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lillywunder

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Insgesamt 44 Bewertungen
Bewertung vom 04.05.2025
Peters, Amanda

Beeren pflücken


gut

Schaut euch diese Beerenpracht auf dem Cover an und sagt mir, wie kann man sich nicht sofort verlieben? Und noch dazu hat Amanda Peters ihr Buch "The Berry Pickers" genannt, in Kanada war es ein absoluter Bestseller und es geht um "Liebe, Ethnie, Brutalität und den Balsam der Vergebung" - okay, vielleicht hätte dieser Pathos mich hellhörig machen sollen.

In den Blaubeerfeldern von Maine verschwindet in den 60er-Jahren die vierjährige Tochter einer indigenen Mi'kmaq-Familie aus Kanada. Mit dem Pflücken der Beeren verdient die Familie über den Sommer ihr Geld. Joe, der Bruder des kleinen Mädchens, war der letzte, der sie gesehen hat und Wut und Schuldgefühle werden ihm in den nächsten Jahrzehnten ständige Begleiter sein.
Norma wächst in Maine als Einzelkind in einer reichen Familie auf, ihre Eltern engen sie ein, erdrücken sie mit ihrer Liebe und immer mehr beschleicht sie das Gefühl, dass ihr etwas Wesentliches verheimlicht wird.

Wer nach dieser Einleitung noch nicht auf die Zusammenhänge schließt, der tut es spätestens nach den ersten Seiten des Buchs, denn hier wird das Ende bereits vorweggenommen. Abwechselnd begleiten wir Joe und Norma durch ihre Lebensgeschichte, die sich auf den letzten Seiten aufeinander zu bewegen wird. Beide werden von Geistern der Vergangenheit verfolgt, von Gefühlen, die sie nicht verstehen können und die es ihnen im Leben auf teils melodramatische Art und Weise schwer machen werden. Große Themen, doch die beiden Figuren blieben mir fern, tatsächlich waren es eher ihre Familien, die mich interessierten. Norma stößt im Laufe der Jahrzehnte immer wieder auf Ungereimtheiten ihres Lebenslaufs und dann sind da noch die Träume, die sie sich nicht erklären kann. Was ich wiederum mir nicht erklären kann: warum die Autorin hier die Ich-Perspektive gewählt hat - damit stand sich Amanda Peters beim Erzählen, finde ich, so sehr selbst im Weg, dass es mich teilweise ein wenig geärgert hat. Die Story bringt schon Potenzial mit, so ist es nicht, ich mochte den Fokus auf Familie und die sehr eigenen Vibes, eine Verfilmung würde hier sicher gut funktionieren. Aber für mich persönlich war es beim Lesen eine Geschichte, deren Verlauf keine Überraschungen und keine Fragen mit sich brachte. Wenn es mich emotional mehr gecatched hätte, hätte ich mich dennoch gerne von den beiden durch die Geschichte tragen lassen, aber so bleibt mir für den Moment nur, auf die vielen begeisterten Stimmen zu diesem Buch hinzuweisen!

Bewertung vom 20.04.2025

Schauplätze der Weltliteratur


sehr gut

Wo dieses Buch auf dem Couchtisch liegt, wird sicherlich häufig darin geblättert. John Sutherland lädt hier als Herausgeber zu mehr als 70 kleinen Ausflügen ein, an ganz besondere Orte der Weltliteratur.

