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Bewertungen

Insgesamt 207 Bewertungen
Bewertung vom 24.03.2023
Given, Florence

Girlcrush


weniger gut

Tolle Roman-Idee, aber die Umsetzung begeistert nicht

Nach ihrem Sachbuch-Erfolg »Women don’t owe you pretty« (Dt. »Frauen schulden dir gar nichts«) hat die Autorin Florence Given feministische Inhalte, wie sie Lesenden aus genanntem Sachbuch bekannt sind, in ihrem neuen Roman umgesetzt. Der Roman »GIRLCRUSH« erzählt die Geschichte der jungen Eartha, die sich von ihrem Ex-Freund aus deren toxischer Beziehung trennt und dann ihre Bisexualität auslebt. Über Nacht wird sie dank der Hilfe ihrer queeren, non-binären Freund*in Rose [them/they] zum Social Media Star, als sie Ihr Coming Out auf dem sozialen Netzwerk ‚Wunderland‘. Dieses nimmt eine wichtige Rolle in Earthas Leben und damit im Buch ein und mit jedem Kapitel werden Lesende über die Follower:innen-Zahlen informiert. Das Buch verarbeitet Themen wie bspw. Feminismus, Selflove, Gender, Queerness und Social Media Konsum, uvm.

Mich persönlich konnte die Geschichte um Eartha leider gar nicht begeistern. Ich fand die Behandlung der oben genannten Themen sehr oberflächlich; die Hauptfigur extrem sprunghaft und opportunistisch im Hinblick darauf, ihre Meinung anzupassen, mit Menschen zu interagieren und auszunutzen; und die Story insgesamt sehr wenig tiefgründig und ausgearbeitet. Die Dialoge sind teilweise sehr klischeehaft und ich finde diese leider auch zu oft, alles andere als empowernd, zum Teil sogar eher sehr abwertend. Obwohl die Idee des Romans toll war, hat die Umsetzung mir nicht zugesagt.

Bewertung vom 20.03.2023
Dittloff, Christian

Prägung


weniger gut

Brauchen wir wirklich noch mehr Bücher von männlichen weißen cis-Autoren über Männlichkeit und Feminismus?

In seinem auto-fiktionalen Roman »Prägung. Nachdenken über Männlichkeit« schreibt der Autor Christian Dittloff aus seiner männlichen, weißen und cis-Personensicht zum zeitgenössischen Diskurs über (toxische) Männlichkeit und Feminismus. In diesem Kontext analysiert er seine Kindheit, Jugend, Familie und Prägung und nimmt Lesende somit auf seine literarische Selbsterkundung mit.

»All dies muss als etwas betrachtet werden, was von einer ROMAN Figur gesagt wird.« (S.5) Dies wurde um den Buchhinweis »ROMAN« ergänzt und impliziert, dass der Inhalt des Buches nicht ausschließlich auto-biografisch ist und stellt sicherlich auch einen gewissen Schutz für alle Personen dar. Bei einigen Stellen (z. B. beim Quälen von Tieren oder anderen Menschen) hoffe ich sehr, dass dies zur Reflexion über toxische Männlichkeit fiktionalisiert und überzogen worden ist. Nichtsdestotrotz ist es ein sehr persönliches, mutiges und intimes Buch, das Christian Dittloff hier geschrieben hat und dessen lyrisches ICH sehr stark mit dem Autor übereinstimmt (bspw. anhand von recherchierbaren und im Roman genannten Fakten). Die einzelnen Kapitel beginnen mit Buchstaben-Spielen des Wortes ‚STEINBRUCH’s, da der Autor wie im Steinbruch seine patricharle Prägung aufspalten will (vgl. bspw. S.204).

