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lustaufbuch

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Insgesamt 214 Bewertungen
Bewertung vom 18.08.2025
Klink, Sophia

Kurilensee


sehr gut

»Wir beuten aus, was geht. Ist nur die Frage, um welchen Preis.«

Schon seit mehreren Jahren ist die dreißigjährige Anna von Mai bis September teil eines Forschungsteams am Kurilensee, um den Lachsbestand zu bestimmen und die dortigen Wasserverhältnisse sowie Lebensbedingungen für die Fische zu überprüfen. Aufgrund des Klimawandels und kommerzieller Überfischung ist die Lachspopulation schwindend.
Das Team der Forschungsstation besteht aus ganz verschiedenen Persönlichkeiten, was ein Zusammenleben über den Zeitraum und solch einer Abgeschiedenheit nicht eben leichter, aber für uns Leser*innen ansprechender macht. Noch dazu die wilde Natur Kamtschatkas um sie herum. Glücklicherweise ist auch ihr Partner Vova dabei.
In diesem Jahr soll zudem abgewägt werden, ob eine Düngung des Sees ratsam sei oder ob dies die vorherrschenden Begebenheiten nur noch verschlimmern würde…

Die Autorin Sophia Klink verwebt in dieser Geschichte viel biologisches, geografisches und anatomisches Wissen, was den Roman meiner Meinung zwar ein bisschen trockener macht, aber die erzählende Perspektive um eine wissenschaftliche ergänzt, aus der man viel mitnehmen kann. Dementsprechend empfand ich, je mehr ich von dem Buch las, den Stil stellenweise sehr distanziert und manchmal fast journalistisch.
Andererseits wird in vielen knappen, sanft dahinplätschernden und oft poetisch anmutenden Sätzen viel geschildert. Sei es betreffend gelungener Landschaftsbeschreibungen, der meist nicht sichtbaren Magie der Natur und der Wildnis Kamtschatkas oder hinsichtlich des Alltags der Forschungsstation.
Besonders viele innere Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonistin Anna werden präzise herausgearbeitet.

Auf leise Art überzeugt dieser idyllische Roman durch viele Zwischentöne, das Sichtbarmachen von sonst Unsichtbarem und einem – manchmal zu – ruhigen aber dennoch überzeugten Weckruf für ein aktives Handeln, nicht nur den Kurilensee betreffend.

Bewertung vom 18.08.2025
Katheder, Doris;Betz, Astrid;Prölß-Kammerer, Anja

Erinnern nicht vergessen


ausgezeichnet

»Woran sich eine Gesellschaft erinnert, prägt ihre Identität, denn: Die Vergangenheit ist der Resonanzraum für unsere Gegenwart.«

Nürnberg ist nicht nur Kaiserstadt und ein in vielerlei Hinsicht geschichtsträchtiger Ort, sondern auch eine Stadt, die sich bewusst mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt und diese in das heutige Stadtleben integriert.
Besonders zur Zeit des Nationalsozialismus fiel Nürnberg eine bedeutende Rolle zu. Dort fanden auf dem eigens dafür angelegten Reichsparteitagsgelände riesige Reichsparteitage statt, die Nürnberger Gesetze wurden am 15. September 1935 verabschiedet und ab Ende 1945 begannen die Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher.
Auch zahlreiche Razzien und Deportationen nicht nur von jüdischen Menschen, sondern auch von Homosexuellen, sog. „Asozialen“, Zeugen Jehovas, etc. ereigneten sich.
Darüberhinaus streckte sich der Greifarm des Gedankenguts in die jüngere Vergangenheit – allein in Nürnberg wurden drei türkische Männer vom NSU ermordet.

