Das ist ein sehr gelungenes Buch für den angegebenen Altersbereich von 2-4 Jahren, wobei auch ältere Kinder ihre Freude daran haben werden. Die klaren Illustrationen sind detailreich und trotzdem auf das Wesentliche fokussiert, sie bieten schon beim ersten Ansehen viele Informationen und wecken Neugier. Die Klappen, hinter denen es einiges zu entdecken gibt, üben auf Kinder immer einen großen Reiz aus. Umso schöner, wenn sie gut überlegt gestaltet sind wie hier.
Das Buch ist systematisch gegliedert, es wird erklärt, wozu man Kräne braucht, welche Arten es gibt, wie sie zur Baustelle kommen, wie sie aufgebaut sind und einiges andere mehr. Dass es so viele verschiedene Kräne gibt, wird Kinder neugierig machen, ihre Welt bewusst wahrzunehmen. Je nach Alter der kleinen Leser/innen werden diese sich für die dargestellten Details interessieren, aber auf jeder Seite gibt es etwas zu entdecken, das schon die Kleinsten fasziniert. Wie die einzelnen Teile des Krans heißen, ist dann eher etwas für Spezialisten, das wusste ich vorher auch nicht.
Das Buch ist, wie alle aus der Reihe, aus stabiler Pappe, die Seiten lassen sich gut greifen und die Klappen sind ebenfalls solide konstruiert. Es fällt auf, dass die verborgenen Inhalte stets in einem gut überlegten Zusammenhang mit den Texten stehen. Diese sind verständlich formuliert, die Wortwahl ist kindgerecht, die Sätze sind kurz und prägnant. Durch die übersichtliche Gestaltung können auch Erstleser/innen davon profitieren.
Besonders hervorzuheben ist, dass sich hier jemand wirklich in Kinder hineinversetzen konnte und erahnt hat, was sie interessiert. Auch, wie ein Kranführer in sein Arbeitsgerät kommt und dass es dort oben keine Toilette gibt, ist spannend. Ein kleines Quiz am Ende sorgt für Spaß, dieses hätte jedoch viel ausführlicher ausfallen können. Kinder lieben es, ihre Kompetenz unter Beweis zu stellen!
Minuspunkt: Es gibt nur eine einzige Kranführerin im Buch und auch sonst ist es mit der Diversität nicht so weit her. Dennoch ein schönes Buch.
In einem Konvikt in Rom lernen und leben gemeinsam etwa 100 Frauen, davon werden acht in diesem Roman genauer vorgestellt. Ihre Träume und Perspektiven sind sehr unterschiedlich. Abwechselnd liegt der Fokus mal auf der einen, mal auf der anderen, wobei Emanuela einen sehr großen Raum einnimmt. Sie studiert im Gegensatz zu den anderen nicht, gibt aber vor, dies zu tun. Wegen einer unehelichen Tochter wird sie von den vermögenden Eltern in das Konvikt, damit in die Verbannung, geschickt, ihre Tochter wächst getrennt von ihr ebenfalls in einem Kloster auf. Sie ist inzwischen fünf Jahre alt und hat keine Beziehung zu ihrer Mutter, ebenso wenig wie Emanuela zu ihren Eltern. Emanuela wagt es nicht, den Mitbewohnerinnen von ihrem Schicksal zu erzählen.
