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Benutzername: 
Lara89
Wohnort: 
Münster
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Geschichten sind das Größte

Bewertungen

Insgesamt 112 Bewertungen
Bewertung vom 06.02.2023
Als Großmutter im Regen tanzte
Teige, Trude

Als Großmutter im Regen tanzte


sehr gut

Schwere Kost

Juni nimmt eine Auszeit auf einer kleinen norwegischen Insel, auf der sie das Haus ihrer Großmutter Tekla geerbt hat. Sie findet alte Fotos und beginnt, Fragen zu stellen. Die Geschichte der Großmutter wird geschildert, die sich in einen deutschen Soldaten verliebte und Norwegen nach dem Krieg verließ. Sie reisen nach Demmin, wo seine Familie einen Hof besaß. Parallel weitererzählt wird die Geschichte Junis, die aus einer gewalttätigen Ehe geflohen ist und sich nun auf den Weg nach Deutschland macht, um nach Spuren ihrer Großmutter zu suchen.

Was wie eine besinnliche, fast poetische Erinnerungsreise beginnt, führt zu einer Schilderung der Brutalitäten, die russische Soldaten in dem ostdeutschen Städtchen Demmin begingen. Aus Angst vor den Massenvergewaltungungen oder mit der Erfahrung dessen nahmen sich hier viele hundert Menschen das Leben, meist Frauen, die ihre Kinder mitnahmen. Die Gräueltaten werden aus moderner Sicht erklärt, fast könnte man sagen: gerechtfertigt. Wie die Menschen danach damit gelebt haben, wird eindringlich geschildert, aus der Perspektive von Tekla und aus der der nachforschenden Enkelin. Doch auch die Nachkriegszeit in Deutschland mit ihren Erinnerungen, Schuldzuweisungen und Dingen, die verschwiegen werden, sind Gegenstand der Geschichte Junis.

Das ist schwere Kost. Die Autorin hat gründlich in Deutschland und Norwegen recherchiert. Wer sich dem aussetzen möchte, ist zum Schluss erneut dankbar für den Frieden in unserem Land. Eine gute Geschichte aus schlimmen Zeiten.

Bewertung vom 24.01.2023
Der Riss
Winter, Thilo

Der Riss


sehr gut

Sehr spannender, gut recherchierter Antarktis-Thriller
Antonia Rauwolf, Vulkanologin, kommt auf die antarktische Neumayer-Station, um Vulkane zu untersuchen, die in der Westantarktis entdeckt wurden. Aber zunächst macht sie sich auf die Suche nach ihrem im Eis verschollenen Bruder. Doch auch eine Gruppe mordender Diamantensucher ist unterwegs.
Das Ganze ist ein wilder Ritt mit sehr unterschiedlichen Protagonisten: Da sind die Wissenschaftler*innen und die Faszination des eisigen Kontinents, und auf der anderen Seite die Diamantensucher, die nur an Reichtümern interessiert sind und dafür über Leichen gehen. Das ist sehr spannend erzählt, und die Gefahr für die Beteiligten ist groß. Cliffhanger unterbrechen den Lesefluss immer wieder. Das Erzähltempo ist sehr hoch, man kommt buchstäblich kaum zu Atem.
Die Diamentensucher wirken manchmal etwas albern vor dem Hintergrund einer globalen Gefahr, auch wenn diese nicht so richtig erklärt wird. Schön wäre es gewesen, mehr über die Zusammenhänge und die einzigartige Natur zu erfahren. Doch dies ist ein Spannungsroman, und als solcher ist er durchaus gelungen.

