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Wulf-H.
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 12 Bewertungen
Bewertung vom 12.04.2025
Ehrenhauser, Martin

Unsere Suche nach Zärtlichkeit


ausgezeichnet

Der Uhrmacher Dumont, für den, wie man meinen möchte, seine ehrenamtliche Tätigkeit bei der Brüsseler Telefonseelsorge der Mittelpunkt seines Lebens ist, wird durch einen Anruf aus dem Gleichgewicht gebracht. Die daraus folgende gefühlsmäßige Odyssee an die Côte d‘Azur wird sehr detailliert und äußerst einfühlsam erzählt. Als Leser war ich fasziniert von den Dialogen zwischen ihm und der Florence, die er gerade erst kennengelernt hatte, die phasenweise fast theatralen Charakter haben. Die geschilderte Welt ist ein kleiner Raum, in dem die beiden Hauptcharaktere agieren, scheinbar ohne existierende äußere Welt. Dadurch werden die Gefühle der beiden sehr deutlich.
Selten habe ich ein Buch so schnell verschlungen.
Das Cover des Buchs ist nicht nur in sich stimmig, sondern gibt auch gut die Welt wieder, in der sich Florence und Dumont befinden.

Bewertung vom 26.03.2025
Bilkau, Kristine

Halbinsel


ausgezeichnet

Das Buch ist im wesentlichen fokussiert auf ein Mutter-Tochter-Verhältnis. Es ist schon erstaunlich, wie schnell die Autorin zum Punkt kommt; keine lange Vorrede, keine ausschweifenden Erläuterungen und Umwege. Trotzdem ist der Roman keineswegs schnell erzählt; immer wieder verweilt man bei Schlüsselsituationen, um sehr detailliert Handlungen und Gedanken vor allem der Mutter nachvollziehen zu können. Interessant ist der stete Wechsel von direkter und indirekter Rede; so bleiben auch längere Dialoge stets spannend. Dabei läuft der Gedankengang zunehmend darauf hinaus, wie abhängig oder unabhängig Eltern ihre Kinder haben wollen. Wieviel Vorsorge und Fürsorge sind hilfreich?
Das Buch ließ sich flüssig lesen und war für mich bis zum Ende spannend, nicht nur durch viel Lokalkolorit, so dass ich fast ein wenig enttäuscht war, als ich am Ende angekommen war.

Bewertung vom 03.03.2025
Lucas, Charlotte

Luzie in den Wolken


sehr gut

Auch wenn der Titel des Romans scheinbar mit der Tür ins Haus fällt, stellt sich dessen eigentliche Bedeutung erst im weiteren Verlauf des Buches heraus. Mit viel Feingefühl wird die Geschichte von Luzie und ihrer Mutter erzählt, die sich mehr schlecht als recht durch‘s Leben schlagen. Die Begegnung mit dem vermeintlichen Buchhalter Ben bringt auf fast komödienhafte Weise ihr Leben durcheinander. Dabei gleitet die Handlung nie in Plattheiten ab, obwohl manches für aufmerksam Lesende vorhersehbar ist. Es stellt sich heraus, dass alle drei beteiligten Personen ihr Lebenspäckchen zu tragen haben, das sie außerordentlich belastet. Diese psychischen Altlasten, werden geschickt eingesetzt und sorgen auf doppelte Weise für Spannung. Verschiedene Orte in Hamburg sorgen für Lokalkolorit und Authentizität. Eine wunderbare Lektüre, nicht nur für den Urlaub!

