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Heiki Rud
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Regensburg

Bewertungen

Insgesamt 101 Bewertungen
Bewertung vom 01.08.2025
Gerhardt, Sven;Dulleck, Nina

Der OktoBus auf großer Fahrt


ausgezeichnet

„Der OktoBus auf großer Fahrt“ von Nina Dulleck und Sven Gerhardt ist ein liebevoll gestaltetes Bilderbuch, das durch seine fantasievollen Illustrationen und den humorvollen Reimtext sofort begeistert. Die Geschichte nimmt kleine (und große) Leserinnen und Leser mit auf eine ungewöhnliche Busreise voller Überraschungen, bei der nicht das Ziel, sondern das gemeinsame Unterwegssein im Mittelpunkt steht.

Erzählt wird von Oktopus Otto, der mit seinem außergewöhnlichen Bus durch eine kunterbunte Welt fährt und dabei nach und nach eine tierische Truppe an Fahrgästen einsammelt. Jedes Tier bringt eine eigene Persönlichkeit und Geschichte mit, was für viel Abwechslung sorgt. Besonders charmant: Der Busfahrer weiß selbst nicht genau, wohin die Reise eigentlich geht – eine Tatsache, die bei Kindern für viele Fragen und noch mehr Neugier sorgt.

Die Reime sind schwungvoll und klangvoll geschrieben, was das Vorlesen zum echten Vergnügen macht. Sie wirken nicht konstruiert, sondern fließen angenehm und bleiben im Ohr. Auch nach mehrmaligem Lesen entdeckt man neue Details – sei es in der Sprache oder auf den opulent bebilderten Seiten.

Visuell strotzt das Buch nur so vor Einfallsreichtum. Die Zeichnungen sind farbenfroh, verspielt und voller kleiner Nebengeschichten, die die Fantasie der Kinder anregen. Zwischen dem Offensichtlichen verstecken sich viele witzige Szenen, die auch für Erwachsene ein Schmunzeln bereithalten – ein echter Pluspunkt beim gemeinsamen Lesen.

Das Finale bringt eine schöne, aber dennoch tiefgründige Botschaft mit sich. Ohne zu viel zu verraten: Es geht um Selbstwahrnehmung, Zusammenhalt und darum, wie wertvoll es ist, sich gemeinsam auf den Weg zu machen – ganz egal, wohin er führt.

Bewertung vom 24.07.2025
Wilson, Alexandra

Die feindliche Zeugin


sehr gut

Ein weißer Mann wird mitten am Tag in einem Londoner Park erstochen. Wenige Meter entfernt: Emmett, ein junger Schwarzer mit blutverschmierten Händen. Für viele scheint der Fall klar – doch Emmett sagt, er war zwar dort, aber er hat niemanden getötet. Mehr gibt er nicht preis.

Alexandra Wilson erzählt in ihrem Roman nicht nur eine spannungsgeladene Geschichte, sondern öffnet auch die Augen für tief verankerte Vorurteile im britischen Rechtssystem. Als Anwältin weiß sie genau, wovon sie schreibt, und diese fachliche Tiefe zieht sich durch das gesamte Buch.

Im Zentrum steht Rosa, eine junge Strafverteidigerin mit gemischter Herkunft, die selbst ihren Weg durch gesellschaftliche Hürden gehen musste. Sie übernimmt Emmetts Verteidigung – ein Fall, der sie nicht nur beruflich, sondern auch persönlich herausfordert. Denn ihr Mandant schweigt hartnäckig, obwohl alles gegen ihn spricht. Trotzdem gibt Rosa nicht auf, denn sie spürt, dass hinter dem Schweigen mehr steckt als Schuld.

Das Buch ist mehr als ein juristischer Krimi – es ist ein kritischer Blick auf strukturellen Rassismus, ungleiche Chancen und die Mechanismen eines Systems, das oft nicht allen dieselben Möglichkeiten bietet. Dabei bleibt der Ton nie belehrend, sondern erzählt die Geschichte mit Menschlichkeit, Empathie und enormer Spannung.

Rosas Figur ist facettenreich: Sie ist ehrgeizig, manchmal impulsiv, kämpft mit familiären Verpflichtungen und inneren Zweifeln – gerade das macht sie so glaubwürdig.

