Benutzer
Benutzername: 
QueerLeserin
Wohnort: 
NRW

Bewertungen

Insgesamt 37 Bewertungen
Bewertung vom 12.12.2025
Beer, Anika

We Burn the Sun


sehr gut

Worum geht es: 

In der Zukunft sind große Teile der Welt überflutet. Die Reichen wollen sich auf schwimmende Städte zurückziehen und alle anderen ihrem Schicksal überlassen. Dagegen kämpfen Piraten, unter ihnen die Physikerin Sorcha, die eine Zeitmaschine entwickelt hat. Nachdem ihre große Liebe Vince bei einer Kaperfahrt getötet wurde, versucht Sorcha in immer neuen Zeitreisen, Vince' Tod zu verhindern. Dabei gerät sie mit der Geheimagentin Viv aneinander, und nach und nach werden aus Feindinnen Verbündete.

Was ich gut fand: 

Die Thematik fand ich sehr spannend. Denn eine zunehmend überflutete Welt ist tatsächlich ein Szenario, das durch den Klimawandel droht. Und dass die Reichen sich auf schwimmende Städte zurückziehen, während die Armen ertrinken, ist traurigerweise nicht weit hergeholt, wenn dann immer noch Kapitalismus herrscht. Dass es Widerstand in Form von Piraterie gibt, ist eine coole Idee.
Allerdings geraten die politischen Themen ziemlich in den Hintergrund zugunsten des Zeitreiseplots. Der Zeitreiseplot ist spannend und mal etwas anderes, da nicht physisch durch die Zeit gereist wird, sondern die Charaktere nur gedanklich in unterschiedliche Zeitlinien übertreten. Eine originelle Idee. Ich habe aber bis zuletzt nicht verstanden, inwieweit diese anderen Zeitlinien wirklich „real“ sind, und wenn nicht, was das Ganze überhaupt bringen soll.
Trotzdem war es ein cooles Leseerlebnis, dieselben Ereignisse immer wieder in anderer Variation zu lesen, nach dem Motto „was wäre wenn“. Man sieht, welche Konsequenzen es hat, wenn die Charaktere anders handeln. In jeder Zeitlinie werden neue Informationen enthüllt, sodass sich wie aus Puzzleteilen ein Bild zusammensetzt. 
Dabei lernt Sorcha nach und nach, mit dem Verlust und der Trauer umzugehen und loszulassen. Die Behandlung dieses Themas gefiel mir gut. Gut fand ich auch die diversen Charaktere und den unterstützenden, liebevollen Umgang der Piratencrew miteinander.
Das Buch ist rasant geschrieben, stellenweise mit einem poetischen, faszinierenden Stil.

Was mir nicht so gut gefallen hat:

Ich habe anfangs lange gebraucht, um ins Buch reinzukommen.
Die Motivation der Charaktere ist mir zu unklar geblieben. Sorcha ist davon angetrieben, Vince' Tod zu verhindern, aber was hat sie davor überhaupt motiviert, sich den Piraten anzuschließen? Und was hat Viv motiviert, für den Geheimdienst zu arbeiten? Und wenn Viv eine überzeugte Geheimagentin ist, wird sie wohl kaum ruckzuck ihre Meinung ändern, nur weil Vince bei ihr Schuldgefühle wegen des Konsums von Markenklamotten erzeugt. Bei Viv wird kurz eine Backstory mit einer Abtreibung angeteasert, aber das wird so wenig weiter thematisiert, dass ich mich frage, was es überhaupt im Buch zu suchen hat.
Den Schreibstil fand ich zu gewollt „cool“ (viele Anglizismen und Umgangssprache, im Wechsel mit betont schlauen Begriffen). Noch dazu sind alle Charaktere im gleichen Stil geschrieben, ohne eigene Stimme.
Zwischendrin wechselt die Jahreszahl auf einmal von 2091 auf 2092 ohne nachvollziehbaren Grund. Ist das ein Tippfehler, oder habe ich etwas verpasst?
Und was der Titel „We Burn the Sun“ mit dem Buch zu tun hat, erschließt sich mir nicht, da das nirgendwo erwähnt wird. 