Ausgiebig analysiert und reflektiert er literarisch sein Aufwachsen und Erwachsen werden, mit dem Ziel Männlichkeit im zeitgenössischen Kontext zu hinterfragen und die Prägungen aufzuzeigen. Er reflektiert den erlebten und gelebten Sexismus der 90er und 2000er Jahre und für mich liest es sich oftmals wie eben auch eine Rechtfertigung. Es werden Zitate aus anderen Büchern eingebettet und deren Einflüsse beschrieben, hier hätte ich mir zum einen direkte Fußnoten zu den Zitaten gewünscht (und zudem ein sinnvoll strukturiertes Quellverzeichnis! #ehrewemehregebührt und bin überzeugt, dass die Roman-Form mensch nicht von Zitierrichtlinien befreit …) und zum anderen mehr Reflexion und Zusammenführung der Rückblicke mit diesen Literaturquellen in einem Kontext mit einer zeitgenössischen Erweiterung der Gedanken. Die literarischen Einschübe von bspw. bell hooks oder Nicole Seifert finde ich sehr wichtig und relevant, aber die Einbettung finde ich absolut nicht gelungen. Die Kritik von Seifert zum Literaturkanon wird zwar aufgezeigt, aber danach direkt gerechtfertigt, warum die ‚klassischen‘ AutorEN wie Frisch, Hesse, Mann, etc. ihre Berechtigung haben. Für mich scheitert spätestens damit das Kritische in diesem Buch.

Der Autor schreibt zudem über Feedback, dass er im Rahmen seines Schreibprozesses erhalten hat, aber dieses wird nicht genutzt mit der Rechtfertigung, dass er eben nur seine Sicht auf die Dinge habe. So viel also als Ergänzung zur Einordnung als ‚Roman‘ und zur kritischen Auseinandersetzung mit Männlichkeit, wie das nachfolgende Beispiel veranschaulicht:
»Ich gebe diesen Text zwei befreundeten feministischen Aktivist:innen zu lesen. Sie weisen mich darauf hin, dass an dieser Stelle die weibliche Perspektive fehlt. Wie hat sich die von dieser Form der Gewalt getroffene Person gefühlt, fragen sie mich, was sagt sie heute zu diesem Erlebnis? Ich erkläre die ausgesparte Perspektive mit der Begrenztheit der erzähltechnischen Mittel, die mit meiner Entscheidung zusammenhängt, aus der Ich-Perspektive zu schreiben.« (S.72)

Ich persönlich hatte große Erwartungen an dieses Buch. Der Diskurs, der es hätte sein können, ist für mich nicht gegeben. Ja, Christian Dittloff denkt über SEINE Männlichkeit nach, die extrem stark auf einer (aus meiner Sicht längst überholten,) binären Einteilung von Geschlechtern basiert. Von mir gibt es keine Leseempfehlung, auch wenn ich es grundsätzlich sehr begrüße, wenn sich cis-Männer mit Männlichkeit und Feminismus auseinandersetzen.

Bewertung vom 19.03.2023
Roy, Lisa

Keine gute Geschichte


ausgezeichnet

»Ich wünschte, es wäre deeper, Mama, aber die Wahrheit ist: Ich wollte Geld haben, weil sich das richtig gut anfühlt.« (S.68)

Arielle Freytag ist jung, schön und broke. Sie ist Anfang 30, erfolgreiche Senior Social-Media-Managerin bei einer Agentur in Düsseldorf und hat ihr altes Leben nicht nur hinter sich gelassen, sondern hat es ausgelöscht. Sie wollte keinen Kontakt mehr zu ihrer Großmutter Varuna, ihrem alten Zuhause aka Hexenhaus, zu ihren Freund:innen aus dem Essener Ghetto, in dem sie aufgewachsen ist, und nicht zu den schmerzhaften Erinnerungen ihrer Kindheit und Jugend. Jetzt kehrt sie mit einer Depression nach einem Klinikaufenthalt zurück - zurück zu den Schauplätzen ihrer Jugend, zu den Verletzungen von damals und den schönen Erinnerungen. Als Ari in Essen-Katernberg ankommt, sind zwei Mädchen spurlos verschwunden und die Erinnerungen an ihre mit 24-Jahren verschwundene Mutter holen Ari ein: Was ist damals wirklich passiert als ihre Mutter verschwunden ist?

»Ich habe dich so geliebt, Mama, das reicht für eine ganze Familie. Auch wenn Varuna als Mutter ein Totalausfall gewesen sein muss, du wurdest geliebt, ja? Umgekehrt gilt das auch. Du hast mich so sehr geliebt, das reicht für mein ganzes Leben.« (S.77)

Lisa Roy beschreibt in ihrem Debüt-Knaller »Keine gute Geschichte« schonungslos, mit viel derben Worten, Zynismus und Schmerz ihre Protagonistin Arielle. Sie schreibt sich und uns alle BAAAM mitten hinein in das Essener Ghetto: In die Suche nach zwei entführten Mädchen, in die Suche nach sich selbst und der Wahrheit.