Im Verlauf des Romans tritt immer mehr zutage, dass die Gemeinschaft der jungen Frauen keine echten Freundschaften hervorbringt. Jede ist, wenn sie das Konvikt verlässt, schnell auf sich gestellt. Zunächst geht Xenia, nachdem sie eine Prüfung nicht bestanden hat. Sie versucht zurechtzukommen, lässt sich schließlich von vermögenden Männern aushalten, deren dunkle Geschäfte sie nicht genauer kennen will. Milly ist herzkrank, träumt von der Liebe und verstirbt. Ihr Grab ist bald von Unkraut überwuchert. Vinca, die Spanierin, wird von ihrem spanischen Freund kurz vor einer bevorstehenden Hochzeit verlassen. Silvia ist nicht schön, sie vergräbt sich in die Bücher, ist erfolgreich bei der Unterstützung eines Professors und erhält schließlich eine Dozentur. Anna und Valentina stammen aus einem Dorf in Apulien, Anna studiert, um dem Ehrgeiz der Eltern zu genügen, möchte aber viel lieber in ihrem Leben bleiben und eine traditionelle Rolle einnehmen. Valentina kann mit Anna nicht mithalten, sie erstrebt eine Ehe, um ihre Mutter unterstützen zu können. Sie flüchtet sich in erotische Träume, da ihre Sehnsucht nicht erfüllt wird. Augusta, die älteste von allen, schreibt Romane, setzt sich mit der Rolle der Frauen in der Welt der Männer auseinander. Sie sieht, dass studierende Frauen über sich selbst bestimmen, alleine leben können, was ihnen die Gesellschaft kaum verzeihen wird.
Emanuela hat die Chance auf eine Ehe, offenbart jedoch, dass sie bereits Mutter ist, und die Beziehung zerbricht. Das Schweigen über alles, was den Moralvorstellungen nicht entspricht, ist unabdingbare Voraussetzung für das Leben einer Frau. Mit dem Geld, das ihre Familie besitzt, führt sie fortan ein Leben im Luxus, sie geht mit der Tochter auf eine Kreuzfahrt und genießt dort die unterschiedlichen Bekanntschaften. Ihre Tochter ist ihr entfremdet.
Der Roman ist ganz traditionell von einem allwissenden Erzähler geschrieben, der in die Gedanken und die Gefühlswelt der einzelnen Protagonistinnen eintaucht. Verbunden nur durch den gemeinsamen Ort, an dem sie, während sie studieren, alle gleich sind, kommen echte Freundschaften nicht zustande. Interessant werden die Geschehnisse durch die Zeit, in der Alba de Céspedes das Buch verfasst hat: Ahnte sie etwas von der sich anbahnende Katastrophe? Die Frauen stehen am Umbruch zu einer neuen Zeit, jedes Schicksal zeigt, dass ihre Rollen überdacht werden müssen, ihre Intelligenz und ihre Selbstständigkeit nicht länger unterdrückt werden können. Und doch scheitern sie überwiegend an den Vorstellungen, die die Männer ihren Rollen zuschreiben. Das Kreuzfahrtschiff, auf dem Emanuela in eine ungewisse Zukunft steuert, steht sinnbildlich für eine untergehende Gesellschaft, die die politische Katastrophe nicht sieht, die auf die Welt zukommt.
Eine niedliche Erzählung, die Kindern ab 4 durchaus gefallen wird. Perla ist eine kleine Hündin, die zusammen mit Nico, seiner Schwester Liz und den Eltern der beiden irgendwo in Amerika lebt. Die Hündin erzählt die Geschichte aus ihrer Sicht. Sie ist überzeugt von ihren Superkräften: Sie kann machen, dass jeder sie liebhat, und sie kann brüllen wie ein Löwe.
Als ein Pirat in das Nebenhaus einzieht, sind die Erwachsenen weniger begeistert. Natürlich handelt es sich nicht wirklich um einen Piraten, sondern um das Mitglied einer gleichnamigen Rockband. Perla und Nico freunden sich mit ihm an, sie mögen den Krach, den die Piraten ihre Musik nennen. Und dann kommt der Tag, an dem Hilfe gebraucht wird: Nico macht sich nach der Schule allein auf den Heimweg und verirrt sich. Mit Hilfe des Piraten kann Perla Nicos Fährte aufnehmen und ihn wohlbehalten wiederfinden. Die Erwachsenen sehen ein, dass sie den jungen Mann aufgrund seines Aussehens falsch eingeschätzt haben und fortan darf auch Liz sich mit ihm treffen.
