In Großbritannien, Ende des 20. Jahrhunderts, werden Klone gezüchtet, um als Organersatzlager ausgeschlachtet zu werden. Der Roman begleitet das Aufwachsen dreier solcher Klone von ihrer Kindheit in einem Internat bis zum jungen Erwachsenenalter, wo sie mit dem „Spenden“ anfangen sollen.
Das klingt wie der Auftakt zu einem spannenden SF-Thriller. Typischerweise würde die brutale Ausbeutung der Klone in allen Farben gezeigt werden und die Klone würden gegen ihre grausamen Unterdrücker aufbegehren.
Nichts davon in diesem Buch.
Was das Buch stattdessen zeigt, ist das Mitmachen. Das stillschweigende Einverständnis. Dass Menschen diese Vorgänge so selbstverständlich finden, dass sie nicht einmal anfangen, etwas zu kritisieren.
Weder sind die Ärzte, Krankenpfleger oder die Erzieher der Kinder besonders grausam, sondern einfach nur Menschen, die ihren Job machen. (Auch wenn eine Erzieherin Probleme damit hat.) Noch rebellieren die Klone, sondern fügen sich in ihr Schicksal, erkennen es als ihre Bestimmung an. Gezeigt werden lauter gute Menschen, die nur Gutes wollen, und am Ende kommt die massenhafte Ermordung von Menschen dabei heraus, was euphemistisch als „Abschließen“ bezeichnet wird.
Als ich das Buch zum ersten Mal las, fand ich das schwer vorstellbar. Mittlerweile halte ich es für ein passendes Abbild der bürgerlichen Gesellschaft, wo auch niemand jemals etwas Böses will. Komischerweise gibt es dann eben Armut, Obdachlosigkeit oder den ein oder anderen Massenmord, für den scheinbar niemand verantwortlich ist.
Im Buch wird nie genauer erklärt, wie es zu dem Einverständnis kommt. Die Beteiligten halten einfach alle für richtig, was sie tun, und wollen ihren Beitrag zum Gemeinwesen leisten. Außerdem werden den Kindern im Heim Informationen bruchstückweise immer dann gefüttert, wenn sie noch zu jung sind, um sie wirklich zu verstehen.
Zu einer kleinen Rebellion kommt es dann aber doch, allerdings nur innerhalb des Systems. Unter den Klonen geht nämlich das Gerücht um, dass ein Junge und ein Mädchen einen Aufschub des Organspendens beantragen können, wenn sie einander wirklich lieben (das scheint nur für hetero Paare zu gelten).
Das Gerücht weckt bei Ruth, Kathy und Tommy die Hoffnung, den Versuch zu wagen. Unglücklicherweise sind die drei in ein Liebesdreieck verstrickt, sodass sie erst nach Sortieren ihrer Beziehungen diesen Weg gehen können. Scheinbar viel zu spät.
Dabei geht es viel um die zwischenmenschlichen Beobachtungen. Die Ich-Erzählerin Kathy beobachtet genau das Verhalten anderer, während sie über ihre eigenen Gefühle wenig sagt. Diese muss man zwischen den Zeilen lesen und sie treffen dafür umso heftiger.
Es geht auch um die Frage, ob man an Beziehungen wieder anknüpfen kann, die durch verletzende Worte zerbrochen wurden, oder ob es irgendwann zu spät dafür ist.
Die Sprache ist auf einem sehr hohen Niveau, lange Sätze, fast schon etwas altmodisch, was aber gut zur Stimmung passt.
Worum geht es:
In der Stadt Erzweiden gab es vor einigen Jahren einen Krieg der Menschen gegen Irrlichter und deren Obermonster, die Mutter der Masken. Diese erscheint besiegt und alles scheint friedlich. Doch der Schein trügt. Denn in der Stadt schwelen verschiedene Konflikte, z.B. zwischen Magischen und Nichtmagischen. Und auf einmal werden die Irrlichter wieder aktiv.