Fazit: Eine faszinierende Zeitreisestory vor einem relevanten politischen Hintergrund.

Bewertung vom 05.12.2025
Weiß, T. N.

Finsterflüstern Runde I


ausgezeichnet

Was ich gut fand:
Das Buch ist sehr gut geschrieben und hat ein außerordentlich komplexes Worldbuilding (inklusive Fußnoten!). Es gibt eine jahrhundertealte Geschichte und detaillierte Kulturen zwischen altertümlich und modern. Alles fühlt sich realistisch an, z.B. eine Eiswelt, wo die Leute in unterirdischen beheizten Städten leben.
Dabei wird keine der Seiten als Gut oder Böse dargestellt, stattdessen werden alle Seiten einfühlsam erzählt und auch innerhalb der jeweiligen Kulturen gibt es Konflikte. Jeder der Charaktere stößt an die Grenzen seiner Welt und seiner Überzeugungen. So wird Yolan in eine Rebellion hineingezogen, bei der seine kindlichen Illusionen zerbrechen, Koulé muss gegen ihre Regierung handeln, um ihre Freunde zu retten, und Mril beginnt, an den Feyenfürstinnen zu zweifeln.
Ein interessantes erzählerisches Element sind die alten Sagen, die Yolan lernt, als er zu einem wandernden Geschichtenerzähler ausgebildet wird. Nach und nach wird der wahre Kern dieser Sagen enthüllt – der je nach Seite des Konflikts ziemlich unterschiedlich ausfällt. Was die Wahrheit wirklich ist, müssen die Lesenden sich aus den Puzzlestücken selbst zusammensetzen.

Was ich nicht so gut fand:
Das komplexe Worldbuilding hat den Nachteil, dass ich es anfangs trotz Glossar schwierig fand, mich zurechtzufinden.
Der Text liest sich stellenweise holprig, da es unnötig viele Absätze gibt.
Die „Hexer“ leben prinzipiell ewig. Ein spannendes Konzept, aber für mein Empfinden kam nicht genug rüber, welchen Einfluss das auf die Gesellschaft und auf das Denken und Fühlen der Unsterblichen hat. So fühlte sich Koulé für mich nicht an wie jemand, der mehrere hundert Jahre auf dem Buckel hat.
Die Titanen sind für mich noch ziemlich schwammig geblieben. Wer oder was sind sie und was sind ihre Absichten?

All das gibt jedenfalls Stoff für die Folgebände und ich bin gespannt auf die weitere Entwicklung der Charaktere. Insbesondere frage ich mich, was aus Lathova und Baral wird, zwei Nebencharakteren, deren Schicksal mich berührt hat.

Fazit: Komplexe Fantasy auf hohem Niveau zum Mitdenken.

*Rezensionsexemplar*

Bewertung vom 21.11.2025
Leer, Julia Sophie

Die Weiße Rose (eBook, ePUB)


gut

Das Buch ist gut geschrieben, in sich stimmig und schön gestaltet. Die märchenhaften Schauplätze, Wesen und Zauber werden mit viel Atmosphäre lebendig gemacht. Emma ist eine sympathische Figur, in die man sich gut hineinversetzen kann. Die Beziehung mit Cayden hat ein gutes Maß an Konflikten, um interessant zu sein, ohne dabei toxisch zu werden. Nur hat mich etwas irritiert, dass er ihr so oft ans Kinn fasst. 
Allerdings bietet das Buch für mich nichts wirklich Neues. Das „gute“ und das „böse“ Königreich, die Gefährten, die losziehen, um ein Artefakt zu finden, sowie die Liebesgeschichte, all das kenne ich schon irgendwo her. Außerdem habe ich Schwierigkeiten damit, dass die „gute“ und die „böse“ Seite so klar festgelegt sind. Insbesondere, da es auch im vermeintlich guten Alvendell Armut gibt und Leute in den Kerker geworfen werden. Aber vielleicht wird ja im zweiten Band dieses Schema noch mehr aufgebrochen.
Fazit: Solide Unterhaltung in einem märchenhaften Setting.