Durch Literatur bekommen wir eine Verbindung zu Orten, an denen wir noch nie waren. Wir schnuppern die Luft an Huckleberry Finns Mississippi oder kennen jedes einzelne Haus in der Straße von Scott Finch aus "Wer die Nachtigall stört". Manche Gegenden werden Sehnsuchtsorte und wer sich das Flugticket dorthin nicht leisten mag, der kann nun eine buchige Reise um die Welt unternehmen. Von Anna Karenina über den Zauberberg bis hin zu Elena Ferrantes Neapel. Zu jedem Schauplatz gibt es einen kurzen Text, der auch ins Werk einführt - so ist es möglich, einen Eindruck von noch unbekannten Büchern zu erhalten und die Wunschliste zu erweitern. Neben den Texten gibt es, und das ist ungefähr das Beste an diesem Buch, fein ausgewählte Zitate, Buchcover, Grafiken, Landkarten, Kunstwerke, die ein Gefühl für den jeweiligen Ort geben und wirklich liebevoll gestaltet sind. So ist das Innenleben viel feinsinniger und künstlerischer als es das unscheinbare graue Cover vermuten lässt. Die einzelnen Werke sind vier chronologischen Abschnitten zugeordnet, von der Romantik des 19. Jahrhunderts bis zur Postmoderne und schnell wird klar, dass es eben nicht nur die Geografie ist, die einen Schauplatz prägt, sondern genauso historische, kulturelle und soziale Bedingungen. Die Art des Autors, über eine Stadt über über die Landschaft zu schreiben wird unter die Lupe genommen und auch hier gibt es viel zu lernen. Am besten jetzt schon als Weihnachtsgeschenk vormerken, hierüber freut sich sicher jeder Buchliebhaber!

Bewertung vom 16.03.2025
Moore, Liz

Der Gott des Waldes


ausgezeichnet

Als "literarischer Thriller" wird das Buch verkauft, und während ich früher Thriller nur so verschlungen habe, bin ich heute froh, dass "Der Gott des Waldes" für mich eher ein "gesellschaftskritischer Familiendrama-Schmöker mit Thrillerelementen" war (würde ich so auch nicht aufs Buchcover drucken, tbh).

Schließlich geht es hier ja auch um einen Kriminalfall, nämlich verschwundene Kinder. Das "Camp Emerson" liegt in einem großen Naturreservat in den Adirondack Mountains. Die wohlhabende Familie van Laar hat sich hier ihren eigenen Rückszugsort geschaffen und lädt jedes Jahr im Sommer die Kinder aus der Umgebung zu einem Sommercamp. Als ihre eigene Tochter Barbara erstmals am Camp teilnimmt, ist ihr Bett eines Morgens plötzlich leer - 14 Jahre nachdem bereits Barabaras kleiner Bruder "Bear" in derselben Wildnis verschwunden ist.

Das Camp in den Mountains ist schon ein ziemlich geniales Setting, hat mich atmosphärisch absolut abgeholt. Auch den Aufenthalt in den 60ern/70ern fand ich überraschend gemütlich, die Abgeschiedenheit, die Stapel an Papierakten, die Langsamkeit von Daten und Kommunikation. Es geht zwischen verschiedenen zeitlichen Ebenen hin und her, die Wechsel waren stilistisch sehr gut umgesetzt, sodass es kein Problem war, den Überblick zu behalten. Viele Stimmen tragen diese episch angelegte Erzählung: natürlich Stimmen aus der Familie van Laar, aber auch Erzählperspektiven der Dorfbewohner, der Polizei, oder der Camp-Teilnehmenden. Was auf diese Weise sehr deutlich wird, sind die großen Differenzen in den Lebensrealitäten zwischen Arm und Reich, Frau und Mann, die soziale Ungleichheit und die ungerechte Verteilung von Möglichkeiten (teure Anwälte zum Beispiel sind hier ihr Geld wert). Großer Reichtum geht bei den Van Laars allerdings auch einher mit großer Traurigkeit, selbstverständlich gut verborgen hinter der Fassade des großen Anwesens. Eine komplexe Familientragödie, die mehrere falsche Fährten legt (denen ich ehrlicherweise meist nicht gefolgt bin) und eine Auflösung, die für mich gut zum Rest des Buches passt, allerdings kein echter Aha-Moment war, eher ein "Achso, okay, naja"-Moment. Die fast 600 Seiten unterstreichen die Schmöker-Qualitäten und es unterhält stets so zuverlässig, dass man beim Lesen schnell vorankommt. Durchaus ein Buch für ein Wochenende, ein spannend-gemütliches - große Empfehlung!

