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Jessi2712
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 26 Bewertungen
Bewertung vom 05.08.2025
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


ausgezeichnet

Ein Geschenk, das sich nicht umtauschen lässt

Worum geht’s?

Schon oft habe ich mich gefragt, wie Autorinnen und Autoren wohl auf ihre Ideen kommen. Sebastian Fitzek hat in einem Schreibkurs mal geraten, sich die ›Was wäre, wenn?‹ -Frage zu stellen.

Also, was wäre, wenn die Nachricht, dass der Präsident von Botswana wie letztes Jahr angedroht tatsächlich 20.000 Elefanten nach Deutschland geschickt hätte, um gegen das Einfuhrverbot für Jagdtrophäen zu protestieren, wirklich wahr wäre?

Gaea Schoeters hat daraus einen zwar kurzen, aber überaus packenden Roman geschrieben.

Plötzlich tauchen Elefanten mitten in Berlin auf … der Bundeskanzler glaubt zunächst an einen Ausbruch aus dem Zoo, doch es werden immer mehr. Allgemeine Verwirrung und Verkehrschaos inklusive. Was also tun? Wohin mit den Hinterlassenschaften von 20.000 Elefanten? Und was, wenn sich die ungeliebten Gäste auch noch vermehren?

Wie war’s?

»Das Geschenk« ist ein Buch, das auch langsame Leserinnen und Leser gut an nur einem Abend durchsuchten können. Ich hatte die Autorin bisher noch gar nicht auf dem Schirm, werde mir aber nach diesem elefantastisch unterhaltsamen Buch auf jeden Fall auch »Trophäe« anschauen.

Eigentlich lese ich lieber längere Bücher, aber bei diesem muss ich wirklich sagen, in der Kürze liegt die Würze. Besonders gut gefallen haben mir die Parallelen zur aktuellen Flüchtlingspolitik (à la: ›Keine Sorge, wir schaffen das!‹) inklusive des Besuchs bei der Altkanzlerin, die mich verdächtig an Frau Merkel erinnert hat.

Fazit

Ein absolut elefantastisches Lesevergnügen! Auch die Übersetzung der Kollegin Lisa Mensing hat mir sehr gut gefallen, sie liest sich wie aus einem Guss. 5 Sterne und eine dicke Leseempfehlung!

Bewertung vom 27.06.2025
Willbrand, Klaus;Razumovych, Daria

Einfach Literatur


ausgezeichnet

Worum geht’s?

Klaus Willbrand, Kölner Antiquar und Büchernarr, bekannt und beliebt, lädt ein … nämlich dazu, Literatur zu entdecken.

Wie war’s?

Klassische Literatur – für viele ein Thema, um das sie seit der Schulzeit und der ›Zwangslektüre‹ im Deutschunterricht einen großen Bogen machen. Peinlicherweise muss selbst ich als Literaturübersetzerin gestehen, dass das bisher so gar nicht mein Thema war. Ich bin zwar immer über die neuesten Neuerscheinungen informiert, aber Thomas Mann? Emily Dickinson? Alles schon mal irgendwo gehört, aber nie einen näheren Blick darauf geworfen.

Auch Klaus Willbrand war mir nur vom Antik-Markt auf dem Kölner Neumarkt ein Begriff. Nun, nachdem ich »Einfach Literatur – Eine Einladung« gelesen habe und dabei leider auch erfahren musste, dass Herr Willbrand im Januar 2025 verstorben ist und die Fertigstellung des Buches nicht mehr erleben durfte, bereue ich es, diesen wunderbaren Menschen nicht persönlich kennengelernt und seinem Antiquariat mal einen Besuch abgestattet zu haben.

Klaus Willbrand bzw. Daria Razumovych, die Klaus und sein Antiquariat auf Instagram und Tick-Tock berühmt gemacht und etlichen Menschen den Weg zurück zur Literatur gezeigt hat, geben auf 220 Seiten seine Empfehlungen weiter. Locker-flockig, nie belehrend, zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, dass man hier irgendwie beeinflusst oder von jemandem, der es besser weiß, in eine bestimmte Richtung gedrängt wird. Nein, es ist einfach nur eine Einladung, in die Welt der Literatur einzutauchen. Umfassend werden zunächst die deutsche Literatur, dann die anglo-amerikanische und schließlich auch die französische Literatur aufgegriffen und die aus Klaus Sicht wichtigsten Werke genannt. Das Ganze gespickt mit Anekdoten aus Klaus eigenem Werdegang, von der Kindheit, wo er während eines langen Krankenhausaufenthaltes den Weg zum Buch gefunden hat, über sein dreijähriges Lese-Sabbatical, um das ihn bestimmt nicht nur ich glühend beneide, bis hin zur Begegnung mit Daria und der erfolgreichen Rettung seines von der Schließung bedrohten Antiquariats.