Dieses Buch widmet sich vielen Schicksalen, die sich in Nürnberg ereigneten und denen mit diesem Buch, aber auch durch Gedenkorte, gedacht wird.
Die jeweiligen Kapitel widmen sich verschiedenen Gedenkorten hinsichtlich ihrer Geschichte hin zu der Bedeutung als Mahnmal und Reflexion für unsere Zeit und unser eigenes Handeln.
Ergänzt werden sie teilweise durch Kurzinterviews und einigen Schilderungen von persönlichen Schicksalen von Opfern oder Widerstandskämpfer*innen, was das Buch bereichert, da sie eindrücklich auf die Leser*innen wirken und die unzähligen grausamen Morde unschuldiger Menschen schonungslos vor Augen führen.
Ich wusste weder etwas von dem Goldenen Saal unter der Zeppelintribüne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände, eines KZ-Außenlagers oder dem ehemaligen „Lagerfriedhof“.

In Zeiten, in denen Erinnerungskulturen von nicht wenigen in Frage gestellt werden, ist die Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit umso wichtiger.

Bewertung vom 18.08.2025
Heer, Carina

Das Bierkomplott


ausgezeichnet

»Nicht alles, was man mit eigenen Augen zu sehen glaubt, ist auch wirklich wahr.«

Nachdem sich Evi Pflaum von ihrem Ex-Freund getrennt hat, ist sie wieder in ihr Heimatdorf Schweinsbrunn und tritt ihren neuen Job als Staatsanwältin an. Gleich am ersten Tag läuft alles anders wie erwartet. Erst weiß sie nicht, wie sie dorthin kommen soll, dann nimmt sie Peter mit, der sich ständig misogyn und sexistisch äußert und zuletzt gibt es auch schon bald eine Leiche. Und es bleibt nicht nur bei einer. Außerdem machen es ihr einige neuen Kolleg*innen nicht gerade leicht. Doch sie bleibt sich selbst und ihrem Sinn für Gerechtigkeit treu. Ein einziger Lichtblick in diesem familiären und beruflichen Schlamassel scheint der grünäugige Gerichtsmediziner Dr. Rosenbeet.

Obwohl ich selbst gebürtig aus Franken bin, fühle ich mich der dort nicht wirklich daheim und meide Vieles, was damit zu tun hat, u.a. auch Franken-Krimis. Als mich Carina Herr angefragt hat, ihren Debütroman zu lesen, war ich dementsprechend skeptisch, aber auch neugierig, mir mal ein eigenes Bild davon zu machen und so las ich – ganz untypisch für mich – meinen ersten Franken-Krimi.

Und wirklich, der Krimi ist nicht nur nicht schlecht, sondern hat mich wirklich gut unterhalten! Besonders überzeugt er durch die schöne, gemäß dem Genre erwartend, gar nicht zu simple Sprache, etlichen humorvollen Szenen und dem Plot!
Dabei wird die oft derbe fränkische Lebensart gut abgebildet und aktuelle gesellschaftliche Themen finden Erwähnung.
Wer zudem in Bamberg wohnt oder sich dort etwas auskennt, wird in diesem Krimi, obwohl die Autorin sowohl die Stadt als auch geschilderte Örtlichkeiten nicht beim Namen nennt, sondern fiktionalisiert, auf einiges Bekanntes stoßen.

Es hat sich also gezeigt, dass es sich lohnt, den eigenen Horizont mal zu öffnen und sich an neue Genres zu wagen, die außerhalb des persönlichen Gewohnten liegen.

Bewertung vom 18.08.2025
Everett, Percival

Dr. No


ausgezeichnet

»Würden wir uns an alles erinnern, hätten wir keine Sprache für das Erinnern und Vergessen.«

Professor Wala Kitus Forschungsgebiet ist das Nichts. Klingt absurd, aber genau das ist gewissermaßen auch das Buch. Als der Milliardär John Sill auf ihn aufmerksam wird, bietet er ihm drei Millionen Dollar, damit er ihn unterstützt und über nichts berät. Schließlich möchte Sill ein richtiger Schurke sein und sein Plan ist kein anderes als das Fort Knox ausrauben, denn er ist davon überzeugt, dass sich dort nichts befindet. Und wer das nichts besitzt, von dem kann die Weltherrschaft nicht mehr weit entfernt sein.
So beginnt eine atemberaubende, urkomische und gesellschaftskritische Verfolgungsjagd par excellence.
Mehr will ich gar nicht verraten, weil ich sonst bereits zu viel vorwegnehmen würde.

