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Lena
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 157 Bewertungen
Bewertung vom 24.09.2025
Mustard, Jenny

Beste Zeiten


sehr gut

Sickan zieht zum Studium nach Stockholm - möglichst weit weg von ihrem unterkühlten Elternhaus und dem Mobbing ihrer Mitschüler*innen. In der Großstadt möchte sie ihr altes belastetes Leben hinter sich lassen und sich neu erfinden. Mit der wohlhabenden und selbstbewussten Kommilitonin Hanna findet sie eine Freundin, neben der sie sich selbst nicht mehr so eigenartig vorkommt und mit Abbe die erste Liebe zu einem jungen Mann, mit dem sie eine traumatische Vergangenheit gemein hat.
Endlich geht Sickans Wunsch nach Zugehörigkeit in Erfüllung, während sie ein typisches Studentenleben führt, mit dem sie sich selbst beweist, dass sie nicht seltsam ist.

Der Roman ist aus der Ich-Perspektive von Sickan geschrieben, wodurch sie sehr nahbar ist. Ihre Sorgen und Ängste, die zu Beginn erdrückend sind, sind spürbar. Schwierige Situationen lösen Flashbacks aus, die sie immer wieder gedanklich in die Vergangenheit katapultieren.
Durch die in Teilen erschütternden Erinnerungen kann noch mehr Verständnis für Sickans Handlungen und Verhaltensweisen entwickelt werden.

"Beste Zeiten" schildert Sickans Neuanfang als Studentin, die ihr altes Ich ablegen möchte. Der Roman handelt von Freundschaft, Loyalität und erster Liebe, von einer Suche nach Identität und dem Wunsch nach Zugehörigkeit, aber auch von sozialen Ängsten, Ausgrenzung und Rassismus. Die Entwicklung Sickans ist authentisch und nachvollziehbar dargestellt und problematisiert eine Verunsicherung, die gar nicht "seltsam" ist.

Bewertung vom 22.09.2025
von Kessel, Julie

Die andern sind das weite Meer


sehr gut

Hans Cramer ist pensionierter Diplomat, der allein in Bonn wohnt. Er ist an Demenz erkrankt und wird zunehmend hilfsbedürftiger. Seine drei erwachsenen Kinder sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und kümmern sich nur halbherzig aus der Distanz um den strengen Vater, der immer nur mit seiner ältesten Tochter Luka zufrieden war.
Luka ist Kriegsberichterstatterin und derzeit für ihren Sender in der Ukraine. Nach einem folgenschweren Fehler muss sie zurück nach Deutschland.
Tom ist Psychiater und hat eine eigene Klinik am Wannsee aufgebaut. Mit über 40 Jahren leidet er immer noch unter der fehlenden Anerkennung seines Vaters und nimmt regelmäßige an dubiosen Seminaren mit halluzinogenen Substanzen teil, die Heilung für seelische und körperliche Leiden versprechen.
Elena ist wie ihre verstorbene Mutter an Brustkrebs erkrankt und in ihrer Beziehung zu Juan, mit dem sie eine gemeinsame Tochter hat, unglücklich. Sie flüchtet sich in Träumereien an ihre Jugendliebe Moritz.

Als ihr Vater Hans verschwindet, kommen die Geschwister in ihrem Elternhaus zusammen und beginnen, sich ihren Ängsten zu stellen und finden in der Gemeinschaft Halt, ihre Probleme anzugehen.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive einer der vier Hauptfiguren geschildert. Allen ist gemein, dass sie sich vor der Wahrheit verschließen und Schwierigkeiten mit sich selbst ausmachen. Sie fühlen zudem eine innere Leere, fühlen sich unverstanden und nicht anerkannt.

Alle Figuren haben interessante Biografien, die die Handlung vielschichtig und abwechslungsreich gestalten. Die Unterschiedlichkeit der Charaktere spiegelt sich auch in der Vielfalt der Themen wieder, die der Roman enthält. Es geht um psychische und physische Erkrankungen, um Suizid, Betrug und Affären, Homophobie, Entfremdung und Einsamkeit.
Dennoch wirkt der Roman nicht überfrachtet oder deprimierend.