Fazit

Ich bin begeistert von diesem Büchlein. Es wird einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal bekommen und wer weiß, vielleicht wird zukünftig doch mal der eine oder andere Klassiker neben ihm einziehen. Lustige, aber wahre Anekdote: An dem Tag, an dem ich »Einfach Literatur« ausgelesen hatte, fiel mir auf einem Spaziergang durchs Severinsviertel plötzlich eine uralte Ausgabe von Thomas Manns »Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull« in die Hände, achtlos weggeworfen, nur einen Tag, nachdem ich Klaus Meinung zu dem Buch lesen hatte. Ob da wohl jemand vom Himmel aus seine Hand im Spiel hatte? Ich habe es jedenfalls direkt mitgenommen und werde es als nächstes Buch in Angriff nehmen.

Bewertung vom 21.06.2025
Serrano, Beatriz

Geht so


ausgezeichnet

Lasst uns ›Büro‹ spielen!

Worum geht’s?

Marisa hasst ihren Job von Herzen. Erdrückt von der gefühlten Sinnlosigkeit ihrer Arbeit in einer Madrider Werbeagentur flüchtet sie sich in Beruhigungsmittel, YouTube-Videos und gelegentliche nächtliche Eskapaden mit ihrem Nachbarn. Dann steht ein Teambuilding-Wochenende an, an dem einfach kein Weg vorbeiführt, und Marisa stellt sich der Situation – mit einer gehörigen Portion Angst und einer Extra-Ration Drogen im Gepäck. Ob das wohl gutgeht?

Wie war’s?

Eigentlich ein ziemlich alltäglich-banales Thema: Eine Frau hasst ihren Job. Gähn – schnarch? Keinesfalls. »Geht so« ist bei allem Elend urkomisch und ein Buch, in dem man von Anfang an mit der Protagonistin mitfühlt und mitleidet. Man merkt Marisa deutlich an, wie sehr ihr alles im Büro am Allerwertesten vorbeigeht, erlebt ihr »Bürospiel« aus nächster Nähe mit. Ihr geht es nicht nur um den Job an sich (den könnte man ja wechseln), sondern um die Notwendigkeit, überhaupt 8 Stunden pro Tag einer fremdbestimmten Tätigkeit nachgehen zu müssen. Was sogar zu dem bizarren Wunsch führt, sie möge doch bitte bitte auf dem Weg zur Arbeit möglichst irgendwie überfahren werden oder auf sonstige Weise verunglücken, um bloß nie wieder arbeiten zu müssen.

Fazit

»Geht so« ist bitterböse, urkomisch und obendrein von der lieben Kollegin Christine Quandt brillant übersetzt. Ich jedenfalls habe mich bestens unterhalten gefühlt und ich empfinde ein bisschen Mitgefühl mit allen, die in einer ähnlichen Situation feststecken und keinen Ausweg sehen. Ohne das Ende zu spoilern, Marisas Erkenntnis, worauf es letztlich im Leben ankommt, hat schon etwas für sich!