Lisa Roy beschreibt einen tiefsitzenden Schmerz: Den Verlust der eigenen Mutter und eine harte Kindheit im Ghetto, in der die sorgenberechtigte Person zwar die da ist, aber keine Liebe übrig hat. Sie schreibt über eine starke Protagonistin, die sich hochgearbeitet hat (und trotzdem vom Imposter-Syndrom verfolgt wird), ihren Weg selbstbestimmt geht und jetzt mit ihrer Depression kämpft.

Lisa Roy verhandelt in ihrer Geschichte ganz nebenbei Geschlechterrollen, Klischees und das Patrichariat:
»Ein paarmal, bei dritten oder vierten Dates, hatten Männer wissen wollen, ob ich Kinder will. […] «Nein», war meine Pauschalantwort, aber die Wahrheit ist komplizierter. Ich bin nicht bereit, Mutter zu werden, werde es nie sein und will es nicht versuchen. Vater werden ist eine ganz andere Nummer. Gäbe es diese Option für mich, wäre ich bereit, jetzt und auch schon vor Jahren. Als Vater ist man bei einigermaßen solidem Einsatz ein Held und bei einem Mindestmaß an Kümmern ein Heiliger, niemand würde mir vorwerfen, Vollzeit zu arbeiten, allein zu verreisen oder mich einmal im Monat komplett volllaufen zu lassen, das würde ich hinkriegen.« (S.86)

Sie schreibt über Vergewaltigung, Vernachlässigung von Kindern, Depression, die Suche nach Zugehörigkeit, über Verrat, Schmerz und Liebe und über Sex und Freundschaft. Vielleicht ganz schön viel für einen Roman, aber bei Lisa Roy wirkt es nicht zu viel, sondern gerade genau richtig.

Ein großartiges Debüt, das ich nicht mehr aus der Hand legen konnte. GANZ GROSSE LESEEMPFEHLUNG!

Bewertung vom 16.03.2023
Altaras, Adriana

Besser allein als in schlechter Gesellschaft


sehr gut

»Es ist schön, wenn man Gesellschaft hat, aber es geht auch wunderbar ohne. Besser allein als in schlechter Gesellschaft. Das ist mein Credo. Ich würde sagen, die letzten fünfundzwanzig Jahre waren die schönsten meines Lebens.« so sinniert Adriana’s Tete Jele über ihr Leben ab 75 und als Witwe. (S. 114)

In ihrem neuen Buch »Besser allein als in schlechter Gesellschaft. Meine eigensinnige Tante« schreibt die Autorin, Regisseurin und Schauspielerin Adriana Altaras abwechselnd Kapitel aus ihrer Sicht und der ihrer geliebten Tante. Ihre Tante hat nicht nur die spanische Grippe, das KZ und den Holocaust überlebt, sondern jetzt auch Corona. In den Kapitel aus Sicht der Tante blickt diese selbstreflektiert und mit Humor auf ihr langes und bewegtes Leben zurück. Dabei gibt die Tante auch die ein oder andere Lebensweisheiten preis (Pasta 🍝 mache das Leben besser 🤝🏼), wobei es der Autorin mit einer vermeintlichen Leichtigkeit gelingt, die tragischen Momente ihrer beider Leben mit einer Lockerheit, Humor und Ironie zu beschreiben, dass es die Schwere nimmt. ❤️‍🩹

»Ich habe schon neunundneunzigmal Geburtstag gefeiert. Und heute zum hundertsten Mal. Vielleicht habe ich das Leben nicht gemeistert. Aber gelebt habe ich es.« (S.222)

Adriana Altaras schreibt die Kapitel jeweils aus der Ich-Perpsektive von ihrer Tante und sich selbst und erzählt so ein humorvolles, tiefgründiges und vor allem durch tiefe Liebe gekennzeichnetes Memoir über ihre Tante. Sie erzählt von einer Frau, die viel Klasse hatte, ihr Leben gelebt hat und dabei ihren eigenen Weg gegangen ist. Ich persönlich finde, dass dieses Memoir zusätzlich eindrückllich zeigt, wie sehr der Holocaust, die Lebenswege der Überlebenden gekennzeichnet hat. Unabhängig davon ist es ein sehr persönliches und liebevolles Buch, das die bekannte Autorin veröffentlicht hat und sicherlich zeigt, wie sehr wir starke Frauen in unserem Leben brauchen.

