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SimoneF

Bewertungen

Insgesamt 477 Bewertungen
Bewertung vom 07.11.2024
Die Goldene Schreibmaschine
Henn, Carsten Sebastian

Die Goldene Schreibmaschine


gut

Carsten Henn kannte ich bisher nur dem Namen nach als Erwachsenenautor, und „Die goldene Schreibmaschine“ ist sein Kinderbuchdebüt. Die Grundidee des Buches, durch das Umschreiben von Büchern mittels eines magischen Schreibgerätes nicht nur die Handlung, sondern auch die Realität zu verändern, ist nicht neu und erinnerte mich an "Die Geschichtenwandler - magische Tinte“ - hier wiederholen sich die Ideen im Fantasy-Sektor.


Emily versucht, mittels der goldenen Schreibmaschine ihr Leben in ihrem Sinne zu beeinflussen, und muss feststellen, dass dies auch unangenehme Auswirkungen hat. Zudem wird ihr fieser Lehrer Herr Dresskau auf die magischen Fähigkeiten der Schreibmaschine aufmerksam und möchte diese um jeden Preis in die Finger bekommen.


Dresskau, der Antagonist des Romans, ist nun leider so platt, absolut böse und skrupellos gezeichnet, dass der gesamte Roman unter dieser eindimensionalen Figur leidet und die Freude an der Geschichte enorm trübt. Mir ist nicht klar, warum viele Autoren immer wieder glauben, in Kinder- und Jugendbüchern die Charaktere übertrieben gut oder böse zeichnen zu müssen und in die Schwarz-Weiß-Falle treten. Meines Erachtens unterschätzen sie dabei die Intelligenz jungen Leser und Leserinnen, die durchaus in der Lage sind, feine Nuancen wahrzunehmen und komplexe Figuren zu verstehen. Auch die Realität ist nicht schwarz-weiß, und ambivalente Charaktere sind die Regel.
Auch Emilys Verhalten, die im Buch durchaus umsympathische und egoistische Züge hat, wird in meinen Augen nicht ausreichend reflektiert. Hier verschenkt das Buch leider Potential.

Sehr unangenehm berührt hat mich die Szene, in der Dresskaus Schüler Gräber aufbrechen. Diese Pietätlosigkeit geht mir in einem Kinderbuch zu weit. Angenehm finde ich hingegen, dass es sich bei dem Roman um eine abgeschlossene Geschichte und keine Reihe handelt - im Fantasy-Sektor schon fast eine Ausnahme.

Insgesamt bleibt das Buch leider hinter meinen Erwartungen zurück.

Bewertung vom 06.11.2024
Das Fest (MP3-Download)
Fricke, Lucy

Das Fest (MP3-Download)


ausgezeichnet

Eher zufällig bin ich über das Hörbuch „Das Fest“ mit dem recht unscheinbaren Cover gestolpert. Die Kurzbeschreibung hat mich jedoch neugierig gemacht – glücklicherweise, denn die Geschichte war für mich ein herzerwärmendes Highlight!

Der 50. Geburtstag ist für viele eine echte Zäsur: Die besten Jahren liegen vermeintlich hinter einem, was soll da jetzt noch kommen? So denkt auch Jakob, der sich am liebsten verkriechen möchte, sich jegliche Feierlichkeiten verbittet und deprimiert in die Zukunft blickt. Er ist Single, kinderlos und steht beruflich auf dem Abstellgleis. Seine beste Freundin Ellen sieht das anders und hat ihre eigenen Pläne…

Lucy Fricke erzählt einfühlsam und berührend, mit leisem Humor. Auch wenn ich noch ein paar Jahre bis zum 50. Geburtstag habe, konnte ich mich doch gut in Jakob hineinfühlen und habe mich in einigen Situationen wiedererkannt. Die Geschichte ist trotz melancholischer Momente hoffnungsvoll und lebensfroh, und zeigt, dass es nie zu spät ist für Veränderungen. Und manchmal hilft ein anderer Blickwinkel, um Ereignisse aus der Vergangenheit in einem neuen Licht zusehen.

