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Kwinsu
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Salzburg

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Insgesamt 105 Bewertungen
Bewertung vom 21.07.2025
Engelmann, Julia

Himmel ohne Ende


ausgezeichnet

Charlie ist 15 und ihr Leben scheint gerade den Bach hinunter zu gehen: ihre vermeintlich beste Freundin will von heute auf morgen nichts mehr von ihr wissen, ihre Mutter hat einen neuen Partner und sie selbst schafft es einfach nicht, ihre Stimme zu erheben. Doch dann taucht Pommes auf, ein Junge, der ihr vollkommen unvoreingenommen entgegentritt, sie so mag wie sie ist und ihr zeigt, worauf es in einer Freundschaft wirklich ankommt. Sie planen ihren ersten gemeinsamen Urlaub, doch das Leben stellt ihnen etliche Steine in den Weg...

Welch schönes Debut ist Julia Engelmann hier geglückt! Mit ihrer einnehmenden, poetischen und teilweise philosophischen Sprache versetzt sie einen sofort in die unendlich scheinenden Leiden eines schüchternen Teenagers, die sich lieber über die Welt und den Himmel Gedanken macht, als über Äußerlichkeiten und Cliquen. Charlie ist ein Mädchen, dass sich selbst nicht so wirklich mag, immer nur die eigenen Fehler sieht und vor lauter Selbstfixiertheit übersieht, dass auch sie jemand für andere ist. Jemand, der nicht nur fehlerhaft ist, sondern lustig und intelligent und talentiert. Alleine kann Charly, gefangen hinter einer Glasscheibe - wie sie es selbst wahrnimmt - nicht aus diesem Negativkreislauf aussteigen. Dabei hilft ihr, ohne, dass sie es bemerkt, Pommes, ein Junge, der ebenso traurig ist wie Charly, aber der durch seine Offenheit, wie er mit der Welt umgeht und seinen Träumen, nicht in der Vergangenheit steckenbleibt, sondern trotz erlittener Traumata hoffnungsvoll in die Zukunft blickt. Pommes zeigt Charly, was Freundschaft ist und dass diese Freundschaft wachsen kann, auch wenn sie Enttäuschungen mit sich bringt. Mit diesen positiven Vibes stellt die Protagonistin fest, dass sie doch nicht so unbeliebt ist, wie sie dachte und kann schließlich auch erkennen, dass sich die Welt - und der Himmel - nicht nur um sie dreht.

Mein Fazit: Himmel ohne Ende ist ein wunderschöner, tiefgründiger und vielschichtiger Roman über ein viel nachdenkendes Mädchen, dass durch eine Freundschaft erkennt wie Himmel und Erde sich anfühlen können, wenn man sich auf Zuversicht und Offenheit einlässt. Er kommt ohne jede Teenager-Romantik aus, fühlt sich zu hundert Prozent authentisch an und legt ein wunderbares Gefühl in die Magengegend. Er gehört zu meinen Jahreshighlights und ich kann ihn nur jeder und jedem ans Herz legen, besonders jenen, die in ihrer eigenen Pubertät nicht nur rosige Zeiten hatten.

Bewertung vom 07.07.2025
Gerstberger, Beatrix

Die Hummerfrauen


gut

Eines Tages wird eine junge Frau an die Küste vor Stone Harbor in Maine angespült und von Ann und ihrer Freundin Julie liebevoll aufgenommen und aufgepäppelt. Wie sich herausstellt, war Mina, wie die "Meerjungfrau" heißt, bereits als Kind als Sommergast mit ihrer Familie öfter in der Gegend. Die drei Frauen werden zu einer freundschaftlichen Einheit, doch jede einzelne von ihnen hat mit der Liebe und dem Leben als Hummerfischerin zu kämpfen.

Üblicherweise erwähne ich das Cover in meinen Rezensionen nicht, aber jenes der "Hummerfrauen" verdient eine spezielle Erwähnung - der äußere Umschlag zeigt einen roten Hummer, während der Druck am Hardcover einen blauen zeigt - eine schöne Anspielung auf Ann's ungewöhnliches Haustier - den blauen Hummer Mr. Darcy. Nicht nur das Haustier ist ungewöhnlich (besonders, wenn man bedenkt, dass Ann die Tiere ansonsten fängt, um sich mit ihnen ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ihnen so einen grausamen, im heißen Wasser eintretenden Tod beschert), sondern auch die Frauen selbst. Die eine - Ann - hat sich vor Jahrzehnten trotz des Widerstands des gesamten Dorfes durchgesetzt und ist Hummerfischerin geworden, obwohl das bislang nur Männern vorbehalten war. Auch Julie ist störrisch, vorlaut und derb und schert sich nicht um Konventionen. Mina hingegen ist eingeschüchtert und geprägt von ihrer herrischen und negativen Mutter, die ihr nie Liebe entgegenbringen konnte.