Berührend sind die Szenen aus der Sicht von Vater Hans, der neben klaren Momenten immer mehr geistig verwirrt ist und selbst merkt, wie sein Gehirn ihn im Stich lässt. Indem er alte Dias mit Aufnahmen der Familie sortiert, reflektiert er die Beziehung zu seiner Frau und seinen Kindern.

Auch die persönlichen Krisen der drei Kinder bewegen, die sich bewusst oder unbewusst in Richtung Abgrund bewegen. Das Zusammenkommen in Bonn sorgt dann regelrecht für Aufatmen, wenn sie sich auf die Suche nach ihrem Vater konzentrieren, bei der Gelegenheit aber auch erkennen, dass sie ihre Probleme nicht allein bewältigen müssen.

Es ist eine bittersüße Geschichte über eine zerrüttete Familie, die durch ein Ereignis die Chance erhält, sich wieder zu finden und an ihren Beziehungen zu arbeiten. Mit seinen universellen Themen des Älterwerdens, Übernahme von Verantwortung und Selbstzweifeln hat der Roman viel Identifikationspotenzial.

Bewertung vom 20.09.2025
Ægisdóttir, Eva Björg

Verschworen / Mörderisches Island Bd.5


sehr gut

Kommissarin Elma ist zurück aus der Elternzeit und wird schon wenige Tage nach ihrem Wiedereinstieg mit einem Mordfall betraut. In einem Sommerhaus in der Nähe von Akranes wurde ein Mann erstochen in seinem Bett aufgefunden. An der Schlafzimmerwand wurde eine blutige Botschaft aus einem alten Kirchenlied hinterlassen, das in christlichen Ferienlagern gesungen wird, an denen auch der Tote Þorgeir als Jugendlicher teilgenommen hat. Während die Geliebte des Opfers verschwunden ist, versucht Elma herauszufinden, was sich in der Vergangenheit in dem Ferienlager ereignet hat, das mutmaßlich ursächlich für den Mord sein könnte. Eine späte Rache von einem anderen Teilnehmer des Camps oder doch ein Racheakt einer Geliebten, nachdem Þorgeir schon einmal der Vergewaltigung bezichtigt wurde?

"Verschworen" ist bereits der fünfte Band der Reihe "Mörderisches Island" um die Ermittlerin Elma, die nach einem Schicksalsschlag in ihren Heimatort Akranes zurückgekehrt war. Zum besseren Verständnis der Charaktere und um ihre Entwicklung zu verfolgen, ist es empfehlenswert die vorangegangenen Teile zu kennen. Eine Personenübersicht am Ende des Romans hilft jedoch auch Neueinsteigern sich einen Überblick zu verschaffen.

Der Roman handelt im Rahmen der Ermittlungen im Dezember 2020, nachdem Þorgeir tot aufgefunden wurde, während Rückblenden darstellen, was sich in dem Wochen vor seinem Tod ereignet hat. Ereignisse aus dem Sommer 1995 werden überwiegend indirekt wiedergegeben, was den Lesern rin kleinen Wissensvorsprung gibt.

Im Verlauf der Handlung gibt es mehrere Verdächtige, die für den Mord in Frage kommen. Während zunächst die Geliebte im Fokus steht, scheinen die wahren Hintergründe tatsächlich in der Vergangenheit von Þorgeir und seinem Freundeskreis zu liegen. Elma stößt in diesem Zusammenhang auf ein dunkles Geheimnis, das die Polizeiarbeit in einem lange vergangenen Todesfall in Frage stellt. Ihr Vorgesetzter ermittelt indessen in eine andere Richtung und deckt einen Fall von Geldwäsche auf.
Elmas Lebensgefährte und Kollege Sævar, der sich um die gemeinsame Tochter kümmert, kann die Arbeit nicht ganz ruhen lassen und unterstützt Elma in dem Mordfall, scheint aber auch selbst etwas Dunkles zu verbergen zu haben, das ihn nun einholen könnte.

