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VolkerM

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Insgesamt 204 Bewertungen
Bewertung vom 28.11.2025
Boccaccio, Giovanni

Decameron


ausgezeichnet

Das Decameron gehört zu den ganz großen Entdeckungen in meinem Leseleben. Vor etwa 20 Jahren habe ich es zum ersten Mal in Angriff genommen und konnte kaum glauben, dass dieser Text aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammte. Es gab darin so viele erzählerische Motive und Ideen, die man in abgewandelter Form auch heute noch in der Literatur verwendet, dass er erstaunlich modern wirkte. Selbst der Humor funktionierte nach 700 Jahren immer noch. Bei weitem nicht jedes Buch altert so günstig. Mit der Covid-Pandemie bekam das Buch auch noch eine unerwartete Aktualität, denn im Decameron isolieren sich 10 junge Adelige auf der Flucht vor der Pest in ihrem Landhaus bei Florenz und erzählen sich zur Zerstreuung insgesamt 100 Geschichten, die oft einen frivolen Hintergrund haben. Vor allem lüsterne Mönche und gehörnte Ehemänner sind Ziel des freizügigen Spotts.

Als ich mich jetzt mit der Übersetzungsgeschichte befasste, gab es die nächste Überraschung: Schon 1450 erschien die erste deutsche Übersetzung und seitdem reißt es nicht ab. Die Version, die ich vor 20 Jahren las, war eine 1957 überarbeitete Übersetzung von Gustav Diezel, die mir damals nicht mehr ganz taufrisch erschien. Seine Fassung stammt von 1840 und da weht trotz der Überarbeitung deutlich die Prüderie des 19. Jahrhunderts über die Seiten. Die jetzt vorliegende Übersetzung von Luis Ruby ist ihr in jeder Hinsicht überlegen. Es fängt schon mit dem „Klang“ an: Ruby hat ein hervorragendes Gefühl für Sprachmelodie und Rhythmus. Boccaccio neigt zu sehr langen Schachtelsätzen, die man gut strukturieren muss, damit sie im Deutschen eingängig bleiben und die Klangschönheit der italienischen Sprache muss auch spürbar sein. Ein bisschen wie bei Thomas Mann. Ruby gelingt dieses Kunststück und verleiht dem Text damit eine Schwerelosigkeit, die der Diezelschen Fassung fehlt. Er setzt die Pointen mühelos elegant, wo Diezel zu umständlich ist. Es ist ein echtes Vergnügen, das zu lesen.

Ein weiteres Vergnügen ist das Layout. Ich erinnere mich an eine Ausgabe des „Kopfkissenbuchs“ von Sei Shonagon aus dem Manesse Verlag, die für mich eines der schönsten und cleversten Seitenlayouts hat, die ich je in einem modernen Buch gesehen habe. Vor allem die innovative Aufteilung der Fußnoten und Verweise hatte mich bei dem Buch begeistert und genauso clever haben die Layouter auch diesmal Referenzen an historisches Buchdesign aufgenommen. Mittelalterliche Bücher hatten keine Referenzlisten oder Fußnoten, sondern sogenannte „Marginalien“, das sind erklärende Randnotizen, die direkt an der Stelle eingefügt wurden, auf die sie sich beziehen. Entsprechend breit sind die Seitenränder und der Satzspiegel ist asymmetrisch. In Anlehnung an historische Marginalien befinden sich die qualifizierten und sehr hilfreichen Kommentare in dieser Ausgabe des Decameron direkt auf den breiten Seitenrändern, womit das lästige Blättern zu Anhängen entfällt und der Satzspiegel nicht durch überdimensionierte Fußnoten zerquetscht wird. Außerdem ergibt das eine höchst lebendige Seitenstruktur. Das wirkt frisch und modern, noch unterstrichen von der durchdachten Auswahl der Illustrationen, die von mittelalterlicher Buchmalerei bis zu Egon Schiele reichen. Alle haben eine tatsächliche oder übertragene Beziehung zu einer der 100 Geschichten. Ergänzt wird das schöne Layout durch schweres, leicht getöntes Papier, eine farbige Fadenheftung und Lesebändchen.

