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marcialoup

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Insgesamt 147 Bewertungen
Bewertung vom 14.04.2024
Mochizuki, Mai

Das Mondscheincafé Bd.1


gut

Erfüllt nicht meine Erwartung

Ein verzauberndes Cover und liebevolle Worte, die das Buch bewerten auf den Innenseiten, aber statt von bekannten Persönlichkeiten sind die Bewertungen von Leser*innen geschrieben und geben dem Mondscheincafé seinen eigenen Touch.
Auf den darauffolgenden Seiten plaudert die Autorin Mai Mochizuki aus dem Nähkästchen, so zumindest mutet die Geschichten an, sehr lesernah und persönlich. Erwartungsvoll betritt man im ersten Kapitel mit der Protagonistin das Mondscheincafé und schaut sich mit ihr darin um.
Drei Katzen sind die Betreiber und kümmern sich rührend um ihren jeweiligen Gast. Dabei spielt die Kulinarik eine ebenso wichtige Rolle wie die astrologische Auseinandersetzung mit sich selbst und weiteren Ratschlägen fürs Leben.
Nach und nach treffen weitere Menschen im Mondscheincafé ein.

Es erinnert natürlich an das Café am Rande der Welt, ist aber durch die japanische Autorin mit asiatischem Flair aufgebaut und nimmt die Leser*innen damit auf eine fernöstliche Reise.

Mich hat dieser Roman jedoch nicht so tief erreicht und auch nicht mit Aha-Erlebnissen bestückt, an manchen Stellen erschien die Astrologie zu intensiv. Ich hatte etwas anderes von dem Buch erwartet, sodass ich nur drei Sterne vergeben kann.

Bewertung vom 07.04.2024
Clarke, Lucy

The Hike


sehr gut

Es brodelt unter der Oberfläche

Der Blick aus dem Fenster auf dem Cover läßt eine kribbelige Vorfreude auf die Geschichte entstehen. Der Prolog bestätigt die kleine Blutlache auf dem Cover.
Die vier Protagonistinnen – und Freundinnen -, die zusammen eine Wanderung durch Norwegens Berge machen wollen, sind einem sofort sympathisch, und während man in den ersten Kapiteln in die Abschiedsszenarien der einzelnen Protagonistinnen eingebunden wird, packt man seine eigenen Koffer gleich mit, weil man am liebsten mitwandern möchte.
Die Abschiedsszenarien vermitteln aber auch eine Spur von Spannung, wer von den vier Freundinnen sich wohl für immer verabschieden wird, oder von wem ist im Prolog die Rede?
Ein aufregender Spannungssog wird aufgebaut, gespickt mit Problemen, mit denen alle vier innerlich irgendwie zu kämpfen haben, da sie sehr unterschiedliche Alltäge zu bewältigen haben. Deshalb freuen sie sich umso mehr auf ihre gemeinsame Auszeit in den Bergen.
Dort kommt es aber auch zu Konflikten unterhalb der Freundinnen, denn ihr Hike ist auch eine Auseinandersetzung mit sich selbst und gegenseitig.
Als Leser folgt man den Fußstapfen der Protagonistinnen, immer ein Atemzug hinter ihnen. Als ich einen Tag mit Lesen aussetzen mußte, hatte ich das Gefühl, die Mädels warten auf mich, bevor sie ihren Hike fortsetzen…
Zu wem gehört das Blut auf dem Cover am Ende des Trips?

Bewertung vom 01.04.2024
Webb, Liz

Das Waldhaus


weniger gut

Mir fehlt viel für einen Thriller

Die Quitten auf dem Cover gehen einher mit dem Inhalt des Buchs, denn am Elternhaus von Hannah ist ein Quittenbaum, den Hannahs Mutter geliebt und die Quitten immer verarbeitet hat. Die gelbe Farbe der Quitten setzt sich im Farbschnitt des Buches fort.

