelernt hat, Mitleid zu empfinden. „Radegundes Kamm“ ist aufgrund dieser Ausgangslage für mich die außergewöhnlichste Geschichte der Kurzgeschichtensammlung und – neben „Das Archiv“ – eine meiner Lieblingsgeschichten.

9. „Geisternetz“ ist eine Horrorgeschichte, die von einer Gruppe Umweltschützer handelt, die Geisternetze aus dem Ozean beseitigen. Eines dieser Geisternetze besitzt aber ein Eigenleben, sodass die Gruppe selbst in eine unvorhersehbar gefährliche Situation gerät. „Geisternetz“ hat eine schöne Spannungskurve, die sich schrittweise steigert.

10. „Der Despot“ ist wieder in unserer Welt angesiedelt. Die Erzählung handelt von einer Figur, die ihr despotisches Verhalten immer weiter steigert - bis zu einem fulminanten Ende, das fassungslos zurücklässt.

11. „Derrière La Porte“ schließt mit „Blauglas“, einer Fantasygeschichte, in der ein besonderes Artefakt gesucht wird. Die Handlungswelt besitzt leicht dystopische Züge; auch sub

Bewertung vom 06.02.2022
Bis in den Tod hinein / Kommissar Boesherz Bd.1
Kliesch, Vincent

Bis in den Tod hinein / Kommissar Boesherz Bd.1


ausgezeichnet

Ein spannender Thriller mit interessanten Figuren

Inhalt: Eine Mordserie erschüttert Berlin: Innerhalb kürzester Zeit wird das LKA-Team um Kommissar Severin Boesherz zu drei verschiedenen Tatorten gerufen. Dabei gleicht keine Tat der anderen: Jeder Mord ist auf das jeweilige Opfer zugeschnitten. Einziges Bindeglied: Eine bestimmte Zahl, die bei jeder Leiche gefunden wird und deren genaue Bedeutung Rätsel aufgibt. Zeitgleich zu den Morden verschwindet zudem ein Topmodel, das eigentlich in der nahen Zukunft für eine Casting-Show vor der Kamera stehen sollte. Ist sie ebenfalls ein Opfer des Serienkillers? Oder hat ihr Verschwinden eine ganz andere Bedeutung?

Persönliche Meinung: „Bis in den Tod hinein“ ist ein Thriller von Vincent Kliesch. Der Thriller erschien bereits 2013 im Blanvalet Verlag und ist jetzt von Droemer Knaur neu aufgelegt worden. Es handelt sich um den ersten Band der Bösherz-Dilogie. Erzählt wird der Thriller hauptsächlich aus den personalen Erzählperspektiven Boesherz‘ und des Täters. Beide sind auf ihre Art interessante Figuren. Boesherz ist ein Ermittler, der seinen eigenen Kopf hat und zwischendurch auch unkonventionelle Wege geht, um sein Ziel zu erreichen. Er tritt eher forsch auf – mal charmant, mal arrogant – und ist in „Bis in den Tod hinein“ noch nicht so eine nachdenkliche, zurückgezogen lebende und gebrochene Figur wie später in „Im Auge des Zebras“. Auch die Täterfigur, in deren Psyche man tiefe Einblicke erhält, wird eindrücklich gezeichnet: Der Täter ist stark neurotisch, penibel und zwanghaft; zugleich besitzt er eine gesteigerte Liebe zur deutschen Sprache. Dementsprechend individuell und speziell ist auch sein Motiv für die Morde (Um Spoiler zu vermeiden, gehe ich auf das Motiv nicht näher ein. Ich fand es aber sehr originell und stimmig). Die Identität des Täters wird im Vergleich zu anderen Thrillern/Krimis bereits recht früh offenbart, aber das nimmt der Handlung nicht die Spannung. Denn: Der Fall ist komplexer und hintergründiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Außerdem fährt die Handlung zweigleisig, indem sie – zusätzlich zu den Mordfällen – einen weiteren Fall behandelt: Das Verschwinden des Topmodels, bei dem nicht Boesherz, sondern Dennis Baum, ein Kollege Boesherz‘, ermittelt. Zur Handlung selbst möchte ich nicht zu viel verraten. Nur: Sie ist insgesamt sehr gut durchdacht, schön aufgebaut und besitzt mehrere überraschende Wendungen. Durch die kurzen Kapitel wird sie außerdem temporeich erzählt. Insgesamt ist „Bis in den Tod hinein“ ein fesselnder Thriller mit einer wendungsreichen Handlung und interessanten Figuren.