In dieser Gemengelage versucht die Postbotin Olga, mit ihren Traumata klarzukommen und mit dem komplizierten Verhältnis zu ihrer Mutter, einer Kriegsveteranin. Doch ungewollt wird sie immer tiefer in die Konflikte hineingezogen. Insbesondere in die finsteren Pläne der Kommandantin der Stadtwache.
Kommentar:
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Das Worldbuilding ist hervorragend und die Autorin nimmt sich viel Zeit für dieses sowie für die Beziehungen der Charaktere. Die Gestaltung des Buches ist wunderschön. Grafiken, Zeitungsartikel und Auszüge aus Lehrbüchern und Touristenbroschüren machen Erzweiden lebendig. Das Setting ist eine spannende Mischung aus einer altertümlichen (jedoch nicht mittelalterlichen) Welt, in der es Spuren einer untergegangenen Hochtechnologie gibt.
Was man als Vorteil oder Nachteil sehen kann, ist, dass die Handlung lange nur dahinplätschert und eher einen Slice of Life-Eindruck macht. Erst gegen Ende kommt der Konflikt so richtig ins Rollen. Das hat mich aber nicht gestört, da das Buch lebendig und pointiert geschrieben ist. Auch mochte ich, dass es so viele selbstverständlich queere Charaktere gibt, und wie die Beziehung zwischen Olga und ihrer Mutter gezeigt wird. Eltern-Kind-Beziehungen werden ja ansonsten eher selten in der Fantasy thematisiert, wenn dann glänzen die Eltern durch Abwesenheit oder das Verhältnis ist ausschließlich traumatisch. Hier hingegen wird eine Bindung gezeigt, die konflikthaft ist, aber doch auf einer tiefen Zuneigung beruht.
Allerdings bleibt offen, was genau der Interessengegensatz zwischen den Irrlichtern und den Menschen ist. Ich bin gespannt, ob das in den Folgebänden erklärt wird.
Fazit: Cooles Worldbuilding und zwischenmenschliche Beziehungen kombiniert zu einem Buch, das lange im Gedächtnis bleibt.
Worum geht es:
Das Buch ist eine Sammlung mit verschiedenen Social Sci-Fi Kurzgeschichten. Betrachtet werden also zukünftige technische Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Menschen. Das Buch deckt eine breite Menge an Szenarien ab, von der Erde bis ins Weltall.
Mal geht es dabei dystopisch zu, z.B. beim Thema staatliche Überwachung oder KI, die das Leben der Menschen optimiert und ihnen jede Entscheidung vorgibt. Mal eher putzig, z.B. als eine depressive Person ein künstliches „Seelentier“ geschenkt bekommt, welches ihr helfen soll, auf ihre Gefühle zu achten.
Was mir gut gefallen hat:
Ich fand die verschiedenen Ideen vielfältig und gut umgesetzt. Jede Geschichte hat einen besonderen Twist, z.B. entpuppt sich der Erstkontakt mit Aliens oder die Firma, die Zeitreisen anbietet, als etwas ganz anderes als gedacht. Viele Szenarien wirken durchaus realistisch und regen zum Nachdenken an. Einiges ist zwar altbekannt aus der Science Fiction, aber frisch umgesetzt. Man merkt, dass die Autorin viel recherchiert und sich Gedanken gemacht hat.
Was mir nicht so gut gefallen hat:
Sprachlich waren in manchen Sätzen selbst für meinen Geschmack arg viele Adjektive.
Inhaltlich störten mich wiederholt Aussagen, wenn es um die unangenehmen Folgen von Technik geht, wie „Der Mensch stürzt sich mit uneingeschränkter Macht selbst ins Verderben“; „Die Menschheit hatte ihre eigene Macht mal wieder überschätzt“.
