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drachenzahn

Bewertungen

Insgesamt 117 Bewertungen
Bewertung vom 02.10.2023
Die graue Stadt
Kuhlmann, Torben

Die graue Stadt


sehr gut

Wunderschönes Buch über die Macht der Farben

Das neueste Buch „Die graue Stadt“ vom renommierten Künstler Torben Kuhlmann, den viele sicher von seiner genialen Mäuse-Reihe kennen, ist optisch ein absoluter Traum. Die großformatigen Zeichnungen sind ein beeindruckendes Spiel mit den Farben und bringen diese wirkungsvoll zur Geltung. An sich hätte ich diesem Buch gern fünf Sterne gegeben, aber leider war ich dann von der allzu raschen Auflösung doch etwas enttäuscht.

Robin zieht mit ihrem Vater in eine seltsam graue Stadt. Farben scheinen überall zu fehlen und von allen abgelehnt zu werden. Robins gelbe Regenjacke ist den Autoritäten ein Dorn im Auge. Robin und ihr Freund Alani wollen sich dem eintönigen Grau jedoch nicht unterwerfen und versuchen, dem Geheimnis der Grauwerke auf die Spur zu kommen.

Auch in diesem Buch hat Kuhlmann einen kleinen wissenschaftlichen Ausflug eingebaut. In diesem Fall erklärt er die Brechung des Lichts sowie die Verfahren der Farbmischung. Die Idee hinter dem Buch ist definitiv spannend und wichtig. Die Kinder lehnen sich gegen die hiesigen Konventionen auf, die jede Individualität und Kreativität im Ansatz ersticken wollen und somit natürlich ebenfalls das freie Denken. Die Botschaft ist überaus wichtig und wird anhand der genialen Illustrationen toll veranschaulicht.

Ich bin allerdings etwas enttäuscht von der allzu schnellen Problemlösung. Die Kinder müssen am Ende gar nicht viel tun, um den Grauwerken das Handwerk zu legen. Da fragt man sich schon, wie sie überhaupt die Macht übernehmen konnten, wenn sich alle so blitzschnell wieder vom Grau abwenden. Der Schluss macht insofern in meinen Augen wenig Sinn.

Es wäre auch interessant zu wissen, was Robins Vater über die graue Stadt dachte oder über das rebellische Verhalten seiner Tochter. Leider spielt er selbst überhaupt keine Rolle. Sie lehnt sich allein gegen letztlich namenlose, anonyme Figuren auf und nicht gegen solche, die ihr tatsächlich auch etwas bedeuten. Überhaupt bleiben die Grauwerke und deren Ursprung sowie deren Motive im Dunkeln.

Das Buch „Die graue Stadt“ ist wirklich wunderschön und allein die Illustrationen sind ein Kauf wert. Des Weiteren hat die Geschichte gute Ansätze. Ich wünschte mir aber noch mehr Tiefe und Hintergründe. Ansonsten handelt es sich aber um ein weiteres gelungenes Werk von Torben Kuhlmann, das ich allen Kindern ab acht Jahren uneingeschränkt empfehlen kann.

Bewertung vom 29.09.2023
Feuer. Wasser. Erde. Sturm. - Zum Überleben brauchst du alle Sinne
Pfeiffer, Boris

Feuer. Wasser. Erde. Sturm. - Zum Überleben brauchst du alle Sinne


weniger gut

„Mad Max“ mit Büffeln

Ich weiß nicht, was ich bei dem Buch „Feuer, Wasser, Erde, Sturm“ erwartet habe, aber das definitiv nicht. Die Geschichte ist überaus bizarr und stellt eine Mischung aus wüsten Ideen, endlosen Monologen und überkünstelten Dialogen dar. Ein wenig erinnert mich die ganze Atmosphäre und die Charaktere an „Mad Max“. Wer die Filme mag, kann vielleicht auch an diesem Buch Gefallen finden. Mein Geschmack hat es jedoch leider nicht getroffen.