Für mich versprüht die Geschichte einen ähnlichen Charme wie Hiiragi Sanakas „Erinnerungsfotografen“, und ich könnte mir dieses Buch sehr gut als wunderbares Geschenk für alle rund um die Lebensmitte vorstellen.

Das Hörbuch wurde von Bettina Hoppe toll eingelesen. Ihre etwas tiefere Stimmlage empfand ich als sehr angenehm, und sie trifft genau den richtigen Ton. Ein großes Hörvergnügen!

Bewertung vom 06.11.2024
Endlich das ganze Leben
Recchia, Roberta

Endlich das ganze Leben


ausgezeichnet

Manche Ereignisse im Leben sind so einschneidend, dass sie das Leben in ein Davor und Danach teilen. Zu den schmerzhaftesten gehört sicher der Verlust eines Kindes. Mit einem solchen müssen Marisa und Stelvio Ansaldo in „Endlich ein ganzes Leben“ fertigwerden.
Anrührend erzählt Roberta Recchia im „Davor“, wie sich Marisa und ihr Mann Stelvio ca. 25 Jahre zuvor in den 1950er Jahren kennengelernt haben. Hierbei bekommt man einen guten Einblick in die gesellschaftlichen Verhältnisse und Moralvorstellungen der damaligen Zeit und lernt Marisas Elternhaus näher kennen. Ich konnte mich hierbei gut in Marisa hineinversetzen und der liebevolle und charakterstarke Stelvio wuchs mir sehr ans Herz. Danach springt die Geschichte in das Schlüsseljahr 1980 und das „Danach“. Da ich bezüglich der Handlung nicht spoilern möchte, ist es gar nicht so einfach, meine Gedanken zum Roman in Worte zu fassen. Der gewaltsame Tod von Marisas und Stelvios Tochter Betta ist ein Wendepunkt im Leben aller Beteiligten. Er stellt die Ehe der Eltern auf eine schwere Probe. Wie geht man als Paar mit einem solchen Verlust um? Findet man zusammen einen gemeinsamen Weg der Trauer, oder geht alles zugrunde? Aber auch Bettas Cousine Miriam droht an dem Ereignis zu zerbrechen. Ihr Leben steht im Mittelpunkt des zweiten Romanteiles und ist ergreifend erzählt.
Mich hat dieses Buch so sehr gefesselt, dass ich es nicht mehr aus der Hand legen konnte und bis spät in die Nacht aufgeblieben bin, um es in einem Rutsch zu lesen. Ich habe mitgelitten und mitgezittert, war fassungslos und wütend, traurig und hoffnungsvoll zugleich. Roberta Recchia hat interessante, starke Charaktere erschaffen, die mich beim Lesen emotional gepackt haben, auch wenn ich mir einzelne Personen etwas ambivalenter gewünscht hätte, da manches ein bisschen dick aufgetragen wirkte. Neben der familiären Ebene zeigt Roberta Recchia auch, wie wirtschaftliche Interessen, Seilschaften und die Vorstellungen von Anstand und Moral in den 1980er Jahren die Ermittlungsarbeit der Polizei beeinflussten.
Ein lesenswerter Familienroman, der erschüttert und gleichzeitig Hoffnung spendet.

Bewertung vom 02.11.2024
Der Schatten einer offenen Tür
Filipenko, Sasha

Der Schatten einer offenen Tür


ausgezeichnet

Bevor ich dieses Buch las, kannte ich Sasha Filipenko nicht und ich erwartete anhand der Kurzbeschreibung eine Art Kriminalroman. Ein klassischer Krimi ist „Der Schatten einer offenen Tür“ jedoch nicht. Dennoch - oder vielleicht gerade deswegen - hat der Roman für mich einen Sog entwickelt, der dafür sorgte, dass ich das Buch nicht mehr weglegen wollte und es auf einen Rutsch gelesen habe.