Bewertung vom 20.01.2023
Ohne mich
Schüttpelz, Esther

Ohne mich


sehr gut

Jung, frei und unentschlossen
Das Leben ist nicht einfach, wenn man gerade zu Ende studiert hat und darüber hinaus frisch getrennt ist. Zwischen Studium, Party, Drogen, Sex und Praktikum scheint die Erzählerin vollkommen verloren. Sie schildert ihre wirre Gefühle und Gedanken, und machmal fragt sie sich, wo soll es hingehen und warum.
Die Ich-Erzählerin ist ebenso namenlos wie ihr Ex, der nur als "der Ehemann" bezeichnet wird. Sie beschreibt das Jahr, das nach dieser Trennung ins Land geht. Das ist flüssig geschrieben und lässt sich gut lesen. Eine echte Geschichte ist es nicht, eher die Darstellung eines Schwebezustandes und einer Lebensweise: Die Studierenden leben in Wohngemeinschaften, gehen nachts auf Partys und nehmen sehr viel Alkohol und Drogen zu sich. Manche gehen nach Berlin oder ins Ausland, andere in die Provinz. Oder sie bleiben. Nicht alle schließen das Studium ab.
Ganz am Ende hat die Erzählerin eine Idee davon, worauf es ankommt, und dass in dieser ganzen Zeit doch wichtige Dinge passiert sind. Endlich nennt sie auch ihren Ex wieder beim Namen. Seine Funktion hat er nicht mehr inne.
Ein Buch für Studierende und solche, die es einmal waren.

Bewertung vom 16.01.2023
Die Henkerstochter und die Schwarze Madonna / Henkerstochter Bd.9
Pötzsch, Oliver

Die Henkerstochter und die Schwarze Madonna / Henkerstochter Bd.9


ausgezeichnet

Spannend und detailreich
Altötting, Bayern, 1681: Kurfürst Max Emaunel und Kaiser Leopold 1. treffen sich im bayerischen Wallfahrtsort Altötting, und gemeinsam in der Gnadenkapelle zu beten und eine Allianz gegen die Türken zu schmieden. Das ist eine hochpolitische und sehr brisante Angelegenheit. Auf Betreiben des Kurfürsten ist auch die Familie Kuisl vor Ort, einer als Spion, ein anderer als Arzt. Da macht sich ein Attentäter bemerkbar.
Die Romane um die Tochter des Schongauer Henkers Jakob Kuisl und ihre Familie gehen hiermit in die neunte Runde. Man kann diesen Band lesen, ohne die anderen zu kennen; die handelnden Personen werden auch insgesamt nicht so zahlreich, dass der Überblick verloren ginge in diesem dicken Werk. Die private Familiengeschichte wird auf geschickte Weise mit der großen Politik verwoben.
Sehr detailreich erfahren wir, wie die Menschen damals lebten, auf Burgen, in Bürgerhäusern, in Klostern und in Spelunken, und wie normal auch das Töten und Sterben war. Besonderes interessant ist der Einblick in die Medizin der damaligen Zeit; in der Familie gibt es einen Arzt, einen Medizinstudenten und eine Hebamme. Der Beruf des Henkers ist zwar notwendig, aber nicht sehr angesehen, und so sind die Kuisls eher einfache Leute, die sich aber zum Teil hochgearbeitet haben.
Die Geschichte um das historisch verbürgte Treffen in Altötting ist aufgebaut wie ein moderner Krimi. Wir erhalten einen Einblick in eine düstere Gedankenwelt, aber wir erfahren bis kurz vor Schluss nicht, warum hier gemordet wird. Parallel wird aus mehreren verschiedenen Perspektiven erzählt. Schließlich geraten auch die Kuisls ins Fadenkreuz. Werden sie überleben? Können sie die Morde aufklären?
Definitiv eines der spannendsten Bücher des Jahres.

Bewertung vom 15.01.2023
AETERNA
Lundt, Mikael

AETERNA


sehr gut

Dimensionen - spannende Geschichte mit überraschendem Ende

Daniel Slovac arbeitet in einer Forschungsstation in den Schweizer Bergen, wo er Neutrinos aus dem Weltall aufzufangen hofft. Eines Tages misst er etwas Unerwartetes. Zugleich will Polizistin Isabella Cassini in Rom einen Informanten treffen, der ihr etwas über eine kriminelle Sekte erzählen will, aber er wird ermordet. Was scheinbar so wenig miteinander zu tun hat, ist eng miteinander verbunden.
Lundt verknüpft einen uralten mystischen Kult mit moderner Wissenschaft und einem sonderbaren Naturphänomen zu einer spannenden Geschichte. Er erzählt anschaulich und flüssig, das Lesen macht Freude. Die Figuren und ihre Umgebung kann man sich gut vorstellen. So kommt man gut ins Geschehen hinein. Die Auflösung stimmt nachdenklich.
Der Autor ist Selfpublisher und hat schon einige Wissenschaftskrimis veröffentlicht. Das Buch wurde professionell lektoriert, sodass der Lesefluss nicht durch Schreibfehler gestört wird. Die naturwissenschaftlichen Fakten sind verständlich dargestellt, und man kann der Geschichte gut folgen.