Diese Geschichte scheint ein bisschen aus der Zeit gefallen zu sein, wenngleich natürlich die Einschätzung eines Menschen aufgrund seines Aussehens, seiner Kleidung und seiner Lebensweise ein zeitloses Phänomen ist. Dem stellt das Kinderbuch eine große Offenheit entgegen, der Pirat ist freundlich und wird von Nico und Perla so genommen, wie er ist. Die Autorin will damit ganz offensichtlich ein Zeichen für Toleranz setzen. Die Illustrationen unterstreichen den Text und verraten den Kindern von Anfang an, dass sie es hier mit einem sehr sympathischen und hilfsbereiten jungen Mann zu tun haben.
Die Sprache ist einerseits sehr einfach, andererseits benötigt der Text doch an der einen oder anderen Stelle die Hilfe eines Erwachsenen, um richtig verstanden zu werden. An zwei Stellen hätte ich mir eine bessere Übersetzung gewünscht (z.B. ist lang nicht gleich lange), außerdem eine Erklärung, dass es in Amerika Stinktiere gibt und dass diese Erwähnung ganz wörtlich gemeint ist. Auch sind die Winter dort, wo Perla und ihre Familie zu Hause sind, nicht besonders kalt, denn es wird im T-Shirt nach Nico gesucht, andererseits verbringen anschließend alle einen gemütlichen Winterabend am Feuer. Also viel Stoff für die Kommunikation mit den Kindern – so soll es ja auch sein.
Ein sehr lesenswerter Kriminalroman, der alles hat, was einen guten Krimi ausmacht: Einen spannenden Plot, interessante Charaktere, überraschende Wendungen, einen anschaulichen Stil und einen überzeugenden Schluss.
Margaret Winterbottom ist eine unzuverlässige Ich-Erzählerin. Nicht, dass sie das gewollt hätte, aber sie leidet an Alzheimer. Sie verlegt Dinge, vergisst öfter etwas, ist auch mal orientierungslos und spricht mit ihrem verstorbenen Mann Albert, als sei er noch am Leben. Und sie kann sich partout nicht erinnern, was ihre Freundin Barbara ihr als letztes anvertraut hat. Nun wurde Barbara ermordet und Margaret hofft, dass sie wenigstens aufklären kann, wer dieses Verbrechen begangen hat.
Die Leser/innen erfahren viel über Margarets Vergangenheit: Ihre Liebe zu ihrem Mann, ihr Leben. Einige Jahre scheinen wie ausgelöscht, andere sind noch sehr präsent. Im Krieg hatte sie eine wichtige Aufgabe, sie war eine intelligente Frau, die Probleme lösen konnte. Der englische Titel ‚The Margaret Code‘ gibt einen entscheidenden Hinweis.
Margaret kann ihre jetzige Situation mit immer größerer Deutlichkeit sehen, ihre Vergesslichkeit, ihre ‚Seniorenmomente‘, wie sie es selbstironisch nennt. Nun ist sie auf die Hilfe ihrer Familie angewiesen, allen voran die ihrer Tochter Shirley. Trotz aller Einschränkungen macht Margaret sich daran, mit ihrem Enkel James nach Spuren zu suchen. Wem kann sie vertrauen, kann sie sich auf sich selbst verlassen? Was ist es nur, das ihr nicht einfallen will?
Auffallend am Erzählstil sind der Humor und die originelle Bildhaftigkeit. Margaret weiß, dass sie sich selbst langsam verloren geht, und die Leser/innen nehmen Anteil daran, ohne dass Margaret der Lächerlichkeit preisgegeben würde. Auch jetzt bewahrt sie ihre Würde. James‘ Zuneigung ist rührend und aufrichtig, er tut alles, damit sich seine Gran erinnert und sie den Mörder finden. Er schafft es, sein Augenmerk auf das zu richten, was sie noch zu tun vermag.
Zunächst irritiert die Tatsache, dass das Geschehen im Jahr 2012 angesiedelt ist, die olympischen Spiele in London und das 60-jährige Thronjubiläum der Queen werden erwähnt. Auch ist der Altersabstand zwischen Großmutter und Enkel sehr groß, was durch einige Details im Leben von Margaret und Shirley erklärt wird. Der Autor benötigt für seine Erzählidee jemanden, der in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine wichtige Rolle gespielt hat. Nun ist Margaret eine alte Frau, deren Kompetenzen langsam verloren gehen und die deswegen unterschätzt wird: Doch vieles kann sie noch. Am Ende ist sie es, die den Mord an ihrer Freundin aufklärt.