Filipenko erzählt nicht stringent, sondern fügt die einzelnen Fäden, die er in 24 Gesängen, Prolog, Epilog und Postskriptum spinnt, nach und nach zu einem virtuos komponierten Ganzen. Spannend sind seine Protagonisten: Da ist der Moskauer Ermittler Alexander Koslow, eigentlich erfahren, intelligent und pflichtbewusst, jedoch aufgrund privater Probleme nicht auf der Höhe und depressiv. Er ist auf gewisse Weise ein klassischer tragischer Held. Der Revierinspektor Michail, einst ein Gefängniswärter in Ostrog, ist provinziell, einfach gestrickt, grob. Er hat noch eine alte Rechnung mit Koslow offen und will Koslow keinesfalls die Lösung des Falles überlassen. Die außergewöhnlichste Figur ist Petja, ein ehemaliger Waisenjunge aus dem Ostroger Kinderheim. Er ist ein Außenseiter und komischer Kauz, empfindsam, gutmütig und naiv, und glaubt fest an Recht und Gesetz. Besonders faszinierend fand ich die siamesischen Zwillinge Vera und Ljubow, deren Nebenstrang eine eigene kleine Parabel mit interessanten Interpretationsmöglichkeiten angesichts der gegenwärtigen politischen Lage bietet.

Die Grundstimmung des Romans ist düster und melancholisch, der Humor tiefschwarz, und der Trostlosigkeit und Gleichgültigkeit steht einzig Petjas sanftes, selbstloses und gutgläubiges Wesen entgegen.

Ein Roman, der sehr nachdenklich stimmt und den man noch lange mit sich trägt.

Bewertung vom 31.10.2024
Sepp, was machst du?
Schellhorn, Sepp

Sepp, was machst du?


ausgezeichnet

„Sepp, was machst Du?“ ist ein Kochbuch, das sich sehr wohltuend von den Hochglanz-Standard-Kochbüchern am Markt abhebt. Sepp Schellhorn verleiht den Gerichten durch persönliche Anmerkungen und kurze Anekdoten eine individuelle Note, die Fotos der Gerichte wirken authentisch und werden ergänzt durch Bilder von Sepp „in Aktion“.

Das Kochbuch enthält 90 Rezepte, die sich auf die Kapitel „Suppen & Kleinigkeiten“, „Knödel, Pasta & Co“, „Gemüse satt“, „Klassiker“, „Süßspeisen“ und „Meine Basic ReSEPPte“ verteilen. Die Gerichte sind zumeist typisch für die österreichische Küche und - für mich besonders wichtig! - alltags- und familientauglich. Hierdurch weiß ich schon jetzt, dass Sepp Schellhorns Buch bei mir eine festen Platz in der Küche bekommen und oft zur Hand genommen werden wird. Die Gerichte sind leicht nachzukochen, die Zutaten überall zu bekommen. Durch hilfreiche Tipps und qualitativ hochwertige Produkte gelingen so leckere und abwechslungsreiche Gerichte. Als erstes habe ich als großer Knödel-Fan die Kaspressknödel ausprobiert, und die ganze Familie war begeistert. Wir werden diese vielseitig verwendbaren Knödel ab jetzt sicherlich öfter kochen. Auch die Karotten-Ingwer-Suppe kam mit ihrer dezenten Schärfe sehr gut an. Demnächst stehen die Arancini und die Rote-Beete-Knödel auf dem Speiseplan, und die Schwarzbeernocken sehen einfach herrlich aus!

Während Vegetarier/innen im Kochbuch eine große Auswahl fleischloser Gerichte vorfinden, sind Veganer/innen eher nicht die Zielgruppe, da in nahezu jedem Rezept Milchprodukte oder Ei zum Einsatz kommen.