Die Sprache ist eingehend und angenehm zu lesen, die Geschichte springt zwischen den Jahren 2000/2001 und 1982, mit Ausnahme von Prolog und Epilog, die in der Gegenwart angesetzt sind. Die Zeitsprünge bringen eine willkommene Abwechslung in das Geschehen. Bedauerlicherweise dümpelt die Geschichte über weite Strecken so vor sich hin, zieht sich und ist nur wenig spannend. Als dann im letzten Drittel ein spannender Verdacht im Raum steht und sich das Blatt wenden zu scheint, wird dieser aber schnell wieder fallen gelassen. Das ist schade, denn es hätte der Geschichte eine entscheidende Wendung geben können. So verfolgen wir über weite Strecken Dorftratsch, gescheitere Beziehungen, bösartige Mütter und Nachbarinnen, unerfüllt und aufgegebene Lieben, Konflikte unter Freund*innen und das meist ohne Ziel. An vielen Stellen dachte ich beim Lesen an "Virgin River" in Maine. Viele Charaktere werden eingeführt und immer wieder erwähnt, ohne, dass sie für die Geschichte eine wesentliche Bedeutung hätten. Das Gefühl der rauen Landschaft und See konnte die Autorin sehr gut vermitteln, die Entwicklung der Charaktere und der Geschichte blieb aber größtenteils langweilig und vorhersehbar. Nach Beendigung des Buches habe ich das Gefühl, dass zwar viel, aber nichts wirklich erzählt wurde. Schade, besonders die Mutter-Tochter-Beziehung von Mina und ihrer Mutter Judith hätte Potential gehabt, wird aber leider auch nicht ansatzweise weiterverfolgt oder aus erzählt.

Mein Fazit: "Die Hummerfrauen" mag ein sommerlicher, leichter Roman sein, der oberflächlich von Freundschaft, Liebe und Konflikten erzählt und für alle empfehlenswert ist, die "Virgin River" lieben. Tiefe, Weiterentwicklung der Charaktere und Beziehungen und das große Ganze bleibt das Buch aber leider schuldig. Highlights sind die kurzen Sequenzen, in denen der blaue Hummer Mr. Darcy als Haustier vorkommt.

Bewertung vom 02.07.2025
Dickreiter, Lisa-Marie;Oelsner, Winfried

Der kleine Bubu. Mittagsschlaf ganz schnell und fix? Der Bubu, der kennt alle Tricks!


gut

Vorweg: die Illustrationen finde ich großartig! Sie sind sehr detailliert und erinnern an manchen Stellen an Wimmelbilder, das finde ich immer besonders schön, wenn man mit den Kindern viel entdecken kann. Besonders die Tiere sind herzerwärmend gezeichnet und dass die Schöpfer:innen des Buches mit einer Illustration und einem Reim vorgestellt werden ist spitze!

Der große und der kleine Bubu, flauschige Fellwesen, helfen den großen und den kleinen Menschen beim Mittagseinschlafen. Während die Erwachsenen freudig die Hilfe des großen Bubus in Anspruch nehmen, tut sich der kleine Bubu bei den Kindern schwer, partout wollen sie kein Nickerchen machen. Er plagt sich sehr und irgendwann gelingt es ihn dann doch, meistens durch Berührungen, die Kleinen in den Schlaf zu bringen.

Ich finde es wirklich sehr schön, wie die Erwachsenen liebend gerne zu mittags schlafen - und dich Kinder nicht. Allerdings finde ich, dass jetzt nicht wirklich etwas lehrreiches oder hilfreiches thematisiert wird, was die Kinder zum Schlaf animieren soll. Außerdem habe ich - besonders zu Beginn des Buches - etwas Schwierigkeiten, beim Vorlesen in das Reimschema hineinzukommen, das wirkt für mich nicht ganz stimmig. Außerdem finde ich die Reime für die Zielgruppe fast ein wenig zu lange.