Ein Roman, der unter die Haut geht, ohne plakativ zu sein. Wer nach einer Geschichte sucht, die sowohl fesselt als auch zum Nachdenken anregt, liegt hier genau richtig.

Bewertung vom 01.07.2025
Klug, Susanne

Die neue Babyernährung (eBook, ePUB)


sehr gut

Das Buch liefert einen fundierten Überblick über verschiedene Möglichkeiten, ein Baby an feste Nahrung heranzuführen. Neben klassischen Breirezepten wird auch das Konzept des Baby-led Weaning (BLW) aufgegriffen – samt Rezeptideen für Fingerfood. Besonders angenehm: Viele der Gerichte lassen sich schnell und unkompliziert umsetzen, ohne dass man lange Einkaufslisten oder komplizierte Zubereitungsschritte befürchten muss.

Was mir besonders positiv aufgefallen ist, sind die allgemeinen Ernährungstipps, die über bloße Rezeptvorschläge hinausgehen. Fragen wie „Was darf mein Kind trinken?“, „Wie viel ist genug?“ oder „Was tun, wenn das Baby den Löffel verweigert?“ werden ebenso behandelt wie praktische Hinweise zum Essverhalten.

Stark ist das Buch auch im Bereich der Rezeptkennzeichnung: Symbole geben hilfreiche Hinweise zu Nährstoffen, Altersempfehlungen oder besonderen Zubereitungshinweisen – das macht die Anwendung im Alltag deutlich leichter.

Inhaltlich bietet das Buch für Einsteiger:innen viel Wertvolles. Wer sich allerdings bereits intensiv mit Babyernährung auseinandergesetzt hat oder andere Ratgeber kennt, wird wenig grundlegend Neues entdecken. Dennoch ist die klare Struktur, der gelungene Mix aus Theorie und Praxis sowie die durchdachte Aufbereitung ein großer Pluspunkt.

Fazit: Kein revolutionäres Nachschlagewerk, aber eine rundum gelungene, übersichtliche Einführung – ideal für alle, die einen sicheren und unkomplizierten Einstieg ins Thema suchen.

Bewertung vom 26.06.2025
Kessel, Carola von

Die Roboter / Wieso? Weshalb? Warum? Junior Bd.78


sehr gut

Die Gestaltung gefällt mir sehr gut: die farbenfrohen Seiten, liebevoll gezeichneten Figuren und die vielen Klappen laden zum Entdecken ein. Mein Kind war sofort begeistert und wollte jede Klappe öffnen, bevor ich überhaupt mit dem Vorlesen starten konnte.

Was mir besonders gut gefällt, ist die Mischung aus Illustration und Information. Es wird gezeigt, wo uns Roboter im Alltag begegnen – vom Staubsauger bis zur Feuerwehr – und das auf eine Weise, die auch jüngere Kinder anspricht. Manche Begriffe und Darstellungen fand ich jedoch etwas anspruchsvoll für Zweijährige. Würde es eher für etwas ältere Kinder empfehlen.

Positiv überrascht hat mich die Vielfalt der vorgestellten Robotertypen. Auch die Seitenstabilität ist ein großer Pluspunkt – das Buch hält auch etwas stürmischeres Umblättern gut aus.

Insgesamt finde ich das Buch gelungen. Es erklärt ein komplexes Thema kindgerecht, bleibt dabei aber nicht oberflächlich. Für ganz junge Kinder ab zwei Jahren könnte es stellenweise noch etwas zu technisch sein. Ich würde es daher eher ab drei Jahren empfehlen – zumindest wenn man möchte, dass die Kinder den Inhalt auch verstehen und nicht nur die Bilder bestaunen.

Bewertung vom 22.06.2025
Kemp, Kate

Lauter kleine Lügen


gut

In Lauter kleine Lügen entfaltet Kate Kemp ein fesselndes Porträt einer australischen Vorortsiedlung, in der die Idylle nur oberflächlich besteht. Erzählt wird vieles aus der Sicht der zwölfjährigen Tammy, deren unvoreingenommener Blick auf ihre Nachbarn überraschend klar, manchmal aber auch herrlich naiv ist. Ihre kindliche Neugier bringt sie dazu, einen Mord in ihrer Straße auf eigene Faust aufzuklären – ein Unterfangen, das gleichzeitig charmant, spannend und tief bewegend ist.