Bewertung vom 07.11.2025

Psyche mit Zukunft


ausgezeichnet

In dieser Anthologie geht es um Science Fiction mit Protagonisten mit psychischen Krankheiten oder Neurodivergenzen. Dabei ist häufig Thema, wie zukünftige Gesellschaften mit diesen psychischen Eigenschaften umgehen. 

Es sind viele interessante und gut geschriebene Texte dabei und ich fand die Anthologie rundum gelungen.
Diese Geschichten fand ich besonders erwähnenswert:

„Der Hobby-Friedhof“ von Lee Doubleu ist rasant geschrieben und thematisiert das Leben mit ADHS. Menschen ohne ADHS haben ADHS-Medikamente missbraucht, um leistungsfähiger zu sein. Zugleich gelten nun Menschen mit ADHS als besonders leistungsfähig. Interessant fand ich das, weil hier die Wechselwirkung zwischen dem Leistungsdruck der kapitalistischen Gesellschaft und psychischen Konditionen thematisiert wird.

In „HHH“ von Jol Rosenberg soll eine KI eine depressive Person glücklich machen. Es gibt eine bezeichnende Szene, wo die KI-Firma feststellt, dass für viele Bedürfnisse der depressiven Person kein Geld da ist und es leichter ist, reiche Leute glücklich zu machen als arme. Verwunderlich fand ich jedoch, dass die KI in der Lage ist, den Job der Hauptfigur zu erledigen, aber dass die daraus resultierende Gefahr, ihren Job durch KI zu verlieren, gar nicht thematisiert wird. 

„Ein Schritt ins Leere“ von Aiki Mira hat einen poetischen Stil und thematisiert Verlust, Einsamkeit, und das Akzeptieren der eigenen Neurodivergenz, vor dem sterilen Hintergrund einer heruntergekommen Mondstation.

„Hesitation Marks“ von Thorsten Küper geht um militärische Killerdrohnen, die von ihren menschlichen Trainingsdaten eine Art Gewissen bekommen haben. Ich feiere das utopische Ende.

„Götter des Verschobenen Teppichs“ von Alexandra Reß: Die Hauptfigur erklärt ihrer Haus-KI, dass es sich bei ihrer Zwangsstörung um eine Religion handle, was zu herrlich skurrilen Missverständnissen führt. Die Geschichte zeigt, dass Texte über psychische Erkrankungen nicht nur ernst sein müssen. 

In „Toter Winkel“ von Lena Richter geht es um Care-Arbeit, Arbeitsbedingungen in der Pflege und Selbstausbeutung. Ich fand gut, wie nach und nach klar wird, dass der Hauptfigur ihr eigener Wunsch zu helfen längst entglitten ist. 

„Grenzwandlerin“ von Nicole Hobusch geht um eine Person mit Wahnvorstellungen und hat einen coolen Twist am Ende.

Insgesamt ist diese Anthologie eins meiner Anthologie-Lesehighlights des Jahres.

Bewertung vom 17.10.2025

Urban Fantasy Going Mental


sehr gut

In dieser Anthologie aus dem ohneohren Verlag geht es um Urban Fantasy mit Protagonisten, welche psychische Krankheiten oder Neurodivergenzen haben. 

Diese Geschichten haben mir besonders gefallen:

„Schall und Rauschen“ von skalabyrinth dreht sich um ein ungewöhnliches Konzept: Musik hat eine magische Wirkung auf Wasser, daher muss eine Musikwacht aufpassen, dass Leute beim Musizieren das Wasser von Kiel nicht zu sehr aufwühlen. Die Hauptfigur hadert mit dieser Aufgabe. Der Text ist in einer sanften unaufgeregten Weise geschrieben. 