Mein einziger Kritikpunkt: Das Cover des Buches ist extrem empfindlich und feuchte Hände führen sofort zu hellen Flecken. Aufgrund von Saucenspritzern musste ich es außen feucht abwischen, wodurch sich teilweise die Farbe abgelöst hat und das Material auffaserte. Ein Kochbuch sollte für mich unbedingt eine Folierung besitzen, was hier leider nicht der Fall ist. Es bleibt nur, das Buch selbst in Folie einzuschlagen (VOR dem ersten Kochversuch ;-))

Bewertung vom 31.10.2024
Res will nach Hause
Warga, Jasmine

Res will nach Hause


sehr gut

Resilience, kurz „Res“, ist ein Mars-Rover, der von der NASA auf seine Expedition vorbereitet wird. Als Roboter ist er darauf ausgelegt, rational und effizient zu handeln - eine Maschine kennt keine Gefühle. Doch Res ist anders. Er entwickelt mit der Zeit eine Art Gespür für menschliche Regungen und stellt sich im Labor und später auf seiner Mission zusammen mit der Drohne „Fliege“ den großen Fragen: Was ist Liebe und Freundschaft, Hoffnung und Angst, und was ist ein Zuhause?
Worin besteht der Sinn eines (Maschinen-)Lebens, und bleibt wirklich nur eine große Leere zurück?

Jasmine Warga hat ein außergewöhnliches, leises und streckenweise philosophisch angehauchtes Kinderbuch geschrieben, das zum Nachdenken anregt und sehr berührt. Ganz besonders gelungen finde ich die Gegenüberstellung von Res‘ Erlebnissen und Gedanken mit den Briefen, die Sofie, die Tochter einer NASA-Wissenschaftlerin, über Jahre an Res schreibt (nur für sich, sie werden nicht abgesandt). Junge Leser/innen, die ein spannungsgeladenes Actionabenteuer mit umfangreicher äußerer Handlung suchen, werden bei diesem Buch nicht fündig werden, und an manchen Stellen hat die Geschichte auch die ein oder andere Länge. Doch es lädt ganz wunderbar dazu ein zu träumen, sich von Res bezaubern zu lassen und darüber nachzudenken, was das Leben und das Menschsein ausmacht.

Bewertung vom 31.10.2024
Was ist ein Mensch?
Göhlich, Susanne

Was ist ein Mensch?


ausgezeichnet

„Was ist ein Mensch?“ fragt sich der kleine Goldhamster Poldi, der bei Maya lebt. Den Menschen, seinen Körper und seine Eigenheiten aus Sicht eines Tieres zu betrachten, fand ich eine sehr erfrischende Perspektive, aus der umfangreiches Wissen unterhaltsam und auch mit einer Prise Humor vermitteln werden kann.

Das recht großformatige Buch ist grafisch sehr ansprechend gestaltet, die Farben sind kräftig, ohne knallig zu sein, und die einfallsreichen Illustrationen ergänzen den Text wunderbar. Allerdings wirken manche Seiten aufgrund der Fülle an Informationen und Bildern etwas unruhig und überladen.

Das Buch vermittelt für die angestrebte Zielgruppe ab 6 Jahren erstaunlich viel Wissen und verwendet Fachbegriffe wie Spiegelneuronen, Hippocampus, Liquor und Amygdala, die auch in einem Glossar am Ende des Buches erklärt werden. Die Erläuterungen gehen deutlich tiefer als vergleichbare Bücher von Ravensburger und Co, und für sehr wissbegierige Kinder mit Durchhaltevermögen ist dies ein ganz hervorragendes Buch, mit dem man sich lange und ausführlich beschäftigen kann. Dennoch würde ich die Altersempfehlung eher auf ca. 8-12 Jahre ansetzen. Ich habe das Buch zusammen mit meinem 10-jährigen Sohn gelesen und auch als Erwachsene noch das ein oder andere gelernt. Für jüngere Kinder würde ich auf alle Fälle dazu raten, das Buch gemeinsam mit dem Kind zu entdecken, da es zum Selbstlesen doch recht ambitioniert ist.

Insgesamt bin ich wirklich begeistert, wie viel Mühe sich die Autorin Susanne Göhlich gegeben hat, komplexe Sachverhalte kindgerecht aufzubereiten und die Neugier auf Biologie und Medizin zu wecken. Sie traut den jungen Leser/innen viel zu, und das finde ich lobenswert, denn gerade im Grundschulalter sind der Wissensdurst und das Interesse an spannenden Begriffen bei vielen Kindern sehr hoch.