Bewertung vom 29.01.2022
Im Auge des Zebras / Olivia Holzmann Bd.1
Kliesch, Vincent

Im Auge des Zebras / Olivia Holzmann Bd.1


sehr gut

Ein spannender Reihenauftakt

Inhalt: Zeitgleich verschwinden in ganz Deutschland Kinder und Jugendliche. Ihre Eltern werden - kurz nachdem sie die Vermisstenmeldung aufgesetzt haben - ermordet. Auffällig dabei ist, dass sowohl die Zeugenaussagen der Eltern als auch die DNA-Analysen darauf hinweisen, dass immer ein und dieselbe Person der Täter ist. Die Kinder und Jugendlichen bleiben, trotz intensiver Suche, verschwunden. Um das Rennen gegen die Zeit nicht zu verlieren und die Entführten noch lebend zu finden, bleibt Kommissarin Olivia Holzmann nur noch eine Möglichkeit: Sie bittet ihren alten Kollegen Severin Boesherz - ein ermittlerisches Mastermind, das sich vor Jahren zur Ruhe gesetzt hat - um Hilfe.

Persönliche Meinung: „Im Auge des Zebras“ ist ein Thriller von Vincent Kliesch. Der Thriller schließt an Klieschs Bösherz-Dilogie („Bis in den Tod hinein“; „Im Augenblick des Todes“) an, ist aber zugleich der Auftakt einer neuen Reihe, die die Kommissarin Olivia Holzmann in den Fokus rückt. Denn: Severin Boesherz hat sich vor einigen Jahren zurückgezogen, will nicht mehr ermitteln, da er befürchtet, durch seine besondere Gabe immer neue Verbrecher „anzulocken“, die ihn herausfordern möchten. Da jede verlorene Minute den Tod der Vermissten näherbringt, bittet Olivia ihn dennoch um Rat und involviert ihn so in den Fall. Erzählt wird „Im Auge des Zebras“ aus verschiedenen personalen Erzählperspektiven und auf unterschiedlichen Zeitebenen. Die drei Hauptperspektiven dabei sind Olivia Holzmann, Severin Boesherz und Ferdinand Boesherz, der Sohn Severins. Besonders Severin Boesherz ist eine interessante Ermittlerfigur: Er ist ein an Sherlock Holmes erinnernder deduktiver Denker, der ein photographisches Gedächtnis besitzt und sich mental in Erinnerungsräume denken bzw. zurückziehen kann. Sein Sohn Ferdinand besitzt eine ähnliche Begabung, allerdings ist diese noch nicht so ausgeprägt wie bei seinem Vater. Daher steht er ebenso wie Olivia eher im Schatten von S. Boesherz. Das passt sehr gut zum Konzept des Thrillers: Die Handlung ist gewissermaßen als Initiation/Abnabelung Olivias und Ferdinands angelegt, was insgesamt stimmig umgesetzt wird (mehr kann ich, ohne zu spoilern, nicht verraten). Aber auch der Fall um die entführten Kinder/Jugendlichen ist schön durchdacht und konstruiert. Die Handlung ist insgesamt sehr wendungsreich und besitzt eine fesselnde Spannungskurve. Mehrmals wird man auf falsche Fährten geführt und durch Twiste überrascht. Durch die kurzen Kapitel und häufigen Perspektivwechsel ist die Handlung zudem sehr temporeich (zu Beginn eines Kapitels steht immer, welche Perspektive eingenommen wird, sodass man nicht durcheinanderkommt). Insgesamt ist „Im Auge des Zebras“ ein spannender und wendungsreicher Thriller, der die Lesenden mehrmals auf die falsche Fährte führt und sich sehr flüssig lesen lässt.

Bewertung vom 20.01.2022
Eisflut 1784
Hasenkopf, Marco

Eisflut 1784


ausgezeichnet

Ein düsterer, fundiert recherchierter historischer Kriminalroman mit einer großen Portion Lokalkolorit

Inhalt: 1784: Eigentlich soll der bergische Amtmann Henrik Venray den Fortgang der Deichbauarbeiten im rechtsrheinischen Mülheim kontrollieren. Dort stößt er aber nicht nur auf eklatante Baurückstände, sondern auch auf eine Leiche, die bei genauerem Hinsehen Stichwunden aufweist. Mithilfe der Apothekerin Anna-Maria Scheidt wird schnell klar: Es handelt sich um Mord. Um diesem auf den Grund zu gehen, reisen die beiden in das nahe gelegene Cöln. Doch der Mörder ist nicht die einzige Gefahr. Durch den überaus harten Winter türmen sich Eismassen auf dem Rhein, die, sobald das Wetter milder wird, zu schmelzen beginnen. Eine Eisflut mit unkalkulierbaren Folgen droht.