Wer entscheidet denn, ob und wie KI, Gentechnik, etc. eingesetzt werden? Die Supermarktkassiererin, der Bauarbeiter, die Büroangestellte? Nein, es sind die Unternehmer und die Herrschenden, die diese Entscheidungen treffen, für ihre Zwecke, nicht einfach „die Menschheit“. Und es sind auch nicht alle Menschen gleichermaßen, die unter der Technologie leiden oder von ihr profitieren. Denn dabei gibt es Klassenunterschiede, was die Autorin ausblendet, wenn sie ihre Kritik undifferenziert an „den Menschen“ richtet.
Worum geht es:
Im frühmittelalterlichen Wales erfährt Adwen, dass sie nicht die Tochter ihres Vaters, des Fürsten Madoc, ist, sondern von einem verfeindeten Clan abstammt. Sie schließt sich diesem Clan an, wobei sie sich in den Krieger Kynan verliebt. Gemeinsam wollen sie gegen die Unterdrückung durch Madoc kämpfen. Doch uralte Segen und Flüche sorgen für Chaos, und bald ist nicht mehr klar, wer gut und böse ist.
Was ich gut fand:
Mit vielen Details macht die Autorin das frühe Mittelalter im Zwiespalt zwischen keltischer Mythologie und Christentum lebendig und baut Atmosphäre auf. Das Setting fühlt sich glaubwürdig an. Ich fand interessant, wie Magie organisch mit dem historischen Hintergrund verflochten wurde: Flüche und Segen existieren wirklich und gehorchen einer eigenen Logik.
Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt und es gibt kein eindeutiges Gut und Böse. Selbst Madocs Handeln wird nach und nach verständlich. Auch die Charaktere der Priesterin Eleri und der Hexe Gwrach verleihen der Geschichte Würze, indem sie mit ihren mysteriösen Plänen für Chaos sorgen. Die Hexe hat einige sehr coole und herrlich verstörende Auftritte. Ebenso fand ich die Entwicklung von Adwens Bruder Cadel spannend, auch wenn sich seine letzte Wandlung für mich zu abrupt anfühlte.
Sprachlich ist das Buch flüssig geschrieben und die Wortwahl passt zum mittelalterlichen Setting.
Auch optisch macht das Buch mit dem Goldschmuck etwas her.
Was ich nicht so gut fand:
Es gibt stellenweise ein paar sprachliche Holprigkeiten.
Fazit: Frühmittelalter und Magie in einer atmosphärischen Geschichte vereint.
Ich habe „Auslöschung“ jetzt zum zweiten Mal gelesen und finde es immer noch ziemlich gut.
Worum geht es:
Es gibt ein Gebiet namens Area X, das hermetisch abgeriegelt wurde und in dem seltsame Dinge geschehen. Immer wieder schickt eine Behörde Expeditionen dorthin, um mehr herauszufinden. Im Buch geht es um die 12. Expedition, eine Gruppe von vier Frauen. Berichtet wird aus Sicht einer der Frauen, der Biologin. Schnell entwickelt sich die Expedition zum Desaster. Eine unbekannte Lebensform scheint Area X im Griff zu haben und „assimiliert“ Menschen, sodass sie sich in Tiere oder Pflanzen oder etwas ganz anderes verwandeln.
Kommentar:
„Auslöschung“ ist eine Mischung aus Horror, New Weird, Science Fiction und mehr. Besonders gut fand ich, dass der Horror nicht nur auf klassische Schocker setzt, sondern darauf, dass etwas nur aufgrund des Vorwissens des Lesers gruselig ist (der Stapel Tagebücher) oder weil es so seltsam und undenkbar ist (Pilze, die verstörende Worte bilden).
Das Buch ist auch eine Reflexion über das Zusammenleben von Mensch und Natur. Menschen zerstören die Natur und die Natur schlägt zurück und assimiliert die Menschen – wobei leider nicht genauer differenziert wird, wer die Akteure der Naturzerstörung sind und warum sie das tun.