Das ist zweifellos ein sehr spannender Thriller: unheimlich, mysteriös, überschattet von einer düsteren Prophezeiung.
Heidi, die zwölfjährige Protagonistin, lebt mit ihrem Vater und dessen Freundin Jennifer in einem Haus im schwedischen Hövenäset, einem Nest mit nur 200 Einwohnern. Als sie von einem Urlaub zurückkehren, ist Heidis Zimmer nicht fertig renoviert und sie erfährt von den Geldsorgen des Vaters. Da trifft es sich gut, dass ein Fremder namens Bill das Gästezimmer im Keller des Hauses mietet. Und Bill besitzt ein Riesenrad, das er in Hövenäset aufbaut. Heidi und ihre Freunde Alva und Harry freuen sich sehr, zumal sie die Gelegenheit erhalten, sich dort nützlich zu machen, wofür sie Freikarten erhalten. Aber Heidis Großmutter, die an zunehmender Demenz leidet, hat große Angst, als sie von Bill erfährt. Sie spricht von düsteren Geschehnissen in der Vergangenheit und davon, dass ein Riesenrad gefährlich für Babys sei. Und Jennifer erwartet in Kürze ein Kind!
Unheimliche Geschehnisse sorgen in diesem Buch für ein wahrhaft gruseliges Leseerlebnis. Nicht nur, dass Heidi eine Kiste mit einer sehr alten Babyrassel und einem Schuh in ihrem Zimmer vorfindet, auch hört sie nachts unheimliche Geräusche und nimmt Bewegungen hinter der Plane war, die ihr Zimmer abtrennt. Bill verhält sich seltsam, erscheint aber freundlich und zugewandt. Dann findet Heidi auch noch sehr alte, verstörende Bilder und Briefe, sowohl in ihrem Keller als auch im Haus der Großmutter. Zusammen mit ihren Freunden versucht sie, das Geheimnis zu ergründen, das offenbar mit dem Riesenrad und seinem Besitzer verknüpft ist, und das drohende Unheil abzuwenden.
Der Erzähler ist unzuverlässig: So ist die Rede davon, dass Bill ‚warmherzig‘ lächelt, andererseits ist Bill auf unheimliche Weise mit den Ereignissen der Vergangenheit verknüpft. Ich halte es für schwierig, Kinder ab 11 (Empfehlung des Verlags) mit so verwirrenden Wechseln zu konfrontieren. Mal ist es Heidi, deren Sicht wir folgen, mal leitet der Erzähler, mal ist Bill fürsorglich, mal beschleicht uns der Verdacht, dass er Böses im Schilde führt.
Die Sprache ist nicht konsistent auf die Zielgruppe ausgerichtet: Da fühlt sich Heidi ‚naiv‘, Jennifer grinst statt zu lächeln, dann wieder trägt Alva ein ‚Klämmerchen‘ im Haar. Was für ein Wort! Natürlich kann das auch einer nachlässigen Übersetzung geschuldet sein, dennoch fallen mehrfach Sätze auf, die merkwürdig wenig durchdacht anmuten.
Und zu guter Letzt sollte ein Kinderroman ein wirklich versöhnliches Ende finden und das Grauen nicht darüber hinaus wirken lassen. Für junge Leser/innen nach meiner Einschätzung weniger geeignet, auch wenn das Unheimliche sie für die Dauer des Lesens an das Buch fesseln wird.
Das Buch ist, obwohl bereits 1997 erstmalig auf Deutsch erschienen, von bedrückender Aktualität. Nicht nur, weil die Verbrechen der Nationalsozialisten für immer unsere Geschichte bestimmen, sondern auch, weil durch die Ereignisse der letzten Jahre neue Aspekte hinzugekommen sind.