Persönliche Meinung: „Eisflut 1784“ ist ein historischer Kriminalroman von Marco Hasenkopf. Erzählt wird der Roman hauptsächlich aus der personalen Erzählperspektive von Henrik Venray. Zeitlich spielt die Handlung im ausgehenden 18. Jahrhundert: Das Heilige Römische Reich deutscher Nation existiert noch, ist aber durch seinen charakteristischen Flickenteppich politisch stark zerfasert, was Hasenkopf anschaulich darstellt. So hat in Mülheim am Rhein weniger der bergische Landesfürst das Sagen. Im Gegenteil: Die lokalen, dekadent lebenden Adligen/Unternehmer bestimmen die Geschicke Mülheims. In Cöln wiederum waltet der Rat eher pro forma; in Wahrheit regiert der Klüngel, weshalb Venray sich mehrmals vor verschlossenen Türen wiederfindet. Beide Städte stehen zudem wirtschaftlich in ständiger Konkurrenz, was die Ermittlungen Venrays ebenfalls nicht vereinfacht. Besonders lebhaft und eindrücklich zeichnet Hasenkopf den Handlungsort Cöln: Karnevalistische Exzesse finden neben bigotten Prozessionen statt; Reichtum und Armut sind auf engstem Raum nebeneinander. Schöne Kontrastpunkte zu der ansonsten verkrusteten Gesellschaft des "Alten Reiches" bilden die beiden Hauptfiguren Henrik Venray und Anna-Maria Scheidt, denn beide sind als fortschrittlich charakterisiert. Henrik Venray, als Amtmann und Adliger eigentlich Repräsentant der überkommenen Herrschaftsstruktur, ist reformorientiert, offen für Neues und insgesamt liberal eingestellt. Anna-Maria Scheidt ist selbstbewusst, begehrt gegen die von Männern dominierte Welt des 18. Jahrhunderts auf und geht selbstbestimmt ihren Weg. Was mir ebenfalls sehr gut an dem Krimi gefallen hat, ist, dass die Dramaturgie der Krimihandlung mit dem Verlauf der Eisflut verflochten ist (besonders der Klimax beider ist wirklich klasse geschrieben). Wortwahl und Satzbau des Romans orientieren sich an zeitgenössischen Vorbildern, wodurch die Handlung im Ganzen historisch authentisch wirkt. Insgesamt ist „Eisflut 1784“ ein düsterer, fundiert recherchierter historischer Kriminalroman mit einer großen Portion Lokalkolorit.

Bewertung vom 19.01.2022
Regen von unten
Lah, Barbara

Regen von unten


ausgezeichnet

Ein fesselnder Roman, der unterschiedliche Genres miteinander vermischt

Inhalt: Lissabon 2018. Aus dem Nichts erhält Paulo einen Brief vom Anwalt seines Großvaters. Sein Großvater Mercúrio, den er noch nie getroffen hat, möchte ihm sein Haus in Santa Ovielo, einem abgelegenen Dorf, vererben. Paulo beschließt, seinem Großvater einen Besuch abzustatten. Dort angekommen, hat er eine Begegnung, die eigentlich unmöglich ist: Er trifft Emilia, eine junge Frau, die 1961 gestorben ist. Niemand weiß, warum Emilia nach ihrem Tod nicht in das Jenseits hinübergegangen ist. Irgendetwas scheint sie zurückzuhalten, sodass Paulo beginnt, Nachforschungen zu ihrem Tod anzustellen - womit nicht jeder im Dorf einverstanden ist...