„Lichtformen“ von Eleanor Bardilac geht um einen Engel, der mit einer einsamen Person zusammenlebt, und das Akzeptieren der Sterblichkeit. Der Text ist schön poetisch geschrieben.

„Vertraut“ von Melanie Vogltanz behandelt die Idee, dass es noch andere menschliche Spezies gibt, die unerkannt unter uns leben. Das finde ich eine spannende Idee und hätte Lust, ein ganzes Buch mit dem Setting zu lesen. Zugleich behandelt der Text auf einfühlsame Weise Liebeskummer. 

„Auntologie“ von Liv Katny und „Haut aus Stein“ von Teresa Teske fand ich beide interessant geschrieben. 

Mit einigen der anderen Texte konnte ich nicht so viel anfangen, aber insgesamt hat mir die Anthologie gut gefallen.

Bewertung vom 12.10.2025

Queer*Welten 14-2024 - Das queerfeministische Phantastikmagazin


sehr gut

Queer*Welten Nr 14 enthält wieder einige Kurzgeschichten, Microfictions und einen Essay. Die Microfictions behandeln alle die Themenvorgabe „Nach dem Ende“, was gut zu dem Essay über postapokalyptische Geschichten passt.

Zu den Kurzgeschichten:

„Deep Space Testosterone Blues“ von Beau Maibaum dreht sich um das harte Leben von Arbeiter*innen auf einem Rohstoffplaneten und den Versuch von trans Menschen, trotz Repression an die benötigten Hormone zu kommen. Der Text hat mir mit seinem Sci Fi - Realismus gut gefallen, bis auf den unnötig langen Infodump am Anfang.

„Meerfrau wider Willen“ von Katja Rocker bietet einen guten Kontrast zur ernsten vorigen Geschichte. Ein fluffig-leichter Text über eine Piratin und eine Meerfrau, die ungewollt die Körper tauschen.

„Der Duft von Flieder“ von Lisa Olthafer entführt in ein Fantasy-Setting voller eigenwilliger Wesen und Zauber, und Widerstand gegen eine queerfeindliche Ordnung. Der Einfallsreichtum hat mich fasziniert. Allerdings war die Sprache recht gestelzt.

In „Parasiten“ von Katharina Malzmüller geht es um Kommunikationsprobleme unter Aliens. Es werden die katastrophalen Folgen thematisiert, wenn verschiedene Sprachen und Kulturen nicht ausreichend von der Technik berücksichtigt werden. Die Idee fand ich spannend, das Ende jedoch unbefriedigend.

In „Duell der Magix“ nimmt ein schwules Paar an einem magischen Turnier teil und trifft auf Diskriminierung. Ich mochte, wie die Beziehung zwischen den beiden gezeigt wurde. Allerdings fand ich die Erklärungen, die die Geschichte für das Entstehen von Queerfeindlichkeit liefert, unzureichend.

Der Essay von Marie Meier zu postapokalyptischen Erzählungen lieferte interessante Einblicke in das Genre.

Bewertung vom 26.09.2025
Meier, Marie

Seelengrube (Der letzte Schlüssel 1)


ausgezeichnet

Worum geht es?
Das Buch spielt auf dem Stadtplaneten Arges, dessen Herrschende mithilfe von Magie Macht ausüben. Jule ist eine eher mittelmäßige Beschwörerin, doch nun muss sie die nächste magische Prüfung schaffen, um ihren Love Interest wiederzusehen, und wird dabei mit jede Menge Problemen und Intrigen konfrontiert.