Die Erde hat sich durch die Auswirkungen des Klimawandels in eine unwirtliche Landschaft verwandelt. Alle Lebewesen leiden unter den unberechenbaren und gewaltigen Wettereinbrüchen. Nahrung und ungiftiges Wasser sind zur Mangelware geworden. Die letzten Überlebenden kämpfen um die letzten verbliebenen Ressourcen. Drdjuck lebt zusammen mit einer Büffelherde und ist in der Lage, das Wetter zu erspüren. Als er zusammen mit seinen Tieren von einem Clan gefangen genommen wird, muss er all seine Sinne zusammennehmen, um die Machenschaften ihres Anführers zu überstehen und sich, seine Büffel sowie wenige „Auserwählte“ zu retten.

Die Geschichte hat deutlich esoterische Züge. Der Protagonist taucht immer wieder in die stille Zone ein, in der sich seine Wahrnehmung deutlich erhöht und er in der Lage ist, das Wetter vorauszusehen. Zudem wird das Kälbchen der Herde als eine Art Messias dargestellt, wobei Religion als solche keine Rolle spielt. Das Büffelkind entscheidet jedoch durch Lecken, wer auserwählt ist und sich der Büffelherde anschließen darf.

Der Clan ist nicht weniger mystisch überhöht. Alle stehen unter der Kontrolle des seltsamen Anführers, der selbst noch ein Junge ist und sich zum Bestimmer über Leben und Tod aufgeschwungen hat. Niemand wagt es, seinen echten Namen zu nennen. Stattdessen nutzen sie das Pseudonym „-ugan“. Dabei dürfen sie diesen nie mit demselben Konsonanten am Anfang hintereinander aussprechen. So ist dann ständig von Tugan, Wugan, Dugan usw. die Rede. Außerdem hält er sich einen Energiesklaven, der praktisch den ganzen Tag Strom mittels eines Fahrrads erzeugt. Ich kann mich mit keinem der Charaktere wirklich identifizieren. Sie sind alle viel zu abgehoben und fern ab von meiner Realität.

Die Idee hinter dem Buch, dass die Erde die Menschen nicht braucht und durchaus in der Lage ist, sich an die neuen Verhältnisse anzupassen, ist durchaus lobenswert. Die Umsetzung finde ich jedoch äußerst langatmig und überkünstelt. Die Gedanken Drdjucks sind ausschweifend und geprägt von zahlreichen Rückblenden. Am schlimmsten sind für mich jedoch die Dialoge. Diese sind absolut unecht, in einer aufgeblasenen, blumigen Sprache, sodass sie einfach nur albern und künstlich wirken. Zudem wiederholen sie ständig dieselben Phrasen.

Das Buch ist sicherlich ungewöhnlich und der ein oder andere Leser mag von der Kreativität, der seltsamen Sprache und den außergewöhnlichen Charakteren begeistert sein, ich allerdings kann persönlich wenig damit anfangen. Schade!

Bewertung vom 22.09.2023
Der geheime Garten
Brill, Calista

Der geheime Garten


gut

Schade, leider nicht ganz gelungen

Der Kinderbuchklassiker „Der geheime Garten“ von Frances Hodgson Burnett ist zurecht eines der beliebtesten Kinderbücher der Welt. Ich finde es toll, dass mit diesem Bilderbuch auch 4-Jährige bereits an diese bezaubernde Geschichte herangeführt werden sollen, doch leider bleibt von dieser letztlich nur noch wenig übrig.

Das kleine, überaus verzogene Mädchen Mary findet als Waise Unterschlupf im Haus ihres Onkels. Dort muss sie sich aus Mangel an Alternativen in und mit der Natur beschäftigen. Auf ihren Streifzügen entdeckt sie einen überwucherten Garten. Bei ihrem Vorhaben, diesen wieder zum Erblühen zu bringen, bildet sie eine tiefe Freundschaft zu Dickon und ihrem Cousin Colin. Und auch die Kinder selbst erstrahlen und verändern sich charakterlich zum Positiven.