Wie alle Handlungsstränge zusammenhängen, ist ein Puzzlespiel, das anfangs nur schwer zu durchdringen ist, am Ende jedoch schlüssig aufgelöst wird. Das Motiv für die Tat erscheint jedoch bereits durch den Text an der Schlafzimmerwand offensichtlich.

Der Roman handelt von den Auswirkungen von Gewalt in der Familie, von Mobbing und von einer Dynamik unter Jugendlichen, die außer Kontrolle geriet. Die Vergangenheit sitzt in der Kleinstadt gleich mehreren Personen im Nacken und droht sie einzuholen. Letztlich scheint keine Tat ungesühnt zu bleiben und so schließt sich der Kreis mit dem christlichen Kirchenlied.

"Verschworen" ist nicht der originellste Plot, da überraschende Wendungen ausbleiben, aber solide Krimikost.
So manche Ungereimtheit am Ende legt nahe, dass noch längst nicht jede Schuldfrage und Tat in Akranes aufgeklärt ist und macht damit Hoffnung auf eine Fortsetzung der Reihe.

Bewertung vom 18.09.2025
Grandl, Peter

Höllenfeuer


ausgezeichnet

Am 12. September 2022 ereignet sich in der U-Bahn in München ein islamistischer Terroranschlag mit in der Folge über 300 Toten. Kurz nach der Corona-Pandemie wird erneut ein Lockdown verhängt, um die Bevölkerung zu schützen. Die Menschen leben in Angst, denn obwohl der Täter schwer verletzt im Krankenhaus liegt, ist ein weiterer Anschlag vor dem Hintergrund der Strukturen des Islamischen Staats (IS) nicht auszuschließen.
Die Sicherheitsbehörden arbeiten deutschlandweit eng zusammen, um nicht nur die Hintermänner zu identifizieren, sondern auch ein weiteres Blutbad zu verhindern. Festgenommen wird ein syrischer Zahnarzt, der vor wenigen Jahren in Deutschland Asyl beantragt hatte. Er soll über Verbindungen zum IS verfügen und den Attentäter kurz vor dem Anschlag in einer Moschee in München getroffen haben. Während der Erste Hauptkommissar der GBA, Torge Prager, den Verdächtigen vernimmt, glaubt seine ehemalige Geliebte und Leiterin der AG BIRGiT, Antonia Borchardt, fest an die Unschuld von Laid Abaaoud und setzt sich für seine Verteidigung ein.

"Höllenfeuer" beschreibt erschreckend realistisch ein beängstigendes Szenario und ist brandaktuell. Ausgehend von dem verheerenden Anschlag werden die Konsequenzen daraus anschaulich und packend aus verschiedenen Perspektiven erzählt, wobei auch die Hintergründe der Radikalisierung der Täter nicht außer Acht gelassen werden. Von der medizinischen Notversorgung, über die notwendigen politischen Entscheidungen bis zu den polizeilichen und nachrichtendienstlichen Ermittlungen enthält der Roman zahlreiche Fakten, die einen anschaulichen Einblick in das Zusammenspiel der Sicherheitsbehörden bieten. Diese werden lebendig mit den fiktiven Geschichten der handelnden Figuren verbunden, die in mitunter schwierigen persönlichen Beziehungen zueinander stehen und mit den Dämonen der Vergangenheit zu kämpfen haben.

Der Roman ist vielschichtig, indem er die Folgen für Täter, Opfer, Zivilbevölkerung und Gesellschaft sowie für die einzelnen Helden der Geschichte beleuchtet. Der Anschlag mit den vielen unschuldigen Opfern ist traumatisch, die Bevölkerung ist verunsichert, der Druck für Politik und Sicherheitsbehörden steigt, Erfolgsergebnisse zu vermelden, die Belastungsgrenze ist bald erreicht.

Eine drohende Gefahr ist gegenwärtig, was die Spannung durchgehend auf einem hohen Niveau hält. Zudem folgt man gebannt, ob und wie Täter und Hintermänner entlarvt werden können, die aufgrund ihres religiösen Fanatismus unberechenbar sind.
"Höllenfeuer" ist ein dynamischer, zeitgemäßer Politthriller, der geschickt mit den Ängsten spielt und durch die Verknüpfung des fiktiven Anschlags mit der Erwähnung realer Ereignisse und Personen noch beklemmender wirkt.