Hannah wohnt wieder zuhause, um ihren dementen Vater zu pflegen, bis dieser auf der Treppe stürzt und ins Krankenhaus muß, wo er Hannah dann mit ihrer Mutter, seiner Frau, verwechselt, die vor Jahren ums Leben gekommen ist – es wurde nie richtig geklärt, wie sie gestorben ist...
In Hannah erwachen Erinnerungen und Fragen, warum ihr Vater sie immer wieder mit ihrer Mutter verwechselt und fängt an, sich als sie zu verkleiden, um in diesem Fall tiefer zu bohren und mit außergewöhnlichen Methoden eventuelle Unklarheiten ans Licht zu bringen.
Zu ihrem Bruder, der als Autor langsam Berühmtheit erlangt, hat sie ein schlechtes Verhältnis und wenig Kontakt, nimmt diesen aber auf, als sie zu einer Lesung von ihm geht über ein Buch seiner Kindheit. In seiner Widmung schreibt er unter anderem „Lass schlafende Hunde ruhen“…
Könnte spannend werden…
Die Autorin verliert sich aber in Details und es kommt leider keine richtige Spannung auf. Der Schreibstil ist eher unsympathisch, die Protagonistin sieht sich selbst sehr negativ und insgesamt haftet der Schreibweise ein negativer Touch an mit loser floskelhafter Art. Die Sprache ist trivial und ohne viel Atmoshphäre, die ein Thriller benötigt.
Leider für mich nicht lesenswert.

Bewertung vom 01.04.2024
Steenfatt, Janna

Mit den Jahren


ausgezeichnet

Von Zerwürfnissen und Liebesgeschichten

Die Autorin Janna Steenfatt zeichnet einzigartige, lebendige und warm beleuchtete Szenen, in die man schon versunken ist, bevor man es selbst merkt.
Mit unglaublich wortgewandter Erzählkraft entsteht eine irgendwie leise, melancholisch angehauchte Geschichte, vollgespickt mit Gedanken, Gefühlen und Ereignissen der Protagonisten, die aus losen Fäden ein Garn spinnen. Schuldgefühle, Reue, Scham aber auch Stolz, Selbstwert, Bindung und Offenheit bilden Charaktere. Es gibt Sollbruchstellen, Kratzer und Zersplittertes.

Man lernt die drei Protagonisten sehr intensiv kennen:
Lukas, der Maler, der Tiere mehr mag als Menschen und ursprünglich aus Hamburg kommt,
Eva, seine Frau, Mutter ihrer zwei Kinder und Lehrerin in Leipzig,
Jette, die sich in ihrem Singleleben eingerichtet hat, von Hamburg nach Leipzig gezogen ist und in einer Videothek arbeitet, obwohl sie eigentlich einen Roman schreiben will.

Sehr intensiv ist auch die Sprache, die in angenehmem Klang dichte Szenarien kreiert, in die man als Leser wie ein stiller Beobachter vollkommen hineingezogen wird und mit Lukas im Atelier steht, die Farben riecht, die Kaffeemaschine hört und Lukas’ Anwesenheit spürt. Überhaupt spürt man die drei Protagonisten sehr nah!
Jette in ihrer selbsterwählten Einsamkeit trifft Lukas in einer Bar und man selbst sitzt am Nachbartisch und beobachtet, wie Lukas und Jette sich kennenlernen. Knisternde Lust liegt in der Luft, im diffusen Licht der Bar und dem Stimmengewirr der Gäste spürt man die Anziehung zwischen Lukas und Jette, die irgendwo beginnt und irgendwie weitergeht… während man mit Eva, die im gleichen Moment Zuhause die Kinder hütet und an Lukas denkt und aus der Erinnerung heraus die Wirklichkeit herbeisehnt, wieder in deren Realität auftaucht.
Ein weiteres Kunstwerk der Gefühle und Bilder bildet sich, als Jette durch die Kulisse von Lukas’ Familie spaziert und sich von außen betrachtet ein eigenes Familienbild malt:
„Ein Leben in kuscheligen Jacken aus Biobaumwolle“ (Zitat S. 96) existiert allerdings nur in Jette’s Vorstellung und ihre Gedanken als Single sind fast schmerzhaft und bohren in noch nicht vorhandenen Wunden, die durch Lukas’ Unvollständigkeit und Eva’s innere Kämpfe entstehen. Jeder von ihnen trifft aufeinander, entfernt sich wieder. Die Zerrissenheit, ihre Schwächen und Stärken, die sich gegenseitig entwickeln oder schon vorhanden sind treffen erneut aufeinander. Es kommt zu einem sich überschlagenden, unvorhergesehenen Ende oder hat man es kommen sehen?

