Ich kannte keinen der Vorgängerromane und bin direkt mit "Ungezügelt" gestartet. An manchen Stellen fiel es mir daher schwer, die Historie und die Charaktere zu rekonstruieren. Aber Alles in Allem ist meine Unvoreingenommenheit auch nicht schlecht gewesen.
Mir stach schon das Cover mit dem süßen weißen Häschen auf blauem Hintergrund ins Auge, das den knallrosa Einband verdeckt. Auch der Titel hat mich neugierig gemacht. Der Roman, der wie die 12 Vorgänger vom Leben der Andrea Schnidt handelt, ist sehr kurzweilig und eignet sich ideal als Urlaubs- oder Zwischendurchlektüre. Der Schreibstil ist angenehm und das Buch lässt sich bequem an einem Tag durchlesen.
Andrea Schnidt ist einige Jahre älter als ich, sodass ich manche Dinge aus einer anderen Perspektive betrachte. Ich konnte aber - auch im Namen meiner Mutter - herzlich über ihre Ansichten und ihr Erlebtes lachen. Vieles ist aus dem Leben gegriffen und sehr gut beobachtet. Das Ganze ist mit sehr Humor garniert, auch wenn es um ernste Themen geht. Andrea beschäftigt sich mit Themen wie Kindererziehung (aus der Oma-Adlerperspektive), Generationenkonflikt und Longevity. Aber auch Themen wie Lebenskrisen und Demenz werden in den Plot eingewoben und haben ihre Daseinsberechtigung.
Zur Kritik: Das "Ungezügelte", das Thema "Spice" ist mir zu dominant am Anfang und scheint mir aufgrund des Buchtitels sehr konstruiert. Auch die Bedeutung des Hasen erschließt sich mir nach dem Lesen nicht. Zudem kam mir der Schluss zu abrupt und manche Dinge bleiben ungeklärt. Aber das ist vermutlich Material für eine Fortsetzung...
Fazit: Insgesamt handelt es sich um einen pfiffigen Unterhaltungsroman über das Leben einer "jungen Alten", bei dem man herzhaft lachen, sich aber auch ernstere Gedanken machen kann.
Schon auf den ersten Seiten wusste ich, dass ich das Buch so schnell nicht mehr weglegen kann. Ich hatte nur ein vages Bild von der Person Eric Stehfest, aber sein autobiographischer Roman hat mich sofort mitgerissen. Er beleuchtet dabei seine Psychose und den langen, schweren Weg zur Erkenntnis und zur Heilung. Und er ist schonungslos ehrlich und selbstkritisch.
Eric Stehfest als Person polarisiert, er steht permanent in der Öffentlichkeit und nimmt an zahlreichen Shows teil. Seiner eigentlichen Persönlichkeit geht es damit alles andere als gut. Er leidet unter der ständigen Beobachtung und entwickelt Wahnvorstellungen. Er terrorisiert seine Frau mit falschen Anschuldigungen und Kontrollwahn und lebt seine nicht vorhandene Konfliktfähigkeit mit exzessivem Sport und Schlägereien aus. Als seine Familie zu zerbrechen droht, setzte er sich ins Auto und fährt in die Psychiatrie. Er liefert sich in die Tagesklinik ein und stellt sich seinen Dämonen. Aber das ist erst der Anfang einer langen Reise. Einer Reise zu einer Diagnose, die ihre Wurzeln in der frühesten Kindheit hat und einer Reise zu einer Heilung, die er sich über Jahre selbst verwehrt hat.
Ich bin beeindruckt von der Offenheit, mit der Eric Stehfest über seine Erfahrungen in der Psychiatrie berichtet. Er streut oft eine Prise (Galgen-)Humor ein, nennt seine Therapiegruppe "Die jungen Detektive", die auf der Suche nach sich selbst oder nach ihrer Bestimmung sind. Aber er berichtet auch ganz offen über seine von Sucht geprägte Kindheit und Jugend, über sein Elternhaus und alle Dämonen und Traumata, die ihn geprägt haben. Er nennt den Grund dafür, dass sich "der andere", sein zweites, lautes, egozentrisches Ich, entwickeln konnte.
Erzählt wird oft im Dialog mit der Psychiaterin, im Plauderton. Es wirkt so ehrlich und authentisch, dass ich mich gefragt habe, ob manche Gespräche mitgeschnitten und danach freigegeben wurden. Es klingt sehr überzeugend, wenn auch an mancher Stelle ein wenig überzeichnet, was dann wieder auf die Prise Fiktion schließen lässt.