»Eine Frau braucht einen Wagen, Schmuck, erlesene Kleidung und einen Hund. Ein Mann kam in ihrer Aufzählung nicht vor.« (S.32)

Bewertung vom 16.03.2023
Bilkau, Kristine

Wasserzeiten


gut

»Schwimmen, das ist die Einheit von Ort und Zeit, Körper und Gedanken.« Kristine Bilkau in ihrem neusten Buch »Wasserzeiten. Über das Schwimmen.«

Kristine Bilkau schreibt in ihrem neuen, schmalen, sehr persönlichem Buch »Wasserzeiten« darüber, was ihr das Schwimmen bedeutet, warum dies einen so wichtigen Stellenwert in ihrem Leben hat und sie immer mit einem Badeanzug im Gepäck verreist. Sie teilt bspw. einen Auszug aus ihrer Wunschliste von Orten, an denen sie gerne schwimmen würde und ihre Gedanken und Erlebnisse beim Schwimmen an verschiedenen Orten, wie dem lokalen Freibad oder das Schwimmen in der dänischen Ostsee.

In ihrem Buch nimmt sie darüberhinaus einige Bezüge auf andere Bücher und Filme, in denen es um das Schwimmen geht bzw. schöne Schwimm-Szenen geschildert werden und sinniert weiter über das Schwimmen. U. a. greift sie ebenfalls auf, warum Schwimmen und vor allem das Schwimmen können ein Privileg ist.

Fürs Schwimmen benötigt mensch das Element Wasser, chemisch betrachtet: H2O - zwei Teile Wasserstoff, ein Teil Sauerstoff. Also was fasziniert so sehr Schwimmen? Was macht dieser Kontakt mit dem Wasser mit uns?

»Doch vielleicht gibt es etwas, das alle diese Erlebnisse, Eindrücke und Momente miteinander verbindet, das die Faszination und das Glück des Schwimmens grundsätzlich ausmacht. Vielleicht besteht dieses Glück darin, dass für einen Moment alles im Einklang ist, der Ort, die Zeit und man selbst. Dieser äußerst seltene Zustand.« (S. 119)

Ein feines poetisches und sinnliches Buch über Schwimmen und das Eins-Sein mit dem Element Wasser:

»Schwimmen, so viel weiß ich inzwischen, löst keine Probleme, aber es kann für Klarheit und Mut sorgen, um sich ihnen zu stellen.« (S. 18)

Leseempfehlung nicht nur für alle Schwimmer*innen 🌊💙

[3.5|5 ☆ ]

Bewertung vom 14.03.2023
Bridle, James

Die unfassbare Vielfalt des Seins


sehr gut

»Die unfassbare Vielfalt des Seins - Jenseits menschlicher Intelligenz« des Autors und Künstlers James Bridle beschäftigt sich intensiv mit Intelligenz - menschlicher, tierischer und künstlicher Intelligenz🧠🤖 und fordert ein Umdenken der engen Begriffsdefinition von ‚Intelligenz‘. Er unterscheidet in verschiedene Arten der Intelligenz und stellt diese intensiv und anhand von Beispielen dar. Darüber hinaus plädiert er für ein Umdenken der Menschen basierend auf der Begrenztheit des Anthopozän, der mehr-als-menschliche Welt und -Intelligenz sowie der Natur. Ein sehr interessantes und wissenschaftliches Buch, das ich allen Interessierten von Intelligenz und KI 🤖 sehr empfehlen kann.

Bewertung vom 14.03.2023
Fry, Hannah;Rutherford, Adam

Der ultimative Guide zu absolut Allem* (*gekürzt)


sehr gut

»Der Ultimative Guide zu ABSOLUT ALLEM* (*gekürzt)« von den beiden Science-Autor:innen und Journalist:innen Hannah Fry & Adam Rutherford erklärt alltägliche Phänomene genauso wie Grundsatzthemen der Wissenschaft und Welt anschaulich, leicht verständlich und dabei mit einer Menge Humor! In diesem Sachbuch beantworten die beiden gemeinsam Fragen, wie bspw.:
Wie können wir uns eine 4D-Kugel 🪩 vorstellen?
Wieso ist unsere Vorstellung von Außerirdischen 🛸 so limitiert?
Was ist der IKEA-Effekt und wieso gibt es Bestätigungsfehler?
Wieso ist eine Ameise 🐜 nicht TROTZ sondern WEGEN ihrer Körpergröße so stark?