Nicht nur nebenbei, sondern sehr ausdrücklich, kritisiert Percival Everetts neuer Roman u.a. Geldgier und Machtausnutzung von Milliardären sowie strukturellen Rassismus und auch gewissermaßen die gesamte amerikanische Gesellschaft als Persiflage.
Auch wenn die Story zu Beginn manchmal etwas ausschweifend gerät und mich aufgrund der Absurdität teils ratlos zurückließ, konnte mich der Roman vollends überzeugen, was insbesondere an Everetts faszinierender Sprache – wie brilliant ist diese wieder?! – lag, die mich komplett in die Geschichte eintauchen ließ und mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistere. Auch die Kuriosität der Handlung sowie teils humoristische Schilderungen machten diesen Roman des Autors zu einer ganz besonderen Lektüre mit Sogwirkung, den man sich, sofern man sich auf eine verrückte Handlung einlassen kann und will, nicht entgehen lassen sollte.
Obwohl ich bisher erst zwei Bücher von ihm gelesen habe zählt er meiner Meinung nach, zu den bedeutendsten und besten und originellsten Schriftstellern unserer Zeit.

Bewertung vom 11.08.2025
Wood, Benjamin

Der Krabbenfischer


ausgezeichnet

»Es ist dem Meer egal, wer es besucht, so wie es den Krabben egal ist, wer sie aus dem Sand kratzt.«

Thomas Flett lebt mit seiner Mutter in Longferry an der Küste Englands. Jeden Tag, morgens und manchmal auch abends, reitet er mit seinem Pferd hinaus in die See um als einziger in seinen Gewerbe noch auf altbewährte Art dem Krabbenfischen nachzugehen. Dabei trotzen sie jedem Wetter, nur um über die Runden zu kommen. Thomas ist genügsam und findet sich damit ab. Doch möchte er mit seinen zwanzig Jahren eigentlich mehr erleben, insbesondere mehr Zeit seiner Leidenschaft – seiner Gitarre und generell der Musik – widmen und Joan endlich sagen, was er für sie fühlt.
Als er eines Tages nach getaner Arbeit nach Hause kommt, erwartet ihn, bei seiner Mutter sitzend, der amerikanischer Regisseur Edgar Acheson, um ihn ein Angebot zu machen. Alles scheint sich für ihn zu ändern…

Der Ton des Romans ist ruhig, sanft und manchmal rau – wie das Meer. Dabei sind die Sätze so bewusst gewählt, wie man es nur selten liest. Die Sprache erinnert eher an Klassiker, wie z.B. die Bücher von Siegfried Lenz und weniger an einen zeitgenössischen Roman. Atmosphärisch beschwört der Autor eine Welt herauf, die es nicht mehr gibt und erzeugt dadurch ein gleichermaßen präzises und stimmungsvolles Bild der Landschaft. Die Wahrnehmungen und Gefühle des Protagonisten, hinsichtlich seiner Arbeit oder den Wunsch, mehr über seinen Vater zu erfahren, kommen dabei nicht zu kurz und verführen die Leser*innen dazu, sich in dem Buch zu verlieren.
„Der Krabbenfischer“ zeigt den tristen und doch anstrengenden Alltag Thomas‘, dem Fügen in den gewohnten Rhythmus des Alltags und das Herausbrechen aus diesem, hin zu neuen, unbekannten und doch so sehnlich herbeigesehnten Ufern.

Ich habe diesen Roman geliebt und hoffe sehr, dass seine bisherigen vier Romane – besonders aufgrund der Nominierung der Longlist für den Booker Prize – nun auch nach und nach ins Deutsche übersetzt werden.
Eine ganz große und unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 03.08.2025
Kleiner, Marcus S.