Also grundsätzlich ein sehr schön und liebevoll illustriertes Kinderbuch, das mir von der textlichen Gestaltung und dem Lerneffekt nicht ganz überzeugt.

Bewertung vom 23.06.2025
Clavadetscher, Martina

Die Schrecken der anderen


sehr gut

Ein Toter im Eis, der soziophobe Schibig, die Alte, Kern und dessen Mutter: das sind die Hauptfiguren in Martina Clavadetschers "Die Schrecken der Anderen". Langsam werden die Personen eingeführt und sachte miteinander verwoben. Die Sprache ist zwar einfach zu lesen, aber doch sehr anspruchsvoll und komplex, es bedarf einer hohen Konzentration, um dem Erzählten die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.

Gewaltig und dicht ist nicht nur die Sprache, sondern auch der Inhalt. Jede einzelne Figur bekommt einen schrägen Charakter, ist mit eigenen Besonderheiten ausgestattet. Was sie vereint, ist das Unzugängliche, das Mysteriöse das ihnen anhaftet. Jede und jeder ist etwas auf der Spur, lang ist nicht erkennbar, dass es sich um Gemeinsames handelt. Die Geschichte ist Geschichte und Ungeschichte zugleich, sie ist nicht fassbar und lässt sich deshalb auch kaum beschreiben.

Es ist ein Leseerlebnis, das man selbst erfahren muss, es hat etwas Märchenhaftes, aber doch sehr Reales, könnte vor oder in hundert Jahren spielen. Es beeindruckt und stößt ab zugleich. Schließlich geht es - wie in vielen Dingen - um das Geld, dass nicht nur Dreck am Stecken hat, sondern auch Blut - und alle gieren danach, aus unterschiedlichen Motiven. Und auch hier, in der neutralen Schweiz, tauchen abstoßende Spuren von Alt- und Neonazis auf.

Es benötigt definitiv einen zweiten Durchlauf, um dieses Buch zu verstehen und es fassen zu könne, denn es bleibt: ein Rätsel. Eines allerdings, dass es sich lohnt lösen zu wollen. Und hoffentlich gelöst werden kann.

Bewertung vom 21.06.2025
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

Ida hat nichts mehr, außer sich selbst und ein paar Klamotten in dem Hartschalenkoffer ihrer Mutter. Nach deren selbstgewählten Tod flüchtet sich die junge Frau auf die Insel Rügen, ohne Plan und ohne Ziel. Sie landet bei dem älteren Ehepaar Marianne und Knut, das ihr schnell zu einer neuen Familie wird. Doch der Tod ihrer alkoholkranken Mutter hat ein tiefes Trauma in ihr hinterlassen und treibt Ida immer wieder in die Verzweiflung. Von ihrer Schwester Tilda will sie sich nicht helfen lassen, aber auf Rügen kann sie wieder etwas zur Ruhe kommen. Und sich schließlich selber finden.

Was für ein wunderbarer Roman! Viele Rezensionen sagen, dass ihnen der Vorgänger "22 Bahnen" besser gefallen haben - aber nein: Windstärke 17 ist intensiver, authentischer, aufgeregter, echter! Die Autorin hat ihr Schreibtalent mit diesem, ihrem zweiten Roman, weiterentwickelt, sie konnte mich ab der ersten Zeile mitnehmen, schafft es perfekt die innere Zerrissenheit der Protagonistin mitfühlbar darzustellen. Nicht nur der Tod ihrer Mutter geht Ida nahe, auch die schambehaftenden Vorwürfe, die sie ihrer Schwester macht, sie allein gelassen zu haben, genauso wie die unbegreiflichen Gefühle die sie gegenüber Leif hegt, den sie auf der Insel kennenlernt, hat, der so unzuverlässig ist, aber doch immer für sie da ist. Und dann die schöne, unhinterfragte Vertrautheit, die ihr Marianne und Knut gegenüberbringen, die sie aufnehmen, ohne Fragen zu stellen und sie einfach sein lassen wie sie ist.