Bewertung vom 30.12.2024
Means, Casey

Good Energy


sehr gut

Was mich an dem Buch gereizt hat, ist der klare Fokus auf Zellbiologie und Stoffwechsel. Ich lese üblicherweise keine Ratgeber zur Ernährung, eine gesunde Lebensweise ist mir aber wichtig und natürlich waren mir viele Grundsätze für eine gesunde Ernährung und weitere Faktoren eines gesundheitsförderlichen Lebenswandels (Schlaf, Stressvermeidung, Bewegung,...) bekannt. Wovon ich vor diesem Buch aber kaum eine Ahnung hatte, ist wie all diese Faktoren mit unseren Mitochondrien und der Herstellung von ATP zusammenhängen - Zellbiologie, was haben wir doch für einen faszinierenden Körper!
Den Einblick in das, was da im Körper passiert fand ich super spannend und auch hilfreich, um eigene Vorsätze zu untermauern. Bewegung fühlt sich direkt besser an, wenn man sich genau vorstellen kann, was das mit unseren kleinen Zellen macht. Tipps zur Umsetzung gibt Means auch reichlich, beispielsweise welche Lebensmittel entsprechend ihrer Grundsätze empfehlenswert sind, um "Good Energy" herzustellen und welche lieber vermieden werden sollten. Manche ihrer Ratschläge erscheinen dabei jedoch (zumindest mir) etwas weltfremd, denn einfach einmal 100g Sauerkraut zu jeder Mahlzeit hinzufügen für ausreichend fermentierte Lebensmittel? Danke, nein.
Grundsätzlich sollte man sich auch darauf einstellen, dass Means ein ziemlich kritisches Bild von Gesundheitssystem und Schulmedizin vertritt, zumindest was die Behandlung chronischer Erkrankung angeht. Auch ist das Buch sehr eindeutig aus einer amerikanischen Perspektive geschrieben. Wie bei jedem Sachbuch ist man dazu aufgefordert, die Argumente abzuwägen und sich selbst eine Meinung zu bilden. Was mich allerdings tatsächlich gestört hat, ist ihr neoliberaler Blick auf chronische Erkrankungen nach dem Motto "jeder ist seines Glückes Schmied". Selbstverständlich trägt eine gesunde Lebensweise zur Prävention von Erkrankungen bei, da die Entstehung dieser jedoch, wie sie selbst sagt, so viele Faktoren hat, empfinde ich es als wirklich unangebracht, ihre persönlichen Grundsätze als den Schlüssel zur Gesundheit darzustellen - und damit chronisch Kranke selbst für ihre Krankheit verantwortlich zu machen. Das wird an keiner Stelle im Buch reflektiert und ich hoffe daher, dass Lesende das für sich selbst kritisch einordnen. Dann lassen sich aus diesem Buch durchaus viele Anregungen für einen gesunden Alltag mitnehmen!

Bewertung vom 09.11.2024
Lunz, Kristina

Empathie und Widerstand


gut

Wie lässt sich in diesen herausfordernden Zeiten ein klarer moralischer Kompass bewahren, auf welche Weise können wir auf eine gerechtere Welt hinwirken? Das neue Buch von Kristina Lunz hat mich inhaltlich sehr gereizt und nachdem ihr erstes Buch zur feministischen Außenpolitik so viel Aufmerksamkeit erregte, war ich sofort dabei. Kristina Lunz hat als erfolgreiche Unternehmerin und politische Aktivistin eine spannende Biografie und bringt eine ganz eigene Perspektive mit.