Bewertung vom 28.10.2024
Das Geheimnis der Weihnachtstage
Kitchin, C.H.B.

Das Geheimnis der Weihnachtstage


ausgezeichnet

Der junge Londoner Börsenmakler Malcom Warren ist über die Weihnachtsfeiertage in Beresford Lodge im Hampstead bei Mr Quisberg, einem betuchten Kunden, eingeladen. Neben dessen Frau und deren Kindern aus ihren beiden vorangegangenen Ehen finden sich noch drei weitere Gäste ein. Als Warren nach einem geselligen Abend am ersten Weihnachtstag erwacht, findet er eine Leiche auf seinem Balkon, und die weihnachtliche Stimmung der Gesellschaft ist passé…

Ich habe ein Faible für Krimis, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Großbritannien spielen und liebe Agatha Christie und Dorothy L. Sayers. „Das Geheimnis der Weihnachtstage“ hat mich gleich von Beginn an in die Atmosphäre der gehobenen englischen Gesellschaft entführt. Malcom Warren ist ein feinfühliger, aufmerksamer Beobachter, eher zurückhaltend und für einen Mann dieser Zeit recht zartbesaitet und emotional. Der Kriminalfall entwickelt sich spannend und ist geschickt konstruiert. Auch wenn ich in manchen Punkten früh die richtige Ahnung hatte, tappte ich lange Zeit bezüglich des Gesamtbildes im Dunkeln und hatte großen Spaß daran, bis zum Schluss mitzurätseln. Besonders gut gefiel mir, dass in diesem Roman auch die Polizei bzw. Scotland Yard nicht auf den Kopf gefallen ist.

Kitchin hat mit Malcom Warren als Protagonisten insgesamt vier Kriminalromane geschrieben, und „Das Geheimnis der Weihnachtstage“ (in der Reihe ist das Band 2) macht Lust auf mehr. Ich hoffe, dass auch die anderen drei bald auf Deutsch erscheinen werden.

Bewertung vom 28.10.2024
Zauberei und Eulenschrei / Petronella Apfelmus Bd.12
Städing, Sabine

Zauberei und Eulenschrei / Petronella Apfelmus Bd.12


ausgezeichnet

Mein Sohn (10) ist ein riesengroßer Petronella-Fan, und so war klar, dass wir natürlich auch den neuesten Band unbedingt lesen möchten.

Petronella steckt über beide Hexenohren in Arbeit: In ihrer neuen Arzt-Praxis muss sie sich neben den üblichen Wehwehchen um die grassierende Glühnasenkrankheit kümmern, ein befreundeter Zauberer bittet sie, für ein paar Tage auf seinen Lehrling Mumpitz aufzupassen, und auch Lea und Luis brauchen Petronellas Hilfe. Zu allem Überfluss ist bei Mumpitz der Name Programm: Der Zauberlehrling hat nur Unsinn im Sinn und stiftet jede Menge Chaos.

Wir konnten von Anfang an in die Geschichte eintauchen und haben uns über das Wiedersehen mit liebgewonnenen Bekannten gefreut: Petronella und Lucius, die Apfelmännchen um Gurkenhut und natürlich die Kuchenbrand-Zwillinge. Auch Hexobine Höckerbein steckt ihre Nase wieder mit Vorliebe in Petronellas Angelegenheiten.

Ganz nebenbei vermittelt die Geschichte auch wichtige Botschaften und ermutigt dazu, Vorurteile abzubauen und andere nicht nach dem ersten Eindruck zu beurteilen. Außerdem zeigt sie, dass man Fehltritte durch gute Taten und Einsicht auch wieder ausbügeln kann.