Wer das Decameron kennt, für den ist diese elegante und wunderbar gestaltete Neuübersetzung ein echter Gewinn. Für alle anderen sowieso.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.11.2025
Stadler, Eva;Ingala, Jutta M.;Lammert, Andrea

KUNTH Konnichiwa Japan


sehr gut

Japan-Reiseführer sprießen derzeit aus dem Boden wie die Pilze nach einem Sommerregen. Japan ist zum Hotspot des Tourismus geworden und leidet mittlerweile massiv unter dem Übertourismus. Ich bin vor fast 20 Jahren das erste Mal da gewesen, aber in letzter Zeit stößt mich diese wirklich unerträglich gewordene Überfüllung deutlich ab. Alternativen zu den Standardzielen zu finden, ist gar nicht so einfach, denn die Entfernungen sind (abgesehen von der überfüllten Kanto/Kansai-Region) ziemlich groß, mit entsprechend langen und teuren Rüstzeiten. Deswegen ist mir jeder gute Vorschlag lieb und „Konnichiwa Japan“ hat da ein erstaunlich breites und abwechslungsreiches Angebot zu bieten. Gegliedert nach den Regionen der Hauptinseln werde 56 Ziele vorgestellt, jeweils sehr kurz beschrieben und mit wunderschönen Fotos illustriert. Man bekommt sofort Lust, hinzufahren. Auf der einen Seite die Top-Ziele wie Kyoto oder Tokyo, auf der anderen Seite auch einige „fast Geheimtipps“ für Japan-Enthusiasten.

Bei einer Beschränkung auf 56 Ziele ist die Auswahl natürlich immer von persönlichen Vorlieben geprägt, aber die Autorinnen decken ein breites Feld ab: moderne Zukunftsstädte, uralte Tempel, Wanderungen in Nationalparks, Teetrinken im Katzencafé, trutzige Burgen oder Shopping im Porzellanparadies. Da findet jeder was Passendes.

Die Informationstiefe ist eher gering, ein Link muss meistens genügen. Auch sind die Beschreibungen äußerst knapp gehalten. Es gibt keine Kapitel zur Reisepraxis in Japan, auch keine Empfehlungen zu Unterkünften und nur selten zur Kulinarik, die in Japans Kultur so wichtig ist. Da ich einen Großteil der Ziele aber aus eigener Anschauung kenne, kann ich bestätigen, dass die Auswahl sehr qualifiziert ist und es sich lohnt, bei Interesse hier weiter zu recherchieren. Bei den meisten Orten gibt es noch einiges zusätzlich zu entdecken, sodass sich eine Reise wirklich lohnt.

Als Einstieg für die Reiseplanung und als Anregung ein guter erster Anlaufpunkt, sowohl für Japan-Anfänger als auch für Fortgeschrittene. Für die Ausarbeitung braucht man dann aber deutlich differenziertere Informationsquellen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.11.2025
Steingart, Gabor

Systemversagen


ausgezeichnet

In seinem Buch „Systemversagen“ beschreibt Gabor Steingart, warum er Deutschland auf einem gefährlichen Weg sieht. Für ihn steckt das Land in einer umfassenden Krise: zentrale Systeme, angefangen von der sozialen Sicherung über die Energieversorgung bis hin zu Bildung, Verwaltung und Politik funktionieren nicht mehr so, wie sie es sollten.

Er zeichnet das Bild einer einst starken Wirtschaftsnation, deren „Betriebssystem“ ins Stocken geraten ist („Kernschmelze im produktiven Kern“). Besonders kritisch und daher auch provokant formuliert, sieht er das Sozialsystem: Es verspreche Leistungen ohne entsprechende Arbeit, schwäche damit die Motivation vieler Menschen und belaste die Gemeinschaft finanziell. Auch die Energiepolitik gerät in seine Kritik. Steingart warnt, dass Deutschland seine industrielle Stärke verliere, weil Energie unsicher und teuer geworden sei.