Was mich besonders angesprochen hat, war die feine Beobachtungsgabe, mit der Kemp das kleinstädtische Zusammenleben seziert. Es geht weniger um das Verbrechen an sich als um die Dynamik zwischen den Bewohnern – wie Misstrauen, alte Verletzungen und Vorurteile das Miteinander vergiften. Die Gespräche auf dem Gehweg, das Tuscheln über Hecken hinweg, die stille Überwachung aus dem Fenster – all das wirkt beunruhigend authentisch.

Die Figur der Tammy ist dabei ein großartiger erzählerischer Kniff. Ihre Sicht ist durch und durch ehrlich, aber auch begrenzt – was dazu führt, dass ihre Schlussfolgerungen oft ins Leere laufen. Gerade darin liegt aber der Reiz: Immer wieder wird der Blick geweitet, und die tatsächlichen Zusammenhänge offenbaren sich – meist weniger dramatisch, aber umso tragischer oder absurder.

Ein großer Pluspunkt ist auch das Zeitkolorit. Kemp lässt die späten 70er Jahre in Australien in vielen Details wieder lebendig werden – sei es in der Sprache, in den gesellschaftlichen Spannungen oder in der Gestaltung der häuslichen Rollenbilder. Dass Themen wie Rassismus, Homophobie und familiäre Vernachlässigung eine Rolle spielen, wirkt nie aufgesetzt, sondern ergibt sich ganz organisch aus der Handlung.

Ein Wermutstropfen bleibt jedoch: Im Mittelteil verliert die Geschichte spürbar an Tempo. Die Vielzahl der Figuren und Nebenhandlungen droht das eigentliche Geschehen zu überlagern. Einige Kapitel wirken beinahe wie eigenständige Episoden, was den roten Faden ein wenig ausfransen lässt.

Trotzdem gelingt Kemp ein bemerkenswerter Debütroman, der mehr als nur eine klassische Krimigeschichte erzählt. Lauter kleine Lügen ist eine kluge, feinfühlige Studie über das soziale Gefüge einer Gemeinschaft – und darüber, wie schnell Misstrauen wachsen kann, wenn jeder glaubt, den anderen durchschaut zu haben.

Bewertung vom 16.06.2025
Wen, Lai

Himmlischer Frieden


sehr gut

Manchmal trifft man auf ein Buch, das still beginnt – fast unbemerkt – und einen dann über viele Seiten hinweg nicht mehr loslässt. Himmlischer Frieden von Lai Wen ist genau so ein Werk. Es hat mich überrascht, bewegt und lange beschäftigt.

Im Mittelpunkt steht Lai, eine junge Frau, die in einem einfachen Pekinger Viertel aufwächst. Doch das eigentlich Politische des Romans schiebt sich erst nach und nach in den Vordergrund. Anfangs sind es die familiären Strukturen, die mich besonders berührt haben: die Wärme der Großmutter, das Schweigen des Vaters, die Unruhe des kleinen Bruders – Figuren, die nicht nur skizziert, sondern tief gezeichnet sind. Die Großmutter hat mich besonders beeindruckt: keine Heldin im klassischen Sinn, aber jemand, der standhaft bleibt, wo andere sich wegducken.

Lai beobachtet, liest, denkt viel – zunächst eher im Stillen. Doch gerade aus dieser Zurückhaltung entwickelt sich eine kraftvolle Entwicklung. An der Universität trifft sie auf neue Denkansätze, alte Freunde und politische Ideen, die ihr Weltbild erschüttern. Die Erzählung bleibt dabei stets persönlich, nie pathetisch, und genau das macht sie so glaubwürdig. Die Autorin vermeidet einfache Botschaften – vielmehr tastet sie sich sprachlich präzise und mit spürbarer Aufrichtigkeit an komplexe Fragen heran.

Dass es am Ende um die Proteste 1989 geht, ist nicht der alleinige Kern der Geschichte – vielmehr bildet dieses Ereignis den Kulminationspunkt eines inneren Weges. Für mich war es gerade die lange Vorbereitung darauf, das behutsame Herantasten an politische Verantwortung, das Himmlischer Frieden zu einem besonderen Roman macht.