Das Cover hält auf den ersten Blick vielleicht Fragezeichen bereit: hingebungsvolle, aber auch abwesende und traurige Blicke – Verzweiflung, Demut, Schmerz, Verbundenheit – festgehalten wie in einem Gemälde. Auf den letzten Blick enthält das Cover alles, was das Buch begehrt.
Selbst das beige-gelb-farbene Lesebändchen entzückt mich in seiner farblich harmonischen Abgrenzung zum babyblauen Buchumschlag. Ein rundum gelungener Roman von Zerwürfnissen und Liebesgeschichten.

Bewertung vom 29.03.2024
Draschoff, Adrian

Die sieben Türen


sehr gut

Zauberhaft verzaubernd

Nein, das ist kein Kinderbuch, aber ein WUNDERvolles Bilderbuch für Erwachsene mit einer bezaubernden, verzaubernden und zauberhaften Geschichte!
Ein kleines Leuchten im scheinbaren Nichts macht sich in Begleitung der Raupe Yara auf die Suche nach dem Sinn des Lebens.
Begeben Sie sich als Bücherwürmchen mit auf diese Reise, schauen Sie hinter geheimnisvolle Türen der Erkenntnis. Öffnen Sie das Buch und Sie werden von warmem, einhüllendem Licht empfangen, das am Ende der Lektüre in Ihnen leuchtet.

7 Türen öffnen sich nacheinander, hinter denen sich die Gegensätze der menschlichen Natur zeigen: Licht und Schatten, Mut und Angst, Liebe und Hass, Glück und Trauer, Jetzt und Unendlichkeit, Alles und Nichts, Leben und Tod.
Liebe wird in diesem Buch so üppig und voll, harmonisch und herzlich beschrieben und mit herrlichen Bildern gezeichnet, dass es schon fast weh tut, die Seite umzublättern und auf die dunkelschwarze Seite des Hasses zu stossen.
Auf charmante Art werden Themen wie Angst, Dunkelheit, Trauer und Hass angesprochen, die sich so logisch und leicht in ihr Gegenteil verwandeln lassen können, wenn man mit ihnen wandelt.
„Es ist nur dunkel, wenn das Licht es noch nicht erreich hat“ (Zitat).
„Mut ist die Fähigkeit, trotz Angst zu handeln“ (Zitat).
Dieses Buch ist wie eine Geburt.

Die 7 Türen lassen wachsen, was in einem schlummert. Das Leuchten erfährt einen innerlichen Reichtum und leuchtet am Ende heller und größer.

Ein Buch, das ohne Seitenzahlen auskommt und dem durch unterschiedlich große und kleine Schrift in schöner Schriftart Leben eingehaucht wird.
Magische Momente erlebt man, wenn man nicht einfach nur liest sondern hineinspürt, denn dann werden die lebendigen, liebevoll gezeichneten, gut durchdachten Illustrationen im Einklang mit den Worten erlebbar.

Bewertung vom 24.03.2024
Seck, Katharina

Die Vermesserin der Worte


sehr gut

Worte verbinden

Ida, die wortlose Schriftstellerin, landet in einem kleinen verschrobenen, leicht verfallenen, fast vergessenen Dorf, als sie sich auf den Weg zu ihrem neuen Job machte: als Haushaltshilfe für eine alte Dame, die zunächst genauso verschroben wirkt wie das Dorf, obgleich die Dorfbewohner Ottilie Selig als wortkarge Bücherliebhaberin beschreiben.