Ein weiteres großes Thema ist die Bildung. Nach seiner Analyse bringt das deutsche Schulsystem nicht mehr genügend qualifizierte Fachkräfte hervor, mit gravierenden Folgen für die Wirtschaft. Die Verwaltung beschreibt er als überfordert und ineffizient: zu langsam, zu bürokratisch, zu wenig digital. Schließlich richtet er den Blick auf die Politik selbst. Fehlfunktionen und mangelnde Entscheidungsfreude lähmen aus seiner Sicht nicht nur die Regierung, sondern auch Unternehmen und Bürger („Die Eliten taumeln von einem Kontrollverlust zum nächsten.“).

Die Gründe für den Abstieg Deutschlands liegen in unserer Geschichte, bei unseren Kanzlern, in der Globalisierung und der Rolle der großen Mächte. Steingarts Ursachenforschung reicht daher auch zurück bis in die Anfangsjahre der Bundesrepublik. Er nimmt die Kanzlerschaften von Adenauer, Brandt, Schmidt, Kohl, Schröder, Merkel und Scholz in den Blick – und arbeitet sich dabei besonders intensiv an Angela Merkel ab, die er spöttisch als „Zauderliese“ bezeichnet. Selbst die kurzen Kanzlermonate von Friedrich Merz bleiben nicht außen vor. Mit einem ausführlichen Blick auf die USA, China, Indien und Russland schließt Steingart seine Analyse ab.

Am Ende steht eine ernüchternde Diagnose: Soziales, Energie, Bildung, Verwaltung und Politik greifen in Deutschland nicht mehr ineinander, sondern blockieren sich gegenseitig. Doch Steingart belässt es nicht bei der Kritik, sondern macht auch Vorschläge für Reformen, die aus meiner Sicht eher allgemein bleiben und nicht die gleiche analytische Tiefe haben wie seine Problemdiagnosen. Das Problem sehe ich allerdings auch nicht an mangelnden Reformideen, sondern am Willen und der Fähigkeit der Regierung, diese auch umzusetzen.

Steingart versteht es, komplexe Themen so darzustellen, dass sie für jeden nachvollziehbar bleiben – präzise, pointiert und ohne unnötige Fachsprache. Wer seinen Newsletter liest, kennt diesen Stil bereits. Die Fakten sind gründlich recherchiert und anschaulich aufbereitet, sodass man sich gut abgeholt fühlt.

Es gibt für mich zwei Kritikpunkte: Erstens sind sämtliche Schaubilder in der Mitte des Buches gesammelt und nicht thematisch in den Text integriert. Zweitens wirkt die Gestaltung insgesamt wenig gelungen. Der Satzspiegel ist gedrungen und teilweise abgeschnitten.

„Systemversagen“ ist ein provokantes, sehr gut lesbares und streitbares Buch, das die Debatte über Deutschlands Zukunft sicherlich an- und aufregen wird.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.11.2025
Chambers, Robert W.

Der König in Gelb. Horrorgeschichten


sehr gut

Robert W. Chambers ist im deutschen Sprachraum weitgehend unbekannt geblieben, in den USA spielt er aber in der phantastischen Literatur in einer Liga mit E. A. Poe und Ambrose Bierce. Seine 1895 erstmals erschienene Sammlung von Kurzgeschichten wurde dort unzählige Male wieder aufgelegt und beeinflusste maßgeblich einige Titanen der Horrorliteratur, wie H. P. Lovecraft. Der „König in Gelb“ oder das „Gelbe Zeichen“ taucht bis heute immer wieder als Chiffre für das Unheimliche in Filmen und Büchern auf, erfunden hat sie Chambers.

Die ersten vier Erzählungen sind durch das fiktive Theaterstück „Der König in Gelb“ miteinander verbunden, das jeden Menschen, der das verbotene Buch liest (das Stück wurde niemals aufgeführt), in den Wahnsinn treibt. Diese Idee verwendet z. B. abgewandelt der japanische Horrorfilm „The Ring“, woran man ableiten kann, wie ideenreich Chambers in seinem Metier war. Seine Kurzgeschichten stecken voller innovativer und unheimlicher Einfälle, und wie es später auch bei H. P. Lovecraft der Fall war, kann Chambers die unterschwellige, nicht fassbare Bedrohung auch atmosphärisch packend schildern. Allerdings ist er, wie Lovecraft, kein wirklich versierter Schriftsteller, seinem Stil fehlt dafür Eigenständigkeit, Eleganz und intellektueller Hintergrund. Chambers war reiner Autodidakt und hatte das Privileg, aufgrund seiner vermögenden Familie niemals von seiner Arbeit leben zu müssen. Den Erfolg des „König in Gelb“ konnte er auch nicht wiederholen und so verlegte er sich später auf seichte Gesellschaftsromane.