Bewertung vom 07.01.2023
Erin / Die Giganten Bd.1
Lylian

Erin / Die Giganten Bd.1


ausgezeichnet

Mutige Heldin, fantastische Naturwesen

Schlägt man diesen Comic auf, ist er erst einmal grün. Das passt gut, denn es geht um Pflanzenmagie.
Erin hat ihre Eltern verloren und wächst bei Onkel und Tante auf. Alles was sie pflanzt, wächst und trägt Früchte, selbst Kiwis in Schottland. Im Wald lernt sie ein magisches Wesen kennen, das auf besondere Weise mit ihr verbunden ist: den Pflanzenriesen Yrso. Giganten wie ihn gibt es noch mehr auf der Welt. Sie werden verfolgt, und einer von ihnen hat Böses vor.
Erin ist eine Heldin, mit der man sich leicht identifizieren kann. Sie ist neugierig und wenig ängstlich, trägt aber die Trauer um ihre Eltern mit sich. Die Zeichnungen sind professionell, farbig und schön anzusehen. Besonders Yrso ist faszinierend, eine riesige, zerzauste, baumartige Gestalt.
Fünf Bände, fünf Giganten folgen noch. Jeder ist mit einem besonderen Kind magisch verbunden. Sehr zu empfehlen, auch für Erwachsene.

Bewertung vom 02.01.2023
Das glückliche Geheimnis
Geiger, Arno

Das glückliche Geheimnis


gut

Autobiografie eines Schriftstellerlebens - mäßig unterhaltsam, manchmal weise

Der Autor durchsucht regelmäßig die Altpapiertonnen in seiner Umgebung. Manchmal findet er wertvolle Bücher, aber wichtiger sind ihm die Sammlungen privater Briefe der unterschiedlichsten Menschen aus den verschiedensten Milieus. Hieraus speist Geiger sein Schreiben. Jahrzehntelang gehören diese Touren zu seinem Leben.
Der Titel lässt mehr Glück und Spannung erwarten, als das Buch liefert. Geiger reflektiert sich durch mehr als zwei Jahrzehnte Leben und Schreiben. Seine Beobachtungen und Erlebnisse auf den immergleichen Wegen sind ein Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen. Die Veränderungen in seinem eigenen Leben sind die, die so ziemlich jeder Mensch erlebt: man wird erwachsen, die langjährige Liebesbeziehung wird auf die Probe gestellt, die Eltern sterben, schließlich stellt sich beruflicher Erfolg ein. Geiger schildert das alles sehr sensibel, nachdenklich, und auch selbstkritisch. Seine Gedanken reichen dabei weit über die eigenen Befindlichkeiten hinaus. Gelegentlich blitzt Weisheit auf. Als Geschichte liest sich das allerdings wenig spannend.

Bewertung vom 02.12.2022
Die Siegel des Todes
Orontes, Peter

Die Siegel des Todes


sehr gut

Schöner historischer Schmöker
Schwarzwald, ab 1323: Elias ist ein Waisenjunge und auf der Flucht. An seine Herkunft hat er keine Erinnerung. Ein Wasenmeister (Abdecker) findet ihn im Wald und nimmt ihn auf. Zugleich wird andernorts der kleine Bauernhof von Ranghilds Eltern überfallen. Das Mädchen kann fliehen.
Ohne von einander zu wissen, schlagen sich beide über die Jahre im mittelalterlichen Schwarzwald durch, später auch in Regensburg. Ranghild gelangt bis ins italienische Salerno, wo sie Medizin studiert. Sie gewinnen Freunde und Unterstützer, aber sie haben auch Feinde. Erst als Erwachsene begegnen sie einander und es wird klar, warum hier von beiden erzählt wird.
Das ist unterhaltsam und detailreich geschildert. Man erfährt eine Menge über den Alltag der Menschen im späten Mittelalter. Held und Heldin sind intelligente Kinder ihrer Zeit, die Dinge hinterfragen, sich aber auch anpassen können. Sie überleben und bewähren sich in den unterschiedlichsten Umgebungen, was immer wieder interessant und spannend zu lesen ist.
Gegen Ende hat die Geschichte Längen, was bei einem Umfang von knapp 800 Seiten nicht überrascht. Die Auflösung ist vorstellbar und umfassend, aber nicht erfreulich.
Ein Buch für Mittelalter-Fans, zu genießen bei elektrischem Licht und eingeschalteter Zentralheizung.