Was ich gut fand:
Das Buch startet mit einer eindrücklichen Situation: Jule ist in einem Kerker gefangen und kann nur entkommen, indem sie mithilfe eines Monsters ihre magischen Fähigkeiten erweckt. Das Monster entpuppt sich dann als weniger monströs und vielmehr als potentieller Love Interest. Um diesen wiederzusehen, muss Jule in der magischen Hierarchie aufsteigen, wobei ihr ihre Ängste und ihre Herkunft im Wege stehen. Hierbei greift die Autorin wichtige reale Themen auf: Prüfungsangst und die Schwierigkeiten als Arbeiterkind in einem Bildungsumfeld, das nicht für einen gemacht ist. Jule muss wieder bei ihrer alkoholkranken Mutter einziehen, während andere Magische problemlos für die Prüfung lernen können. An jeder Stelle werden realistisch die Hürden gezeigt, die ihr im Wege stehen. Deutlich werden soziale Hierarchien und kapitalistische Ausbeutung thematisiert. Dadurch geht die Geschichte tiefer, als einfach nur spannende Unterhaltung zu sein. 
Der Schreibstil ist lebendig und erweckt die Stadt Arges mit vielen Details zum Leben, wozu auch die liebevollen Illustrationen beitragen. Die Story ist temporeich und wartet mit immer neuen Verwicklungen auf, in die Jule hineingezogen wird, sodass die Spannung dauernd hoch ist und man immer weiter lesen will.
Gut fand ich, dass Freundschaften eine wichtige Rolle spielen. Erfrischend ist auch, dass gleich zwei Männer in Jules Leben treten und dann nicht die langweilige Frage künstliches Drama erzeugt, für welchen sie sich entscheiden soll, sondern Polyamorie ganz selbstverständlich eine Option ist. Schön fand ich, wie all das Magische und Spacige mit bodenständigen Szenen kontrastiert.
Das Buch hat einen runden Abschluss und lässt zugleich größere Entwicklungen in den Folgebänden erahnen, denn die ausgebeuteten Planeten beginnen zu rebellieren, und Jules Weg hat gerade erst begonnen.

Was ich nicht so gut fand:
Ich frage mich, ob das Buch stellenweise seine eigenen Absichten konterkariert. So wird der Schönheitswahn der Oberschicht kritisiert, aber zugleich sind alle Love Interests enorm gutaussehend. Warum darf es nicht auch mal ein durchschnittlich aussehender Love Interest sein? 
Ebenso wird der Leistungsdruck kritisiert, aber dann reicht es nicht, dass Jule nur ein bisschen weiter kommt, sie muss außergewöhnliche Fähigkeiten entwickeln. Warum nicht mal eine Heldin mit durchschnittlichen Gaben, wenn nicht nur die Besonderen ein gutes Leben verdienen sollen?
Vielleicht werden diese Themen ja in den Folgebänden noch subvertiert.
Etwas komisch fand ich, dass Jule weiß, dass Arges regelmäßig auf anderen Planeten ganze Bevölkerungen ausrottet, aber aus diesem Wissen keinerlei Konsequenzen zieht. Andererseits wundert mich das bei einem Blick in die Realität überhaupt nicht.

Fazit: Spannende Science Fantasy mit Tiefgang und Kapitalismuskritik.

*Rezensionsexemplar*

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.09.2025
Ryze, Christine Ina

Spirits of Violence


gut

Worum geht es?
In einer postapokalyptischen Welt leben Kenna und Cecil davon, alte Technik zu sammeln und zu verkaufen. Sie stoßen auf Freya, die auf der Suche nach geheimnisvollen Artefakten ist, um uralte Geister zu beschwören. Unversehens geraten Kenna und Cecil zwischen die Fronten von Geistern versus Technik.