Detailgetreu und in lebendiger Schreibweise zeichnet Katharina Seck dieses Dorf und das Anwesen der alten Dame in ausgezeichneter Kulisse und so genau, dass man die Farbe der grünen, zuwuchernden Büsche und Bäume leuchten sehen kann, den Geruch des naheliegenden Waldes aufnimmt und die Tür des Anwesens quietschen hört, als sie das erste Mal geöffnet wird. Wir treten mit Ida ein in verstaubte Zimmer und atmen den Duft vieler Bücher entlang der Regalwände ein. Das papierne Anwesen und die langsam verblassende alte Dame, deren Worte verschwinden und Lücken hinterlassen, die Ida füllen möchte, verlangen einiges. Über verschiedene Wege findet Ida Zugang zu Ottilie und zu sich selbst und überwindet ihre Schreibblockade auf ganz liebliche Weise.

Das Cover, auch lieblich dargestellt, verrät nichts vom Inhalt, spiegelt sich aber in jeder Kapitelüberschrift als Blumenschmuck wider.
Alles in allem ein nette Lektüre für Zwischendurch.

Bewertung vom 17.03.2024
Miller, Beth

Wort für Wort zurück ins Leben


gut

Die Geschichte einer verlorenen Zeit

Pearl’s Vater ist gestorben. Sie hatte jahrzehntelang keinen Kontakt zu ihm, ebensowenig zu ihrer Familie, ihren Geschwistern, als sie eine Nachricht erreicht, in der sie erfährt, dass ihr Vater im Sterben liegt. Leider kommt Pearl zu spät…
Bei der Beerdigung kommen viele Gefühle und Erinnerungen hoch. Ein Zusammentreffen mit der Familie sowie der zweiten Frau ihres Vaters, für die er lange zuvor die eigene Familie und damit auch Pearl verlassen hat ist unumgänglich.
Dann wird Pearl eröffnet, dass ihr Vater ihr ein Vermächtnis hinterlässt, dass nur für sie bestimmt ist, was wiederum Neid, Anfeindungen und Ärger unter den Familienangehörigen schürt.
Pearl stellt sich den Herausforderungen – was hat es mit dem Vermächtnis auf sich?
Die Tagebücher ihres Vaters kommen ans Licht, stenografisch geschrieben, und nur Pearl kann diese Schrift lesen…
Da diese nun nicht für alle lesbaren Tagebücher eventuelle Geheimnisse bergen könnten, bringt die Verkündung dieser Erbschaft noch mehr Zerwürfnis über die Patchworkfamilie.
Die zunächst überforderte Pearl stellt sich nach und nach den Schriften ihres Vaters und findet so Wort für Wort zurück – zu ihm, zu sich selbst, zur Vergangenheit und damit auch zur Gegenwart.

Und wer ist eigentlich Carrie?

In geschickter Manier schafft die Autorin Beth Miller einen psychologisch kreativen Roman zur Auflösung vertracker Familienverhältnisse und erreicht mit einer unterhaltsamen, lockeren Sprache sicher viele Leser.

Das Cover sieht sehr einladend und entspannend aus, passt aber meines erachtens nicht so gut zum Inhalt.
Obwohl die Protagonistin Pearl mich manchmal ein wenig an mich erinnert, hat mich dieser Roman leider nicht gepackt, einige Längen sind zu überwinden und subjektiv betrachtet trifft er nicht meinen Geschmack.

Bewertung vom 09.03.2024
Spit, Lize

Der ehrliche Finder


sehr gut

Irgendwie krass und unerwartet berührend

Ein zartes dünnes Büchlein von 125 Seiten beeindruckt in glänzender Sprache und mit dicht gepackten Ereignissen. Lize Spit erzählt die Geschichte von Tristan, dem Kind, das mit seiner Familie aus dem Kosovo geflüchtet ist, bis nach Belgien, zu Fuß und übers Meer; sie erzählt von Jimmy, der, zurückhaltend und anders, von den Mitschülern eher ausgegrenzt, in Tristan einen echten und ersten Freund findet, und um den Jimmy sich intensiv kümmern möchte. Jimmy, der akribisch seine Flippo-Sammlung verwaltet und den man vorbehaltlos komplett ins Herz schließt.
Aus Kindersicht mit Kinderton gepaart mit brisantem Thema spricht Lize Spit die Abschiebung von Tristans Familie an. Den Brief dazu bekam Tristans Familie an dem Tag, an dem Jimmy zum ersten Mal bei ihnen übernachten sollte.
Was dann passiert ist in keiner Weise erwartbar...