Bewertung vom 24.11.2022
Der Traum beginnt / Die Wintergarten-Saga Bd.1
Roth, Charlotte

Der Traum beginnt / Die Wintergarten-Saga Bd.1


sehr gut

Tanz auf dem Vulkan

Berlin 1920: Nina von Veltheim kommt aus Brandenburg hierher, um eine Theaterkarriere als Intendantin zu beginnen.
Gerade ist der erste Weltkrieg zu Ende gegangen. Kriegstraumatisierte Männer und bittere Armut bestimmen das Leben. Aber gefeiert wird trotzdem: Theater und Variete blühen, die ersten Filme werden gedreht. Ein Zentrum dieser Kultur ist das Variete Wintergarten. Auf dieser Bühne will Nina Geschichten zeigen. Ein kühnes Unterfangen, denn die Szene ist von Männern beherrscht. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen.

Dies ist die Geschichte einer starken, man könnte auch sagen: starrköpfigen Frau. Aber es ist auch eine Geschichte von Verzweiflung und Lebensmut. In dieser Zeit liegen Glanz und Elend nah beieinander, und die Menschen tanzen buchstäblich am Abgrund.
Das ist anschaulich und lebensnah dargestellt. Stil und Sprache sind flüssig zu lesen und die Personen kann man sich gut vorstellen. Ein toller Roman, der fesselt und die damalige Zeit und die Menschen zum Leben erweckt.

Bewertung vom 22.11.2022
Das Gesetz der Natur
Winter, Solomonica de

Das Gesetz der Natur


gut

Düstere Endzeit-Geschichte
Eine Katastrophe löscht an „Jenem Tag“ den Großteil der Menschheit aus. Auch Schusswaffen, Bücher und Technologien sind verschwunden. Was genau geschehen ist, erfahren wir nicht.
In dieser nachapokalyptischen Welt wächst Gaia in einem Haus in der Wildnis auf. Mit ihr leben zwei erwachsene Männer, der eine wird als Lehrer, der andere als Jäger bezeichnet. Die Geschichte zeichnet Gaias Entwicklung nach.
Überleben in der Wildnis, mit unbekannten Gefahren auch von Menschenseite - das klingt zunächst wie eine Abenteuergeschichte mit Fantasy-Elementen. Aber es will mehr sein. Der Stil ist gestelzt und pathetisch, die Figuren sind oft auf eine einzige Eigenschaft reduziert – der Lehrer, der Herrscher, der Sohn. Hier soll eine Legende erzählt werden. Auch Gaia wird meistens nur als „die Mutantin“ bezeichnet, ohne nähere Erklärung. Es gibt keine Innenansicht von ihr, und wir erfahren nicht, warum sie tut, was sie tut. Es werden Gründe genannt, aber die werden auch nur genannt, und nicht gelebt. Was Gaia antreibt? Es muss irgendetwas mit Gerechtigkeit und Büchern zu tun haben. Und auch mit Schönheit – was immer das ist.
Gegen Ende reist sie durch eine Wüste, segelt auf einem Gewässer über ein untergegangenes Land und wandert durch eine Vulkanlandschaft. Hier wird es geradezu allegorisch: Dies ist eine Reise an den Anfang der Welt.
Ein Buch, das mit Lesegewohnheiten bricht. Die Hauptperson bleibt fremd, trotz allem, was wir über sie erfahren.
Es gibt zwei Folgebände.