Wie ich es fand:
C. I. Ryze baut eine faszinierende Welt auf, mit vielen phantastischen Schauplätzen, wie einer Stadt im Inneren eines Eisbergs oder einer Siedlung auf Flößen. Das Buch ist lebendig und bildhaft geschrieben und enthält eigenwillige Charaktere: Die ruppige Schrottsammlerin Kenna, die sich liebevoll um ihre Ziehtochter Cecil kümmert, die unnahbare Freya und dazu als Comic Relief den eher pragmatischen Ponpon. Magie, Geister, uralte Technik und untergegangene Zivilisationen, sowie ein diverses Charakterensemble, das sind eigentlich Zutaten, die mich packen. Auch ist das Buch schön gestaltet mit schmückenden Symbolen. Doch leider enthält der Text viele sprachliche Fehler und Stellen mit unklarer Erzählperspektive. Zudem konnten mich die Auflösung des Konflikts und das Ende nicht überzeugen.

Spoiler:
Freya beschwört aus keinem nachvollziehbaren Grund einen bösen Geist und richtet damit eine weltweite Zerstörung an, bei der unzählige Menschen sterben. Die anderen Charaktere haben jedoch vollstes Verständnis dafür, nach dem Motto: „Die Arme konnte ja nicht anders.“ Das finde ich unglaubwürdig. Und was nun eigentlich der Konflikt zwischen Geistern und Technik ist, habe ich nicht verstanden.

Fazit:
Ein Fantasy-Roman mit spannenden Ideen, der sein Potential leider nicht erfüllen kann.

Bewertung vom 23.08.2025
Aranyos, É. R.

Shapes of Diversity Farbausgabe


sehr gut

Worum geht es:
Der zweite Band einer Trilogie. Im vorigen Band hatte sich die Gestaltwandlerin Lena entschlossen, mit dem Gestaltwandler Evan ein Kind zu bekommen – obwohl Evan verheiratet ist und die Freundschaft zu Lenas bester Freundin und Geliebten Rebecca darüber zerbricht. 
Lena reist in die USA zu Evan, um mit ihm ein Kind zu zeugen. Dabei wiegt sie sich in Illusionen darüber, danach ein gemeinsames Familienleben zu haben. Vielleicht auch mit seinem Bruder Thomas, den sie ebenfalls lieb gewinnt. Diese Illusionen drohen, schmerzhaft zu zerbrechen. Denn Evan spielt nicht mit offenen Karten ... 

Kommentar: 
Das Buch hat den Anspruch, neben der Unterhaltung über Neurodivergenz und toxisches Verhalten aufzuklären. Das gelingt auch. So wird geschildert, wie Lena immer weiter in eine ungesunde Abhängigkeit zu Evan gerät und wie er sie bewusst manipuliert. Dabei kommen Lenas ADHS und ihre frühere Traumatisierung zum Tragen. Dennoch versucht sie, was sie kann, um unabhängig zu bleiben. 
Es gibt in diesem Buch viele explizite Szenen, die markiert sind, sodass man sie bei Bedarf überspringen kann. Diese Szenen sind jedoch nicht nur zum Spaß da, sondern demonstrieren, wie über sexuelle Befriedigung eine Abhängigkeit erzeugt werden kann – und wie einvernehmlicher Sex in Nötigung übergehen kann, wenn offene Kommunikation und Konsens fehlen.
Am Ende erklärt ein Nachwort die Verhaltensweisen der Charaktere noch einmal genau. 
Dieses Konzept ist, soweit ich weiß, einzigartig und ich finde die Idee super. Gut finde ich auch, dass Evan nicht nur als Bösewicht gezeigt wird, sondern sein Verhalten durch seine Vergangenheit erklärt wird, ohne es dadurch zu entschuldigen oder zu glorifizieren. 

Trotz der ernsten Thematik gibt es auch Spaß, Fantasy und Found Family-Szenen, als Lena Zeit mit den anderen Gestaltwandlern verbringt. Außerdem erfährt man einiges über die Natur und Tierwelt Floridas, da Thomas als Naturschützer arbeitet. 

Nur sprachlich ist meiner Meinung nach noch Luft nach oben. 