Bewertung vom 14.09.2025
Puchner, Eric

Weißes Licht


ausgezeichnet

Cece ist früher als ihr Verlobter Charlie nach Montana in das Haus ihrer zukünftigen Schwiegereltern gekommen, um die letzten Vorbereitungen für ihre geplante Hochzeit zu treffen. Unterstützung soll sie von Garrett, Charlies besten Freund aus dem College, erhalten. Auf den ersten Eindruck kann sich Cece niemand weniger geeigneten, als einen Gepäckabfertiger am Flughafen vorstellen, den ein Trauma aus seiner gemeinsamen Vergangenheit mit Charlie belastet. Doch je mehr Zeit sie mit Garrett verbringt, desto unsicherer wird Cece über die Zukunft, die sie sich erträumt hat.
Die Ereignisse dieses Sommers werden entscheidend für die Freundschaft der beiden Männer und ihre Beziehung zu Cece, und werden auch auf die nachfolgende Generation ihren Schatten werfen.

Der Roman beginnt im Sommer 2004 mit der Hochzeit von Cece und Garrett und erstreckt sich über 5 Jahrzehnte. Die Geschichte handelt dabei von den Verbindungen von Cece, Charlie und Garrett, den Entscheidungen, die sie treffen und dem Verlauf ihrer Leben bis ins hohe Alter, während die Auswirkungen der Klimakrise eine zunehmende Rolle spielen.

Ausgehend von einem klassischen Liebesdreieck wird eine Mehrgenerationengeschichte entwickelt, die von Schuld, Eifersucht und Neid sowie von Liebe, Freundschaft und Vergebung handelt.
Sie wird aus der Perspektive der drei Hauptfiguren sowie deren Kindern Lana und Jasper erzählt.
Herausgestellt werden einzelne Episoden aus deren Leben, die für den weiteren Verlauf der Geschichte relevant sein werden. Daneben gibt es vereinzelte Rückblenden, die noch mehr über die Charaktere offenbaren.
Bestechend sind so manch emotionale Ausbrüche, die noch länger im Gedächtnis bleiben werden. Glück und Unglück, Leben und Sterben, Heilung und Krankheit liegen eng beieinander. Die Atmosphäre ist durchgehend melancholisch und angespannt, was durch die Erwärmung des Klimas mit all seinen Konsequenzen wie jährliche Brände, austrocknende Seen, schmelzende Gletscher und bedrohte Tierarten noch verstärkt wird. Durch irritierend humorvolle Szenen und eine warmherzige Erzählweise ist der Roman nicht beklemmend, sondern erzählt das wirkliche Leben mit Erfolgen und Scheitern und ist eine Ode an die Freundschaft und die Ehe mit all ihren, Kompromissen, Höhen und Tiefen. Es ist ein Roman, der mit seiner Ehrlichkeit und der Fehlbarkeit seiner Charaktere einen Sog entwickelt.

Bewertung vom 08.09.2025
Murray, J.F.

Just married - Plötzlich verheiratet


weniger gut

Kate liebt es Listen zu führen und zu planen. Selbst ihren eigenen Junggesellinnenabschied nimmt sie selbst in die Hand, um ihn perfekt zu gestalten. Gemeinsam mit ihren drei Freundinnen, mit denen sie früher gnadenlos über die Strenge geschlagen hat, fliegt sie nach Las Vegas - sehr zum Missfallen ihres zukünftigen Ehemanns Norman, dem Böses schwant.
Schon am ersten Abend überreden ihre Freundinnen Kate in Champagnerlaune zu einem Abstecher in einen Nachtclub, wo es mit den berüchtigten Four Lokos weitergeht und Kate auf DJ Rush trifft, ihrem toxischen Exfreund, dem sie nach einer üblen Enttäuschung nie wieder begegnen wollte.
Als Kate am nächsten Morgen ohne Erinnerungen an den Vorabend aufwacht, ist das Gegenteil der Fall. Sie ist mit Trevor Rush verheiratet. Statt einer Annullierung zuzustimmen, bittet Trevor um eine Chance und um drei Dates, um ihr zu demonstrieren, dass sie ihn immer noch liebt.