Die jüdischen Mädchen Steffi und ihre jüngere Schwester Nelli werden aus dem pulsierenden, modernen Wien nach dem Einmarsch der Nazis von ihren Eltern nach Schweden geschickt, um sie in Sicherheit zu bringen. Diese ahnten, was bevorstehen würde. Die warmen Mäntel mit den Samtkragen, die wenigen Dinge, die die Kinder mitnehmen können, zeugen von der Liebe der Eltern, die ihre Töchter nur so beschützen können. Die Hoffnung ist eine gemeinsame Ausreise nach Amerika in wenigen Monaten.
Steffi und Nelli werden entgegen den Versprechungen auf der kleinen Insel ‚am Ende der Welt‘, auf der sie nun leben werden, getrennt. Nelli kommt zu einer Familie, während Steffi bei der strenggläubigen und verhärmten Tante Märta wohnt, deren Mann zugewandter, jedoch als Fischer seltener zu Hause ist. Alles ist fremd, die Mädchen können kein Schwedisch und unterscheiden sich auch sonst von den Menschen auf der Insel. Steffi erfährt in der Schule Ablehnung und Demütigungen, ihre Einsamkeit ist greifbar und erschütternd. Die Eltern erhalten keine Einreiseerlaubnis in Amerika und auch Schweden lehnt sie ab. Nichts von dem, was die Kinder bedrückt, schreiben sie nach Hause, um die Eltern nicht noch mehr zu belasten. Dann kommt der Krieg auch nach Schweden und das Leben wird noch härter.
Doch Annika Thor zeigt auch die kleinen Momente auf, die Steffi ein wenig trösten: Sie lernt Fahrrad fahren, nähert sich zaghaft einer Mitschülerin an, hat Erfolg in der Schule. Als es dann zu einem Eklat kommt und Sommergäste Steffi beleidigen, steht Tante Märta unerwartet hinter ihr.
Das Buch zeigt auf bewegende Art und Weise, welche Brüche in ihren Biographien auch Menschen erfahren haben, die nicht direkt vom Kriegsgeschehen betroffen waren. Gerettet, in Sicherheit, aber dennoch von allem getrennt, was eine unbeschwerte Kindheit ausmacht. Es ist wichtig, sich das auch heute zu vergegenwärtigen, ohne dabei die ungeheuren Verbrechen der Nationalsozialisten relativieren zu wollen. Psychische Verletzungen werden auch in unserer Zeit denen zugefügt, die geflohen sind und Hilfe suchen. Und ist es nicht wieder so, dass die falsche Religion, die falsche Sprache, die falsche Haarfarbe, die falsche Kleidung zu Ausgrenzung führen?
Wer würde heute bei der Korallenkette, die die Mutter Nelli zum Abschied schenkt, nicht an Margot Friedländer denken, der nur eine Bernsteinkette von ihrer Mutter geblieben ist?
Das Buch ist aus der Sicht Steffis geschrieben, ihre Erlebnisse und Empfindungen stehen im Mittelpunkt. Die Schlichtheit der Sprache entspricht dem Alter Steffis, sie ist anfänglich 12 Jahre alt. Diese Sprache nimmt die jungen Leser mit in Steffis Leben und ist in ihrer Unmittelbarkeit besonders eindringlich.
Die Neuausgabe ist kongenial illustriert im Stil der Zeit, in die die Autorin uns versetzt. Die Bilder sind mit einem matten Gelb koloriert, ansonsten schwarz-weiße Strichzeichnungen, zuweilen Karikaturen.
Ein zeitlos wichtiges, erschütterndes Buch.
Tiptoi-Bücher sind ohne Zweifel bei Kindern und sicher auch Eltern sehr beliebt, insofern also ein Selbstläufer. Dennoch bin ich der Meinung, dass diese Werke auch ohne Stift als Bilderbuch eine Wirkung haben und die Autoren sich nicht auf die Zusatzfunktionen verlassen sollten.