Fazit: Ein erotischer Fantasy-Roman, der nicht nur unterhält, sondern auch aufklärt. 

Bewertung vom 01.08.2025
Ushachov, Katherina

PRISM


gut

Worum geht es:
Penelope, Sofie und Kader verlieben sich ineinander und arbeiten zusammen für eine IT-Firma. Bei ihrer Arbeit entwickeln sie eine Technologie, mithilfe derer aus den Gehirnen von Verstorbenen ein virtuelles Abbild erzeugt werden kann. Damit soll die Polizei Verbrechen aufklären. Doch die drei bekommen zunehmend Zweifel an ihrer Arbeit und geraten ins Visier dunkler Machenschaften ... 

Was ich gut fand: 
Das Buch ist über mehrere Jahre hinweg im Zeitraffer erzählt und kann somit eine längere Entwicklung einfangen. Es hat eine ungewöhnliche Struktur, durch Farben und Hexcodes geordnet, und ist eine Hommage an Computerspiele.
Es gibt eine mysteriöse Rahmenhandlung mit einer Person, die in einer Computersimulation gefangen zu sein scheint, was sich nach und nach aufklärt. Dabei gibt es einige unheimliche und beklemmende Momente. 
Vor allem aber zeigt das Buch eindrücklich das prekäre Dasein queerer und migrantischer Menschen inmitten einer Arbeitswelt voller (Selbst-)ausbeutung. Um zurechtzukommen und ihre Jobs zu behalten, stellen sie ihre Zweifel zurück, bis es zu spät ist. Deutlich wird die Zwangslage, arbeiten zu müssen, während man keinen Einfluss darauf hat, was man mit seiner Arbeit herstellt, denn diese Entscheidung treffen andere.
So gibt es eine starke Szene, als mithilfe der Technologie ein verstorbener Selbstmordattentäter verhört wird und Kader und Penelope Zweifel bekommen, ob es richtig ist, ihn so zu behandeln. 
Davon abgesehen gibt es aber auch schöne Slice of Life-Szenen aus dem Leben des Polyküls und ihren Kindern. Wir sehen das liebevolle Zusammenleben, aber auch die Diskriminierung, auf die diese Familienkonstellation häufig stößt. 

Was ich nicht so gut fand: 
Sofie und Kader sind als Charaktere blass geblieben und haben kaum Tiefe bekommen. 
Sprachlich wirkt das Buch stellenweise unbeholfen. 
Meiner Meinung nach hätte man außer dem Selbstmordattentäter weitere Verhöre verstorbener Personen zeigen und daran noch mehr Fragen aufwerfen können. Außerdem: was ist mit "ziviler" Nutzung der Technologie? Würden nicht viele Menschen mit ihren verstorbenen Angehörigen sprechen wollen, und würde nicht ein Unternehmen dieses Bedürfnis gewinnbringend nutzen? Hier wurden die Möglichkeiten des Settings nicht ausgereizt.
(Ab hier Spoiler)
Das Ende hat mich enttäuscht. Denn am Ende kommt heraus, dass Nazis das IT-Unternehmen unterwandert haben. Alles, was bis dahin aufgebaut wurde, wie die (Selbst-)Ausbeutung auf der Arbeit, das rücksichtslose Verhören von Toten, die Diskriminierung einer queeren Familie ... All das wird reduziert auf Nazis als das eigentliche Problem. Im Umkehrschluss: ohne Nazis wäre alles super? Das hinterlässt bei mir einen schalen Beigeschmack. Insbesondere, weil es so ein Ende häufig in Büchern gibt. Anstatt die Gesellschaftskritik konsequent durchzuziehen, wird ein Bösewicht oder eine böse Gruppe aus dem Hut gezaubert, die an allem Schuld sein soll und wohinter alles andere zurückzutreten hat.  

Fazit: Das Buch beinhaltet einige spannende Ideen, hätte diese aber gründlicher ausführen können.