Ausgehend von der Ausgangssituation einer versehentlichen Heirat hatte ich eine turbulente und humorvolle Liebesgeschichte erwartet. Der schlüpfrige Humor hat meinen Geschmack allerdings nicht getroffen.

Kates Verlobter Norman wird als spießiger Zahnarzt mit Kontrollzwang überzogen unsympathisch dargestellt und auch Kates Freundinnen verhalten sich denkbar unangenehm. Die Charaktere sind derart überspitzt gestaltet, dass es kaum vorstellbar ist, dass Kate in Norman verliebt und mit Siobhan, Chloe und Natalie befreundet ist. Nicht nur, dass die vier Frauen völlig unterschiedlich sind und so gar keine Gemeinsamkeiten haben, sie machen sich auch noch unaufhörlich gegenseitig nieder. Beleidigungen zum äußeren Erscheinungsbild oder zur sexuellen Orientierung sind an der Tagesordnung. Das ist nicht mehr lustig, das ist verletzend und weit von einer Freundschaft entfernt.
Deren Verhalten wird aber noch von der toxischen Brautmutter getoppt, die prophezeit, dass Kates Vater erneut an Krebs erkrankt, wenn sie Norman nicht heiratet.

Kates Neu-Ehemann Trevor ist ein berühmter DJ, der statt charismatisch und charmant arrogant wirkt, indem er überall erkannt wird und denkt, mit dem Zücken seiner Black American Express Centurion Card alles erreichen zu können. Er möchte Kate die Welt zu Füßen legen, aber was romantisch sein soll, wirkt immer eine Spur zu gewollt.

Neben dem fragwürdigen, zum Teil sehr derben, Humor enthält der Roman störende Logikfehler, wenn eine Frau mit dicken Augenbrauen als "Sir" angesprochen wird - dabei ist sie gerade aus dem Pool gestiegen und muss folglich einen Bikini tragen oder wenn Kate bei Date Nr. 1 ohne Probleme Riesenrad fährt und bei Date Nr. 2 in Panik ausbricht, mit einer Achterbahn fahren zu müssen, weil sie Höhenangst hat.
Darüber hinaus ist selbst der Aufhänger des Romans zu hinterfragen, denn die Geschichte dreht sich im Kern darum, drei Dates zu meistern, damit Trevor einer Annullierung der Hochzeit zustimmt - dabei ist eine Zustimmung des Partners gar nicht notwendig. Das hätte Kate mit einer einfachen Google-Recherche herausfinden können. Davon abgesehen dürfte ein gerichtliches Annullierungsverfahren immer länger dauern, als die fünf Tage, die Kate bis zu ihrer ursprünglich geplanten Hochzeit in Irland verbleiben.

Ich mochte die Prämisse des Romans, dass Kate herausfinden sollte, wer sie wirklich ist und und dabei ist, den falschen Mann zu heiraten, der ihr Potenzial unterdrückt. Sie ist es wert, mehr vom Leben zu erwarten, muss dafür allerdings an sich glauben und auch Risiken eingehen. Die Art und Weise der kleinen Abenteuer schoss jedoch übers Ziel hinaus. Selbst wenn man über den Humor geteilter Meinung sein kann, ist die Geschichte letztlich inhaltlich hanebüchen und stilistisch ohne jegliches Feingefühl. Das irrationale Verhalten aller Protagonisten nimmt dem Roman die letzte Ernsthaftigkeit.

Bewertung vom 06.09.2025
Engels, Lars

Halloweenkind


sehr gut

An Halloween verschwindet in Neuss der elfjährige Joshua, der als Geist verkleidet Süßigkeiten sammelt, spurlos. Zurück bleibt lediglich sein blutbeflecktes Kostüm.
Bereits vor zwei Jahren verschwand aus der Freundesgruppe von vier Familien der damals zehnjährige Vincent, der ebenfalls als Gespenst verkleidet war.
Lea, Freundin der Mutter von Joshua und ehrenamtliche Opferschutzbeauftragte, kann nicht an einen Zufall glauben. Während ihr Mann Oliver als Kriminalkommissar in die Ermittlungen involviert ist, versucht Lea selbst mögliche Verbindungen zwischen den beiden Fällen aufzudecken und lüftet dabei so manches dunkle Geheimnis ihrer engsten Freunde.