Persönliche Meinung: „Regen von unten“ von Barbara Lah ist ein Roman, der Elemente mehrerer Gattungen in sich vereint. Erzählt wird der Roman auf verschiedenen Zeitebenen aus unterschiedlichen Perspektiven. Dabei existieren zwei Haupthandlungsstränge: Der erste wird aus der Ich-Perspektive von Emilia erzählt, spielt 1961 und behandelt die Ereignisse kurz vor Emilias Tod; der zweite, in dem wir Paulo bei seinen Nachforschungen zu Emilias Tod begleiten, findet 2018 statt. Hier wird eine personale Erzählperspektive eingenommen. Durch die verschiedenen Perspektiven, Zeitebenen und Handlungsstränge entsteht eine schöne Spannungskurve. Bereits zu Beginn werden mehrere Fragen aufgeworfen. Um nur einige zu nennen: Was ist mit Emilia passiert? Warum ist sie noch im Diesseits? Welche Rolle spielt Mercúrio dabei? Wieso verhält sich die Dorfgemeinschaft so feindselig gegenüber Paulos Nachforschungen? Mit anderen Worten: Jede Figur verbirgt ein Geheimnis, das es aufzudecken gilt. Nach und nach, mit jeder gelesenen Perspektive, fügt sich mosaikartig ein vollständiges Bild zusammen, wodurch „Regen von unten“ eine fesselnde Lektüre ist. Die Auflösung ist dabei so herzzerreißend-tragisch wie auch schön. Außerdem ist „Regen von unten“ ein vielschichtiger Roman, den man keiner einzelnen Gattung zuordnen kann. So gesellt sich zu den Krimielementen eine Portion Mystery mit einem feinen Quäntchen Grusel. In diese Mischung eingeflochten ist zudem eine Liebesgeschichte. Eingebettet ist wiederum alles in eine besondere Familiengeschichte. Auf den ersten Blick mag dieses Gattungsgemisch gewagt erscheinen. Aber: Sorgen sind völlig unbegründet. Die Vermengung verschiedener Genres funktioniert in „Regen von unten“ sehr gut und macht den Roman zu einer einzigartigen Lektüre. Insgesamt ist „Regen von unten“ ein fesselnder Roman, der aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird und unterschiedlichste Genres miteinander vermischt.

Bewertung vom 13.01.2022
Perfect Day
Hausmann, Romy

Perfect Day


ausgezeichnet

Ein spannender psychologischer Thriller mit vielen Wendungen

Inhalt: Ein ganz normaler, ja vielleicht gerade dadurch perfekter Abend: Ann ist bei ihrem Vater Walter Lesniak, einem renommierten Philosophieprofesser. Die Pizza ist bestellt, der Bote lässt noch auf sich warten, Walter ist aber trotzdem zu Scherzen aufgelegt. Doch plötzlich sieht Ann Blaulicht durch die Fenster blitzen und im nächsten Moment hat sich schon ein Einsatzkommando auf ihren Vater gestürzt. Er wird verdächtigt, für den Tod von zehn Mädchen verantwortlich zu sein. Ann kann dies nicht glauben und will durch eigene Ermittlungen die Unschuld ihres Vaters beweisen. Dabei muss sie mehrmals in die Abgründe der menschlichen Seele schauen…

Persönliche Meinung: „Perfect Day“ ist ein psychologischer Thriller von Romy Hausmann. Erzählt wird „Perfect Day“ hauptsächlich aus der Ich-Perspektive von Ann, die versucht, die Unschuld ihres Vaters zu beweisen. Die Gedankengänge Anns, die aufgrund ihrer Befangenheit nicht immer logisch sind, ihre Unsicherheit, Enttäuschung, Trauer und innere Zerrissenheit werden dabei eindrücklich deutlich. Durch diese persönliche Befangenheit weist Ann Züge einer unzuverlässigen Erzählfigur auf, sodass unklar ist, inwiefern man ihr in Bezug auf ihren Vater trauen kann. Kennt sie ihn überhaupt wirklich? Oder neigt sie dazu, ihn zu idealisieren? Neben dem Ann-Handlungsstrang existieren noch zwei kleinere Handlungsstränge. Einer dieser Handlungsstränge („Wir“) wird von einer anonymen Ich-Figur erzählt, die eine weitere Figur entführt zu haben scheint. Spannung entsteht besonders dadurch, dass man weder weiß, wer „Wir“ ist, noch sicher sagen kann, wann der Handlungsstrang überhaupt spielt (Zeitgleich zu Ann? Davor? Danach?). Die Fragen nach dem Wer dominiert auch den dritten Erzählstrang: ein 2021 stattfindendes Interview, dessen Gesprächspartner nicht genannt werden. Zur Handlung möchte ich zwecks Spoilervermeidung gar nicht so viel sagen. Nur: Sie ist durch die verschiedenen Erzählstränge und die persönliche „Vorbelastung“ Anns spannend, besitzt (große und kleine) Twiste und ist vergleichsweise unvorhersehbar. Wenig ist dabei so, wie es zunächst erscheint. Oftmals wird ein Blick in die Abgründe der menschlichen Seele geworfen – und das nicht nur bei der Täterfigur. Vielleicht ist „Perfect Day“ ein Stück weit zu konstruiert, insgesamt ist die Handlung aber sehr stimmig. Besonders gut hat mir auch die Ausgestaltung von „Schergel“ gefallen, einem Dorf, das Ann im Laufe ihrer Ermittlungen bereist. Die Bewohner scheinen – besonders aus der Sicht von Ann, die Großstädterin ist – leicht aus der Zeit gefallen und eine verschworene Gemeinschaft zu bilden; Privatsphäre existiert dabei kaum. Der Schreibstil von Romy Hausmann ist schnörkellos, fast schon lakonisch und sorgt so für eine beklemmende Atmosphäre, die sehr gut zur Handlung von „Perfect Day“ passt. Insgesamt ist „Perfect Day“ ein spannender psychologischer Thriller, der mit vielen unerwarteten Wendungen auftrumpft und beklemmend erzählt wird.