Dies ist hier nicht gut gelungen: Die Kinder Paul und Kisha werden nur ganz nebenbei eingeführt, es geht im Text in erster Linie um Informationen über Zoos, nicht um die Tiere, die für Kinder doch so spannend sind. Dies ist aus den Kapitelüberschriften klar ersichtlich, z.B. ‚Wozu ist der Zoo gut?‘ oder ‚Wieso sind Gehege unterschiedlich?‘ Das nimmt jüngere Kinder nicht mit, hier sollten eigentlich Paul und Kisha durch den Zoo gehen und dabei eigene Beobachtungen machen, dann zusätzlich Informationen erhalten. Es fehlen eine Geschichte, die Fragen der Kinder, wörtliche Rede, alles, was ein Buch lebendig macht. Ein Zoobesuch ist doch ein aufregendes Erlebnis! Das macht das Bilderbuch nicht deutlich. Wenn wir die Kinder zu Lesern machen wollen, dann brauchen sie tolle Bücher mit spannenden Texten.
Durch den Einsatz des Stifts kann sich das Potenzial eines tiptoi-Buches entfalten – und enttäuscht auch hier. Der Textaufbau ist nicht durchdacht, die Sprache fluktuiert zwischen Über- und Unterforderung: Da ist ohne Erklärung von Zuchtprogramm und Savanne die Rede, andererseits ist das kleinkindhafte Lachen am Ende eines Kapitels eher störend. Die Oma von Paul und Kisha wird erst am Ende vorgestellt und ähnliche Brüche durchziehen das Buch. Gar nicht gut finde ich die Fragen zu den einzelnen Seiten: Da wird nicht auf das eingegangen, was Kindern auffällt und sie sehr interessiert, sondern es soll z.B. auf dem Zooplan etwas gesucht, Tiergeräusche sollen identifiziert werden, die jedoch zuvor nicht gehört werden konnten. Wer weiß denn schon, wie ein Leguan klingt? Welches Kind unterscheidet tropische Vogelarten, die es nicht kennt? Auch kleine Pandas müssten erst einmal vorgestellt werden, denn das Tier, das ein Kind als Panda vor Augen hat, sieht ganz anders aus. Und ‚Ich sehe was, das du nicht siehst‘ wäre eine tolle Chance, den Fokus auf die Aktivitäten der Tiere zu richten, stattdessen wird z.B. nach T-Shirts von Zoobesuchern gesucht. Und das Ultraschallbild? Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.
Ein Buch, das entbehrlich ist, auch wenn Kinder sich mit dem Stift bewaffnet darauf stürzen werden und die Erwachsenen ein bisschen Ruhe haben. Schade!
‚Sie hat nie etwas getaugt‘. Der erste Satz dieses Romans, bei der Trauerfeier für die durch Suizid verstorbene Mutter vom Großvater der Autorin geäußert, offenbart die unfassbare Kälte, in der die Mutter aufgewachsen sein muss. ‚Das sagte er wirklich, in diesem Moment‘, bekräftigt die Autorin einige Seiten später, sie selbst hatte es gehört. Die Töchter der Verstorbenen hatten die Beziehung zur Mutter verloren, deren Zuneigung war unzuverlässig. Trauern können sie kaum. Das Cover des Romans zeigt eine Frau, die zärtlich die Tochter umfasst, sich an ihr festzuhalten scheint, während das kleine Mädchen sich nicht ihr, sondern der Kamera zuwendet. Mutter und Tochter.