Der Roman handelt in der Gegenwart an wenigen Tagen nach Halloween und wird dabei überwiegend aus der Perspektive von Lea geschildert, die zur Hobbydetektivin mutiert. Daneben gibt es einzelne Rückblenden in das Frühjahr und den Herbst zwei Jahre zuvor.

Trotz des Bezugs zur schaurigsten Nacht des Jahres, wenn die Toten sich unter die Lebenden mischen, und der Erwähnung zahlreicher bekannter Horrorfilme und Thriller möchte nicht wirklich eine gruselige Stimmung aufkommen. "Halloweenkind" ist vielmehr ein Regionalkrimi, dem tragische Familiengeheimnisse zugrunde liegen.

Der Plot ist spannend aufgebaut, da es zahlreiche Rätsel und Ungereimtheiten zu entschlüsseln gilt. Jedoch verpufft die Spannung wiederholt, da Lea, bei der bestens vernetzt alle Fäden zusammenlaufen, schnell die richtigen Schlüsse zieht und durch geschickte Fragen herausfindet, was es mit dem Verschwinden der beiden Jungen auf sich hat.

Der Roman handelt von Schuld und Gewissen, von Selbstjustiz und Rache und verunsichert mit der Frage, wie gut wir unsere Freunde und Nachbarn wirklich kennen.

Bewertung vom 05.09.2025
Abel, Susanne

Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104


ausgezeichnet

Margret und Hardy lernen sich im Dezember 1947 in einem Kinderheim kennen. Beide haben ihre Angehörigen verloren und sind auf sich allein gestellt. Während Margret mit zwölf Jahren schon etwas älter ist und Erinnerungen an ihre Familie hat, wird Hardys Alter geschätzt und ihm ein Name ausgesucht. Namen spielen in dem katholischen Heim aber ohnehin keine Rolle, denn hier sind die Kinder nur Nummern, denen Gehorsam beigebracht wird. Margret wird zu Hardys Beschützerin, bis sie gewaltsam auseinandergerissen werden.
Knapp 60 Jahre später sind Margret und Hardy verheiratet und bereits Urgroßeltern. Sie kümmern sich um die kleine Emily, nachdem ihre Enkelin bereits mit 17 Jahren Mutter wurde und mit der Erziehung und Fürsorge eines Kindes überfordert ist.
Je älter Emily wird, desto mehr Fragen beginnt sie sich zu stellen. Sie fühlt sich zunehmend unverstanden, ausgeschlossen und leidet unter dem beharrlichen Schweigen ihrer Urgroßeltern und unter dem Desinteresse ihrer Mutter und Großmutter.

Der Roman schildert auf zwei Zeitebenen eine bewegende Geschichte, wobei Vergangenheit und Gegenwart thematisch und emotional eng miteinander verknüpft werden.
Die Vergangenheit handelt ab Kriegsende bis ins Jahr 1966 und schildert darin, wie Margret und Hardy zusammen und getrennt voneinander als Kinder in verschiedenen Heimen aufgewachsen sind und Margret die Rolle einer Beschützerin für Hardy übernommen hat. Die Kinder sind nicht nur unter der strengen Aufsicht von Nonnen aufgewachsen, sondern waren Erniedrigungen, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt. Die Szenen erschüttern, auch wenn sie nicht zu sehr ins Detail gehen und sensibel geschildert sind. Das gemeinsame Schicksal verbindet und führt dazu, dass sich Margret und Hardy nie wieder loslassen möchten.

In der Gegenwart, die von 2006 bis 2017 erzählt wird, gibt es immer wieder Trigger, die Flashbacks bei Margret und Hardy auslösen und zeigen, dass sie die Erlebnisse nicht verarbeitet haben und seelisch belastet sind. Ihre Traumata und das beharrliche Schweigen über die Vergangenheit wirken sich auf die gesamte Familie aus und haben bei der Tochter und der Enkelin Spuren hinterlassen.
Urenkelin Emily ist die erste, die Fragen stellt und wissen möchte, was ihre Urgroßeltern erlebt haben, dass sie bis heute offensichtlich quält.