Bewertung vom 12.06.2025
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


gut

Seicht dahinplätschernde Urlaubslektüre
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Worum gehts? Kurz vor ihrem 100sten Geburtstag will Inge Martensen es nochmal wissen. Gemeinsam mit ihrer Enkelin Swantje geht sie an Bord eines Kreuzfahrtschiffes. Ziel: New York! Für Inge eine Reise in die Vergangenheit, als junge Frau hat es sie von der kleinen Nordseeinsel Föhr nach Big Apple verschlagen. Ahnungslos und ohne Englischkenntnisse hat sie damals die Insel verlassen und nach einem ersten Job im Deli eines weiteren Auswanderers von Föhr, den es ebenfalls nach New York zog, dank »Inges magic potatoe salad« eine beispiellose Erfolgsgeschichte hingelegt. Nun will sie mit Swantje ein letztes Mal die Orte sehen, die ihr damals so viel bedeutet haben, und gleichzeitig ihrer Enkelin helfen, in New York ihre eigene Zukunft zu finden. Wie wars? Was habe ich mich auf dieses Buch gefreut! Schon das Cover ist sehr ansprechend gestaltet und macht sofort Lust auf eine sommerliche Lektüre, die einen quer über den großen Teich von Föhr nach New York und wieder zurück entführt. So viel zu meinem Wunschdenken ich kann gar nicht sagen, warum ich mich mit diesem Buch so schwergetan habe. Die Story hat durchaus Potenzial, Auswanderer-Geschichten gehen ja irgendwie immer, Nordseeinseln sowieso und allein die Tatsache, dass viele eben auch wieder »zurückgewandert« sind, hat mich fasziniert. Aber es blieb alles so blass und hölzern. Die Dialoge wirkten teilweise sehr unecht und gestelzt, auch mit den Protagonisten konnte ich mich hier in keiner Weise identifizieren. Alles in allem ein Buch, durch das ich mich über mehrere Wochen durchgequält habe, weil ich immer dachte »da kommt noch was!«, und weil mich brennend interessiert hat, warum Inge die Insel damals verlassen hat. Aber auch die abschließende Auflösung war insgesamt eher platt und uninteressant erzählt. Fazit Eine nette Urlaubslektüre, kann man vielleicht im Strandkorb / auf Balkonien mal lesen, ich hätte es nicht unbedingt haben müssen und die geplante Fortsetzung wird eher auch nicht auf meine Wunschliste wandern.

Bewertung vom 11.06.2025
Dalton, Chloe

Hase und ich


ausgezeichnet

Aufgepasst, hier gibt’s was auf die Löffel!

Worum geht’s?

Chloe Dalton, vielbeschäftigte politische Beraterin, zieht sich während der Pandemie im Corona-Lockdown aufs Land zurück. Eines Tages entdeckt sie auf einem Spaziergang einen neugeborenen mutterlosen Feldhasen, erst hadert sie mit sich, dann nimmt sie den Winzling mit nach Hause, um ihn vor dem sicheren Tod zu retten. Das Ergebnis? Eine außergewöhnliche Freundschaft zwischen Mensch und Tier.

Wie war’s?

»Hase und ich« war für mich ein Buch außerhalb meines gewohnten Beuteschemas, denn Nature Writing und alles über Tiere ist eigentlich gar nicht mein Fall. Trotzdem, ob es nun das Cover oder die Kurzbeschreibung war, irgendwie führte doch kein Weg an diesem Buch vorbei.

Belohnt wurde mein Interesse mit einer einzigartigen, warmherzig erzählten Geschichte. Meine anfängliche Befürchtung, Chloe könne den Hasen verniedlichen und/oder verhätscheln, hat sich absolut nicht bewahrheitet. Hase bekommt nicht mal einen Namen, ist eigensinnig, hat stets seinen eigenen Kopf – und Chloe lässt ihm seinen Willen.

Nebenbei gibt’s hier so einiges auf die Löffel, nämlich geballtes Hasenwissen. So auch die oft gestellte Frage, ob man es mit einem Hasen oder einem Kaninchen zu tun hat (die wird im Buch ein für alle Mal erschöpfend beantwortet). Was frisst ein Hase eigentlich? Wann ist er ausgewachsen? Wie funktioniert das mit dem Nachwuchs? Man erfährt ganz nebenbei so allerlei Wissenswertes über Feldhasen, das so geschickt in die Geschichte verpackt ist, dass man nicht das Gefühl hat, sich durch einen Sachtext zu quälen.

Fazit

Eine herzerwärmende Geschichte, die mich wirklich überrascht hat. 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 14.05.2025
Brandi, Charlotte

Fischtage


sehr gut

Don’t worry, be happy!

Worum geht’s?