Keine Macht für Niemand. Pop und Politik in Deutschland


ausgezeichnet

»Politische Popsongs sind Geschichten gegen das Schweigen.«

„Keine Macht für Niemand“, auf den Song von Ton Steine Scherben zurückgehend, ist eine Reise durch die spannungsreiche musikalische Zeitgeschichte ab dem Ende des Ersten Weltkriegs bis in die Jetzt-Zeit. Dass die Geschehnisse dabei von Popmusik verschiedenster Ausprägungen begleitet und in dieser verarbeitet wurden, legt der Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft deutlich dar. Anhand 80 Jahren Pop- und Zeitgeschichte und knapp 260 Songs, die er für dieses Buch mal vertiefter mal oberflächlicher analysiert hat, erschließt er die Zusammenhänge zwischen Pop, Protest und Politik sowie ergänzend aus den Perspektiven von Solidarität und Widerstand.

Nach einführenden Grundlagen, beginnt es mit dem konservativen, rassistischen und sexistischen Schlager der Nachkriegszeit, führt über politische Liedermacher:innen, dem Beginn und der Etablierung von Punk, über den großteils misogyn und männlich dominierten Rap, bis hin zu zeitgenössischen Künstler:innen, die sich – nicht nur gegen das Erstarken rechter Ansichten – klar positionieren. Währenddessen nimmt es nie ein Blatt vor den Mund, sondern benennt die Dinge beim Namen.
Marcus S. Kleiner führt viele kluge und differenzierte Gedanken über politische Zeitgeschichte an, auch indem er sich seiner eigenen Privilegen bewusst wird und diese reflektiert, wie man sie nur selten liest und regt damit zum Nachdenken an.
Dabei merkt man stets die Musikleidenschaft des Autors und seine persönliche politische Haltung.

Ergänzt und vertieft wird die Lektüre durch eine vorangestellte Spotify-Playlist der erwähnten Songs.

Es bleibt nur noch eins zu sagen:
Lest unbedingt dieses Buch, es ist ganz großes Kino, fordert, ist vereinzelt vielleicht etwas zu theoretisch und man muss manche Abschnitte zweimal lesen, aber es regt definitiv zum Nachdenken an.
In erster Linie ist es ein lauter Weckruf gegen das anhaltende Schweigen der Gesellschaft, mit dem wir uns viel zu gerne umhüllen.

Bewertung vom 18.07.2025
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


ausgezeichnet

»Alles hängt davon ab, was du willst: das Richtige tun oder an der Macht bleiben.«

Weil die deutsche Bundesregierung unter Bundeskanzler Hans Christian Winkler den Import von Jagdtrophäen verboten hat, schickt der Präsident von Botswana 20.000 Elefanten nach Berlin. Dort sind alle überfordert und wissen nicht, wie man mit den Tieren, die man zuerst auf deutlich weniger schätzt, umgehen soll. Sie sind einfach überall und müssen auch irgendwie versorgt werden.
Noch dazu muss jede Entscheidung genau abgewägt werden, um einerseits die deutsche Bevölkerung zu schützen und zweitens dem sowieso fortschreitenden Erstarken rechter Kräfte keine Angriffsfläche zu bieten.

Das ist die Ausgangssituation des Romans. Wie geht man nun damit um?
Genau damit beschäftigt sich der neue Roman von Gaea Schoeters und stößt dabei ein Interessantes Gedankenspiel an. Zwar stellt diese Situation eine Fiktion dar, doch beruht diese auf einer wirklichen Aussage von Mogkweetsi Masisi, dem Präsidenten von Botswana. Darüberhinaus lassen sich deutliche Parallelen zur hiesigen Politiklandschaft bemerken.

Zwischen politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Unmut, steht der kommerzielle, der Wirtschaft dienende Nutzen, die Elefanten gewinnbringend zu vermarkten. Darf Deutschland andere Länder bevormunden, ohne sich der dortigen Probleme überhaupt bewusst zu sein, geschweige denn sie bewältigen zu können?