Ida übt sich in Selbstverletzungen, indem sie sich Vorwürfen hingibt, für den Tod ihrer Mutter verantwortlich zu sein; sich ins Meer stürzt und bis zur Erschöpfung zu schwimmen, egal bei welchem Wetter; sich von ihrer Schwester mit aller Gewalt fernhält und die Gefühle für Leif negiert. All das ist ein Prozess, der ihr letztendlich zur langsamen Selbstheilung verhilft.

Windstärke 17 ist emotionaler als der Vorgänger, macht es besser verständlich, was es heißt, mit einem alkoholkranken Elternteil zu leben, in einer Phase, in der man doch eigentlich alle Kraft braucht, um sich selbst zu finden. Ida kann sich selbst nicht vertrauen und somit keinem anderen - trotzdem lässt sie sich auf andere Menschen ein und kann sich fallen lassen.

Caroline Wahls zweiter Roman ist ein bewegendes Portrait einer trauernden jungen Frau, die trotz ihrer innerlichen Zerrissenheit und dem weltabgewandten Misstrauen sich selbst und Vertrauen zu anderen findet. Ein mitreißendes, großartiges Buch, das man auf alle Fälle gelesen haben sollte!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.06.2025
Brandi, Charlotte

Fischtage


weniger gut

Ella ist sechzehn und lebt mit ihrer Bobofamilie in Dortmund. Ihre Eltern kümmern sich hauptsächlich um sich selbst und so denken sie sich auch nichts dabei, als ihr vierzehnjährige Luis plötzlich nicht mehr da ist. Ella jedoch macht sich Sorgen, auch wenn sie ihren Bruder - genau wie den Rest der Welt - eigentlich gar nicht ausstehen kann. Angepisst von ihren gleichgültigen Eltern zieht sie kurzerhand in den Schrebergarten ihres dementen Kumpels Eckard und begibt sich auf die Suche nach dem kleinen Bruder. Tatkräftige Unterstützung erhält sie von der Werkkursleiterin Oksana und einem sprechenden Fisch...

Charlotte Brandi zeichnet in "Fischtage" ein Portrait einer Teenagerin, die an beängstigenden Wutattacken leidet, umgeben von einer Familie der alles gleichgültig ist. So kümmert sie es nicht groß, dass ihr Junge verschwunden ist, genauso wenig, dass Ella in die Gartenhütte zieht und die Mutter fremdgeht. Ellas Wesen ist geprägt von Gewalt, nicht augenscheinlich aus ihrem Elternhaus - außer natürlich die Ego-Zentriertheit der Eltern, sondern von der Stadt, den Begegnungen, die sie hat und denen sie nur Wut entgegenbringen kann. So wird sie ein ums andere Mal verprügelt und schließlich auch vergewaltigt. Auszumachen scheint es der derben Sechzehnjährigen nur wenig. Nur wenn es um ihren vermissten Bruder geht, zeigt sie verletzliche Gefühle, die sie mitnehmen, die Sorge um ihn lässt sie zittern. Ellas neue Freundin Oksana ist ihr sehr wichtig und sie wird von ihr magisch angezogen. Als Leserin ist diese Figur aber sehr uneinsichtig und nervig und irgendwie wird angedeutet, dass auch eine sexuelle (oder romantische?) Anziehungskraft die beiden verbindet - das wird einem aber irgendwie nur vor die Füße geworfen, ohne dass man es spüren kann.

Vorwiegend zeichnet sich "Fischtage" durch eine derbe, vulgäre Sprache der Protagonistin und die bereits erwähnte Gleichgültigkeit und Gewalt aus. Was die Story eigentlich aussagen will, bleibt offen und wenn man dazu Lust hat, kann man darüber spekulieren. Das Positive ist, dass die Kapitel meist sehr kurz gehalten sind und man so recht schnell die notwendigen Pausen einlegen kann. Die Geschichte mit dem sprechenden Fisch, der gerne großspurige Ratschläge erteilt, ist mitunter erheiternd, auch wenn ihr es gut getan hätte, wenn er eine größere Rolle eingenommen hätte. Dieses fantastische Element und einige anderen schräge Ideen hätten das Buch zu einem modernen, wortgewaltigen Teenager-Werk werden lassen können. Die Lieblosigkeit, das Fallenlassen von Figuren (z.B. Eckard) und Handlungssträngen und das Martialische lassen einen aber nur mit vielen Fragezeichen im Kopf zurück. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Bewertung vom 15.06.2025
Deya, Claire