Ellas kleiner Bruder Luis ist verschwunden. Die Sechzehnjährige, die seit Jahren unter schlimmen Wutanfällen leidet und deshalb keine Freundschaften mehr pflegt, ist ratlos. Was kann mit ihm passiert sein? Die Eltern, eine Galeristin und ein erfolgloser Schauspieler mit Engagement beim Kindertheater, sind viel zu beschäftigt mit ihren eigenen Eheproblemen und ihrem Drogenkonsum, um sich groß um das Verschwinden ihres dreizehnjährigen Sohnes zu kümmern. Ella zieht kurzerhand in die Laube des alten Eckard, ihr einziger Vertrauter, der leider zunehmend unter Demenz leidet. In der Laube trifft sie auf ihren Wegbegleiter, einen sprechenden Plastikfisch mit integriertem Alarmsystem, der sie bei ihrer turbulenten Suche nach ihrem kleinen Bruder, die sich zunehmend zu einer Suche nach sich selbst entwickelt, begleitet.

Wie war’s?

Schon das knallrote Cover mit dem Bild eines mürrischen dreinblickenden Mädchens zeigt, worum es hier geht: die geballte Wut einer Heranwachsenden auf Gott und die Welt und die Suche nach Wegen, damit umzugehen (unter anderem entdeckt Ella das Zeichnen als Ventil, um mit ihren Emotionen fertigzuwerden). Mir persönlich hat dieses Debüt sehr gut gefallen, es ist ein toller Ausflug in die Jugendsprache, erfrischend, frech und spritzig. Ellas Suche und ihre Entwicklung im Laufe des Romans halten die Leser:innen bei der Stange und man möchte unbedingt wissen, wie es mit ihr weitergeht und ob ihre Suche am Ende von Erfolg gekrönt ist. Der sprechende Fisch, oft ihr einziger Gesprächspartner, kommt mir wie eine Art Unterbewusstsein vor, das sie oft vor Dingen warnt, die sie noch gar nicht wahrhaben möchte. Auch die Menschen, die sie auf ihrem Weg trifft, allen voran Oksana, waren sehr stimmig dargestellt.

Fazit

Charlotte Brandis Romandebüt ist erfrischend anders, wenn man sich auf die unkonventionelle Story und den sprechenden Fisch einlassen kann, sind vergnügliche Lesestunden garantiert. Ich persönlich werde die Autorin definitiv im Auge behalten!

Bewertung vom 03.05.2025
Labba, Elin Anna

Das Echo der Sommer


ausgezeichnet

Sommerland ist abgebrannt!

Worum geht’s?

Die dreizehnjährige Ingá, ihre Mutter Rávdná und Tante Ánne – drei samische Frauen, immer auf Achse zwischen ihrem Winterquartier und dem »Sommerland« im schwedischen Nordwesten.
Gleich zu Beginn des Buches stehen sie wieder einmal vor dem Nichts, weil die schwedische Verwaltungsbehörde beschlossen hat, den Staudamm zu erhöhen und dafür die Siedlung zu opfern, nicht zum ersten Mal. Mühsam werden einige wenige Dinge gerettet.
Rávdná hat endgültig genug, sie wünscht sich ein richtiges Haus, will sesshaft werden, beantragt dafür sogar einen Kredit. Dieser wird ihr allerdings verwehrt mit der Begründung, es sei nicht vorgesehen, dass Samen sesshaft werden. Sie seien auch nicht in der Lage, sich um eine eigene Behausung zu kümmern und müssten auch künftig als Nomaden leben. Rávdná, die dies nicht hinnehmen will, macht sich trotzdem daran, eine feste Behausung zu bauen. Schließlich kommt es, wie es kommen muss, sie wird von der Verwaltung aufgefordert, diese abzureißen.

Im zweiten Teil der Geschichte ist Ingá erwachsen, Tante Anne ist längst tot und es entwickelt sich eine immer größere Distanz zwischen Mutter und Tochter. Rávdná protestiert weiter gegen die ungerechte Behandlung durch die Schweden, Ingá hingegen versucht, sich mit der Situation zu arrangieren und trotz allem ihr Glück zu finden.

Wie war’s?