Interessant sind seine Kurzgeschichten vor allem durch den Einfluss, den sie auf andere hatten und immer noch haben. Ob das nun die HBO-Serie „True Detectives“ oder „Game of Thrones“ ist, Anklänge an Elemente aus Chambers Geschichten findet man an vielen Stellen, wenn man danach sucht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.11.2025
Cryns, Frederik

Im Dienste des SHOGUN


sehr gut

John Blackthorn ist jedem ein Begriff, der James Clavells Bestseller „Shogun“ gelesen hat oder eine der Verfilmungen kennt. Die wenigsten wissen, dass es eine historische Person gibt, deren Biografie sehr viele Parallelen zu Blackthorn aufweist und die Clavells Vorbild war.
Der „echte“ Blackthorn hieß William Adams und havarierte im Jahr 1600 mit einem niederländischen Handelsschiff an der Küste Japans und wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem wichtigen Berater des ersten Tokugawa Shoguns Ieyasu. Dieser überschüttete ihn mit Ehrungen, erhob ihn in den Rang eines hohen Samurai, er besaß mehrere große Anwesen in Edo und bei Osaka, heiratete eine adelige Japanerin und bekam mit ihr zwei Kinder. Genau wie Blackthorn durfte auch Adams das Land nicht mehr verlassen und als er es nach dem Tod Ieyasus hätte tun können, war er zu krank dafür und blieb in Japan.

Es ist erstaunlich, wie viele erstklassige Quellen über William Adams bis in unsere Zeit erhalten blieben, die meisten in westlichen Nationen, einige wenige auch in Japan. Der kometenhafte Aufstieg des Engländers (er war bei den Niederländern nur als Navigator angestellt) zog international Kreise. Frederik Cryns ist Historiker am International Research Center for Japanese Studies in Kyoto und spezialisiert auf den Kulturaustausch zwischen Japan und dem Westen in der Tokugawa-Zeit. Seine Biografie über William Adams ist zwar nicht die einzige, aber es sind doch einige Jahre seit der letzten vergangen und es gibt immer wieder neue Entdeckungen in den Archiven. Cryns ist ein akribischer Rechercheur, der buchstäblich jeden Tag rekonstruiert, über den spezifische Informationen bekannt sind. Wer hat wen wann getroffen? Wer war zu welchem Zeitpunkt in welchem Anwesen oder auf dem Weg wohin? Gibt es mehrere unabhängige Quellen, die das bestätigen? Wie wurde Adams in Japan wahrgenommen und wie in der westlichen Welt? Stellenweise wirkt Cryns Bericht wie ein penibles Tagebuch, so detailliert und faktenbeladen sind seinen Ausführungen. Man muss dazu wissen, dass der Autor im japanischen Fernsehen regelmäßig zu diesen Themen Gast ist und Japaner lieben Zahlen, Daten und Fakten über alles. Selbst in den Primetime Nachrichten darf man damit rechnen, dass ein Moderator zu inhaltlich völlig überladenen, selbstgestrickten Power Point Charts referiert (das ist kein Witz!). Diesen Stil hat Cryns geradezu verinnerlicht, was den großen Nachteil hat, dass das Wesentliche oft in den Details untergeht. Er hat auch den Stakkato-Stil vieler japanischer Autoren übernommen, mit extrem kurzen Sätzen, die kaum über 1-2 Zeilen hinausgehen und dementsprechend wenig grammatikalische Varianz und sprachliche Eleganz besitzen. Dem Autor gelingt es leider nicht, das Leben im Japan der Tokugawa-Zeit bildhaft wiederzuerwecken, sondern er verliert sich in teilweise völlig nebensächlichen Details, die zwar quellentechnisch belegt, aber für den Gang der Biografie unerheblich sind. Das ist schade, denn gerade die frühe Tokugawa-Zeit hätte extrem viel Exotik zu bieten gehabt. Gut arbeitet Cryns die wechselseitigen Verflechtungen und unterschiedlichen Interessenlagen von Ieyasu, den Niederländern, Portugiesen und Spaniern heraus, aber auch hier verhaspelt er sich in den eigenen Details, so dass inhaltlich gleiche Passagen teilweise sogar auf derselben Seite doppelt auftauchen. Das darf man dem deutschen Lektorat nicht anlasten, das war schon im englischen Original nicht gut.