Bei der vorliegenden Version handelt es sich allenfalls um eine sehr grobe Zusammenfassung der ursprünglichen Geschichte. Die Charaktere bleiben blass und distanziert. Man kann aufgrund der nüchternen Sprache nur schwer eine wirkliche Beziehung zu ihnen aufbauen oder ihre Motivation und Entwicklung nachvollziehen. Dafür fehlen ganz einfach zu viele wichtige Details, sodass das Ganze doch sehr abgehackt und wenig zusammenhängend wirkt. Sehr schade!

Auch wenn der Text mich nicht überzeugen konnte, die Bilder selbst sind jedoch bezaubernd und versuchen, all das wiedergutzumachen, was der stark gekürzten Übersetzung nicht gelingt. Die großformatigen Illustrationen bringen die einzelnen Charaktere toll zur Geltung und zeigen das Erblühen des Gartens in eindrucksvoller Intensität.

An sich handelt es sich bei dem Buch „Der geheime Garten“ um einen tollen Klassiker. Um aber die Geschichte auch für 4-Jährige wirklich lebendig werden zu lassen, reicht meines Erachtens der hier angebotene Text nicht aus. Wenn man aber keine Probleme damit hat, die Lücken im Erzählfluss selbst zu schließen, findet man in den sehr schönen Illustrationen eine ansprechende Unterstützung.

Bewertung vom 21.09.2023
Schneekinder
Langer, Andreas

Schneekinder


ausgezeichnet

„Game of Thrones“ für Jugendliche

Das Buch „Schneekinder“ von Andreas Langer ist ein spannendes und berührendes Abenteuer, das mich tief beeindruckt hat. Es handelt sich vordergründig um einen historischen Roman, der den Kampf ums Überleben im eisigen Norden mit einigen fantastischen Elementen verknüpft. Die Geschichte wird sehr realistisch und anschaulich erzählt, sodass man sich sofort mit den Protagonisten und ihre Notlage hineinfühlen kann.

Im Kern des Buches geht es um eine Gruppe von Kindern und Heranwachsenden, die sich auf ihrer Flucht vor einem hochgradig giftigen Nebel und einer Armee steinerner Riesen durch eine unbarmherzige, kalte Schneelandschaft kämpfen müssen. Auf ihrem Weg werden sie immer wieder vor schweren Entscheidungen gestellt. Besonders aber die Kälte, der Hunger und die Naturgewalten zerren an ihnen und fordern ihren Tribut.

Die Hauptperson Elin wird als Älteste der Kinder widerwillig in die Rolle der Anführerin gedrängt. Sie ist durchweg sympathisch, leidet an Selbstzweifeln und doch findet sie immer wieder die Stärke, sich und die Gruppe zum Weitergehen zu mobilisieren. Doch Vorurteile, Neid, Missgunst, Trauer und die Angst vor dem Tod sind allgegenwärtig und säen Zwietracht.

Ich persönlich finde das angesetzte Alter von 11 Jahren zu niedrig. Die Geschichte geht nicht gerade zimperlich mit ihren Charakteren um. Da auch Themen wie Suizid und Märtyrertum angesprochen werden, würde ich das Alter eher ab 14 Jahren ansetzen. Allerdings werden die grausameren Elemente immer plausibel, nachvollziehbar und realistisch in das Gesamtgeschehen eingebaut. Das Verhalten aller Charaktere ergibt durchgehend Sinn und bildet das Spektrum der Gesellschaft ab.

Das Buch ist in sich abgeschlossen, bietet aber jede Menge Potenzial und Ideen für weitere Bände. Es gibt noch einige lose Enden, die zwar als offenes Element funktionieren, die aber durchaus Anlass für neue spannende Geschichten liefern würden. Sollte es jemals einen zweiten Band geben, werde ich mir diesen auf jeden Fall holen.