Selten habe ich mich so schwer getan mit einer Rezension. »Das Echo der Sommer« hat mich begeistert, aber auch tief erschüttert und sehr nachdenklich gemacht. Was wissen wir eigentlich über das Volk der Samen und sein Schicksal? Und wie vermessen ist es von einem Staat, zu entscheiden, dass ein Volk auch künftig zum Nomadentum verdammt sein soll?
Mich hat der bildhafte Schreibstil von Elin Anna Labba tief beeindruckt (was selbstverständlich auch der großartig gelungenen Übersetzung von Hanna Granz geschuldet ist).
… doch er schien die Worte nicht zu hören, nicht wirklich. Er nahm entgegen, was ihm gesagt wurde, und legte die Wörter hinter sich auf die Fensterbank, und wenn er ging, würde er sie dort liegen lassen. Keiner der Männer am Tisch war gekommen, um ihnen wirklich zuzuhören. (S. 277)

Besonders gut gefallen haben mir die an zahlreichen Stellen eingestreuten Ausdrücke in samischer Sprache, die nochmal ein ganz anderes Flair vermitteln und einen noch tiefer in die Geschichte eintauchen lassen, sowie die sehr gelungenen Naturbeschreibungen.

Das Ende ist traurig, tragisch und zeigt (ohne zu viel vorwegzunehmen), dass man alte Bäume eben nicht verpflanzen soll.

Fazit

Eines meines bisherigen Lesehighlights dieses Jahr. Keine einfache Kost und nichts, was man nebenher wegliest, aber eine fesselnde, berührende und äußerst tragische Geschichte, die in mir die Neugier auf das Leben der Samen geweckt und mich in eine mir fremde Welt entführt hat. Und das ist es doch schließlich, was einen gelungenen Roman ausmacht. Von mir volle Punktzahl und eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

Bewertung vom 17.04.2025
Moore, Liz

Der Gott des Waldes


ausgezeichnet

Wenn du dich verläufst, setz dich hin und schrei!

Worum geht’s?

Im August 1975 verschwindet die dreizehnjährige Barbara van Laar aus einem Sommercamp in den Adirondack Mountains. Eine großangelegte Suchaktion beginnt. Vor allem ihre Mutter Anna ist am Boden zerstört, denn das ist nicht der erste Schicksalsschlag, den die Familie verkraften musste. Jahre zuvor verschwand auch Barbaras Bruder Bear in derselben Wildnis und wurde nie gefunden.

Wie war’s?

»Der Gott des Waldes« ist mit seinen 590 Seiten ein ziemlich dicker Klotz, allerdings habe ich mich beim Lesen nicht eine Minute gelangweilt. Liz Moore gelingt es, die Leserinnen und Leser über die gesamte Story bei der Stange zu halten, die in ständig wechselnden Perspektiven der diversen Personen erzählt wird, auch etliche Zeitsprünge zwischen Barbaras und Bears Verschwinden sind natürlich enthalten, hier erleichtert der Zeitstrahl zu Beginn jedes Kapitels die Orientierung wirklich enorm.

Viele Themen werden in diesem Roman angerissen, der weit mehr als nur ein literarischer Thriller ist. Wie geht eine Familie mit dem Verlust eines Kindes um? Wie überlebt man das überhaupt? Und was macht ein solches Trauma ggf. mit Geschwisterkindern?
Was passiert, wenn jemand unschuldig eines Verbrechens angeklagt wird? Und wie schafft man es als Mitwisser, ein Geheimnis über Jahre hinweg zu bewahren?

Auch die Ermittlungen zu Barbaras Verschwinden mit der zwischenmenschlichen Komponente der Ermittlerin Judyta ist äußerst glaubwürdig und packend dargestellt.

Insgesamt hat mich »Der Gott des Waldes« gefesselt und richtig begeistert, woran nicht zuletzt die großartig gelungene Übersetzung von Cornelius Hartz einen erheblichen Anteil hat.

Lediglich die Auflösung von Bears Verschwinden hat mich irgendwie nicht richtig abgeholt, irgendwie hätte ich mir da mehr erwartet.

Fazit

Abgesehen von der Frage, warum dieses Buch eigentlich »Der Gott des Waldes« heißt, auf die ich für mich persönlich bis Seite 590 keine Antwort finden konnte, kann ich »Der Gott des Waldes« wirklich sehr empfehlen und es wundert mich nicht, dass der Roman es auf Obamas Summer-Reading-List geschafft hat.

Bewertung vom 13.04.2025
Ruban, Paul

Der Duft des Wals


sehr gut

Worum geht’s?