Fazit: Wer mehr über paranoide Schizophrenie und das Leben mit einem zweiten Taktgeber im Kopf wissen will, sollte das Buch lesen. Auch für alle, die mehr über Eric Stehfest wissen wollen, spreche ich eine klare Leseempfehlung aus. Und nicht zuletzt empfehle ich das Buch generell, weil es trotz der Schwere der Themen spannend und unterhaltsam geschrieben ist.
Ich hatte Maltes Account abonniert, lange bevor ich dieses Buch in Händen hielt. Maltes Motto ist "Alles für die Tiere" und dem Motto bleibt er auch mit "Malte & Oßkar und der Lauf der Dinge" treu. Er erweckt die Geschichte der berühmten Taube mit dem eigenen Taubenwohnzimmer, Oßkars Geschichte, noch einmal zum Leben. Und er macht daraus nicht nur eine Geschichte über Freundschaft, sondern auch über Angst, Trauer, Trost und Zuversicht.
Malte ist über ein Band mit Phias Haus und damit auch mit Phia verbunden, am Band hängt ein Körbchen. Auf diesem Weg schreiben sich die beiden täglich Nachrichten und knüpfen zarte Bande. Oßkar, die Taube, wohnt im liebevoll eingerichteten Taubenwohnzimmer vor Maltes Fenster. Eines Tages möchte Malte Phia eine Freude machen und ihr einen selbst gezüchteten Kaktus schenken, der aber fällt und auf Oßkar landet. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf...
Und so lernt Malte, mit seiner Angst umzugehen, Hilfe anzunehmen, wie der Trost ihm helfen kann und wie das Leben auf der "anderen Seite" aussieht. Er lernt auch, dass es kein Zurück gibt und dass das der Lauf der Dinge ist. Aber er weiß auch, dass der Trost immer für ihn da ist, wenn er ihn braucht.
Die Protagonisten und die Darstellung der Gefühle sind wunderschön geworden. Der Trost ist ein großer, grüner, ruhiger Riese, der so vieles kann. Er trägt durch die Täler der Trostlosigkeit, er überbrückt den Fluss der Tränen und er umarmt, wärmt und tut gut. Man hätte den Trost nicht besser einfangen können.
Fazit: Wunderschöne, philosophisch anmutende Worte, eingebettet in phantasievolle, bunte Bilder. Ein Buch zum Träumen, Trauern und Hoffen.
Wir sind mit einem Tagebuch eingestiegen, in das wir als Familie jeden Abend gemeinsam unsere Erfahrungen eingetragen haben. Aber der Kontext der Gefühle und welche Auswirkungen sie haben, was sie für uns tun, das war nie klar. Und ich finde, dass das ungemein hilft, auch den Hintergrund einer Wut oder eines Kummers zu kennen. Die positiven Aspekte zu beleuchten und dann schriftlich festzuhalten.
Die Illustrationen sind sehr kindgerecht und niedlich, aber nie kitschig. Sie tragen zum Verständnis bei und haben es meiner Tochter viel leichter gemacht, die Tagesgefühle festzuhalten und einzuordnen.
Ganz wunderbar finde ich auch die Idee mit dem Zauberstift. So lassen sich die weniger schönen Gefühle festhalten, aber sie verschwinden bis zum nächsten Öffnen des Buches - ähnlich wie ein Sorgenfresser in Buchform.
Das Gefühle-Journal "Little Hearts Big Feelings" ist uneingeschränkt zu empfehlen - für mein Dafürhalten für Kinder ab 8 Jahren.
Meine Tochter und ich waren sofort begeistert von der Möglichkeit, mit eigenen Entscheidungen oder Würfelglück den Fortgang der Geschichte zu beeinflussen. Die unterschiedlichen Erzählstränge, die sich daraus ergeben, weichen zwar nicht signifikant voneinander ab. Aber die Interaktivität und die Varianten animieren auf jeden Fall zum Mehrfachlesen.
Der Plot ist schnell erzählt, aber durch die liebevollen Comiczeichnungen immer kurzweilig. Drei Freunde (ein Mensch, ein Halbork und ein Waldelf) treffen sich nach Mitternacht in ihrem Baumhaus, um ein Brettspiel zu spielen. Am nächsten Morgen wachen sie auf und stellen fest, dass sie verschlafen haben - und dass Ihr Dorf wie leergefegt ist. Sie treffen niemanden an. Daher begeben sie sich auf Ursachensuche und bekommen es unter anderem mit einem Kaktuswildschwein und fiesen Gnomen zu tun. Aber sie sind selbst nicht unbewaffnet...