Die Geschichte “Schneekinder” ist wirklich eine faszinierende Reise durch die Schneelandschaft Jorlands, die einen von Anfang an packt und bis zum Schluss nicht mehr loslässt. Sowohl Heranwachsende als auch Erwachsene finden hier eine anspruchsvolle und kurzweilige Unterhaltung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.09.2023
Der kleine Wal und der schönste Ort der Welt
Haferkamp, Kai

Der kleine Wal und der schönste Ort der Welt


gut

Verschenktes Potenzial

Das Buch „Der kleine Wal und der schönste Ort der Welt“ konnte mich und meine fast drei Jahre alte Tochter leider nicht überzeugen. Die Illustrationen sind wirklich wunderschön und haben mich überhaupt erst zum Kauf verleitet, jedoch war der Inhalt ziemlich enttäuschend.

Im Grunde gibt der Klappentext bereits den kompletten Inhalt der Geschichte wieder, wobei es sich nur im entfernten Sinne tatsächlich um eine Geschichte handelt. Tatsächlich besteht das Buch mehr aus einer Aneinanderreihung von verschiedenen Situationen und Orten. Eine wirkliche Spannung baut sich nie auf bzw. wird gleich im nächsten Moment wieder negiert und aufgelöst, sodass letztlich lediglich bezaubernde Meereslandschaften bestaunt werden.

Die Botschaft des Buches, dass es dort am schönsten ist, wo die Menschen bzw. Lebewesen sind, die man liebt, ist sicher keine schlechte, aber kommt viel zu banal daher. Die ganze Welt wird in Rosarot wahrgenommen. Natürlich sieht es überall wunderschön aus, alles ist toll. Es gibt keine Ecken und Kanten. Es wird Schönheit wirklich nur in optisch Schönem gefunden, nicht in Handlungen oder was hinter der Oberfläche durchblitzt.

Zumal auch ein hässlicher Ort schön werden kann, wenn man mit denjenigen zusammen ist, die einen glücklich machen. Man muss nicht alles verklären, damit man Glück und Zufriedenheit finden kann. Aus diesem Grund ist es sehr schade, dass die aktuellen Probleme wie etwa Umweltverschmutzung, Überfischung oder Klimawandel völlig ignoriert wurden und nicht als Chance für eine tiefsinnigere Botschaft genutzt wurden.

Die Illustrationen gefallen mir persönlich sehr. Sie sind allesamt in eher dunklen Tönen gehalten. Es dominieren die Farben Blau, Rot und Orange. Das Problem daran ist, dass meiner Tochter die Bilder zu dunkel und letztlich zu langweilig waren. So richtig interessiert war sie an dem Buch nicht, obwohl sie sich sonst immer begeistert auf neues Lesefutter stürzt. Natürlich ist das aber eine reine Geschmacksfrage.

Das Buch ist grafisch durchaus ansprechend gestaltet. Der Inhalt war mir persönlich jedoch zu banal und die „Geschichte“ zu spannungsarm. Sehr schade!

Bewertung vom 08.09.2023
Heldenhörnchen und Drachenfreund
Scheffel, Annika

Heldenhörnchen und Drachenfreund


ausgezeichnet

Worum geht es im Leben?

Das Buch „Heldenhörnchen und Drachenfreund“ ist eine wunderschöne Geschichte für Kinder ab 6 Jahre mit zahlreichen bezaubernden Illustrationen. Wir begleiten das Eichhörnchen auf seiner amüsanten und spannenden Reise zu seinem wahren Ich, echtem Heldentum und einer Freundschaft, die sich von Vorurteilen und Ängsten nicht unterkriegen lässt. Ganz nebenbei erfährt man zudem einiges über die jahreszeitlichen Veränderungen und deren Auswirkung auf die Tierwelt.