Bewertung vom 26.01.2025
Köhler, Tanja

Ein Ohrensessel, zwölf Fragen und eine Reise zu dir selbst


ausgezeichnet

Eine Lampe, mit deren Hilfe man sein Leben beleuchtet, ein Teppich, auf dem man bleiben sollte, ein kleiner Tisch, auf dem man das Nötigste zum Leben abstellen kann, und der bewusste Ohrensessel, der, richtig gestellt, einem hilft, sich über das eigene Leben klar zu werden, mehr braucht man eigentlich nicht, so jedenfalls suggeriert es uns Tanja Köhler, wenn man dem Cover Glauben schenkt.
Dieses geschieht durch eine einfache, aber sehr eindrucksvolle Erzählung, die mit dem Erwerb des Ohrensessels beginnt, der einfach nicht den angemessenen Platz finden will. Erst durch das Entrümpeln des Lebens gelingt es, ihm den richtigen Platz zuzuweisen.
Auch wenn ich mir in der Erzählung ein paar weitere Details gewünscht hätte, so gelingt doch die Beantwortung der 12 Fragen des Buchtitels in beeindruckender Weise. Auch wenn das Buch kurz erscheint, so braucht es seine Lesezeit. Immer wieder musste ich beim Lesen verweilen, um über mein eigenes Leben zu sinnieren.

Bewertung vom 15.10.2024
Mustard, Jenny

Okaye Tage


sehr gut

Zwei junge Leute beginnen eine On-Off-Beziehung in London, die zunächst auf Zeit gedacht ist. Parties, Sex, Alkohol scheinen unverzichtbar, ausleben, was man ausleben kann.
Erst im Laufe des Buches entwickelt sich langsam mehr.
Die Darstellung der Handlung im Wechsel aus der Sicht der beiden Protagonisten umreißt zum einen die junge Szene sehr lebendig, zum anderen zeigt sie aber auch die großen Unterschiede zwischen ihnen. Die Sprache wirkt sehr jugendlich, ohne in Jugendsprache abzugleiten. Das Erzähltempo ist sehr unterschiedlich, manches erscheint fast wie Zeitsprünge, anderes wird fast melancholisch langsam ausgeführt. So wird das Lesen nie langweilig.
Im Laufe der Lektüre kamen bei mir Fragen auf wie: Wie viel Aufregendes braucht es für eine Langzeitbeziehung? Oder ist vielleicht ein bestimmtes Maß an okayen Tagen vollkommen ausreichend.

Bewertung vom 19.08.2023
Revedin, Jana

Der Frühling ist in den Bäumen


ausgezeichnet

Nachkriegsdeutschland: „Männer gehen zur Arbeit, Frauen kümmern sich um Haushalt und Kinder.“ Sexuelle Dienstleistungen werden ebenfalls von den Ehefrauen erwartet. Übergriffiges Triebverhalten wird nur selten geahndet, da in den juristischen Kreisen noch viele Männer mit sehr konservativen Einstellungen sitzen. Umso erfrischender liest sich die Geschichte einer Frau, die nicht nur dagegen aufbegehrt, sondern sich sogar traut, eine ganze Frauengeneration dazu zu animieren, das überkommene Rollenklischee in Frage zu stellen. Wunderbar erzählt wird auch, wie sie sich Verbündete ins Boot holt, die sie nicht nur juristisch unterstützen, sondern vor allem über die Medien ihr zur Seite stehen. Da wird aus Einzelfällen eine richtige Front, angeführt von VIPs. Besonders imponiert hat mir die historische Einbindung, die unsere Geschichte lebendig werden lässt.

Bewertung vom 23.05.2023
Schneider, Romy

Gelegenheiten


ausgezeichnet

Wer kennt das nicht: Man macht seinen Job, verdient damit genügend Geld, um sich damit einen bestimmten Lebensstil leisten zu können. Trotzdem ist man unzufrieden. So wie Karla, die irgendwann feststellt, dass IHR Leben nicht mehr stattfindet und sie im Hamsterrad der Karrieristen gefangen ist.
Ähnlich wie der Held in George Orwell’s Roman ‚Coming up for Air‘ beschließt Karla, alles Bisherige hinter sich zu lassen und sich auf Neues einzulassen. Anders als Orwell, bei dem das Ganze in einer großen Desillusionierung endet, trifft Karla auf Menschen, die sie unterstützen. Und so kann sich für sie etwas Spannendes und grundlegend Neues entwickeln.
Die ganze Geschichte wird wunderbar erzählt, so dass man als Leser gespannt ist, mit wem Karla in Zukunft durch‘s Leben gehen wird. Hübsch gestaltet sind auch die Schaltstellen, die über ihren weiteren Lebensweg entscheiden.
Ich fand es schwer, das Buch abends vor dem Schlafengehen aus der Hand zu legen.