Die Mutter wurde 1936 in Niederschlesien, im heutigen Polen, geboren und wuchs in sehr guten Verhältnissen unbeschwert auf. Ihr Vater, ein angesehener Arzt, leitete das Sanatorium Wölfelsgrund, erst im März 1946 floh die Familie von dort. Doch schon vorher hatte die Welt der Frau, die die Mutter der Autorin werden würde, Risse. Sie war 8 Jahre alt, ‚als ihr Leben auseinanderbrach‘: Walter, ihr geliebter Bruder, war gefallen. Der sensible Walter, den der Vater demütigte, weil er stotterte, nicht den Ansprüchen genügte. Von ihm bleiben dem Mädchen ein Brief und ein Buch, beides bewahrte sie bis an ihr Lebensende auf. Das Mädchen Gisela, vorher im Mittelpunkt der Familie, wurde nun durch die Ereignisse des Krieges an den Rand gedrängt. Der Vater ein Opportunist, der sich nie für die Gefühle seiner Familie interessierte, der seinen Patienten gegenüber kein Mitgefühl aufbrachte, seine Frau betrog und stets wusste, wie man sich aus brenzligen Situationen herauswand. Nach der Flucht war der Neuanfang schwierig, Gisela war ein Flüchtlingsmädchen wie so viele. Sie war nicht sehr begabt, aber hübsch. Sie wurde umworben und heiratete bald, die Autorin und ihre Schwester wurden geboren. Doch auch hier genügt sie nicht. Die Mutter war labil, Trauer und Fröhlichkeit wechselten sich ab. Es folgten Affären, Trennungen. Die Töchter wurden mal mit Zärtlichkeit, mal mit Gleichgültigkeit behandelt. Im Alter von 47 Jahren nahm sich die Mutter 1984 das Leben.
Fast 40 Jahre später wird die Autorin mit der Vergangenheit konfrontiert: Ein großer Umschlag mit Fotos ihrer Mutter trifft bei ihr ein, die ein Fotograf damals aufgenommen hatte. Sie betrachtet die Bilder und fasst dann den Entschluss, dem Leben ihrer Mutter nachzuspüren und an den Ort zu reisen, wo diese ihre Kindheit verbracht hat. Vieles ist verbürgt, es gibt Tagebücher, schriftliche Zeugnisse, Gespräche mit denen, die die Mutter kannten. Aber die Autorin selbst nennt das Buch einen Roman, etwas Fiktionales.
Die Schreibweise ist betont sachlich, um Genauigkeit bemüht. Bettina Flitner sucht nach Spuren, nach Erklärungen, doch letztendlich gibt es nicht die eine Ursache für die Depression, der die Mutter schließlich erlag.
Ehrlich, nachdenklich, lesenswert.
Diesem phantasievoll bebilderten Kinderbuch liegt eine schöne Idee zugrunde: Die kleinen Sekundenochs haben immer Zeit zum Trödeln, während Kinder wie Smilla ständig gehetzt werden, denn es gibt so viel zu erledigen: Smilla muss aufstehen, frühstücken, zur Schule gehen, Trompete üben, ihr Zimmer aufräumen… Viele Eltern werden sich ertappt fühlen und Smillas Wunsch, einfach mal ihre Trompete anzuschauen, weil diese so schön in der Sonne glänzt, vielleicht verstehen können.
Die Sekundenochs leben tief unter der Erde, sie müssen trödeln, damit es ihnen gut geht – das ist witzig ausgeführt, denn auch beim Tischtennis, beim Ballspielen, beim Warten auf eine Pizza, beim Schulbesuch, sie haben immer sehr, sehr viel Zeit.
Als das Sekundenoch-Kind Tjörge mit seinem Aufzug versehentlich unter Smillas Bett landet, treffen die Welten der beiden aufeinander und sie lernen voneinander. Smilla übt nun das Trödeln, Tjörge erkennt, dass es manchmal auch wichtig ist, sich zu beeilen. Aber Tjörge hat Heimweh und Smilla hilft ihm, sich in die Erde zu graben und sein Zuhause sowie seine Eltern wiederzusehen. Hin und wieder besucht er sie später oben auf der Erde, und gemeinsam trödeln sie ein bisschen.
Die Bildsprache dieses Buches gefällt mir gut: Die kleinen Sekundenochs haben ein ganzes Reich unter der Erde, und weil sie so klein sind, gehen eben auch viele von ihnen auf eine Seite. Das ist bunt und lustig anzusehen, wenngleich die Figuren im Comic-Stil gezeichnet und nicht wirklich hübsch sind. Hier haben wir dann Wimmelbuch-Seiten, auf denen es viel zu entdecken gibt. Smilla ist deutlich größer, ihre Bilder nehmen viel mehr Raum ein, deshalb wimmelt nichts.