Ja, das Buch ist umfangreich. Ja, es hätte an manchen Stellen gestrafft werden können. Aber ich bin froh, dass es das nicht wurde. Denn die Details, die Zwischentöne, die kleinen Szenen – sie alle tragen dazu bei, dass dieser Roman wirkt wie ein gelebtes Leben.

Fazit:
Ein bemerkenswerter, tiefgründiger Roman über Erwachsenwerden unter politischem Druck, über Mut und Erinnerung – und darüber, wie persönliche Geschichten Geschichte schreiben. Ein stilles, kraftvolles Buch.

Bewertung vom 29.05.2025
Trabucco Zerán, Alia

Mein Name ist Estela


sehr gut

Als ich Mein Name ist Estela von Alia Trabucco Zerán begann, wusste ich schnell, dass dies keine gewöhnliche Erzählung werden würde. Estela, die Ich-Erzählerin, spricht aus einer Zelle zu einem unsichtbaren Publikum – zu uns. Ihre Stimme ist leise, roh und eindringlich, aber voller Kraft. Ich saß da, las und spürte, wie sie durch jede Zeile hindurch versuchte, gehört zu werden.

Ihre Geschichte ist keine Heldinnengeschichte im klassischen Sinn. Estela verlässt ihr ländliches Zuhause, um in der Stadt zu arbeiten – nicht aus Abenteuerlust, sondern aus Not. Sie wird Hausangestellte in einem Ort, der von kalter Kontrolle, und einem fast sterilen Desinteresse an ihrer Menschlichkeit geprägt ist. Alles in ihr wird bewertet: ihr Körper, ihr Auftreten, ihr Schweigen. Und doch ist es sie, die die meiste Fürsorge aufbringt – vor allem für das Kind.

Wie subtil Machtverhältnisse wirken, wenn man nicht einmal als Subjekt wahrgenommen wird. Ihre Sprache, so zurückhaltend sie anfangs scheint, wird zu einer Art Widerstand, zu einem letzten Akt des Sprechens, als sie schon längst verurteilt wurde – vielleicht juristisch, ganz sicher aber sozial.

Am Ende blieb ich zurück mit Wut und Mitgefühl. Estela ist erfunden, ja. Aber sie steht für viele, die nicht gehört werden.

Fazit:
Ein kompromissloses, kraftvolles Buch über Klassenverhältnisse, Schweigen, Schuld – und die Möglichkeit, trotz allem nicht zu verstummen.

Bewertung vom 15.05.2025
Peters, Amanda

Beeren pflücken


ausgezeichnet

Amanda Peters Beeren Pflücken ist ein zutiefst berührender Debütroman, der mich von der ersten Seite an nicht mehr losgelassen hat. Im Zentrum steht das plötzliche Verschwinden der kleinen Ruthie, das nicht nur ihre Familie erschüttert, sondern über Jahrzehnte hinweg nachwirkt – besonders bei ihrem Bruder Joe und einer Frau namens Norma, die Jahrzehnte später beginnt, ihre eigene Herkunft zu hinterfragen.

Erzählt wird die Geschichte aus zwei wechselnden Perspektiven: Joe, der als Kind seine Schwester zuletzt gesehen hat und seitdem von Schuld und Trauer verfolgt wird, und Norma, die in einer wohlhabenden Familie aufwächst, aber früh spürt, dass ihre Vergangenheit nicht der entspricht, was man ihr erzählt. Beide Lebenswege sind geprägt von Unsicherheit, Verlust und einer tiefen Sehnsucht nach Zugehörigkeit.

Was mich besonders beeindruckt hat, ist die feinfühlige Darstellung indigener Lebensrealitäten – ohne Klischees, dafür mit viel Tiefe und Respekt. Peters gelingt es, nicht nur individuelle Schicksale zu erzählen, sondern auch gesellschaftliche Missstände wie Rassismus, kulturelle Entwurzelung und das Wegsehen der Behörden gegenüber marginalisierten Gruppen aufzuzeigen. Das Buch behandelt dabei schwierige Themen wie Kindesentzug, Alkoholismus und Krankheit mit einer erstaunlichen Balance aus Zurückhaltung und emotionaler Wucht.

Der Roman lebt weniger von spannungsgeladenen Wendungen als von der inneren Entwicklung seiner Figuren. Trotz der dunklen Themen bleibt immer ein Hauch von Hoffnung spürbar. Peters’ Sprache ist klar, poetisch und voller Empathie – jede Zeile wirkt durchdacht, jede Emotion authentisch.