Bewertung vom 21.11.2022
Leevers, Jo

Café Leben


ausgezeichnet

Als Henrietta mit ihrem Job beginnt, von schwer an Krebs Erkrankten die Lebensgeschichten aufzuschreiben, scheint sie genau die Richtige für diesen Auftrag zu sein. Weitgehend ohne Einsatz eigener Emotionen erfragt sie die jeweiligen Stationen der einzelnen Lebensabschnitte. Als jedoch Annie ihr ihre Geschichte erzählt, wird sie hellhörig und beginnt, sich in deren Gefühle hineinzudenken. Sie beginnt selbst zu ermitteln. Dies ist ein wunderbarer Start in ein familiäres Geflecht, das dunkler und verworrener kaum sein kann. Es ist, als entwickle die Erzählerin aus einem unscheinbaren Keim eine ausgewachsene Pflanze: das Leben von Annie und ihrer Familie. Dabei ist nur Weniges vorhersehbar, so dass kraftvoll erzählte Plot für den Leser immer spannend bleibt. Auch Henrietta sieht sich veranlasst, etwas aus ihrem eigenen Leben zu offenbaren...

Bewertung vom 03.03.2022
Goldammer, Frank

Im Schatten der Wende


ausgezeichnet

Bedrückend und manchmal komisch: Die Wende eines Polizisten

Wenn man als Leser selbst sehr dicht an den Geschehnissen der Wende war, fällt einem so manche Rahmenhandlung des Buches wieder ein. Das bedeutet nicht, dass Bekanntes noch einmal frisch aufgebrüht wird.
Falck, ein junger Polizist, der als treuer Bürger der DDR aufgewachsen ist und sich für den Polizeidienst entscheiden hat, erlebt die Ereignisse, die letztlich zur Wende geführt haben. Es wird in geradezu bedrückender Weise beschrieben, wie er und seine Kollegen Todesangst vor den Montags-Demonstranten hat. Für ihn ist es unverständlich, dass Leute solch einen Hass auf den Staat haben. Bei seiner Arbeit lernt er junge Leute kennen, die ebenfalls das System in Frage stellen. Es wird sehr eindrucksvoll eschrieben, wie Falck in Gewissensnöte kommt, da Bauch und Kopf nicht zusammenpassen.
Als er dem Kriminal-Dauerdienst zugeteilt wird, arbeitet er mit einer illustren Schar von beiden Seiten der ehemaligen Grenze zusammen. Das hat streckenweise etwas Bizarres, wie so manche Nachwendesituation.
Ein extrem lesenswertes Buch, auch weil eine ganze Reihe von Charakteren systemübergreifend detailliert dargestellt werden.

Bewertung vom 14.09.2021
Bennett, S J

Das Windsor-Komplott / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.1


gut

She is NOT amused!
Typisch royal-britisch: Die erlauchte Gesellschaft trifft sich zum Konzert bei der Queen im privaten Kreis. Man nimmt die angemessenen Drinks und versucht, nicht nur das beeindruckende Konzert, sondern auch die Gesellschaft zu genießen. Dieses gelingt nicht jedem. Manch einer braucht das gesellschaftliche Rampenlicht, um sich angemessen darzustellen. Manch eine Begleitperson fühlt sich etwas deplatziert, aber trotzdem geschmeichelt, überhaupt eingeladen worden zu sein. Andere wundern sich nur über so manchen Gast.
Hierbei werden schon eine Reihe von Pfaden für mögliche Ermittlungen gelegt, die sehr bald nötig werden: Nachdem der Star des Abends tot aufgefunden wird, herrscht pure Verwirrung, zumal es sich um einen russischen Musiker handelt. Parallel zu den zuständigen Ermittlungsstellen werden seitens der Queen interne Ermittlungen in dieser heiklen Situation angestellt.
Eine nette Story für Freunde des Königshauses, das übrigens köstlich dargestellt wird, aber nicht immer mit der ermittlungstechnischen Stringenz, die aus der Story einen Thriller hätte machen können.