Am Anfang des Buches werden die Waldtiere zunächst wenig sympathisch dargestellt. Jeder ist mit seinen eigenen Problemen beschäftigt und keiner nimmt sich Zeit für den anderen. Das kleine Eichhörnchen weiß noch nicht viel von der Welt und wird für seine Unwissenheit belächelt und ausgegrenzt. In seiner verzweifelten Suche nach Anerkennung nimmt das Eichhörnchen in Kauf, das einzige Wesen, das ihn je ernstgenommen hat, zu belügen und von sich zu stoßen.

Im Laufe der Geschichte findet das Eichhörnchen jedoch nicht nur sich selbst – symbolisiert durch den Namen, den es später bekommt –, sondern auch einen echten Freund. Es lernt, dass es im Leben auf mehr ankommt als Anerkennung und Heldentum. Es erkennt, dass es wichtig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, Erfahrungen zu sammeln und für andere da zu sein. Es findet auch Strategien, um mit seiner Angst umzugehen. Das Eichhörnchen steht zu seinen Fehlern, entschuldigt sich und steht letztlich für seine hart gewonnenen Erkenntnisse ein.

Annika Scheffel versteht es mit ihrer poetischen, aber kindgerechten Sprache den Leser sofort ins Geschehen hineinzuziehen. Es gibt viele lustige Momente, aber auch herzerwärmende und traurige. Sie spricht zudem viele Themen an, die unseren Alltag prägen: Worauf kommt es im Leben tatsächlich an? Welche Ziele sind wirklich erstrebenswert und wie sollten wir mit anderen umgehen? Insbesondere Kinder, die selbst Ausgrenzung erlebt haben, werden sich leicht mit dem Drachen und dem Eichhörnchen identifizieren können und mit ihnen mitleiden.

Insgesamt handelt es sich um eine zauberhafte Geschichte voller Humor und Herz, bei der man zusammen mit dem Eichhörnchen die Natur, das eigene Ich und Themen wie Freundschaft, Angst und Vorurteile hinterfragen und entdecken kann. Absolut empfehlenswert!

Bewertung vom 02.09.2023
Das Buch der gestohlenen Träume (Das Buch der gestohlenen Träume 1)
Farr, David

Das Buch der gestohlenen Träume (Das Buch der gestohlenen Träume 1)


ausgezeichnet

Anspruchsvoller Abenteurerroman

Der Besteller „Das Buch der gestohlenen Träume“ aus Großbritannien von David Farr ist ein mitreißendes Abenteuer, das auf intelligente Weise zu überzeugen weiß und nicht nur Kinder ab zehn Jahren begeistern wird. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen. Es erscheint aber im September 2023 eine Fortsetzung auf Englisch.

Rachel und ihr älterer Bruder leben im Land Krasnia, das vom Faschismus geprägt ist. Der Diktator Charles Malstain verbietet alles, was seiner Ideologie entgegensteht. So verbannt er bestimmte Bücher und hasst Kinder. An Rachels zwölftem Geburtstag stehlen die Geschwister zusammen mit ihrem Vater ein seltsames magisches Buch, das verbrannt werden soll. Ihr Vater gerät dabei in Gefangenschaft und die Kinder werden bei dem Versuch, das Buch zu schützen, getrennt.

Das Buch mag zwar David Farrs erstes Kinderbuch sein, man merkt aber, dass er durch seine Tätigkeiten als Drehbuchautor und Regisseur jede Menge Erfahrungen gesammelt hat, um eine in sich stimmige, sprachlich kraftvolle Geschichte zu entwickeln. Mich hatte am Anfang irritiert, dass der allwissende Erzähler den Leser direkt ansprach. Diese Ansprachen dienen jedoch lediglich der Rahmung. Da die Geschichte selbst vor allem aus den Blickwinkeln von Rachel, Robert und Josef erzählt wird.