Zugleich wird nach und nach klar, dass die Behörde die Expeditionsteilnehmerinnen belogen und psychisch manipuliert hat. In diesem Licht erscheint fragwürdig, wer nun wirklich gefährlich ist: die Lebensform von Area X, die Behörde, oder beide.
Zudem reflektiert das Buch darüber, was die (Natur)wissenschaft wissen kann. Gibt es Dinge, die sich dem Wissen entziehen und machen Menschen Fehler bei dem Versuch, etwas zu erforschen? Zitat: „Wenn ich keine echten Antworten habe, liegt das daran, dass wir immer noch nicht wissen, welche Fragen wir stellen sollen. Unser Instrumentarium ist nutzlos, unsere Methodologie liegt in Trümmern, unsere Beweggründe sind egoistisch.“ Diese Thematik hat mich an „Solaris“ von Stanislav Lem erinnert. Allerdings bleibt unklar, was genau die Kritik an der naturwissenschaftlichen Methode ist. Die Methode funktioniert nicht, weil die Aliens ihre Zellen verändern können? Könnte man nicht die Methode auch darauf anwenden? Die Beweggründe sind egoistisch, weil ...? Ich hätte es begrüßt, wenn die Kritik genauer ausgeführt worden wäre.
Das Buch hat außerdem eine ungewöhnliche Protagonistin und erzählt in Rückblenden aus deren Leben. Die Biologin ist eine eigensinnige Frau, die mit Pflanzen und Tieren schon immer besser zurechtkam als mit Menschen. In nüchternem Ton schildert die Ich-Erzählerin, wie ihre Ehe daran gescheitert ist, dass ihr Ehemann als extrovertierter und sie als introvertierter Mensch nicht zueinanderfanden. Vieles konnte ich selbst als introvertierter Mensch nachempfinden. Und gerade die Eigenschaften der Biologin, mit denen sie immer bei Menschen angeeckt hat, helfen ihr nun, in Area X zu überleben.
Das Buch ist großartig geschrieben. Vandermeer traut sich selbst und seinen Lesern noch etwas zu. Es gibt komplexe Sätze und Überlegungen zu tiefergehenden Themen. Vandermeer tut vieles, was man heute laut Schreibratgebern und Buchmarktmenschen nicht mehr tun soll. Und er hat Erfolg damit. Das ist in meinen Augen ein Zeichen, dass Lesende mehr drauf haben und Lust auf komplexere Stoffe haben, als die Gurus des Buchmarkts weismachen wollen. Das macht mir Hoffnung, dass noch nicht alles in der Literatur weichgespült ist.
Fazit:
„Auslöschung“ ist ein Buch, auf das man sich einlassen muss. Bis zum Ende werden nicht allzu viel der Rätsel aufgelöst, aber dafür gibt es die Folgebände. Nur die Kritik an Naturwissenschaft und -zerstörung lässt an Genauigkeit zu wünschen übrig.
Insgesamt: Horror, New Weird und Science Fiction mit Tiefsinn und einer ungewöhnlichen Erzählerin.
Das Buch beginnt in dem fiktiven Land Pagau, das große Ähnlichkeiten mit realen südamerikanischen Ländern hat. Wie die realen Vorbilder hat auch Pagau das Problem, wegen seiner Rohstoffe von einem mächtigen Staat, Uriwa, ausgebeutet zu werden. Zora, Lucio und Roja werden in diesen Konflikt hineingezogen, als Uriwa ihre Stadt bombardiert. Die drei müssen fliehen und treffen auf die Schmugglerin Luana. Zu viert beschließen sie, gegen Uriwa zu kämpfen. Bald müssen sie sich entscheiden, wie viel Gewalt sie bereit sind anzuwenden.
Ich fand die Idee sehr cool, solche realen politökonomischen Konflikte in einer Fantasywelt zu behandeln. Fantastische Elemente wie pflanzliche Luftschiffe, Lichterzwerge oder umherziehende Philosophen sorgen dabei für Auflockerung von dem ernsten Thema. Die Schilderungen von Landschaft und Kultur schaffen eine eindrückliche Atmosphäre und zeugen davon, dass der Autor selbst Zeit in Südamerika verbracht hat. Die Sprache ist auf einem hohen Niveau und sehr poetisch.