Auch mit ihrem zweiten Roman hat Gaea Schoeters ein Buch geschrieben, dass die Grenzen der Moral auslotet und die Leser*innen zum Nachdenken anregt.
Dabei habe ich ihre präzise Sprache sehr genossen und besonders gelungen fand ich vor allem die exakten Beschreibungen der Elefanten, die einem diese majestätischen Tiere bildlich vor Augen führen.
Eine große Leseempfehlung!

Ich freue mich schon auf viele weitere Bücher von ihr!

Bewertung vom 18.07.2025
Mann, Thomas;Mann, Katia

'Liebes Fräulein Herz'


ausgezeichnet

»Sie sind ein kompliziertes und schwieriges Wesen und ich bin es auch.«
Thomas Mann an Ida Herz (18. Januar 1927)

Als Ida Herz Thomas Mann im Jahr 1924 auf einer Trambahnfahrt zwischen Fürth und Nürnberg anspricht und ihre Bewunderung ihm gegenüber kundtut, markiert das den Beginn eines über drei Jahrzehnte währenden Austausches und findet auch Erwähnung im Roman „Doktor Faustus“. Bewusst meide ich den Begriff Freundschaft, da es zwar in ihren Augen ganz klar eine war und auch Thomas Mann in späten Jahren dazu tendierte, aber u.a. dessen Tagebucheinträge über Besuche von ihr überwiegend genervte Stimmungen vermerken.
Nichtsdestotrotz vertraute er ihr wie nur wenigen sonst Details über sein Leben und Werk an, beauftragte sie mit eigennützigen, aber nicht weniger vertrauensvollen Aufgaben und unterstütze ihr schon 1925 privat angelegtes „Thomas Mann Archiv“, indem er ihr zu diesem Zweck dienliches Material zusandte und er ebenfalls darauf stets zurückgreifen konnte, wenn er bestimmte Texte im Original oder als Abschrift für eigene Projekte benötigte.

Insgesamt sind 432 Briefe abgedruckt, davon die allermeisten von Thomas Mann, einige von Katia Mann und nur 27(!) von Ida Herz. Dabei ist anzunehmen, dass über 400 Briefe ihrerseits verloren gegangen oder bewusst vernichtet wurden. Umso glücklicher die Tatsache, dass zu Beginn des Mannschen Exils im Jahr 1933 einige Briefe von ihr erhalten sind und dieser Austausch ein eindrückliches zeitgeschichtliches Dokument der damaligen Geschehnisse inner- sowie außerhalb Deutschlands ist.
Außerdem ist der gesamte Briefwechsel etwas besonderes, da er die ambivalente Beziehung beleuchtet und Einblicke in die Beziehung zu einer wichtigen Vertrauten Thomas Manns, auch innerhalb familiärer Ansichten, gibt. Nicht weniger das Nachwort des Herausgebers Holger Pils, welches den literarischen Wert anerkennt und trotzdem kritisch aufgestellt ist.

Schade ist nur, dass die wenigen Briefe zwischen Ida Herz und Katia Mann nach Thomas Manns Tod nicht in diesen Band aufgenommen wurden.

Bewertung vom 05.07.2025
Pötzsch, Oliver

Der Totengräber und die Pratermorde / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.4


ausgezeichnet

»Obwohl er wusste, dass alles nur Schein und Trug war, ließ er sich doch gerne täuschen.«

Die ganze Stadt freut sich, denn nicht nur der Große Bellini ist zu Gast, sondern noch dazu Charles Banton. Somit gastieren zwei Zauberkünstler in Wien. Als Charles Banton, der die Massen zu sich lockt, während der Premiere seine neue Weltsensation vorführt, passiert das Schlimmste, das man sich denken kann. Aus gekonnter und nur scheinbarer Zauberei wird Realität. Natürlich hatte Banton die Schreie seiner Assistentin ignoriert, als er den Sarg, in dem sie lag, zersägte. Schließlich waren diese Teil der Show, die jedoch in einem blutigen Spektakel endete, denn die Frau wurde wahrhaftig zerteilt. Doch wie konnte das passieren?
Noch dazu sind in den vergangenen Wochen vier junge Frauen, die am Prater angestellt waren, spurlos verschwunden. Zwei Fälle, denen Inspektor Leopold Herzfeldt und Reporterin Julia Wolf nachgehen werden. Und auch wenn sie nun kein Paar mehr sind, kreuzen sich ihre Wege.
Könnte es sogar sein, dass diese zwei Vorfälle irgendwie miteinander zusammenhängen?