Der magische Anteil der Geschichte begrenzt sich allein auf die Fähigkeit des Buches. Insgesamt ist die Story jedoch überaus realistisch gehalten. Das gilt insbesondere für die Darstellung des Faschismus, der deutliche Parallelen zu historischen bzw. aktuellen Beispielen aufweist. So gibt es Propaganda, fingierte Gerichtsprozesse, Straflager, die Geheimpolizei, Folter, Exekutionen … Es tauchen immer wieder grausame Momente auf. Diese verkommen jedoch nie zum Selbstzweck und werden auch nicht zur Effekthascherei eingesetzt. Stattdessen zeigen sie recht nüchtern und realistisch die Kälte des Faschismus.

Das Buch ist durchgehend sehr spannend geschrieben und man fiebert gebannt mit den liebenswerten Protagonisten mit. Es gibt aber nicht nur rein schwarze und weiße Charaktere. Einige entwickeln sich im Laufe der Geschichte und zeigen ihre zahlreichen Facetten. Rachel und Robert treffen auf ihrer Reise sehr vielen unterschiedlichen Figuren. Doch auch wenn manchen nur wenige Seitenzahlen vergönnt sind, bleiben sie einem dennoch eindrucksvoll im Gedächtnis.

Die Geschichte lebt zudem von zahlreichen witzigen Vergleichen, die nur im ersten Moment absurd erscheinen, aber im Grunde perfekt passen. Zudem findet man mehrere Gedichte aus dem „Buch der gestohlenen Träume“ und Ausschnitte von Vernehmungsprotokollen sowie Zeitungsartikeln.

Das Buch von David Farr mag an einigen Stellen düster und für den ein oder anderen vielleicht zu politisch sein. Es ist aber stets kurzweilig, immer wieder mit Humor und Herz durchsetzt und überaus intelligent. Aus diesem Grund denke ich, dass es nicht nur bei Kindern und Jugendlichen großen Anklang finden wird, auch mich als Erwachsenen hat das Buch mehr als überzeugt. Der Folgeband befindet sich bereits in meinem Warenkorb.

Bewertung vom 29.08.2023
Auf der Suche nach Emily McCrae
Longmuir, Fiona

Auf der Suche nach Emily McCrae


sehr gut

Spannender Krimi für Kinder

Das Buch „Auf der Suche nach Emily McCrae“ von Fiona Longmuir ist ein unterhaltsamer Krimi im Stile von Enid Blytons Abenteuerbüchern, der einen durchweg mitfiebern und rätseln lässt, und für Mädchen und Jungen ab 10 Jahre geeignet ist.

Die zwölf Jahre alte Lily zieht in die ihrer Meinung überaus langweilige Kleinstadt Edge am Meer. Sie kann sich weder mit der Gegend noch mit den Leuten richtig anfreunden, bis sie eines Tages per Zufall über ein seltsames Museum stolpert, dass einer gewissen Emily gewidmet ist. Auf der Suche nach diesem Mädchen findet sie neue Freunde, gerät aber auch in mehr als eine gefährliche Situation.

Das Buch ist durchweg sehr spannend erzählt. Es macht Spaß zu lesen und man möchte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Die Kapitel sind zudem recht kurz, sodass man jederzeit eine Pause einlegen könnte. Die Charaktere sind sympathisch und wurden facettenreich mit Ecken und Kanten dargestellt. Die Geschichte schreckt des Weiteren nicht davor zurück, auch diverse Themen miteinzuarbeiten. So hat Lilys Freundin Sam zwei Väter und ihre Lieblingslehrerin Miss Hanan ist Muslimin und trägt einen Hijab.

Ich hätte dem Buch auch sehr gerne fünf Sterne gegeben, aber das Ende war mir dann doch einfach zu realistisch und albern. Eigentlich hätte man einfach die letzten zwei Kapitel weglassen können. Ich persönlich mag zudem nicht, dass die Polizei durchweg als inkompetent dargestellt wird. Zum einen untersuchen die verschiedenen Beamten weder von sich aus bestimmte Ereignisse noch reagieren sie angemessen auf Hinweise. Das geht sogar so weit, dass die Protagonisten im Buch, statt aktiv gegen den Verbrecher vorzugehen, lieber komplizierte Rätsel und Geheimnisse erstellen bzw. lösen sollen, um ihre Familie wieder zusammenzuführen. Das ist schon irgendwie absurd.