Auch das Cover ist wunderschön und macht Pagau lebendig.
Ab hier Spoiler:
Nach etwas über der Hälfte des Buches gibt es einen Plottwist: Pagau ist in Wirklichkeit nur eine Computersimulation. Ab diesem Zeitpunkt geht es um Luana, die in der realen Welt versucht, die Wahrheit über die Simulation herauszufinden und dem mächtigen Konsortium zu entkommen.
Mich persönlich hat dieser Twist nicht so richtig überzeugt, denn die zusätzliche Meta-Ebene wirkte für mich unorganisch daran gestückelt. Ich hätte es besser gefunden, wenn entweder das ganze Buch nur in Pagau gespielt hätte – oder wenn die Handlung von Anfang an zwischen den beiden Ebenen gewechselt wäre, sodass der Bruch weniger stark wäre und beide Konflikte parallel gelaufen wären. So jedoch schien diese Enthüllung alles, was in Pagau passiert ist, zu entwerten und weniger ernsthaft zu machen. Warum sich über die Gewaltfrage und die Ausbeutung von Ressourcen weiter Gedanken machen, wenn es eh bloß NPCs getroffen hat?
Dennoch fand ich das Buch insgesamt sehr lesenswert. Und vielleicht haben andere Lesende ja gerade an dem starken Plottwist ihre Freude.
„Zwielicht“ ist eine fortlaufend erscheinende Anthologie für Horror und düstere Phantastik. Die Texte in Nr. 20 hatten ein durchgehend hohes Niveau, waren sprachlich und stilistisch gut gemacht und spannend. Der Horror oder die unheimlichen Begebenheiten waren häufig auf eine ungewöhnliche Weise umgesetzt und auch bekannte Themen wie Zombies / Untote wurden neu in Szene gesetzt.
Meine Favoriten:
Julia A. Jorges: „Zwischen zwölf Uhr und Mittag“: atmosphärisch und dystopisch.
Ina Elbracht: „Mein wunderschöner Supermarkt“: bizarr und surreal.
Maximilian Wust: „Salz, Glas und Silber“: Dunkle Magie und Zombiebekämpfung mit einem coolen Magiesystem.
Timothy Granville: „Einige unlängst gestiftete Objekte“: Aus den Etiketten von Museumsobjekten reimt sich eine unheimliche Geschichte zusammen.
Karin Reddemann: „Roter Regen“: Man fragt sich, ob der wahre Horror die Wechselbälger oder das Familienleben der Protagonistin ist.
Yvonne Tunat: „Der Hotelflur“. Ein unheimliches Hotel und die Beziehung der Protagonistin zu ihrem Messie-Vater vermischen sich auf bizarre Weise.
Nur mit den historischen Geschichten vom Anfang des 20. Jahrhunderts konnte ich nicht viel anfangen. Zum Beispiel ist mir bei der Geschichte von Arthur Machen nicht klar geworden, ob der Autor die Aufopferung von Soldaten im Krieg ernsthaft abfeiert, oder ob es sich um Satire handelt.
Davon abgesehen empfehle ich das „Zwielicht“ allen, die Horror und düstere Geschichten mögen.
Worum geht es:
Ein von der UN gegründetes Ministerium versucht, die Klimaschutzziele in die Tat umzusetzen, und scheitert zunächst am Unwillen von Staaten und Unternehmen. Mary, die Leiterin, wird vom Klimaaktivisten Frank entführt und unter Druck gesetzt, dass sie mehr tun müssten. Daraufhin greift das Ministerium insgeheim zu illegalen Aktivitäten gegen Klimaschäden und -Schädiger und eine internationale Massenbewegung entsteht.