Ein klug durchdachtes Cover mit blauen Kreisen sowie zwei Farbkreisen besticht durch dieses runde Loch im Schmutzumschlag, das den pinkfarbenen Kreis darunter in Szene setzt. Gegenüber der grüne Punkt auf dem papiernen Cover zeigt sich ebenfalls darunter auf dem glatt-glänzendem pinkfarbenen Buchumschlag noch einmal.

Lize Spit bekannt für klare Darstellungen, die ins Eingemachte gehen, hat es geschafft, mich neugierig auf ihre anderen Romane zu machen. Somit war dies nicht mein letzter Roman von ihr.

Bewertung vom 06.03.2024
Rennefanz, Sabine

Kosakenberg


sehr gut

Zuhause oder Heimat?
Die Eier … ein symbolisches Thema des Romans.
Das Cover scheint zunächst unbeeindruckend. Aber die Farbgebung in Grün mit blassem Rosa mit einfach nur einem Eierkarton darauf läßt einen das Buch in die Hand nehmen und neugierig erforschen wollen, was es mit dem Titel, der zunächst auch nicht zum Cover passt, denn auf sich hat. Somit also doch gelungen!
Auf die Geschichte der Eier in und aus Kosakenberg wird auch noch tiefer eingegangen.

Nicht nur, dass Kathleen’s Vater in einem Kunststoffbetrieb arbeitete, der Eierkartons herstellte … später, nach der Wende … sondern auch die Zerbrechliechkeit wird widergespiegelt, die von rohen Eiern ausgeht…, und dem Eiertanz, ja, so könnte man es nennen, der quasi aufgeführt wurde, wenn Kathleen zu Besuch nach Hause, nach Kosakenberg, kam. Um die alltäglichen Themen wird herumgetänzelt, keiner spricht direkt an, welche Welten sie trennen – ihre Eltern, ihre Freunde, ihre Kindheit, ihre Vergangenheit in Kosakenberg – Kathleen in London, zuvor in Berlin, zuvor in der nächstgrößeren Stadt um Kosakenberg herum.
Im übertragenen Sinne könnte ein Ei auch für das englische Wort für ICH = I stehen und damit für Kathleen, die aus ihrem Dorf ausbricht.
Langsam hat Kathleen sich vorangetastet, um Weltluft zu schnuppern, um einen anderen Weg als ihre Eltern zu wählen, um das Korsett abzulegen, das ihr immer wieder zugeschnürt wird, wenn sie nach Kosakenberg zu Besuch kommt.
Was dann doch alles passiert und welche Veränderungen in die dörfliche, familiär gedachte Idylle einkehren wird, anfangs noch mit jedem Kapitelende gezeigt, rutscht es später in die Erzählung, um die es geht.

Kathleens Geschichte erzählt von den Unwägbarkeiten und veränderten Bedingungen zwischen ihrer Heimat Kosakenberg, ein Dorf, und die große weite Welt. Kathleen kann weggehen soweit sie möchte, doch ihre Wurzeln sind tief verankert. Mit jeder Heimkehr stellt sie fest, dass auch Kosakenberg nicht still steht und irgendwann zu etwas wurde, das sie nicht mehr kennt. Was sie loslassen muß, obwohl sie es immer als inneren Hafen der Heimat empfand. Wenn man in einem Ort lebt, bemerkt man die Veränderungen nicht so schonungslos. Schaut man aber nach einigen Jahren von Außerhalb drauf, bemerkt man die Verfremdung. Familien brechen auseinander, Geschäfte werden geschlossen, Kinder werden geboren, Alteingessesene sterben, Häuser werden verkauft und neu gestrichen…
Kosakenberg liegt im Osten Deutschlands, der Fall der Mauer trägt auch zur Geschichte in diesem Roman bei, jedoch ist es insgesamt ein bißchen übertragbar auf jedes Dorf im Verhältnis zu jeder Stadt.