Insgesamt ist die Geschichte dennoch äußerst kurzweilig und hält einen mit seiner Spannung in den Bann. Man sollte allerdings nicht allzu sehr den Sinn des Ganzen hinterfragen.

Bewertung vom 07.08.2023
Memora Castle oder Das Rätsel der vertauschten Zeit
Pfeiffer, Marikka

Memora Castle oder Das Rätsel der vertauschten Zeit


sehr gut

Spannende, aber unlogische Abenteuergeschichte

„Memory Castle oder Das Rätsel der vertauschten Zeit“ ist ein durchaus unterhaltsames Buch für Kinder ab 10 Jahre, die ein Interesse an Abenteuer und Mystik mitbringen. Die Geschichte ist spannend erzählt und lädt zum Miträtseln ein. Leider ist die sich nach und nach eröffnende Lösung eher unlogisch. Schade.

Holly freut sich schon sehr auf das Wiedersehen mit ihrer Tante Claire. Doch als sie schließlich auf Memora Castle ankommt, wird sie keineswegs warmherzig in Empfang genommen. Ihre Tante scheint verschwunden zu sein und niemand weiß, wo sie ist oder wann sie wiederkommt. Aber nicht nur deren Abwesenheit sorgt für viele Fragezeichen. Auch der plötzlich lebendig werdende Kuckuck aus der Standuhr und ein seltsamer Ring bieten jede Menge Geheimnisse. Zusammen mit ihrer Cousine Ilana und deren Stiefbruder Janko will Holly der Sache auf den Grund gehen.

Die Protagonisten sind allesamt recht sympathisch und man kann sich schnell mit ihnen identifizieren. Die Autorin Marikka Pfeifer vermittelt sehr gut die Einsamkeit und Sehnsucht der Hauptfigur Holly nach einem richtigen Zuhause. Selbst die zickige Ilana macht Spaß zu lesen, und auch Janko mit seinem Filmwahn mag man auf Anhieb. Während diese drei Charaktere sehr gut ausgearbeitet sind, wirkt der Rest eher flach. Insbesondere Claire und der Bösewicht waren für mich eine Enttäuschung. Erstere ist so gutmütig und leichtgläubig, dass sie schon fast dumm wirkt, es tut mir leid. Den Schurken erkennt man des Weiteren sehr schnell. Allerdings ergeben seine Motive und Handlungen in meinen Augen nur wenig Sinn und sind mitunter irrational.

[Vorsicht milde SPOILER: Obwohl er per Zufall in eine andere Zeit gerät, scheint er sofort zu wissen, was mit ihm geschehen ist und weiß, wie die „Zeitmaschine“ funktioniert. Ironischerweise erkennt das die Person, die die Maschine tatsächlich benutzt hat, keineswegs. Zudem wird dem Leser erklärt, dass alle Zeitreisenden, wenn sie zu lange in einer falschen Zeit feststecken, ihre Erinnerungen an ihre eigentliche Zeit verlieren. Beim Bösewicht ist das jedoch seltsamerweise nicht der Fall. Er weiß durchgehend über alles Bescheid. Es fehlt ihm lediglich ein gewisses Schmuckstück.

Warum er aber überhaupt wieder in der Zeit herumreisen möchte, wird nie erklärt. In seine Zeit zurück will er aber anscheinend auch nicht. Zeitreisen sind grundsätzlich eher paradox und schwierig, sinnvoll darzustellen, aber einige Varianten sind in diesem Text eher albern - zum Beispiel, als eine in die Vergangenheit gereiste Person meint, sie würde diesen Zeitpunkt in der Geschichte als ein Déjà-vu erleben, weil sie ja schon so lange hier festhängt. Naja. SPOILER ENDE]

Das Buch ist dabei nicht schlecht. Es ist unterhaltsam geschrieben, man rätselt gerne mit und ich denke, 10-jährige werden bei Weitem nicht so kritisch die Story und deren Logik hinterfragen wie eventuell ein Erwachsener. Wenn man den eher fragwürdigen Hintergrund der Zeitreise und das Verhalten mancher Nebencharaktere ignorieren kann, bekommt man dennoch eine spannende und kurzweilige Geschichte geboten.