Eine Welt nur für uns


gut

Fabien leitet einen Entminungstrupp, der einen Küstenabschnitt in Südfrankreich von den tödlichen Fallen befreien soll. Eines Tages stößt Vincent zu ihnen, der dem Leiter erst suspekt, dann aber schnell zum Vertrauten wird. Doch Vincent hat nur eins im Sinn: die Wahrheit über den Verbleib seiner Geliebten Ariane herauszufinden. Dafür muss er Kontakt mit den deutschen Kriegsgefangenen aufnehmen, die in der Truppe unfreiwillig mitarbeiten. Er findet einen Deutschen, Lukas, der etwas über Ariane herausfinden kann. Doch im Laufe der Zeit stellt sich heraus, dass Lukas seine eigenen Ziele verfolgt...

Die Historikerin Claire Deya beschreibt in "Eine Welt nur für uns" ein Kapitel Zeitgeschichte, dass nur wenig Aufmerksamkeit bekommt: den fatalen Gefahren der Minen. Dabei zeigt sie aus unterschiedlichen Perspektiven mehrere Protagonisten, die alle mit ihren eigenen Traumata zurecht kommen müssen. Vincent musste mehrere Jahre als Kriegsgefangener in einem Lager in Deutschland verbringen und versucht mit all seiner Kraft seine große Liebe wiederzufinden. Fabien hat seine Geliebte verloren und stellt sein Können - dem Minenentschärfen und seine Führungskraft - dem Wohle aller zur Verfügung. Lukas, der deutsche Kriegsgefangene, der ausbrechen will, um seine Geliebte wiederzusehen. Und schließlich Saskia, eine Jüdin, deren Familie im Holocaust umgekommen ist und die Elternhaus von anderen Menschen bewohnt vorfinden muss - sie sucht nach Gerechtigkeit. Ihrer aller Leben ist auf ungewisse Weise miteinander verwoben, was sich erst im Laufe der Geschichte mit aller Klarheit zeigt.

Die Sprache des Romans ist kurzweilig, was den Roman schnell lesbar macht. Allerdings ist sie oft auch pathetisch und neigt zum Schwülstigen, was besonders zu Beginn und am Ende wahrnehmbar ist. Teilweise werden die unterschiedlichen Minen in einer Detailliertheit beschrieben, die für den Fortgang der Geschichte unnötig erscheint und auch etwas langweilt. Nichtsdestotrotz ist es sehr lehrreich, über die Aufwändigkeit der Minenentschärfung, mit all ihren katastrophalen Konsequenzen zu erfahren. Allerdings weiß man nie so genau, ob man jetzt einen Liebesroman, einen Roman über den Schrecken des zweiten Weltkrieges oder ein Buch über all die verborgenen Geheimnisse der einzelnen Figuren liest. Hinzu kommt, dass die persönlichen Geschichten der einzelnen Figuren recht umfangreich geschildert werden, man allerdings etwas den Überblick über die Charaktere verliert. Die geschilderten Beziehungen bleiben größtenteils oberflächlich und nicht immer glaubhaft bzw. nachvollziehbar. Die inneren Konflikte der Protagonist:innen werden zwar beschrieben, über weite Teile konnte ich sie aber nicht mitfühlen, was vermutlich an der verschnörkelten Sprache lag. Mir hat einfach das gewisse literarische Etwas gefehlt. Was mir aber eindringlich in Erinnerung bleiben wird, ist die Schilderung einer missglückten Minenentschärfung; dieses Kapitel ist der Autorin wirklich sehr gut gelungen.

Aufschlussreich war das Nachwort der Autorin, das uns wissen lässt, das einige familiäre, aber auch ihr erzählten Geschichten in den Roman eingeflossen sind, was im Nachgang zu einer größeren Glaubhaftigkeit führt. Trotzdem wurden einige Plottwists zu kurz abgehandelt und nicht immer schlüssig auserzählt, was einen unbefriedigenden Nachgeschmack hinterlässt. Nichtdestotrotz zeigt sie aber auch die Menschlichkeit, die trotz all der Grausamkeit immer wieder hervorblitzt. Einige großartige, philosophisch anmutende Sätze kann das Buch auch aufweisen.