Das Autor:innen-Duo gibt sehr ausführliche und gut erklärte Antworten. Die erklärten Themen sind sehr gut aufbereitet, das Buch enthält einige zusätzliche (graue) Informations-Kästen und Visualisierungen. Einziger Kritikpunkt: Bei der Auswahl der Themen kann ich keinen wirklichen roten Faden erkennen. ... ALL IN ALL: Ein wirklich interessantes und aufschlussreiches Sachbuch, das sich auch wunderbar als Geschenk an lesebegeisterte Teenies (laut dem Autor:innen-Duo übrigens ihre Hauptzielgruppe ✌🏼) eignet.

Bewertung vom 06.03.2023
Zevin, Gabrielle

Morgen, morgen und wieder morgen


sehr gut

»Das Beste an Spiele ist, dass sie oft gerechter sind als das echte Leben. Ein gutes Spiel wie Ichigo war hart, aber fair. Das unfaire Spiel war das Leben selbst.« (S.185)

… und wie unfair das echte Leben sein kann, haben Sam und Sadie früh erlebt und erleben es im Roman immer wieder - aber auch wie glücklich das Leben sein kann.

In »Morgen, morgen und wieder morgen« 🎮👾💻💜 (DER Bestseller aus 2022 aus den USA: »Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow«) erzählt die Autorin Gabrielle Zevin die Geschichte von der Freundschaft und Liebe (?!) zwischen Sam und Sadie, die sich als Kinder beim Videospielen kennengelernt haben, und Marx, die alle zusammen Großes schaffen und Gamedesigner werden.

»»Freundschaft«, erklärte Marx, »ist ein bisschen so, wie ein Tamagotchi zu pflegen.« (S.89)

Der Roman wird schon sehr gehypted - but is it worth it?

YES 🎮👾 Obwohl der Roman einige Längen hat (zumindest meines Empfinden nachs), habe ich diesen Roman sehr gerne gelesen und mich von der Autorin in die Welt von Sam & Sadie entführen lassen. Hin und wieder bin ich ein wenig verzweifelt daran, wie sehr sich Menschen missverstehen und einfach NICHT kommunizieren können. Ein Heartbreak Roman - der von der guten Sorte 👾

Eine große Leseempfehlung für diesen tollen Roman über Freundschaft und Empowerment 💜

Bewertung vom 27.02.2023
Hermann, Judith

Wir hätten uns alles gesagt


weniger gut

Judith Hermann analysiert Ihr eigenes Leben, Sein und Schaffen
In ihrem neuen autobiografisch geprägten Werk »Wir hätten uns alles gesagt« analysiert und seziert die Autorin Judith Hermann ihre Gedanken, Träume, Freundschaften, (Wahl-)Verwandtschaft und Familie, über ihre Psychoanalyse, ihr schriftstellerisches Sein und Schreiben. Ich würde es daher sogar eher als Memoir einstufen.



In diesem Buch schreibt sie darüber, wie sie schreibt und warum sie schreibt: »Aber sich etwas ausdenken, hieße für mich, aus der Wirklichkeit hinaus und in eine andere Wirklichkeit hinein zu wollen - und das ist eben genau das, was ich nicht will. Ich will in diese eine unbegreifliche Wirklichkeit hinein, ich will schreiben, dass ich sie nicht begreife, und ich will darauf bestehen, dass sie, alles in allem, auch nicht zu begreifen ist.« (S.100)

Sie schreibt folglich, um die Realität zu verarbeiten, vielleicht um sie als ihre eigene zu beschreiben und sicherlich auch als eine Art Selbsttherapie. Im Buch schreibt sie ebenfalls darüber, dass all ihre Werke autofiktionale Bezüge enthalten und sie es sich zur Kunst gemacht hat, diese zu verschleiern und so zu bearbeiten, dass dies keine biografischen Erzählungen bleiben. Daher gibt es zahlreiche Verweise auf ihre anderen Werke, deren Kenntnis zum Gesamtverständnis dieses Buches sicherlich enorm beiträgt.

