„Auf den Hinfahrten war er einsilbig, auf den Rückfahrten gesprächiger, ein aufrecht sitzender, strenger Richter in Schwarz, der den Daumen über Geiger und Pianisten häufiger senkte als er ihn hob.“ So beschreibt der Taxifahrer Jürgen Krause seinen etwas außergewöhnlich wirkenden Fahrgast Federico Temperini. Regelmäßig ruft der alte Mann neuerdings bei ihm an und lässt sich in die Philharmonie fahren. Allmählich entwickelt sich eine Nähe zwischen den beiden unterschiedlichen Männern. Beide sind auf ihre Art und Weise einsam. Jürgen Krause vermisst seinen Sohn, der mit seiner Ex-Frau und ihrem neuen Mann in einer anderen Stadt lebt. Temperinis große Leidenschaft gehört dem sogenannten Teufelsgeiger Nicolò Paganini, den er immer wieder erwähnt, aber unter den Lebenden scheint es niemanden zu geben, der ihm nahesteht. Das ganze Buch hindurch fragt sich Jürgen Krause, wer Federico Temperini eigentlich ist und warum „der Alte“ ausgerechnet ihn als Chauffeur gewählt hat. Ich würde es aber nicht vordergründig als ein spannendes Buch bezeichnen. Vielmehr als eines, das mit großer sprachlichen Vielfalt zwei Leben lebendig werden lässt, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Die Empathie, die beide allmählich füreinander empfinden, äußerst sich oft nur in kurzen Sätzen oder Gesten, aber dadurch wird sie so besonders. Insbesondere Jürgen Krause entwickelt tiefe Gefühle für Temperini, was vor allem zum Schluss hin deutlich wird. Es geht um Verlust, Einsamkeit, Väter und Söhne und um Musik, wobei die Themen miteinander verwoben sind. „Schwarzer Schwan“ ist eines dieser Bücher, das viel Gesprächsstoff liefert, weil es so gehaltvoll ist. Es entfaltet sich umso mehr, wenn man es langsam liest, jedenfalls ging es mir so. Ich habe jeden Satz genossen!
Ich habe mich in diesem Roman gut aufgehoben gefühlt. Das lag einerseits an der angenehm zu lesenden Sprache, aber auch am Inhalt. Die beiden Schwestern müssen erst zueinanderfinden. Bette hat sich jahrelang nicht blicken lassen, was Nina ihr übel nimmt, doch beide verbindet, dass sie gescheiterte Beziehungen hinter sich haben, die sie noch nicht verarbeitet haben und dass sie gemeinsam die Farm retten wollen. Allmählich nähern sie sich wieder an.
Das Besondere hier ist, dass es zwar jede Menge verletzte Gefühle, Turbulenzen und einen fiesen Gegenspieler gibt, dass Sharon Gosling ihre Figuren aber auch einen Heilungsprozess durchleben lässt. Was im Klartext heißt: Es gibt hier zwei extrem hilfsbereite Männer, die nicht nur kräftig mit anpacken, sondern auch bei beiden Schwestern jede Menge Gefühle auslösen ...
Den Apfelgarten hätte ich gerne selbst mit auf Vordermann gebracht, das war wirklich schön beschrieben. Sein Geheimnis zu erkunden, brachte zudem Spannung in die Geschichte.
Ein leicht zu lesender, wunderschöner Sommerroman.
Nach Jahren der Abwesenheit lädt ein Vater seine beiden Töchter Emma und Leo zusammen mit ihren Partnern zu einem Segeltrip in die Ägäis ein. Schon nach kurzer Zeit treten Konflikte auf. Emma leidet darunter, nicht schwanger zu werden. Leo hingegen will lieber Karriere machen und nimmt heimlich die Pille weiter. Und warum hat eigentlich der Vater so lange den Kontakt zu seinen Töchtern abgebrochen? Und welchen Einfluss auf die Familie wird die Skipperin Alex nehmen, die mit an Bord ist? „Blaue Tage brilliert mit einer wundervoll poetischen und zartsinnigen Sprache, die mich durch das Buch getragen hat. Zentrales Thema ist das Unausgesprochene, das an die Oberfläche gespült wird und ein Leben neu formatiert. Beim Lesen entstanden starke Bilder. Das Meer, die unterschiedlichen griechischen Inseln, das Leben auf dem Katamaran. Schwerpunkt liegt aber auf der Beschreibung der sich wandelnden Emotionen, insbesondere der von Leo, die als Ich-Erzählerin agiert. Ein tiefgründiger Sommerroman über einen neuen Lebensentwurf. Sehr lesenswert!