Mein Fazit: "Eine Welt nur für uns" ist ein in großen Teil kurzweiliger Roman, der sich schnell lesen lässt. Er gibt aufschlussreiche Informationen über ein Kapitel in der Geschichte, das nur wenig Aufmerksamkeit erlangt: der gefährlichen Tätigkeit der Minenräumung. Leider fehlt es für meinen Geschmack der Sprache an dem gewissen literarischen Etwas und wirkt oft schwülstig und pathetisch. Die Auflösung der aufgebauten Spannungselemente passieren recht schnell und meines Erachtens öfters unbefriedigend, Zudem bleiben die Charaktere recht oberflächlich und unzugänglich. Trotzdem ist das Buch lesenswert für alle, die mehr über die Alltagsgeschichte des Endes des Zweiten Weltkriegs wissen wollen und die es nicht stört, dass vielleicht nicht alles so schlüssig und unpathetisch erzählt wird.

Bewertung vom 15.06.2025
Lambeck, Silke

Die Ahoibande


ausgezeichnet

Willi und sein Hund Ohdschi, Paule, Jojo und Schulz leben auf der Nordseeinsel Süderhoorn. Naja, Schulz nicht immer, denn er ist aus Berlin, besucht aber seine Oma und seine Ahoibande regelmäßig. Gemeinsam erkunden sie die Welt und erleben allerhand Abenteuer auf der kleinen Insel. Ob Surfen, Robben, Schlittenfahren oder Wikinger-Amulette, die Insel bietet viel zu entdecken. Und gemeinsam macht es einfach mehr Spaß.

Silke Lambeck erzählt in "Die Ahoi-Bande" liebevolle und kindgerechte Geschichten um eine kleine Rasselbande, die durch dick und dünn geht. Sie begegnen allerhand schrulligen, aber netten Erwachsenen, aber auch verrückten und wagemutigen Tieren und den verschiedenen Elementen der Natur. Sie sind stets gemeinsam unterwegs und können sich aufeinander verlassen, denn Freundschaft ist das beste Gut. Doch es geht nicht nur um Abenteuer, denn die Bande ist hilfsbereit: sie retten den alten Hannes, springen ein, wenn in der Frühstückspension von Paulas Mutter Not an der Frau ist und sie helfen einander, wenn Willi seine Tauchangst überwinden mag.

In neun entzückenden, in sich abgeschlossenen Geschichten, die einmal die ganzen Jahreszeiten durchmachen, wird in wohliger Atmosphäre erzählt, wie sie alle Herausforderungen meistern. Das besondere an der Ahoibande ist, dass kein negatives Wort fällt, keine negativen Ereignisse ihren Weg kreuzen. Es ist der heile, manchmal für die Kinder auch langweilige Inselalltag, der ihr Leben zu etwas ganz besonderen macht.

Untermalt werden diese schönen Kindergeschichten mit wunderbaren Illustrationen von Lena Hesse, die das Buch zu einem wahren Augenschmaus machen.

Mein Fazit: Die Ahoibande ist ein wunderschön illustriertes Kinderbuch mit 9 abgeschlossenen Geschichten um eine kleine Kinderbande auf einer Nordseeinsel, die in den verschiedenen Jahreszeiten Zusammenhalt und Abenteuer erleben. Es ist unterhaltsam und zeigt Kindern, welch positive Kraft Freundschaft und Hilfsbereitschaft ist.

Bewertung vom 15.06.2025
Buck, Vera

Der dunkle Sommer


ausgezeichnet

Um ihrem eigenen Trauma zu entkommen, kauft sich Tilda in dem Geisterdorf Botigalli auf Sardinien ein Haus um einen Euro. Sie sehnt sich nach Einsamkeit, auch wenn diese schwer zu ertragen ist - besonders, weil in dem Dorf unheimliche Dinge vor sich gehen. Bald trifft sie auf den Journalisten Enzo, der den Urheber eines lang zurückliegenden Massakers in dem Dorf aufdecken möchte. Tilda bekommt ungebetenen Besuch von ihrem Bruder, der sich im Laufe der Zeit zu einer angenehmen Begebenheit entwickelt. Als dieser aber plötzlich spurlos verschwindet, beginnt nicht nur die Suche nach ihm, sondern auch die atemberaubende Aufdeckung der furchtbaren Wahrheit der Vergangenheit des Dorfes...