Die Autorin Sabine Rennefanz versteht es geschickt und ohne Längen in unaufgeregtem Ton, den Leser einzufangen und mit Kathleen durch Kosakenberg zu gehen, Freunde, Dorfbewohner und Familie kennenzulernen und zu erleben, welche Veränderungen in und um Kathleen geschehen.
Netter Roman!

Bewertung vom 12.02.2024
Vescoli, Christine

Mutternichts


ausgezeichnet

Die Mutter war’s…
Ein melodischer Rhythmus durchklingt die Erzählung der Tochter von, über und aus ihrer Mutter, hinein in ihr Leben und ihr eigenes Leben. Ihr gemeinsames.
Aber doch getrenntes. Leben.
„Mutter starb an einem Sonntag im Mai…“ (Zitat S. 33)
Anklagende Momente, Entscheidungen, fragwürdige Vorgaben, liebevolle Gesten, Verbundenheit, Fürsorgliches, Zärtliches, Schmerzliches und Ängstliches bekleidet die Tochter und begleitet sie über den Tod hinaus in Erinnerungen und tiefer Gedankenwelt an ihre Mutter und an Fragen, deren Antworten sie nun, nach ihrem Tod, über Rückblicke zu finden hofft.
Nach wenigen Seiten schon wollte ich abbrechen, war überfordert, stellte in Frage und zweifelte – an dieser Sprache, an der Erzählerin, an mir…
Doch wenn man sich auf diesen Roman einläßt, erfährt man etwas ganz Besonderes, eine Fülle, ein Reichtum an Ausdruck und Darstellung, findet Erklärungen und Verständnis. Vielleicht sogar Trost.

Zunächst völlig anders pocht der Text der Autorin auf die lesende Person ein wie ein prasselnder Haufen ungewohnter Wörter. Wenn man darin die Melodie gefunden hat, erscheint eine gut komponierte Sin(n)fonie. Trotz teils melancholisch angehauchter Schwere strömt der Text auch etwas Erleichterndes, beinahe Dankbares aus.

Das Nichts um die Mutter herum und das Nichts der Mutter selbst im Nicht-Sein: diese Thematik hat mich angesprochen, ich kenne den Blick selbst an meiner Mutter … ins Nichts…
Es folgen Wörter, beeindruckende Sätze und unglaublich gebastelte Bilder entstehen daraus, wenn man darin plötzlich Erlebnisse eigener Mutternichts-Tochter-Momente erkennt.
Faszinierend lese ich, verstehe und vertiefe mich in die Sprache, sauge sogartig die Bedeutungen dahinter auf, die wie Aha-Erlebnisse aus den Seiten herausspringen.
Mutter-Tochter-Beziehungen sind wahrscheinlich im Grunde ähnlich aufgebaut. Man ist und bleibt Tochter. Nichts, auch Mutternichts, ändert das. Nicht.

In einem kleinen, dicht gepackten Buch findet die Autorin brillant-strahlende, ausdrucksstarke Wörter in einer teils schweren, vielleicht auch traurig anmutenden Thematik, die fast poetisch mit grenzenloser Wucht in die Tiefe strömen und Situationen heraufholen, die berühren, und das mit einer solch unfassbaren Klugheit, die einen fragend und überraschend zurückläßt mit dem Gefühl, endlich Worte gefunden zu haben, um zu beschreiben, was dieses besondere Band einer Mutter-Tochter-Beziehung ausmacht, mit dem man auf immer verbunden ist.

Das Cover präsentiert sich leise, fast zurückhaltend, aber dennoch sehr ausdrucksvoll durch das von Schwarz ins hellgraue Nichts verschwindende Wort Mutternichts. Nichts anderes hätte besser gepasst.

Ich bin völlig überraschend restlos begeistert! Danke für diesen Roman!