Georg steckt in einer leeren Ehe fest. Beruflich ist er als Vertreter für medizinischer Geräte viel unterwegs. Vier mal im Jahr kommt er in eine namenlose Stadt und bleibt dort für einige Tage. Frieda arbeitet als Grundschullehrerin. Eines Tages gerät sie auf dem Weg in die Arbeit in einen heftigen Wolkenbruch. An der Bushaltestelle steht Georg. Und dann passiert es. Ein Schirm, überwältigende Gefühle, der Beginn einer Liebe.
Sie sind längst zusammen, obwohl sie nur wenige Sätze unter dem Schirm miteinander gesprochen haben. Dabei dauert es, bis sie sich wiedersehen, denn keiner kennt den Namen des anderen. Gedanken und Gefühle fliegen hin und her. Dann treffen sie sich wieder:
„Er sah ihr nach und blieb noch eine Weile vorm Gebäude stehen, regungslos und neugeboren, als Verliebter, als Betrüger.“
Es bleibt eine Liebe im Verborgenen, die nie ihre Intensität verliert. Das Leben geht weiter. Viermal im Jahr sehen sie sich für ein paar Tage. Dann ist alles heil, gut und schön. Eine Liebe ohne Alltag, ohne Risse und deshalb so besonders.
Dirk Gieselmann hat sich in mein Herz geschrieben. Sätze wie Perlen. Eine Hommage an die Liebe – zartsinnig, seelenvoll und wunderschön. Eine stille Kraft verströmt dieses Buch, eine Tiefe und eine Ehrlichkeit. Das Gelesene wird Realität. Nach den letzten Seiten bleiben Georg und Frieda, sie werden noch lange bleiben.
Ein Buch für einen Tag oder eine schlaflose Nacht, denn einmal angefangen, wird man in die Geschichte hineingezogen wie in die Senklöcher im Treibsand von Longferry. Schon allein das Cover spiegelt die Stimmung des Buches wieder. Im Herzen ist der junge Thomas Musiker, aber er führt ein mühseliges Leben als Krabbenfischer, umgeben von Nebel. Trotzdem ist da auch Hoffnung: Hoffnung, am Wochenende im Pub zu singen. Hoffnung auf eine Verabredung mit der hübschen Joan. Und dann ist da ja noch Edgar, der amerikanische Regisseur, der ihm eine Statistenrolle in seinem Film verspricht. Aber was hat es mit ihm wirklich auf sich? Ich habe beim Lesen viel Warmherzigkeit für Thomas entwickelt. Der Gegensatz zwischen seiner tristen Realität als Krabbenfischer und der Lebendigkeit, die er empfindet, wenn er Musik macht, ist gut herausgearbeitet. Trotz seiner Zerrissenheit ist er ein aufrechter Kerl. Umso mehr wünscht man ihm, er möge seinen eigenen Weg gehen.. Ein Buch über Loyalität und Träume. Stimmungsvoll in seinen Naturbeschreibungen, reich an Empathie für seinen Helden. Große Empfehlung für alle, die tiefgründige Unterhaltung mögen!
Schottische Küste im Winter 1900. Traumatische Erinnerungen werden wach, als ein kleiner Junge am Strand von Skerry angeschwemmt wird. Die Lehrerin Dorothy erinnert sich an ihren eigenen Jungen, den sie einst an das Meer verlor. Nun wird sie gebeten, sich um das Kind zu kümmern. Sie stimmt zu, und damit rollt eine Welle ungeahnten Ausmaßes und mit großer emotionaler Wucht über die gesamte Dorfgemeinschaft.