Wie ich es fand:
Das Buch beginnt mit einem Knalleffekt: Frank überlebt als Einziger eine brutale Hitzewelle in Indien. Die eindrückliche Szene macht klar, dass das Überleben von Millionen Menschen auf dem Spiel steht. Nach dieser Szene hätte ich einen packenden Thriller erwartet. Doch leider lässt die Spannung bald nach. Denn das Buch besteht abwechselnd aus Szenen aus dem Leben verschiedener Menschen sowie aus Essay- und sachbuchartigen Passagen.
Verschiedene Menschen weltweit zu Wort kommen zu lassen, darunter Klimaflüchtlinge, ist eine coole Idee und zeigt, wie sehr das Klima jeden angeht. Doch insgesamt macht es die Handlung schwerfällig, ein klassischer Spannungsbogen fehlt und eine emotionale Bindung zu den Charakteren konnte ich nicht aufbauen.
Die sachbuchartigen Passagen waren wiederum für ein Sachbuch zu schwammig und begrifflich unklar. Da wäre mir persönlich lieber gewesen, entweder ein ordentliches Sachbuch zu lesen oder einen funktionierenden Roman.
Inhaltlich setzt der Roman seine Hoffnung auf einen eher sanften Umbau des Kapitalismus unter mehr oder weniger freiwilliger Aktion der Staaten, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten. Dauernd werden Gesetz und Rechtsstaat als Hoffnungsträger genannt. Dem widerspricht jedoch, dass es ohne ein gerüttelt Maß an illegalen Aktionen nicht vorangeht.
Etwas befremdlich fand ich, dass das Ministerium die Gründung einer neuen Erdreligion betreibt. Religion als gutes Mittel im Kampf gegen den Klimawandel? Sollte es nicht sinnvoller sein, die Menschen rational aufzuklären?
Stilistisch ist das Buch größtenteils gut geschrieben, allerdings fehlen häufig die Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede, was das Verständnis erschwert.
Fazit: Der Kampf gegen den Klimawandel als weltumspannendes Panorama, das versucht, sowohl Roman als auch Sachbuch zu sein, aber leider beides nicht richtig schafft.
Worum geht es:
In einer High Fantasy - Welt mit Zwergen, Alben und Dappen (Abkömmlinge von Menschen und Zwergen) werden mehrere Slice of Life-Kurzgeschichten erzählt. Die Dappin Erle soll einen Ehemann finden, verliebt sich jedoch in die Zwergin Nork und bricht aus ihrer Gemeinschaft aus. Der junge Lanzo muss den Verlust seiner Eltern verarbeiten, und die junge Leia rebelliert mit Erles Hilfe gegen eine sexistische Tradition.
Es geht in diesen Geschichten um das Erkennen der eigenen Queerness in einer heteronormativen Gesellschaft, um Rebellion, um Verlust, aber auch um das Finden von Verbündeten und um die Liebe zwischen Großeltern und Enkeln.
Was ich gut fand:
Die Geschichten bieten eine runde Mischung aus einer behaglichen, märchenhaften Fantasywelt und aus Rebellion und Kritik an den dortigen Verhältnissen. Zugleich war die Liebe zwischen Familienmitgliedern und Freunden deutlich spürbar und hatte etwas Tröstliches – wie eine wohlig warme Decke und ein heißer Tee. Ich fand toll, wie Brun sich bemüht, dem Jungen Lanzo durch seine Trauer zu helfen, wie Erle Leia unterstützt, und wie Erle selbst von zwei Nachtalbinnen unterstützt wurde.
Habe ich Kritik?
Manchmal frage ich mich, ob das Thema „Mädchen / weiblich gelesene Person rebelliert gegen patriarchale Verhältnisse“ nicht schon ausgelutscht ist, da es bereits unzählige Bücher und Filme dazu gibt. Andererseits bleibt das Thema leider immer weiter aktuell.
Ich habe mich teilweise gefragt, was das für eine Welt ist: Warum heißt das Festival „Friedensfestspiele“? Gab es denn mal einen Krieg, und zwischen wem?