Cryns Adams-Biografie liefert im Vergleich zu den Biografien von 1905, 1995 und 2009 ein deutlich differenzierteres Bild, vor allem tritt Adams als Person besser hervor. Dadurch, dass verschiedene Perspektiven eingenommen werden, lassen sich die Intentionen besser interpretieren, werden aber auch komplexer. Der einzige wirkliche Nachteil, den ich sehe, ist das Fehlen jeder stilistischen Eleganz und der Fähigkeit, den Leser mitzureißen. Gelegenheiten dazu hätte es viele gegeben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.11.2025
Haller, Bettina

Weihnachtsbäckerei im Bayerischen Wald


ausgezeichnet

Die „Weihnachtsbäckerei im Bayerischen Wald“ von Bettina Haller ist ein liebevoll gestaltetes Backbuch, das traditionelle und kreative Rezepte für die Adventszeit vereint.
Auf rund 144 Seiten werden klassische Plätzchen wie Linzer Augen oder Zucker-Kringl ebenso vorgestellt wie regionale Spezialitäten, etwa die Woinuss-Glockal. Alle 32 Rezepte sind durchgehend mit Farbfotografien versehen, was nicht nur die Umsetzung erleichtert, sondern auch die festliche Stimmung der Adventszeit unterstreicht. Haller setzt auf praxisnahe Beschreibungen, einfache Zutaten und klare Arbeitsschritte, sodass auch weniger geübte Hobbybäcker Freude am Nachbacken finden können.

Ich habe inzwischen einige Rezepte ausprobiert und war durchweg begeistert vom Ergebnis. Die angegebenen Zeiten haben zuverlässig gepasst, und die Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte ist präzise und hilfreich formuliert. So war das Nachbacken nicht nur unkompliziert, sondern die Plätzchen sind auch geschmacklich ein voller Erfolg geworden. Sortiert ist das Buch nach den Kategorien Ausstechplätzchen, Spritzgebäck und weiteren Klassikern – das erleichtert die Orientierung. Die Vielfalt der Rezepte ist groß genug, dass ich noch für die kommenden Jahre viele neue Leckereien ausprobieren kann. Meine Familie freut sich schon jetzt auf die nächste Runde aus der Weihnachtsbäckerei.

Insgesamt hat die „Weihnachtsbäckerei aus dem Bayerischen Wald“ genau unseren Geschmack getroffen. Es ist ein klar aufgebautes, stimmungsvolles Backbuch, das vor allem durch seine regionale Verwurzelung und die praxisnahen Rezepte überzeugt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.11.2025
Gehringer, Ferdinand;Steger, Johannes

Deutschland im Ernstfall


sehr gut

In ihrem Buch „Deutschland im Ernstfall“ gehen Ferdinand Gehringer und Johannes Steger der Frage nach, wie Deutschland auf einen militärischen oder hybriden Angriff vorbereitet wäre und welche politischen, gesellschaftlichen und infrastrukturellen Herausforderungen im Krisenfall auftreten könnten.