Kann eine Urlaubsreise eine Beziehung kitten, die eigentlich längst am Ende ist? Nachdem die Paartherapie keine Erfolge brachte, starten Judith und Hugo mit ihrer kleinen Tochter Ava einen letzten Versuch. Ein Luxusurlaub in einem Ressort in Mexiko soll retten, was eigentlich nicht zu retten ist. Leider explodiert schon am ersten Morgen ein toter Wal am Strand. Während die Hotelangestellten alles tun, um den Gestank irgendwie zu beseitigen, damit die schöne, heile Urlaubswelt für die Gäste erhalten bleibt, geht die Ehe der beiden mit zunehmendem Gestank und trotz Nasenklammern immer weiter den Bach runter – bis hin zur abschließenden Katastrophe.

Wie war’s?

Selten habe ich mich von einem Roman zum Thema Beziehungs-Aus so gut unterhalten gefühlt wie vom »Der Duft des Wals«. Dafür sind vor allem die äußerst skurrilen Charaktere verantwortlich. Von Flugbegleiterin Céleste mit ihrem Bedürfnis nach Selbstgeißelung, die vom Geist einer verstorbenen Passagierin heimgesucht wird, über Waldemar, der vom Hotelchef beauftragt wird, den Gestank loszuwerden, und dabei zu ungewöhnlichsten Mitteln greift, bis hin zu Belén und ihren Schlafanfällen aufgrund ihrer Narkolepsie und einem kleinen Nasenbären. Trotz vieler tragischer Momente musste ich beim Lesen immer wieder lachen.
Einzig und allein das schreckliche Ende des Ressorts war mir doch einen Tick zu dick aufgetragen.

Fazit

Ein unterhaltsamer Roman, den man nur ungern aus der Hand legt. Von mir 4 Sterne und eine Leseempfehlung!

Bewertung vom 13.04.2025
Würger, Takis

Für Polina


ausgezeichnet

Eine zarte Liebeserklärung an die Musik

Worum geht’s?

Fritzi Prager reist nach dem Abitur in die Toskana und lernt dort einen Natursteinhändler kennen. Einen One-Night-Stand und neun Monate später wird der kleine Hannes geboren – ein seltsamer, stiller Junge, ein Gnom, wie Fritzi findet. Als seine Mutter mit ihm durch Zufall auf dem Land bei Heinrich Hildebrand landet, einem kauzigen Eigenbrötler, wo Hannes eines Tages das alte Klavier entdeckt, bemerkt Hildebrand sein Talent sofort, und ab dem Tag ist Musik der Dreh- und Angelpunkt seines Lebens. Als Jugendlicher verliebt er sich in das Mädchen Polina, die Tochter von Günes, die gleichzeitig mit Fritzi Prager entbunden hat. Im Gegensatz zur Musik ist der Kontakt zu Polina alles andere als konstant, immer wieder verschwindet sie aus seinem Leben, geht mit der Mutter nach Istanbul. Als Fritzi Prager nach einem Unfall stirbt, verliert Hannes viele Jahre lang die Lust an der Musik, auch zu Polina hat er keinen Kontakt mehr. Doch Klaviere lassen ihn nie los, der schmächtige Junge tritt einen Job als Klavierträger bei einem Spediteur an, den im körperlich niemand zugetraut hätte. Dann passiert ein Unglück, das in Hannes den Wunsch weckt, wieder Klavier zu spielen. Ein Video, das ihn bei einem Straßen-Gig zeigt, geht viral. Seine Karriere als Musiker beginnt. Doch Hannes will eigentlich nur eines – Polina wiederfinden. Ob er sie mit der Melodie erreichen kann, die er damals als Jugendlicher für sie komponiert hat?

Wie war’s?

Mein erster Roman von Tarkis Würger und es wird sicher nicht der Letzte bleiben. Würgers Schreibstil und seine Charaktere haben mich sehr begeistert. Obwohl die Liebesgeschichte zwischen Hannes und Polina im Mittelpunkt steht, ist das Buch vor allem auch eine Liebeserklärung an die Musik. Allein die Vorstellung, für jemanden eine ganz persönliche Melodie zu komponieren, ist faszinierend. Und egal, wie weit sich Hannes nach dem Tod seiner Mutter auch von der Musik entfernt, sie bleibt immer ein Teil von ihm, immer wieder kommt er darauf zurück. Ein sehr tröstlicher Gedanke.

Fazit

Von mir fünf Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung. Ein Buch, das wie eine wunderbare Melodie noch lange nachhallt.