Wir fanden die Geschichte sehr kurzweilig und lustig erzählt. Wenn es mal spannend wurde, dann auch nicht so sehr, dass es meine 7-jährige Tochter abgeschreckt hätte. Die Bilder sind sehr liebevoll gezeichnet und coloriert und die Protagonisten haben Identifikationspotenzial. Alles in Allem ein empfehlenswerter Comic für Erst- und Zweitklässler, aber auch für deren Eltern.
"Die schlechteste Idee in der Geschichte der schlechten Ideen" von Herman van de Wijdeven kommt als gebundene Hardcoverausgabe mit einem hübschen, teenagergerechten Cover daher. Mich hatte es direkt angesprochen und ich hatte gehofft, meiner jüngeren Tochter die Themen Freundschaft und Eifersucht damit etwas näher bringen zu können.
Ich wurde vom Inhalt und Schreibstil positiv überrascht. Auch die Zeitsprünge fand ich nach einigen Seiten Eingewöhnung abwechslungsreich und passend. Zumal der Erzählfluss dadurch nicht unangenehm unterbrochen wird und die Einzelstränge immer wieder zusammenfinden. Für mich war das faszinierend, meine Tochter fand es leider nur verwirrend. Daher habe ich dann alleine weitergelesen - und es in einem Rutsch beendet.
Meine persönliche Downside? Dass der Autor sich leider nicht ausreichend Zeit zur Charaktergestaltung gelassen hat. Manche Dinge sind überzogen ausführlich erzählt, andere kommen dabei aber zu kurz. Ich hätte mir mehr an der einen oder anderen Stelle mehr Emotion und Tiefgang gewünscht.
Fazit: die Altersempfehlung kann ich zu 100% unterschreiben, vor 11 Jahren macht es keinen Sinn. Ich fand das Buch überraschend gut geschrieben, wenn die Würze auch nicht in jedem Fall in der Kürze liegt.
Bozen, Anfang der neunziger Jahre, ein kalter Winterabend, die grausam zugerichtete Leiche einer Prostituierten. Die perfekte Szenerie und ein guter Einstieg für einen spannenden Thriller. Eigentlich.
Die Ermittler Krupp und Lici ermitteln in dem Fall, obwohl ihre Kollegen wenig Bedarf sehen – handelt es sich doch um eine Ermittlung im Millieu. Ebenso wenig kümmert sich die Bevölkerung darum, bis eine weitere Leiche auftaucht und der Verdacht im Raume steht, dass es sich um einen Serienmörder handeln könnte.
Ich muss zugeben, dass ich mir deutlich mehr von Luca D'Andrea erhofft hatte. Er schreibt grundsätzlich flüssig und atmosphärisch dicht und der Thriller ist trotz der hohen Seitenzahl schnell zu lesen. Allerdings hatte die Story einige Längen, die es mir erschwert haben, am Ball zu bleiben. Die Entwicklung der Figuren ist unerlässlich, aber manche Details waren mir zu viel und haben dem Aufrechterhalten der Spannung nicht gutgetan. Auch die Auflösung ging mir persönlich zu schnell (nach Allem, was vorher war) und wirkte recht konstruiert.
Fazit: Für Hardcore-Fans von D'Andrea sicher ein Muss, aber für Thriller-Fans wegen der unnötigen Längen nicht uneingeschränkt zu empfehlen.
Die Jubiläumsausgabe des Kursbuchs beschäftigt sich mit der einfachen und gleichzeitig überaus schweren Frage „Wie geht’s weiter?“ Damit ist nicht nur die Zukunft generell oder die Zukunft des Kursbuches gemeint, sondern vielmehr die Gesellschaft selbst.
Diese Frage wurde auch den 13 Gesprächspartner*innen gestellt, die aus unterschiedlichen Lebensbereichen kommen (Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur). Zu den Interviewten zählen u.a. Andreas Voßkuhle, Jana Ringwald, Ariella Chmiel, Wolfgang Schmidbauer, Aladin El-Mafaalani und Simon Strauß. Durch die Vielfalt der Auswahl sind auch die Perspektiven auf die Kernfrage und die thematische Auseinandersetzung damit sehr vielfältig.
Die Themenauswahl der Interviews fand ich sehr spannend und divers: es geht u.a. um die Zukunft der Demokratie, um Geschlechterfragen, um Cyberkriminalität und um die Rolle des Jüdischen in unserer Gesellschaft. Und das ist nur eine kleine Auswahl.
Ich fand die Interviews insgesamt sehr flüssig und angenehm zu lesen. Sie sind eloquent, unterhaltsam und sprachlich auf den Punkt. Mir hat das Kursbuch in der Jubiläumsedition neue Perspektiven eröffnet und mehr als einen Denkanstoß gegeben.