Das Buch zeichnet ein realistisches Szenario, in dem Deutschland in einen Krieg oder eine schwere Krise verwickelt wird. Anhand von Szenarien stellen die Autoren zentrale Fragen: Gibt es genügend Schutzräume für die Bevölkerung, ausreichende medizinische Versorgung und gesicherte Dateninfrastrukturen? Könnte das Internet abgeschaltet werden, und wer würde im Ernstfall die strategischen Entscheidungen treffen? Dabei gehen sie über klassische Vorstellungen von Krieg hinaus und widmen sich auch hybriden Angriffsmethoden wie Cyberangriffe, Desinformationskampagnen, Sabotageakte und Spionageaktionen. Das Buch beleuchtet sowohl die politischen Entscheidungsprozesse als auch die gesellschaftlichen Reaktionen und zeigt, wie stark die Abhängigkeit von funktionierenden IT-Systemen und Versorgungsketten ist. Gleichzeitig kritisieren die Autoren die mangelnde Transparenz in der deutschen Sicherheitspolitik und fordern eine offenere Diskussion über Krisenvorsorge. Ziel des Buches ist es, die Öffentlichkeit wie auch Entscheidungsträger für die Notwendigkeit einer umfassenden Vorbereitung zu sensibilisieren.

Die Sprache der Autoren ist stets sachlich und unaufgeregt und zwingt den Leser dazu, über unbequeme Fragen nachzudenken. Dabei hebt sich das Buch wohltuend von klassischen sicherheitspolitischen Publikationen dadurch ab, dass sie konkrete Fragen des Alltags im Ernstfall stellen. Allerdings gibt es aus meiner Sicht kaum praktische Antworten. Dies liegt, wie die Autoren selbst betonen, auch an der mangelnden Transparenz staatlicher Stellen. So wurde nicht deutlich, welche „Schubladengesetze“ bereits auf die aktuelle Sicherheitslage aktualisiert wurden und ob diese in Übungsszenarien überhaupt funktionieren. Es gibt zwar zahlreiche Vorschriften, Gesetze oder spezielle Einrichtungen, die für ein klares Konzept, Resilienz und Strategie stehen sollen, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie im Ernstfall auch wirklich funktionieren würden, denn: Papier ist geduldig. Diese Punkte hätten die Autoren aus meiner Sicht noch deutlicher herausstellen müssen.

Eine Bemerkung zum Gendern sei noch erlaubt: Das Buch verliert für mich durch die konsequente Verwendung von Genderformen deutlich an Fokussierung, da die ständigen Doppelnennungen und gekünstelten Umformulierungen den Lesefluss unnötig erschweren. Statt klar in der Ausdrucksweise wirkt der Text dadurch belehrend und stilistisch schwerfällig.

Unterm Strich ist das Buch ein wichtiger Denkanstoß für mehr Transparenz und Diskussion, aber kein Handbuch für den Ernstfall und schon gar nichts für Prepper.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.11.2025
Bisping, Stefanie

Der inoffizielle Agatha Christie Reiseführer


sehr gut

Die Idee finde ich als Poirot-Fan wunderbar: Ein Reiseführer durch die Welt der Agatha Christie, mit Steckbriefen der Orte, an denen die Krimi-Königin ihr Leben verbrachte oder die als Filmkulisse für die berühmten Verfilmungen der Poirot- und Miss Marple-Filme dienten. Stefanie Bisping ist auf den Orient-Express aufgesprungen und hat genau das gemacht: Sie ist auf den Spuren von Christies Biografie, sucht Orte, die für die Autorin Bedeutung hatten, an denen sie lebte und arbeitete, liefert historischen Hintergrund, aber auch Informationen, ob und wie man den Ort heute besuchen kann. Da es einen sehr ausgeprägten Agatha-Christie-Tourismus in Großbritannien gibt, bei dem jeder Fleck, an dem sich die Krimi-Queen länger als fünf Minuten aufgehalten hat, eine blaue Gedenkplakette erhält, war die Aufgabe recherchemäßig übersichtlich.