Bewertung vom 30.07.2023
Mit der Queen ne Kutsche kapern / Plötzlich wach! Bd.1
Vogel, Maja von

Mit der Queen ne Kutsche kapern / Plötzlich wach! Bd.1


ausgezeichnet

Charmante Fantasiegeschichte

Bei „Plötzlich wach! Mit der Queen 'ne Kutsch kapern “ handelt es sich um den ersten Band einer neuen Fantasiereihe. Die Geschichte ist kurzweilig und kann sowohl Kinder als auch junggebliebene Erwachsene mit Humor und Herz überzeugen.

Annemies Plan für den Tag war einfach nur, nicht vor Langeweile zu sterben. Wie sich herausstellte, sollte das tatsächlich kein Problem werden, da die Queen aus dem Wachsfigurenkabinett ihrer Oma Fritz urplötzlich verschwunden ist. Dafür lief aber nun eine alte Dame in königlicher Verkleidung herum, die überall ihre Orden und andere Kostbarkeiten verschenkte. Annemie konnte das nicht einfach auf sich beruhen lassen und möchte diesen kuriosen Vorkommnissen umgehend nachgehen. Mit auf der Jagd ist der gleichaltrige Leo. Zusammen erleben sie einen spannenden Tag, der alles andere als langweilig ist.

Die Geschichte hat ein hohes Tempo und lebt von zahlreichen kreativen Einfällen. Besonders die Charaktere schließt man sofort ins Herz. Sie sind etwas verrückt, liebenswert und herrlich unperfekt. Man kann sich schnell mit ihnen identifizieren. Maja von Vogels Buch beschäftigt sich mit der Thematik Andersartigkeit, ohne aber die Moralkeule zu schwingen. Die Problematik wird im Gegenteil äußerst charmant herübergebracht. So liebt Annemie Märchen, insbesondere die Geschichte vom „Aschenbrödel“, und Klatschzeitungen. Leo hingegen leidet unter einigen eher untypischen Phobien. Beide machen sich aber nie übereinander lustig, sondern nehmen den anderen so, wie er ist.

Annemies Erzählton ist locker, angenehm zu lesen und lädt hier und da zum Schmunzeln ein. Ich war mir zunächst unsicher, wie geschmackvoll die verstorbene Königin von England dargestellt werden kann. Aber Maja von Vogel gelingt dies problemlos. Die Autorin bemüht sich dabei wenig um eine realistische Darstellung, dennoch wirkt ihre Figur immer königlich, sympathisch und für eine Wachsfigur überaus menschlich.

Das Buch eignet sich aufgrund der größeren Schrift für Leseanfänger im Alter von ca. 8 Jahren, aber auch aus als Vorlesegeschichte für Jüngere. Die Kapitel sind zudem recht kurz, weshalb es immer wieder die Gelegenheit für sinnvolle Leseunterbrechungen gibt. Zudem findet man im Text große und kleine Schwarzweiß-Zeichnungen, die die lockere und amüsante Grundstimmung perfekt einfangen.

Insgesamt ist „Plötzlich wach!“ ein sehr empfehlendes Buch, das Klein wie Groß kurzweilig zu unterhalten weiß. Des Weiteren wird eine größere Hintergrund-Geschichte über eine Schwesternschaft angedeutet. Dies und die Idee mit den lebendig werdenden Wachsfiguren laden zu vielen weiteren Bänden ein. Das zweite Buch in der Reihe ist in jedem Fall bereits erschienen und befindet sich in meiner Leseliste.