Smillas schöne und sehr originelle Trödel-Ideen werden den Kindern gefallen: Wie wäre es denn zum Beispiel damit, vor dem Spagetti-Essen alle Nudeln erst einmal ordentlich neben den Teller zu legen? Der Autor hat mit viel Phantasie umgesetzt, was Kindern im Kopf herumgehen mag.
Nicht ganz nachvollziehbar ist, wie nachsichtig die Erwachsenen jetzt mit Smilla umgehen – sie, denen es vorher nicht schnell genug gehen konnte, sitzen oder stehen nun oft neben ihr und warten. Auch anderes bleibt zum Teil unlogisch oder lückenhaft, was im besten Fall dazu führt, dass die Kinder solche Leerstellen selbst ausfüllen oder darüber spekulieren. Auf jeden Fall gibt es eine Menge zu entdecken und zu durchdenken.
Insgesamt ein lustiges Kinderbuch, das ohne einen auf die Eltern gerichteten pädagogischen Zeigefinger ausführt, was Kinder eben auch brauchen: Zeit für sich, Muße.
Bei tiptoi-Büchern sollte die erste Frage sein, ob sie auch ohne Stift eine gute Lektüre darstellen. Das kann hier durchaus bejaht werden. Die Bilder sind anschaulich und detailfreudig und bieten viele Gesprächsanlässe, sodass die Kinder zusammen mit Erwachsenen Vermutungen anstellen und über das Gesehene sprechen können. Die kurzen Texte sind klar formuliert und helfen beim Verständnis.
Der Fall, der hier über die Seiten hinweg immer wieder aufgegriffen wird, ist der Einbruch in eine Eisdiele, also etwas, das Kindern nicht wirklich Angst macht, ein Pluspunkt. Die Geschwister Wanda und Marek sowie die Polizisten Samira und Jonas sind der rote Faden, der sich durch das Geschehen zieht. Die Polizeiwache ist interessant und vielfältig abgebildet, Wanda und Jonas sind hier zu finden, als sie eine Aussage machen. Auch werden die verschiedenen Abteilungen und Einsatzbereiche der Polizei gezeigt, hierzu gibt es gut strukturierte kurze Erläuterungen sowie schöne und interessante Bilder. Am Ende wird der Dieb dann gefunden und verhaftet.
Erst nach der gründlichen Lektüre sollte der Stift zum Einsatz kommen, da der Fokus sonst viel zu eng ist. Die Sprache der Hörtexte ist gut zu verstehen und hilft, das Gesehene zu vertiefen, aber eben nur partiell. Gut finde ich, dass Fragen zu den jeweiligen Seiten gestellt werden, die allerdings an manchen Stellen schwer zu beantworten sind, weil es an Logik mangelt und weil sie außerdem Nebensächlichkeiten aufgreifen, statt relevante Fragen zu stellen, zum Beispiel die Geschwister auf der Wache suchen zu lassen oder die Zeugin, mit deren Hilfe das Phantombild angefertigt wird. Schade, dass die Erstellung des Phantombildes nur am Rande thematisiert wird. Das wäre doch ein tolles Thema gewesen und hätte die Ereignisse besser miteinander verknüpft, auch die Überführung des Täters glaubhafter gemacht. Also wieder eine Aufgabe für die Kommunikation mit dem Kind, die unbedingt stattfinden muss.
Das Vokabular zu den Spezialeinheiten ist für Vierjährige nicht angemessen, ebenso wenig wie manche Fragen. Kinder werden nicht schlauer, wenn es an ihren Köpfen oder Interessen vorbeigeht, auch wenn die Polizei an sich ein tolles Thema ist.
Schön ist dagegen, dass auch viel Humor dabei ist – der Notruf wegen eines Kängurus auf der Autobahn wird den Kleinen ganz bestimmt gefallen und auch, dass das Pistazieneis immer mal wieder zu sehen ist, macht Spaß. Insgesamt empfehle ich das Buch eher für Kinder ab 5.
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