Bei den Zwergen wird mit Gold gehandelt, bei den anderen gibt es Tauschhandel – wie sehen diese Ökonomien genau aus?
Bei der Geschichte um die Albin Titania fiel mir das Verständnis schwer, mangels Hintergrundwissen, was Alben und Dunkelalben sind und was sie unterscheidet.
Allerdings können Kurzgeschichten natürlich nicht so viel an Worldbuilding leisten und vieles nur andeuten.
Fazit:
Eine Sammlung mit tröstlich-flauschigen Fantasygeschichten mit einer guten Portion Queerness und Rebellion.
Worum geht es:
Eine fiktive Welt mit einem Konflikt um Magie. In Daskyen werden Magiebegabte gefürchtet und von der Staatsmacht in einem Schloss eingesperrt, wo sie der dorthin verbannten Obermagierin Dahlya dienen. Als die magischen Kräfte der jungen Tia erwachen, wird sie von der Gardistin Kary aufgespürt und in das Schloss gebracht. Zunächst glaubt Tia, ein neues Zuhause gefunden zu haben, und vertraut Dahlya. Doch mehr und mehr stellt sich die Frage, ob Dahlya wirklich nur Gutes im Sinn hat – und ob Gut und Böse überhaupt so einfach zu unterscheiden sind. Parallel dazu beginnt die Gardistin Kary zunehmend an den Zielen der Garde und deren Chefin – ihrer Mutter – zu zweifeln. Schließlich geraten Tia und Kary zwischen alle Fronten.
Was ich gut fand:
Das Buch zog mich mit seiner schönen Gestaltung, seinem emotionalen Schreibstil und dem düster-atmosphärischen Gothic Setting direkt in seinen Bann. Die vielen Konflikte und Wendungen halten die Spannung hoch, sodass ich ständig weiterlesen musste. Tia und Kary waren mir beide sympathisch: Tia als rebellische, eigenständige Person, die sich nichts gefallen lässt und vieles in Frage stellt; und die ehrgeizige und pflichtbewusste Kary, die versucht, ihrer Mutter alles recht zu machen, um deren Wertschätzung zu gewinnen. Cool fand ich die Idee, dass die Magiebegabten durch einen Bann jeweils mit einem Gegenstück verbunden sind, wodurch ihre Magie geschwächt wird, und dass Tia und Kary Gegenstücke sind, was für Kary einen starken Loyalitätskonflikt mit der Garde verursacht. Geschickt werden Tias Zweifel an Dahlya und Karys Zweifel an ihrer Mutter nach und nach aufgebaut. Ebenso die Entwicklung der Beziehung zwischen Tia und ihrer Magielehrerin Meena von Feindschaft zu vorsichtiger Freundschaft. Schön sind auch die vielen queeren Figuren.
Was ich nicht so gut fand:
Das Setting blieb mir teilweise zu vage. Wie funktioniert die Wirtschaft in dieser Welt? Wie und warum werden die Magischen in ihrem Schloss mit lebensnotwendigen Gütern versorgt? Der Staat könnte sie ja auch einfach aushungern? Was machen die Magischen den ganzen Tag im Schloss, außer mit Flammen und Lichtkugeln herumzuspielen? Müssen sie nicht arbeiten?
Wieso kann sich Tia einfach so (mit Gawens Hilfe) in den Königinnenpalast schleichen, wenn so hohe Angst vor gefährlichen Magischen herrscht? Warum werden keine besseren Sicherheitsvorkehrungen getroffen?
Und warum gibt es überhaupt diese Feindschaft zwischen dem Staat und den Magischen, anstatt dass der Staat die Magischen für seine Zwecke einspannt und ihnen z.B. anbietet, in der Armee zu dienen?
Fazit:
Ein stimmungsvoller Dark Fantasy Roman, der spannend und emotional packend ist, für meinen Geschmack jedoch manches zu vage lässt.
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