Wie immer bietet auch Band 12 eine wunderbare Mischung aus Humor, Spannung und heimeliger Atmosphäre, die sich sowohl zum Vorlesen für die jüngeren Kinder oder zum ersten Selberlesen in der Grundschule eignet. Und auch ältere Kinder wie mein Sohn finden noch Gefallen daran. Auch ich habe als Erwachsene immer viel Freude daran, Petronellas Abenteuer gemeinsam mit ihm zu entdecken. Sehr schön gelungen sind auch wieder die schwarz-weißen Zeichnungen im Buch, die gerade bei den Kleinen für willkommene Auflockerung sorgen.

Wir können Band 12 rundum empfehlen!

Bewertung vom 28.10.2024
Die Vegetarierin
Kang, Han

Die Vegetarierin


gut

Yong-Hye führt in Seoul mit ihrem Mann eine durchschnittliche, leidenschafts- und ereignislose Ehe. Er arbeitet meist bis Mitternacht, sie kümmert sich um den Haushalt und hat einen Teilzeit-Job. Eines Tages beschließt sie, Vegetarierin zu werden. Dies erschüttert das Eheleben der beiden und wirkt sich auch auf weitere Familienangehörige aus…

Der Roman besteht aus drei Teilen, die jeweils aus der Sicht eines anderen Familienmitglieds erzählt werden. Der erste Teil nimmt die Perspektive von Yong-Hyes Mann ein, immer wieder unterbrochen durch kursiv gesetzte Einschübe von Yong-Hyes Träumen. Der zweite Teil wird aus der Sicht von Yong-Hyes Schwager geschildert, der dritte aus der Perspektive ihrer Schwester In-Hye.

Sehr interessant war für mich der Einblick in die südkoreanische Kultur. Yong-Hyes Familie ist streng patriarchalisch geprägt, als Frau hat man dem Ehemann zu gehorchen, ihn zu umsorgen und ihm ein angenehmes Heim und nahrhafte Mahlzeiten zu bereiten. Auch als Erwachsene schuldet man dem Vater Gehorsam. Der soziale Druck ist enorm, und wer aus der Reihe tanzt, wird geächtet, weil er Schande über die Familie gebracht hat. In diesem Sinne ist auch eine für uns im Westen so individuelle wie banale Entscheidung, vegetarisch (bzw. in Yong-Hyes Fall sogar vegan) zu leben, ein Affront gegen die Familie, ebenso wie der Entschluss, auf das Tragen eines BHs zu verzichten oder sich nicht zu schminken. Diese Stellen haben mich zum Teil emotional sehr bewegt und auch fassungslos gemacht, ist es für mich doch selbstverständlich, meine Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen und hier klare Grenzen gegen Einmischungen Dritter zu ziehen.

Dem gesamten Buch haftet eine düstere, hoffnungslose Grundstimmung an, die Menschen sind einsam, melancholisch, desillusioniert, depressiv. Beziehungen werden aus eher rationalen Gründen denn aus tiefer Liebe geschlossen, man lebt nebeneinander her ohne wirkliches Interesse an den Gefühlen des Anderen, und eine gewisse Todessehnsucht schwingt mit.

Ich hatte zunächst erwartet, eine Erklärung für Yong-Hyes plötzlichen Sinneswandel hin zum Verzicht auf tierische Produkte zu erhalten. Diese folgte jedoch nicht, zumindest nicht in einem rationalen Sinne. Vielmehr durchzieht sämtliche Kapitel eine gewisse Sehnsucht nach der Verschmelzung von Mensch und Pflanzenwelt bzw. der Metamorphose vom Menschen hin zur Pflanze. Diese grotesk anmutende, irrationale und kafkaesk wirkende Komponente war für mich schwer fassbar.

Fazit: Insgesamt fällt es mir schwer, den Roman zu bewerten. Der Schreibstil hat mich durchaus gepackt, und die Einblicke in die koreanische Gesellschaft waren sehr interessant. Allerdings konnte ich mit der Sehnsucht nach der Verwandlung vom Menschen zum Baum nichts anfangen bzw. mir wurde nicht klar, was mir Han Kang damit sagen möchte.

Ich vergebe daher 3,5 Sterne.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.