Bewertung vom 10.01.2022
SEA. Die Lebenden und die, die sterben
Klugmann, Norbert;Jarchow, Klaas

SEA. Die Lebenden und die, die sterben


ausgezeichnet

Ein Roman, der ungewohnte Wege geht

Inhalt: Der 20-jährige Warren Liebermann macht gemeinsam mit seinem Vater Charles Fabianski Urlaub auf einer schwedischen Schäre. Die Insel mutet idyllisch an: Wellen schwappen beruhigend an die felsige Küste, Wiesen und Wälder sind naturbelassen und nur eine Handvoll Menschen bewohnt die Insel. Doch der Schein trügt: Nicht jeder Inselbewohner hat gute Absichten…

Persönliche Meinung: „Sea. Die Lebenden und die, die sterben“ ist ein Roman von Norbert Klugmann und Klaas Jarchow. Nach „River“ (erschienen 2020) ist es der zweite Teil der „River – Sea – Lake“-Trilogie. „Sea“, das fünf Jahre nach den Ereignissen von „River“ spielt, erzählt die in „River“ begonnene Geschichte von Warren Liebermann und seiner unorthodoxen Familie weiter. Die Handlung beider Romane ist in sich abgeschlossen. Auch werden in „Sea“ alle nötigen Hintergrundinformationen genannt, sodass man den Roman ohne Kenntnis des ersten Bandes lesen kann. Erzählt wird „Sea“ von einem allwissenden Erzähler, der sich aber häufig hinter der Perspektive der Figuren (meist Warrens) versteckt. „Sea“ lässt sich schwer einem Genre zuordnen. Inhaltlich beschäftigt sich der Roman mit einem gesellschaftlichen Problem der Gegenwart (Ich nenne es jetzt nicht beim Namen, um Spoiler zu vermeiden). Außerdem finden sich in der Handlung Coming of Age-Elemente wie die erste, große Liebe und das sexuelle Erwachen. Gleichzeitig ist „Sea“ aber auch ein Familienroman – und zwar in zweifacher Hinsicht. So wird nicht nur die Geschichte von Warrens Familie (weiter)erzählt. Auch die Familiengeschichte der Bewohnenden der Schären-Insel spielt eine große Rolle. Um die Geschichte der Schären-Familie zu erzählen, werden häufig Zeitsprünge in die Vergangenheit gemacht (meist in die 1970er und 80er Jahre). Interessant ist in diesem Kontext, dass diese Zeitsprünge – ebenso wie „River“ – im Blankeneser Treppenviertel spielen, wodurch ein schöner Querverweis zwischen „River“ und „Sea“ entsteht. Der Erzählton von „Sea“ ist distanziert bis lakonisch, woran man sich zunächst gewöhnen muss: Der Erzähler beschreibt Szenen nüchtern, häufig parataktisch. Dialoge zwischen den Figuren nehmen einen großen Raum ein, weshalb der Erzähler oft zurücktritt. Die Figuren bleiben durch den Rücktritt der Erzählinstanz stellenweise blass, was aber gleichzeitig zum Konzept der Trilogie gehört: Wie schon bei „River“ gibt es auch bei „Sea“ einen geheimen Protagonisten, der das Leben der anderen (menschlichen) Hauptfiguren beeinflusst: Bei „River“ ist es die Elbe, die sich an das Treppenviertel schmiegt; bei „Sea“ hingegen die Ostsee, die die schroffe Küste der Schäre umfließt. Im Fokus stehen daher weniger die Figuren als viel mehr die Gewässer, die diese Figuren umgeben und prägen. „Sea“ ist ein Roman, der in Bezug auf Figurenzeichnung, Grundidee und Erzählton ungewohnte Wege geht, wodurch er insgesamt eine interessante Lektüre ist.