Im Mittelpunkt dieses wundervollen Romans steht die Lehrerin Dorothy. Nach einer lieblosen Kindheit entwickelt sie eine steife und unterkühlte Persönlichkeit. Sie bleibt eine Außenseiterin im Dorfleben, und erstickt fast an ihrem selbst auferlegten Korsett. Einzig in Gegenwart des Fischers Joseph wird sie weich. Aber Dorothy ist ein Mensch, der sich selbst das Leben schwer macht.
Welches Geheimnis teilen Joseph und Dorothy? Und warum fällt es ihr so schwer, sich zu dieser Liebe zu bekennen?
Mit einer ausdrucksstarken poetischen Sprache beschreibt Julia R. Kelly das Leben in Skerry in all seiner Dramatik. Eine Schwere strömt aus diesem Buch, aber auch die Hoffnung auf Heilung. Dazu die raue Kulisse der schottischen Küste, der peitschende Wind, das tosende Meer. Die Wärme in den Häusern der Menschen.
Für mich ist „Das Geschenk des Meeres“ ein großer Roman über Verlust und die Schwierigkeit zu trauern, über Liebe, Geheimnisse und Intrigen. Ein Buchschatz, wie man ihn nur ganz selten findet. Sehr lesenswert!
Mit über 70 Jahren will Lilli ein letztes Buch schreiben. Doch so sehr sie sich auch bemüht, es gelingt ihr nicht. Dabei blickt sie auf eine beispiellose Karriere als Schriftstellerin zurück. Nun verlässt sie ihre Hamburger Villa, um auf der kapverdischen Insel Sao Vicente neue Anregungen zu finden. Sie kommt bei der alleinerziehenden Isabell und ihrem 10-jährigem Sohn Luis unter. Schnell schließen Luis und Lilli Freundschaft – mit unerwarteten Folgen ...
Das Buch liest sich leicht und flüssig, vermittelt aber gleichzeitig eine große Tiefe. Das zentrale Thema ist „Sodade“. „Mit diesem Wort beschreiben die Menschen auf den Kapverden eine Form der Sehnsucht, die hier allgegenwärtig ist.“ Der kleine Luis sehnt sich nach seinem Papa- Seine Mutter Isabell sehnt sich nach einem Studium und einem Mann, auf den sie sich verlassen kann. Und Lilli? Sie hat ihre Sehnsucht aus dem Herzen geschnitten. Darin liegt ihr Drama.
Durch die sich entwickelnde – und ganz bezaubernd beschriebene - Nähe zu Luis und Isabell wagt sie es, sich an ihre Wurzeln zu erinnern. An eine Insel in der Nordsee, an Robben und Vögel, an ein Kinderglück – bis alles zerstört wurde ...
Was machen Traumata mit uns? Können wir ihnen entkommen, indem wir nur nach vorne sehen? Und können die Verhärtungen, die solche Traumata bewirken, wieder aufbrechen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich dieses Buch.
Sao Vicente als Kulisse ist wunderbar gewählt. Man spürt die Hitze, erfreut sich an den Menschen mit ihrer offenen Mentalität, ihrem Lächeln und ihrer Fähigkeit, Glück zu empfinden.
Warmherzig ist dieses Buch geschrieben und glaubwürdig. Eine feine Geschichte über einen Heilungsprozess. Eine, die Mut macht, bevölkert mit äußerst liebenswerten Figuren. Große Empfehlung!
Kopfkinotauglich kommt der neue Roman von Evie Woods daher. Auf zwei Zeitebenen entführt er uns in ein idyllisches irisches Dorf, in dem man gar nicht anders kann als sich wohlzufühlen. So geht es auch Anna, die 1911 mit ihrer Familie in einem Cottage dort wohnt. Und 100 Jahre später Sarah, die nach einer gescheiterten Ehe aus New York spontan dorthin fliegt und sich in eben jenem Cottage einmietet. Durch Zufall findet sie Annas Taebuch in einem Baum. So verknüpfen sich ihrer beider Leben.