Vera Buck schafft in "Der dunkle Sommer" etwas, was nicht viele Thriller vermögen: die Geschichte fesselt, sie baut sich langsam zu einem dichten Konstrukt auf und vor allem wird sie äußerst schlüssig und in perfektem Tempo auserzählt. Es wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, wir folgen Tilda und Enzo in der Gegenwart und Franca, einer jungen Dorfbewohnerin, die das Massaker auf Botigalli hautnah miterlebt. Und dann lesen wir noch von einer Person, die sich lange nicht zu erkennen gibt.

Das Erzähltempo ist anfänglich recht gemächlich, steigert sich im Laufe des Romans aber immer mehr und weiß gekonnt zu fesseln. Besonders schön gelingt die Landschaftsbeschreibung, die einen gekonnt und bildgewaltig nach Sardinien und speziell nach Botigalli versetzt. Neben den unheimlichen, aber nicht widernatürlichen Geschehnissen aus der Vergangenheit, schildert die Autorin auch die Beziehungen der unterschiedlichen Figuren zueinander und über weitere Strecken könnte das Buch auch ein bloßer, intensiver Familienroman sein. Doch äußerst mitreißend wird das Rätsel um das Massaker und das langsame Aufklären der Hintergründe erzählt. Im Nachwort lässt uns die Autorin wissen, dass es reale, geschichtliche Vorbilder für die Geschichte gibt. Sie gibt uns Einblicke in kriminelle Machenschaften, die in Italien aufgrund enormer Armut lange Zeit gang und gäbe waren.

Mein Fazit: "Der dunkle Sommer" ist eine gelungene Kombination aus Familienroman und Thriller, die uns in ein recht unbekanntes Kapitel italienischer Geschichte mitnimmt, obwohl sie in der Gegenwart erzählt wird. Die Autorin entwirrt die komplexe Geschichte in perfektem Tempo und äußerst schlüssig und erzeugt wunderbare Kopfbilder vom schönen Sardinien. Eine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 08.06.2025
Heine, Matthias

Verbrannte Wörter


sehr gut

Matthias Heine liefert uns mit der 2. Auflage von "Verbrannte Wörter. Wo wir noch reden wie die Nazis - und wo nicht" ein äußerst aktuelles und ausführliches Werk in alphabetischer Reihenfolge, das informativ und überraschend zugleich ist.

Nach einer fundierten Einleitung zum aktuellen Wissensstand, erhalten wir Erläuterungen über die (NS-) Geschichte verschiedenster Wörter. Die Erklärungen sind in adäquater Wissenschaftssprache verfasst, nehmen uns in die Spurensuche mit und beziehen sich auch oft auf aktuelle Debatten in deutscher und österreichischer Politik. Jede Wortbetrachtung schließt mit einem Fazit, welches zusammenfasst, ob und in welchem Zusammenhang das jeweilige Wort verwendet werden sollte - oder eben nicht. Erschütternd wird in Erinnerung gerufen, was die Nazis alles steuerten und verbürokratisierten - eben auch die Sprache. Doch nicht überall stecken Nazis drinnen, wo wir das vermuten, was zu der ein oder anderen Überraschung führt. Andererseits gab es auch große Aha-Momente, da ich niemals eine NS-Prägung in gewissen Wörtern vermutet hätte. Dazu gehört beispielsweise "betreuen".

Mit dem Fazit der einzelnen Wörter bin ich ehrlichgestanden nicht immer zufrieden, weshalb ich auch einen Stern Abzug gebe. Besonders bei der Redewendung "bis zur Vergasung" ist es mir einfach zu schwammig. Zudem finde ich den Aufbau des Buches ein wenig unübersichtlich und ich würde mir eine bessere Auffindbarkeit der Wörter mittels einer Buchstabenmarkierung wünschen. Positiv hervorzuheben ist das Eingehen auf aktuelle politische Diskussionen.

Mein Fazit: "Verbrannte Wörter" ist ein Buch, das in jedem deutschsprachigen Haushalt stehen sollte, da es den bewussten Umgang mit Sprache schult. Es eignet sich hervorragend für den Unterricht verschiedenster Gruppe, um sie für einen kritischen Umgang mit Sprache zu sensibilisieren. Vielleicht kann es in der nächsten Ausgabe noch etwas übersichtlicher gestaltet und Handlungsempfehlungen konkreter und weniger subjektiv gegeben werden.