Das Buch gliedert sich in drei Teile, wobei die einzelnen Teile weder Kapitel noch Überschriften haben, was mir sehr gefehlt hat und mehr Struktur und Verständnis für mich erzeugt hätte. Unabhängig davon kann ich ihren Thesen, wie bspw. dieser im nachstehenden Zitat, nicht folgen und mir fehlen Erläuterungen, Beispiele, Gedankenausführungen dazu:

»Geschichten schreiben heißt misstrauisch sein. Lesen heißt, sich darauf einzulassen. Jede Geschichte erzählt von einem Gespenst. Am Ende ist das Zentrum der Geschichte ein Schwarzes Loch, aber es ist nicht schwarz, und es ist nicht finster. Es kann im besten Falle glühen.« (S.128)



Insgesamt muss ich sagen: Das war leider nichts zwischen diesem Buch und mir. Bestimmt gibt es viele Lesende, die dieses Buch sehr lieben werden, aber ich gehöre nicht dazu. Für mich waren die Gedanken manchmal zu wirr, zu sprunghaft und auch zu wenig verbunden. Vielleicht habe ich Judith Hermann einfach nicht verstanden, oder es bedarf einer Angehörigkeit einer gewissen Generation, um dies zu können. Mir bleibt nur zu sagen: Ich habe das Zentrum des Gespensts nicht als schillerndes und glitzerndes Glühen entdecken können und wünsche allen anderen Lesenden dabei viel Erfolg!

Bewertung vom 27.02.2023
Bergmann, Michel

Mameleben


gut

»Sie hat sich erschaffen und mitten ins Leben gesetzt! Von vielen bewundert, von manchen gefürchtet, von einigen obsessiv begehrt, aber stets sich selbst genug. Sie liebt mich, so wie sie zu lieben vermag, besitzergreifend, mit aller Besessenheit und allen Einschränkungen, daran habe ich keinen Zweifel. Aber ich bin nicht in ihrem Sinne geraten. Ich erfülle nicht ihre übermenschlichen Erwartungen.« (S.110)

Gegenüber ihrem Sohn Michael hat die Mutter - Charlotte - viele Vorwürfe, Erwartungen und insgesamt eine sehr hohe Anspruchshaltung. Wenn sie vor anderen von ihrem Sohn spricht, lobt sie ihn in höchsten Tönen. Dieser Widerspruch zeigt sich auch in anderen Bereichen ihrer Mutter-Sohn-Beziehung, die sehr von den Erfahrungen der Mutter als Überlebende des Holocaust und eines Internierungslagers gekennzeichnet ist.

In »Mameleben« schreibt der Autor, Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Michel Bergmann über das Leben seiner Mutter, die Mutter-Sohn-Beziehung, seine Erinnerungen an das gemeinsame Leben und stückweit auch über sich. Der Autor gehört der 1. Nachkriegsgeneration an, wurde er 1945 im Internierungslager geboren.

Mit diesem Werk schreibt der Autor seiner Mutter ein literarisches Denkmal, Liebeserklärung, Abrechnung und eine facettenreiche Biografie. Michel Bergmann porträtiert eine Frau, die viel durchgemacht hat; deren Lebensweg durch die Machtergreifung der Nazis einen ganz anderen Gang genommen hat (»Ich habe mich […] verlebt.« (S.227)), als sie sich erträumt und gewünscht hat; die zu sich selbst sehr hart war, aber auch zu ihrem geliebten Sohn; die Verantwortung trägt; eine sehr gute Geschäftsfrau ist; deren Leben von Verlusten und Überlebenswillen geprägt war, wie es exemplarisch für viele Shoah-Überlebende ist.

Dieses erzählende Sachbuch zeichnet sich durch die ehrliche, persönliche, melancholische, stellenweise vorwurfsvolle und insgesamt liebevolle Erinnerung Michel Bergmanns an seine Mutter Charlotte aus. Es ist ein sehr persönliches Buch geworden, das immer wieder jüdische Wörter verwendet (es gibt am Ende einen Glossar!) und insgesamt ein sehr eindrucksvolles Porträt zweier Generationen zeichnet.


Leseempfehlung für alle Fans von Shelly Kupferbergs ‚Isidor‘ und erzählenden Biografien 🤍