Beeren Pflücken ist nicht nur ein Familienroman, sondern auch eine leise, kraftvolle Auseinandersetzung mit der Frage, was es bedeutet, verloren zu gehen – und sich selbst vielleicht doch noch zu finden. Ein Buch, das bleibt.

Bewertung vom 04.05.2025
Blum, Ingo

Brüll, kleiner Löwe - Rugis, petit lion


ausgezeichnet

In “Brüll, kleiner Löwe – Rugis, petit Lion” erleben wir die berührende Geschichte eines kleinen Löwen, der mit seiner lauten, unmelodischen Stimme hadert. Während andere Tiere mit ihren wohlklingenden Tönen glänzen, fühlt sich der kleine Löwe fehl am Platz – bis ein einschneidendes Ereignis ihm zeigt, dass auch seine Stimme gebraucht wird.

Die Geschichte entfaltet sich liebevoll und kindgerecht und wird durch die farbenfrohen Illustrationen von Liubka Prus wunderbar ergänzt.

Was das Buch besonders macht, ist sein zweisprachiger Aufbau. Jede Seite zeigt den Text sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch, wodurch es ideal für Familien ist, die Mehrsprachigkeit fördern möchten. Das Sprachenlernen geschieht hier nicht über Vokabellisten, sondern eingebettet in eine warmherzige Erzählung, die Werte wie Selbstakzeptanz, Mut und Freundschaft vermittelt.

Ein schönes Extra ist das mitgelieferte Lied, das über einen QR-Code abrufbar ist – ein echtes Highlight für Kinder, das die Geschichte auf musikalische Weise abrundet.

Ein rundum gelungenes Buch, das zeigt, wie wertvoll es ist, an sich selbst zu glauben.

Bewertung vom 27.04.2025
Ogawa, Ito

Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen


sehr gut

Mit Hatokos wunderbarer Schreibwarenladen hat Ito Ogawa einen Roman geschaffen, der nicht mit lautem Drama oder überraschenden Wendungen punktet, sondern mit leiser Tiefe und poetischer Beobachtungsgabe. Als Leser begleitet man Hatoko, eine junge Frau, die nach dem Tod ihrer Großmutter deren Laden übernimmt – ein Ort, der mehr ist als nur ein Geschäft für Papier und Tinte. Hier beginnt für sie ein neues Kapitel, in dem sie nicht nur Briefe für andere Menschen schreibt, sondern auch langsam sich selbst neu kennenlernt.

Der Roman lebt von der stillen Kraft des Alltags. Es geht nicht um das große Spektakel, sondern um die kleinen, oft übersehenen Details: das Geräusch eines Pinsels auf Papier, die Auswahl der passenden Briefmarke, die Art, wie ein Kunde zögert, bevor er seine Geschichte erzählt. Hatoko hört zu, fühlt mit und verwandelt Gedanken in Worte, die berühren. Ihre Arbeit als professionelle Briefschreiberin mag in unserer digitalen Welt ungewöhnlich wirken, doch sie wird hier mit so viel Würde und Hingabe beschrieben, dass man sich fragt, warum wir überhaupt damit aufgehört haben, unsere Gefühle auf Papier zu bannen.

Das Buch ist in vier Kapitel gegliedert – Frühling, Sommer, Herbst und Winter – und genau wie die Natur folgt auch Hatokos Entwicklung einem unaufgeregten, aber stetigen Wandel. Besonders schön ist, dass wir durch ihre Begegnungen mit sehr unterschiedlichen Menschen auch viele Facetten menschlicher Emotionen erleben – Trauer, Hoffnung, Wut, Liebe. Und obwohl sie für andere schreibt, spiegelt sich in jedem Auftrag auch ein Stück ihrer eigenen Geschichte wider.

Die Sprache ist zart und bildreich, manchmal fast meditativer Natur, was wunderbar zur Atmosphäre passt. Wer einen schnellen Plot oder spannende Konflikte erwartet, wird hier vermutlich nicht fündig.

Ein Buch wie eine Tasse Tee: schlicht, warm, und lange nachklingend. Ideal für alle, die Literatur mögen, die zwischen den Zeilen lebt.