Die Geschichte ist so empathisch geschildert, dass man sich sehr gut in die Hauptfiguren hineinversetzen kann. Zudem schreibt die Autorin lebendig, dass man die Schauplatze vor Augen hat und sich anschaulich in die jeweilige Zeit versetzt fühlt. Reale politisch und gesellschaftlich relevante Ereignisse werden mit der fiktionalen Geschichte verbunden, so dass diese noch authentischer wirkt.

"Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104" ist ein bewegendes Zeitzeugnis, das ein Stück dunkle deutsche Vergangenheit schildert. Neben den erschütternden Erlebnissen in den Kinderheimen sind es auch die lebenslangen Folgen, die den Alltag und das Familienleben bestimmen, die berühren und nachdenklich stimmen. Trotz überwiegend belastender Themen gibt es auf beiden Erzählenden Zeichen von Hoffnung und Zuversicht - insbesondere in Bezug auf Freundschaft, Loyalität und den Mut zur Veränderung.

Bewertung vom 04.09.2025
Atkins, Dani

Versprich mir, dass du tanzt


gut

Lily ist bereits mit Anfang 30 Witwe, nachdem ihr Mann Adam vergangenes Jahr gestorben ist. Geblieben ist ihr sein Hund Fletcher sowie das Versprechen, dass sie mit ihrem ehemals besten Freund Josh reinen Tisch machen soll. Kurz bevor Lily Adam geheiratet hat, war es zu einem heftigen Streit zwischen ihr und Josh gekommen, der ihre Freundschaft beendete.
An Adams Todestag ist Lily bei ihren Eltern und erinnert sich dort, wie sie sich mit dem Nachbarsjungen Josh angefreundet und später verliebt hatte und überwindet sich, nach Josh zu suchen.
Dieser lebt inzwischen zurückgezogen in einer Hütte im Wald in Schottland, weshalb es nicht leicht ist, ihn zu finden. Unangekündigt taucht sie bei ihm auf und gerät dabei in einen Schneesturm, der sie zu einem Aufenthalt zwingt, der länger wird, als ihr lieb ist. Erinnerungen an die gemeinsame Zeit kommen auf, aber auch an die Momente mit Adam.
Lily ist hartnäckig, aber Josh schweigt beharrlich darüber, was Adam mit seinem letzten Wunsch bezweckt haben mag.

Die Geschichte handelt im Wesentlichen von einer komplizierten Dreierbeziehung zwischen Lily, Adam und Josh. Lily liebt beide Männer, hat sich mit Adam aber für den verlässlicheren Partner entschieden. Josh hingegen hat ihre Beziehung sabotiert und Lily mehrfach das Herz gebrochen.

Durch Rückblenden wird allmählich klarer, was sich in der Vergangenheit ereignet hat, aber nicht alle Handlungen lassen sich logisch nachvollziehen. So wirft der Roman mehr Fragen auf, als er Antworten gibt. Das sorgt einerseits für Spannung, andererseits aber für viele Ungereimtheiten.
Was zwischen den Protagonisten steht, bleibt lange unnötig geheimnisvoll und ist am Ende dann doch nicht überraschend, wenn zwei Männer um dieselbe Frau buhlen.

Trotz emotionaler Themen und einer einfühlsamen Schreibweise mit der Dani Atkins typischen Erzählstimme, ist der Roman nicht so berührend wie erwartet. Man hofft zudem vergeblich auf einen raffinierten Plottwist, für den die Autorin in ihren Geschichten bekannt ist.
Das Buch ist zudem von einer durchgängigen Traurigkeit dominiert, was nicht einmal an Adams Tod liegt, sondern an den beiden übrigen unglücklichen Figuren und ihrem Hadern mit dem Schicksal.
Am Ende schließt sich der Kreis, aber auf so unnötig unangenehme Weise, dass das Gefühl des Liebesglücks schon wieder verblasst.