Beide Frauen begegnen der Liebe. Aber es geht um so viel mehr. Beide haben schwere Verluste erlitten, und beide haben diese Verluste noch nicht verarbeitet. Können ihnen die Feen dabei helfen? Wer sind diese Feen überhaupt? Sind sie die Geister der Verstorbenen? Oder ein Spiegel unserer eigenen Seelen? Diese Fragen stellen sich Anna und Sarah, die ich am liebsten immer wieder in den Arm genommen hätte. Ich weiß nicht, wann mich Romanfiguren zuletzt so berührt haben?
Das Buch entwickelt von Anfang an eine Dynamik, der ich mich nicht entziehen konnte. Das liegt nicht nur an der nicht eine Sekunde langweilenden Handlung, sondern auch an Evie Woods Fähigkeit, lebendig zu schreiben. Sie ist die geborene Geschichtenerzählerin. Bis nachts um zwei habe ich mich in diesem Buch gesuhlt, und ich hätte noch ewig weiterlesen können.
Ein Schmöker mit Magie, Figuren, die einem ans Herz wachsen und einer Tiefe, die ich so nicht vermutet hatte. Großes Kino. Große Gefühle. Große – nein, megagroße Empfehlung!
Die Geschichte um Sascha, Anna und Tochter Marie, die ihren Traum vom Haus auf dem Land verwirklichen, und die dann von einem renitenten Maulwurf in Schach gehalten werden, besticht von Anfang an mit Sprachwitz und Situationskomik. Insbesondere Sascha ist ein origineller Held, Nichts, aber wirklich nichts lässt er aus, um der immer wieder neu entstehenden Maulwurfhügel Herr zu werden. Aber gegen die biologische Bestimmung des lieben Tierchens kommt er einfach nicht an...
Es macht Spaß diesen witzigen Roman zu lesen. Und meiner Meinung nach ist er wirklich gekonnt witzig geschrieben. Er erzeugt auch viele Bilder beim Lesen, als würden die Szenen an die Wand geworfen. Vieles ist überzogen, aber an diesen Stellen musste ich am lautesten lachen. Davon lebt das Buch, und es passt hier vortrefflich. Der Schluss hat mir nach all den Aufregungen, kleinen und großen Katastrophen sehr gut gefallen.
Wer sich köstlich amüsieren und die Welt für ein paar Stunden vergessen möchte, ist genau richtig. Megamäßige Empfehlung von mir für diesen originellen Roman.
Sehr eindrucksvoll beschreibt dieser Roman die Wirren und Intrigen der Französischen Revolution. Im Mittelpunkt stehen die junge Malerin Éléonore Duplay und der Freiheitskämpfer Maximilien Robespierre. Beide lernen sich im Jakobinerclub kennen, wo Eleonore nach einem Blutbad auf dem Marsfeld in Paris hin flüchtet. Damit nimmt eine ungewöhnliche Liebesgeschichte ihren Lauf.
Das Buch hat mich von Anfang an gepackt. Und das lag nicht nur an der ohne Kitsch beschriebenen Liaison zwischen Éléonore und Robespierre, sondern auch an der Fachkenntnis, mit der Jeanette Limbeck die historischen Geschehnisse beschreibt. So wünsche ich mir, dass Geschichte vermittelt wird. Spannend, faszinierend und unterhaltsam.
Eleonore Duplay wird als starke Persönlichkeit geschildert. Furchtlos setzt sich für die Rechte der Frauen ein und deren Anerkennung als Künstlerinnen. Der Roman ist aus ihrer Sicht geschrieben. Und so begleiten wir sie durch diese turbulenten Jahre und erleben ihre wachsende Liebe zu Robespierre hautnah mit.
Ein horizonterweiternder Roman, der keine Langeweile aufkommen lässt. Einer, der aufwühlt und Geschichte lebendig werden lässt. Sehr lesenswert!
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