Mit Thomas Mirows Buch „Die Deutschen. Wer wir sind. Wer wir sein wollen.“ liegt eine Sammlung an Essays vor, die sich mit grundlegenden Fragen unserer heutigen Gesellschaft befassen - von der Klimakrise über die Deutsche Identität bis hin zur Bedeutung des Fußballs. Zu den Verfasser*innen der Essays zählen u.a. Marlene Knobloch, Serap Güler und Andreas Voßkuhle.
Das Werk beschäftigt sich mit Fragen und potenziellen Antworten inmitten einer Findungsphase der Deutschen. Wer sind wir Deutschen heute, wie definieren wir uns vor dem Hintergrund einer schwächelnden EU, von Kriegen, von Inflation und einer nicht mehr wegzudiskutierenden Klimakrise?
Durch das breitgefächerte Wissen der Autoren des Buches ist auch das Werk sehr vielfältig. Die unterschiedlichen Perspektiven auf die Lage der Nation und auf die Deutschen habe ich als sehr bereichernd empfunden. Freilich ist der eine oder andere Beitrag herausfordernder, zumal sich die Schreibstile stark unterscheiden. Aber die Sammlung ist hochaktuell und die Verfasser*innen der Beiträge sind sehr gut gewählt.
Das Werk regt zum Reflektieren, Diskutieren und Mitmachen an. Denn eine Zukunft, die wir alle als lebenswert empfinden, können wir nur gemeinsam erreichen.
Fazit: es handelt sich um ein umfangreiches und facettenreiches Werk, das teilweise „schwere Kost“ ist, aber sich lohnt! Es ist als Anregung und als Diskussions- und Reflexionsgrundlage der eigenen gesellschaftlichen Positionierung uneingeschränkt zu empfehlen.
Der junge Zeitungsschreiber Johann wohnt einer Enthauptung bei, um sie für den Frankfurter Korrespondenten möglichst detailreich beschreiben zu können. Der zum Tode verurteilte raunt ihm kurz vor dem Niedergang des Richtschwertes ein Wort zu, das ihm den Atem stocken lässt. Es werden drei grausam zugerichtete Leichen gefunden, die auf den ersten Blick keinerlei Verbindung haben. Die Morde halten nicht nur den Kriminalrat, sondern auch den als Gerichtsmediziner Theophil Pontus und dessen Tochter Manon in Atem.
So beginnen die höchst ungewöhnlichen und unfreiwilligen Ermittlungen eines ungleichen Paares: Johann und Manon. Johann ist schon von Berufs wegen der Wahrheit verpflichtet und will, dass der wahre Mörder zu Rechenschaft gezogen wird. Dabei ist er stets darauf bedacht, sein wohlgehütetes Geheimnis zu bewahren, das ihm zum Verhängnis werden könnte. Manon wurde im Geiste der Aufklärung erzogen, ist sehr belesen und hat großes Interesse an medizinischen Zusammenhängen. Das ist ungewöhnlich für eine Frau in dieser Epoche und auch eher dem Zufall geschuldet. Ihr Vater hat sich nach dem Tod der Mutter noch mehr der Forschung verschrieben und Manon zeigte früh Interesse an seiner Arbeit, sodass er sie gewähren ließ und sie auch einigen Leichenschauen beiwohnen durfte.
Johann und Manon stellen zunächst getrennt voneinander Nachforschungen an, immer getrieben vom Gerechtigkeitsstreben und dem naturwissenschaftlichen Interesse. Und als die beiden beginnen, sich auszutauschen, erkennen sie, dass sie gemeinsam noch schlagfertiger, noch effizienter sind. Und so ruhen sie nicht, bis sie... sich selbst in tödliche Gefahr begeben.
Der historische Thriller aus der Feder von Nora Kain hat mich direkt in den Bann gezogen, ich konnte ihn nicht mehr aus der Hand legen, ein echter Pageturner! Abgesehen von der Spannung, die ab der ersten Seite spürbar ist, haben mich die wohl recherchierten historischen Hintergründe fasziniert. Die Sprache ist der Epoche der Aufklärung perfekt angepasst und versetzt den Leser sofort ins Frankfurt des beginnenden 19. Jahrhunderts. Auch die bildhafte Sprache sorgt dafür, dass man den Dreck auf den Straßen förmlich spüren und die Schuppen des Aals riechen kann.
Fazit: Mir gefällt "Frevel" vom Cover bis zum Ende sehr gut. Ich würde mich freuen, wenn die Autorin über einen zweiten Teil mit dem ungleichen Ermittlerpaar nachdenken würde.
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