Bewertung vom 03.09.2025
Stieler, Jana

Brackwasser - Stille Wasser sind tief. Und manche sogar tödlich ...


sehr gut

Vor mehr als zwanzig Jahren verschwand Sveas beste Freundin Julia nach einem Sommerfest spurlos. Nun kehrt Svea zurück in ihre Heimat bei Schleswig, wo sie das Haus ihres Onkels Sören geerbt hat, der nach dem Fund sterblicher Überreste von Julia Selbstmord begangen hatte.
Für die Polizei gilt der Suizid als Schuldeingeständnis, insbesondere da in seinem Haus auch eine Kette Julias sowie kompromittierende Fotos gefunden worden waren.
Svea verdächtigt jedoch nach wie vor Julias Exfreund Erik, der inzwischen mit Sveas jüngerer Schwester Fenja verheiratet ist. Sie möchte Fenja und ihre beiden Kinder vor Erik schützen, doch das Verhältnis der beiden Schwestern ist zerrüttet. Und Svea selbst hat keine Erinnerungen an die letzte Nacht mit Julia, weshalb sie bei ihre Rückkehr wieder mit dem Argwohn der Bewohner der Umgebung an der Schlei konfrontiert wird.

Der Roman wird aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt, wobei Svea als Julias beste Freundin und Torge, Sveas 13-jähriger Neffe im Vordergrund stehen. Daneben gibt es einzelne Einsichten in Julias Familie aus Sicht der trauernden Mutter Gemma.

Der Fokus der Handlung liegt deshalb auf den gegenwärtigen Ereignissen, denn Svea leidet unter Erinnerungslücken in Bezug auf das Verschwinden ihrer besten Freundin und Torge weiß nur, dass in dem Wald seines Großonkels Knochen gefunden wurden.

Beide Familien - sowohl die von Svea als auch die von Julia - sind dysfunktional. Jeder Protagonist des Romans wirkt auf seine Weise kaputt. Erik ist ein Prepper, der seine Familie drangsaliert, wogegen Fenja allmählich aufbegehrt. Torge hat einerseits Angst vor seinem Vater, auf der anderen Seite ist er ehrfürchtig und von der Art seiner Lebensweise fasziniert.
Gemma hat den Verlust ihrer Tochter Julia nie verwunden und ein schwieriges Verhältnis zu ihrer "Ersatztochter", die erst danach zur Welt kam.
Svea richtet sich in dem Haus ihres Onkels ein und sorgt sich um ihre Schwester und deren Kinder. Darüber hinaus wird ihr bewusst, wie wenig sie über die Nacht weiß, in der Julia verschwand und beginnt eine Schuld ihrerseits nicht auszuschließen.

Nach einer langen Einführung in die schwierigen Verhältnisse der Familien kommt erst ab der zweiten Hälfte Spannung auf, als Svea bedroht wird, sich selbst nicht mehr traut und beginnt, Fragen zu stellen. Darüber hinaus droht in Torges Familie die Situation zu eskalieren.

Das Buch zieht vor allem durch die ungewöhnlichen und unglücklichen Lebenssituationen in den Bann. Das abgeschiedene Leben in den Wäldern an der Schlei ist atmosphärisch düster geschildert. Die Charaktere sind vielschichtig und unberechenbar und machen eine drohende Gefahr spürbar. Trotz des Funds der sterblichen Überreste Julias gibt es kaum Einblicke in polizeiliche Ermittlungen.

Als eine Mischung aus Familientragödie und Thriller über Eifersucht und Manipulation setzt die Spannung wider Erwarten erst spät ein. Die Geschichte besticht jedoch von Anbeginn durch die beklemmende Atmosphäre und das Gefühl, dass in der Gegenwart zunehmend Ereignisse in Gang gesetzt werden, die eine Gefahr bergen, aber am Ende dazu beitragen werden, die Geheimnisse einzelner Figuren zu lüften und Julias Verschwinden nach so langer Zeit aufzuklären.
Tatsächlich bleiben am Ende keine Fragen offen, jedoch erfolgt die Auflösung mehr erklärend aus der Selbstreflexion der Charaktere heraus und weniger aus der laufenden Handlung.