Wer sich für genau diese unternehmerische, aktivistische, feministische Perspektive interessiert, könnte hier einen spannenden Einblick erhalten. Für ein Sachbuch über "Empathie und Widerstand" kommt mir allerdings die wissenschaftliche Einordnung etwas kurz, beide Konzepte werden eher grob dargestellt, wirklich in die Tiefe geht es nicht. Was stattdessen einen großen Stellenwert erhält, sind die persönlichen Erfolge von Kristina Lunz (z.B. gegen die BILD-Zeitung) und ihre Vernetzung mit wichtigen, erfolgreichen Frauen, was hier und da ein wenig elitäre Anklänge hat. Ihre Haltung, die ihren Aktivismus trägt, macht sie dabei deutlich. Allerdings ist es für mich kein universalistischer Text, der Identifikation für verschiedenste Gesellschaftsgruppen ermöglicht, sondern eher ein Mix aus biografischer Erzählung und essayistischem Plädoyer. Wer sich aber insbesondere für Kristina Lunz und ihre Arbeit interessiert, der findet hier einen leicht verständlichen, kurzweiligen Text, der für mehr Gerechtigkeit wirbt.

Bewertung vom 14.08.2024
Khayat, Rasha

Ich komme nicht zurück


sehr gut

Ein Roman, der im Ruhrgebiet spielt und in der Pandemie. Gemischte Zutaten, eine heile Freundschaft und dann ziemlich viel Realität. Leise erzählt,

Hanna wächst in einer Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet auf. Eine Kindheit in den Achtzigerjahren, die sie gemeinsam mit ihrer besten Freundin Zeyna verbringt und mit Cem, ihrem Ruhepol. Es sind die großen Emotionen, welche die beiden Mädchen zusammenhalten und auseinandertreiben und Cem, der immer wieder als Fels in all diesen Brandungen herhalten muss. Zu dritt sind sie ein Team, funktionieren. Doch dann, Einschläge, Erschütterungen. Wenn die Gesellschaft polarisiert, dann zählt plötzlich die Herkunft. Die beiden Mädchen verlieren sich, doch Hanna ist auch Jahre später nicht bereit, loszulassen.

Oder:
Facetten der Einsamkeit. Gekappte Enden - erst scheint es so leicht, doch was kommt dann. Gespräche in Gedanken, eigentlich Monologe. Ganze Bücher, gefüllt mit ungesagten Worten. Kohlenstaub über der Stadt oder wieso kommt hier niemand weg? Ein erster Brandanschlag, keiner will einen hier haben. Der 11.09., die Vorurteile grenzen aus. Ein "Dich wird das alles nicht betreffen" auch. Ausgelaugt, Kohlenherz. Die Stadt im Griff der Pandemie (still not ready for it), Einsamkeit als Massenware. Ein Mädchen, wild und laut. Und eines, ruhig und bedacht. Ein erster Riss und dann ein zweiter, an dem sie selbst schuld ist. Die Frage nach dem Warum. Die Auflösung ernüchternd. Leben halt.

Bewertung vom 29.06.2024
Phillips, Julia

Cascadia


sehr gut

Eine nicht ganz typische Dreiecksgeschichte: zwischen zwei Schwestern und einem Bären.

Was macht es mit zwei jungen Frauen, an ein Leben in der Einsamkeit einer Inselgruppe im Nordwesten der USA gebunden zu sein? Die 28-jährige Sam wohnt dort mit ihrer Schwester Elena und ihrer pflegebedürftigen Mutter. Mit Jobs im Golfclub und auf der Touristen-Fähre versuchen sie sich über Wasser zu halten, seit Jahren schlagen sich die beiden so durch den Alltag. Was Sam dabei Kraft gibt ist der Traum, das alles hinter sich zu lassen und gemeinsam mit ihrer Schwester woanders neu anfangen zu können. Doch dann reißt die beiden etwas aus ihrer Routinen: ein Bär taucht auf und plötzlich wird alles in Frage gestellt.