Oliver Pötzsch‘ nun schon vierter Fall rund um Leopold Herzfeldt, Julia Wolf und den Totengräber Augustin Rothmayer entführt die Lesenden in die Welt des Wiener Praters zu Ende des 19. Jahrhunderts. Schon der Prolog entfaltete eine Sogwirkung und machte mich neugierig darauf, mehr über die geschilderten Vorkommnisse zu erfahren. Dementsprechend habe ich das Buch verschlungen, nicht zuletzt weil die mehreren Handlungsstränge so fesselnd sind.
Da ich mich schon in meiner Kindheit sehr für den Zirkus und das gesamte Künstlermilieu begeistern konnte, hat mir dieser Fall besonders gut gefallen.
Ich weiß nicht, wie Oliver Pötzsch es schafft, dass ich bei seinen historischen Krimis gegen Ende immer überrascht bin, wie es ausgeht, da er so viele Figuren einführt und falsche Fährten legt. Offensichtlich habe ich keinen guten Riecher dafür oder – was unanzweifelbar ist – er ist ein wahnsinnig guter Autor, nicht nur von Krimis.

Bewertung vom 25.06.2025
Willbrand, Klaus;Razumovych, Daria

Einfach Literatur


ausgezeichnet

»Große Literatur bewahrt etwas von ihrer Zeit, bleibt dabei aber unvergänglich.«
Im Frühjahr des vergangenen Jahres stand Klaus Willbrand kurz davor sein Antiquariat für immer zu schließen und nahm als letzte Möglichkeit das Angebot der befreundeten Digitalberaterin Daria Razumovych an. Über Nacht wurde er regelrecht zum Star. Auch bei mir dauerte es nicht lange, bis ich den Account vom Algorithmus empfohlen bekam.

Was für ein Wissen über Literatur muss Klaus Willbrand gehabt haben? Dass er es hatte, zeigte er uns bereits in seinen Videos und jetzt auch in Buchform.
Bei beiden wurde er von Daria mehr als nur unterstützt, weshalb beide im gleichen Zug genannt werden müssen. Ohne sie wäre sein Antiquariat längst geschlossen. Was dies für sein Vermächtnis bedeuten würde, welches nun ein ganz anderes ist und an dem viele teilhaben, ohne ihn überhaupt gekannt zu haben, möchte man sich gar nicht ausmalen. Am liebsten würde man ihn noch gerne weiterhin über Literatur reden hören.

Dieses Buch erzählt autobiografisch Klaus‘ Lebensweg, der alles andere als linear verlief und gerade deswegen so spannend ist! Dabei stellt er deutschsprachige, angloamerikanische und französische Autor*innen vor, die einerseits ihn selbst zeitlebens begeistert und andererseits die Literaturlandschaft geprägt haben. Zu manchen gibt es ausführlichere Anekdoten, zu anderen eher schlichte Kurzbeschreibungen und Werkempfehlungen.

Dieses Buch berührt einen allein schon, weil mehrere Menschen – Schreibende und Lesende – die gleiche Leidenschaft für großartige Literatur teilen. Was uns Klaus und Daria hinterlassen haben, ist ein Text, der sich seinem Leben, der Literatur und nicht zuletzt der schicksalhaften Begegnung mit Daria beschäftigt und zugleich keinen Lesekanon vorschreibt, sondern vielmehr Anregungen für mögliche zukünftige Lektüren gibt.
Wie gerne hätte ich, besonders von seinen autobiografischen Anekdoten und persönlichen Erlebnissen mit Autor*innen noch mehr gelesen, seinen Gedanken gelauscht und gewünscht, dass er die Veröffentlichung hätte miterleben können.