Für mich spannender ist die cineastische Aufarbeitung, denn wer einmal David Suchet als Poirot durch das Art-Deco-England hat trippeln sehen, der durfte sich wundern, wie viele hochkarätige Locations die Filmemacher aufgespürt haben, bei denen die Atmosphäre der Dreißigerjahre noch so völlig intakt ist. Stefanie Bisping hat sich bei diesem Thema weniger Mühe gegeben, als aus meiner Sicht nötig gewesen wäre. Einige der hochherrschaftlichen Adelspaläste, die in den Filmen auftauchen, hat sie zwar identifiziert und auch sehr qualifiziert die Hintergründe recherchiert, aber es wäre viel mehr möglich gewesen. Nehmen wir beispielsweise die herrlichen Flughäfen, von denen Poirot (widerwillig) abhebt: Kein einziger hat es in den „inoffiziellen Reiseführer“ geschafft, weder der Cityflughafen von Brighton, noch das Hoover Building in Greenford oder der De La Warr Pavilion in Bexhill-on-Sea. Auch die wunderbaren Art déco Privatvillen sucht man vergeblich, z. B. St Ann's Court in Chertsey oder Joldwynds in Holmbury St Mary, die beide mehrfach als Location innen und außen verwendet wurden und die man mit Einschränkung besichtigen könnte. Vermisst habe ich auch das Ocean Hotel in Saltdean, in dem Poirot einige Male residierte, aber es gibt noch mehr, was man hätte aufnehmen können und sollen.

Dennoch ist das Buch ein guter Startpunkt und viele ikonische Locations wird man hier auch entdecken, wobei der Großraum London bevorzugt ist. Auch die Recherche zu den vorgestellten Orten ist exzellent und interessant aufbereitet, oft auch mit Referenzen zu anderen (nicht Agatha Christie) Filmen, die hier gedreht wurden. Der Reiseführer ist noch nicht ganz der letzte Wurf für eingefleischte Poirot-Fans wie mich, hat aber trotzdem einen hohen Wiedersehen-Bonus.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.11.2025
Gasparini, Mariachiara;Heller, Amy;Shea, Eiren

Textiles of China and Central Asia


sehr gut

Frühe Textilien sind seltene Überlebende, die nur unter besonderen klimatischen Bedingungen erhalten blieben. Nur wenige Sammlungen weltweit sind auf dem Gebiet spezialisiert, auch die Zahl der Experten ist eher übersichtlich, insofern ist es ein Glücksfall, dass mit „Textiles of China and Central Asia“ eine herausragende Privatsammlung publiziert wird. Die Identität des Sammlers bleibt zwar ungenannt, man darf aber annehmen, dass er eine Nähe zur Londoner Kunsthändlerin Jaqueline Simcox besitzt, die auf zentralasiatische und chinesische Textilen spezialisiert ist. Es sind Objekte von größter Seltenheit und höchster Qualität, entstanden im genannten Kulturraum zwischen dem 6. und 18. Jahrhundert. Die beitragenden Autoren sind auf die Kulturen der Seidenstraße spezialisiert und bewerten die Artefakte insbesondere vor diesem Hintergrund, als Zeugnis eines regen kulturellen und materiellen Austauschs. Schon früh wurden wertvolle Textilien über weite Strecken gehandelt und auch in Europa finden sich in Kirchenschätzen zahlreiche Beispiele mittelalterlicher chinesischer und orientalischer Stoffe.

Die Einzelbeiträge stellen das jeweilige Objekt in einen kunsthistorischen Kontext und ziehen Parallelen zu gut dokumentierten und erforschten Vergleichsstücken in renommierten Sammlungen aus aller Welt. Ebenfalls dokumentiert sind textiltechnologische Untersuchungen zur Webtechnik und den eingesetzten Metallfäden in Brokatgeweben. Aus meiner Sicht kritisch ist das weitgehende Fehlen von Provenienzangaben, was den wissenschaftlichen Gehalt zwar nicht grundsätzlich entwertet, aber bestimmte Schlussfolgerungen zumindest mit einem Fragezeichen versieht. Einige Stücke stammen nachweislich aus tibetischen Klöstern, wo sie in rituellem Kontext verwendet wurden, zu den meisten fehlen aber Informationen. Die herangezogenen Vergleichsstücke mindern den Mangel fehlender Provenienz, allerdings wird in keinem Fall das jeweilige Referenzstück auch abgebildet. Das erschwert es dem Leser, die Argumentation nachzuvollziehen. Ein weiterer Punkt ist die fehlende materialchemischer Expertise. Solche Untersuchungen wären eine wertvolle Ergänzung zu den ausführlich diskutierten kunsthistorischen Aspekten. So können radiochemische Datierung und chemische Analyse Alter, Färbemittel und geografische Herkunft klären.