Der zweite Roman von Julia Phillips, im Original "Bear", nimmt die Abhängigkeit und Verantwortung in der Beziehung zwischen zwei Schwestern in den Blick. In einem Lebensumfeld, das vor allem von Entbehrung, Bedrohung und Isolation gekennzeichnet ist, haben beide früh gelernt ihr Verhalten aufeinander einzustellen. Doch dann taucht der Bär auf und je mehr Elena sich von ihrer Faszination für den Bären einnehmen lässt (diese Obsession hat sich mir nicht erschlossen), desto mehr ergreift Sam die Angst. Konflikte tauchen auf, die bislang im Verborgenen lagen. Der Bär hat dabei eine stark symbolische Rolle und bringt einige märchenhaft anmutende Szenen mit sich. Kein Zufall, dass die Autorin dem Buch ein Zitat aus dem Grimmschen "Schneeweißchen und Rosenrot" vorangestellt hat. Es dauert ein wenig, bis man beginnt, die Dynamik zwischen den beiden Schwestern zu verstehen und Elena bleibt für mich aufgrund der Erzählweise nicht ganz greifbar, aber die aufgeworfenen Fragen sind spannende. Die Stimmung ist geheimnisvoll-melancholisch und zwischenzeitlich scheint sich alles an der Zelebrierung von Ausweglosigkeit aufzuhängen. Die Handlung stagniert genauso wie der Lebensentwurf von Sam bis es am Ende Schlag auf Schlag geht. Ich lege keinen Wert auf ein möglichst dramatisches Finale, manches hätte es für mich nicht gebraucht, aber ohne zu viel zu verraten: man wird überrascht und das fand ich gut.

Bewertung vom 21.04.2024
Spit, Lize

Der ehrliche Finder


ausgezeichnet

Die flämische Bestsellerautorin Lize Spit ist bekannt für ihre nervenaufreibenden Romane über psychische Ausnahmesituationen. Auch mit "Der ehrliche Finder" nimmt sie sich kein leichtes Thema vor, jedoch ist die Stimmung hier gelöster, teilweise heiter und würde inhaltlich auch Kindern gerecht werden.

Zwei Jungen, die einander brauchen. Der 12-jährige Jimmy ist in der Schule ein Außenseiter, klug, viel alleine, vor allem seit sein Vater die Familie verlassen hat. Er fokussiert sich ganz auf seine Sammelleidenschaft bis Tristan in seine Klasse kommt. Tristan, der mit seinen Eltern und seinen sieben Geschwistern aus dem Kosovo nach Belgien geflohen ist. Jimmy bringt Tristan die belgische Sprache bei, Tristan lässt Jimmy Teil seiner großen Familie sein. Bis eine schlechte Nachricht ihre Freundschaft auf die Probe stellt und beide in Gefahr bringt.

Der Roman ist konsequent aus der Sicht von Jimmy geschrieben. Eine Kinderperspektive, die gerade aufgrund des eigenwilligen Erzählers unvermuteten Zauber im Alltäglichen entdeckt, sich überraschen lässt, Bestandteile der Realität spielerisch zu einer ganz eigenen Logik zusammenfügt. So entwickelt Lize Spit einen besonderen Tonfall, der die Themen Flucht, Krieg, Asylsuche, Integration unmittelbar erzählt, ohne Einbettung in gesellschaftliche Diskurse, stattdessen mit Fokus auf den sinnlichen Wahrnehmungen. Es ist gerade der harte Kontrast zwischen der kindlichen Naivität und der gnadenlosen Realität, der eine neue Perspektive möglich macht. Inspiriert ist der Roman von der wahren Geschichte einer zehnköpfigen Familie in Lize Spits Heimatdorf, die in den 90er-Jahren abgeschoben werden sollte und nach massiven Protesten doch bleiben durfte. Für mich ein sehr lesenswerter Roman mit starker Erzählstimme und einzigartiger Perspektive!

Bewertung vom 21.04.2024
Kuang, R. F.

Yellowface


ausgezeichnet

Chapeu, dieser Roman hat die Buchbranche durchgespielt!

"Ihr Buch ist ein Bestseller. Das Problem ist nur - sie hat es nicht geschrieben."
Juniper Hayward, eine erfolglose Debütautorin, lernt an der Uni Athena Liu kennen: Bestsellerautorin und Everybody's Darling. Sie verbringen einen gemeinsamen Abend, der damit endet, dass Athena an einem Pancake erstickt und Juniper ihr gerade fertiggestelltes Manuskript einsteckt. Sie veröffentlicht es unter ihrem eigenen Namen und erreicht so endlich den langersehnten Erfolg.

Natürlich kommt es am Ende wie es kommen muss, aber der Weg dorthin ist auch ein wilder Ritt hinter die Kulissen der Buchbranche, ein grandioses Spektakel zwischen Metaebenen. Es geht um das Buchmarketing, um die Kommerzialisierung von Literatur, um kulturelle Aneignung und sensitivity reading, um soziale Medien, Trends, Zielgruppen, Identität und Gesellschaftskritik. Die Dynamiken, die es braucht, um im krassen Wettbewerb der Buchbranche erfolgreich zu sein, nutzt auch "Yellowface" aus, der Roman spielt das Spiel, das es kritisiert, selbstironisch mit und wird so selbst zum Hype. Die Story ist fesselnd, hat einen unglaublichen Lesesog und wird umso interessanter, wenn man kurz innehält und das Buch und seine Autorin selbst eingebunden sieht in das System, dessen Absurditäten und Widersprüche es so gekonnt entlarvt. Ein "zeitgeisty thriller", sagt der Guardian. Am Ende ein bisschen viel Drama, aber was macht das schon, wenn ein Buch so großartig und klug zu unterhalten weiß.

Bewertung vom 28.10.2023
Groff, Lauren

Die weite Wildnis


sehr gut

Nachdem Lauren Groff mich mit Matrix wirklich begeistert hat, war ich unheimlich gespannt auf ihren neuen Roman. Die weite Wildnis - ebenfalls ein historisches Setting, eine starke Protagonistin, eine kühne Story und doch ein gänzlich anderes Buch!

Ein Mädchen allein in der Wildnis. Hungrig und frierend kämpft sie sich allein durch den Wald und doch hat sie diesen Weg selbst gewählt, um der Brutalität und Aussichtslosigkeit ihrer Herkunft zu entkommen. Sie gehörte als Dienstmädchen zu den englischen Siedlern, die sich im frühen 17. Jahrhundert auf den Weg nach Nordamerika machten, um in der neuen Welt ihr Glück zu finden. Eine neue Welt entdeckt sie nun tatsächlich, außerhalb der Siedlung, fern der Zivilisation, auf sich gestellt im tiefsten Wald.

Szenen gestalten, das kann Lauren Groff. Das feuchte Moos, der gefrorene Fisch, der Schlafplatz am Lagerfeuer, der ausgehöhlte Baum, der reißende Fluss. Eine Überlebensgeschichte, die auch sanfte Gedanken gegenüber den Tieren und der Natur erlaubt. Das Erleben der Wildnis ist Erhabenheit und Kraft, aber auch ein immer stärker werdendes Sehnen nach anderen Menschen. Erst mit der Zeit wird kar, was das Mädchen zur Flucht zwang. Während sie ihre Körper und Geist durch den Wald jagt, lässt sie die letzten Ideale der Siedlerbewegung und ihrer Religion hinter sich. Auch wenn die anfängliche Spannung für mich nicht über den gesamten Roman erhalten blieb, ist es wunderbar, zu lesen, wie Lauren Groff hier den alt eingefahrenen Erzähltraditionen wieder einmal ein Schnippchen schlägt!