Die fotografische Dokumentation ist hervorragend, mit zahlreichen Detailfotos, die teilweise auch Rückschlüsse auf Herstellverfahren zulassen und die herausragende handwerkliche und ästhetische Qualität der Objekte belegen. Die kunstwissenschaftliche Diskussion ist ausführlich und da es zum Thema zentralasiatische Textilien relativ wenig zusammenfassende Literatur gibt, kann man die Monografie durchaus als wertvolle Referenz heranziehen.

Eine Anmerkung zum Vorwort von Prof. Feng Zhao, Direktor des Nationalen Seidenmuseums in Hangzhou, muss erlaubt sein. Zhao bedauert mit unüberhörbar nationalistischem Unterton sehr, dass sich diese wertvolle Sammlung „im Ausland“ befindet. Kein Bedauern empfindet der Professor dafür, dass im Zuge der Besetzung Tibets durch China gezielt die meisten textilen Schätze zusammen mit der tibetischen Kultur vernichtet wurden. Tibet war einmal ein bedeutendes Reservoir für mittelalterliche Textilen aus China und Zentralasien, bedingt durch das trocken-kalte Klima und eine über Jahrhunderte unveränderte rituelle Praxis. Wären Teile davon nicht von Exiltibetern nach Indien verbracht worden, gäbe es noch viel weniger davon. Das hat aber nicht „das Ausland“ zu verantworten, sondern alleine China.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.11.2025
Meyrick, Denzil

Der Tote im Kamin


ausgezeichnet

Yorkshire 1952. Inspektor Grasby hat es wieder mal versemmelt. Statt einen diebischen Dienstboten zu ertappen, entließ er Lady Winthorps edle Rennpferde in die Freiheit. Die halbe Grafschaft sucht jetzt nach den Tieren, allerdings ohne Inspektor Grasby, denn dieser wurde spontan nach Elderby strafversetzt, ganz weit weg vom Schreibtisch seines Chefs. Ein idyllisches, etwas rückständiges Dörfchen mit ziemlich verschrobenen Einwohnern, die harmlos scheinen, es aber faustdick hinter den Ohren haben. Und Grasbys Pechsträhne hält an: Bei seiner Suche nach einem Dieb auf dem Anwesen von Lord Dhamnish fällt ihm gleich ein Toter aus dem Kaminschacht. Neben viel Asche wirbelt die Sache auch noch viel Staub auf, so dass Grasby Besuch von ganz weit oben bekommt und einen hochgeheimen Auftrag. Doch je tiefer Grasby vordringt, umso weniger kann er seiner Umgebung trauen. Was versuchen die Leute in Elderby zu verbergen?

Der als Autobiografie getarnte Krimi ist eine echte Perle der Kriminalliteratur. Denzil Meyrick hat eine wunderbar trockene Art, Personen und Situationen zu beschreiben, voller Witz und triefend vor britischer (Selbst)Ironie. Seine Pointen sitzen auf Punkt und Komma und wurden im Übrigen auch hervorragend übersetzt, so dass buchstäblich auf keiner Seite Langeweile aufkommt. Meyrick weiß, wie man einen überraschenden und spannenden Plot konstruiert, mit präziser Charakterzeichnung, gut recherchierten Details aus dem Nachkriegs-England und einem großen Showdown am Schluss. Das ist kein simpler Whodunit-Krimi, bei dem der Inspektor die Verdächtigen zusammenruft, nachdem er die kleinen grauen Zellen arbeiten ließ, sondern Grasby ist ein Durchschnittspolizist, der mehr Fettnäpfchen als Verbrecher findet und im Sozialgefüge des Dorfes regelmäßig aneckt. Witzig, flott inszeniert, ganz ohne Hänger oder logische Sackgassen. Es gibt noch einen Fortsetzungsband, der auf die Übersetzung wartet, doch dann ist zu meinem großen Bedauern leider Schluss: Denzil Meyrick starb Anfang des Jahres mit nur 59 Jahren, während der Arbeit an Band 3. Aber es gibt noch andere Krimis von ihm, die sich ganz sicher zu entdecken lohnen.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.