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bookloving
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Munich

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Insgesamt 42 Bewertungen
Bewertung vom 06.05.2025
Wo wir uns treffen [ungekürzt] (MP3-Download)
Hope, Anna

Wo wir uns treffen [ungekürzt] (MP3-Download)


sehr gut

*Zwischen Erbe und Zukunft - ein vielschichtiger Familienroman*
Mit „Wo wir uns treffen“ legt Anna Hope einen feinfühlig erzählten, tiefgründigen Familienroman vor, der sich auf differenzierte Weise mit Trauer, familiärem Erbe, Verantwortung und den Schatten der Vergangenheit auseinandersetzt.
Geschickt verwebt die Autorin aktuelle gesellschaftliche Themen mit den individuellen Lebenswegen ihrer vielschichtigen Figuren zu einer bewegenden Geschichte.
Im Mittelpunkt steht das traditionsreiche Landgut der Familie Brooke im englischen Sussex. Nach dem Tod des Patriarchen Philip Brooke versammelt sich die zerrissene Familie, um im kleinen Kreis Abschied zu nehmen und sich mit dem materiellen sowie emotionalen Erbe auseinanderzusetzen. Die Handlung entfaltet sich über fünf Tage und wird aus der Perspektive der drei Geschwister Frannie, Milo und Isa sowie ihrer Mutter Grace erzählt.
Anna Hope gelingt es hervorragend, lebendige und tiefgründige Charaktere zu erschaffen und ein glaubwürdiges und vielschichtiges Familienporträt zu zeichnen. So tauchen wir tief in die komplexen Dynamiken und die subtilen Spannungen zwischen den Familienmitgliedern ein. Jeder von ihnen ringt auf seine eigene Weise mit der Bewältigung vergangener Konflikte, der Übernahme persönlicher Verantwortung und dem Umgang mit den belastenden Hinterlassenschaften des familiären Erbes.
Die Geschwister verbinden sehr verschiedene Vorstellungen über die Zukunft des Anwesens, geprägt von ihren individuellen Lebensentwürfen und Erfahrungen in der Vergangenheit. Während die älteste Tochter Frannie das gemeinsam mit ihrem Vater initiierte „Albion-Projekt“ fortführen möchte und eine Renaturierung des Landes zur Wiederherstellung des Ökosystems anstrebt, verfolgt der mittlere Sohn Milo mit der Idee eines exklusiven Retreats vor allem wirtschaftliche Interessen. Die jüngste Tochter Isa hingegen zeigt sich eher zurückhaltend und unentschlossen. Die Ankunft der von ihr eingeladenen Clara, der jungen, dunkelhäutigen Tochter der langjährigen Geliebten des Vaters aus den USA, bringt Unruhe in die Familie. Sie enthüllt unbequeme Wahrheiten über die Vergangenheit und den Ursprung des Familienvermögens, die schließlich das Gefüge der Familie erschüttern.
Besonders beeindruckend sind die Passagen, in denen Hope die atemberaubende Natur ins Zentrum rückt und die Flora und Fauna des Anwesens eindrucksvoll und lebendig schildert. Mit großer Feinfühligkeit verdeutlicht sie, wie eng die Schicksale der Menschen mit dem fragilen und schützenswerten Zustand der Natur verknüpft sind.
Die Vielzahl der Themen – von Natur- und Umweltschutz über die Suche nach einer lebenswerten Zukunft, Suchtproblematik bis hin zu Rassismus und Kolonialismus – wirkt stellenweise etwas überfrachtet, sodass die Handlung mitunter leicht konstruiert erscheint.
Die Autorin lässt ihren beeindruckenden Roman mit einem überraschend offenen und nachdenklich stimmenden Ende ausklingen, das viel Raum für eigene Interpretationen und Reflexionen bietet.
ZUM HÖRBUCH
Die ungekürzte Hörbuchfassung wird von Julia Meier abwechslungsreich und zugleich sehr einfühlsam interpretiert. Mit feinem Gespür fängt sie die nuancierten Charaktere und die dichte Atmosphäre der komplexen Familiengeschichte stimmlich ein, sodass man mühelos in die Welt der Brookes eintaucht. Ihre ruhige, angenehme Stimme führt souverän durch die verschiedenen Perspektiven und verleiht jeder Figur eine eigene, glaubwürdige Färbung. Besonders gelungen bringt sie die Verletzlichkeiten, Sehnsüchte und inneren Konflikte der Charaktere zum Ausdruck. In manchen Passagen hätte ich mir jedoch eine noch deutlichere stimmliche Abgrenzung zwischen den einzelnen Figuren gewünscht.
Dank ihrer stimmungsvollen und nuancierten Vortragsweise überzeugt Meier auch in den leisen, nachdenklichen Momenten sowie bei den eindrucksvollen Naturbeschreibungen des Romans. Aufgrund der Vielzahl an Figuren und Themen ist gelegentlich eine erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich, um den Überblick zu behalten. Insgesamt bietet diese Hörbuchumsetzung aber eine sehr gelungene und atmosphärische Interpretation der facettenreichen Familiengeschichte

FAZIT
Ein berührender und einfühlsam erzählter Familienroman, der mit einer sensiblen Auseinandersetzung mit Erbe, Verantwortung und familiären Konflikten und vielschichtigen Charakteren überzeugt. Trotz gelegentlicher Überfrachtung besticht die Geschichte durch ihre atmosphärische Dichte und lebendige Naturbeschreibungen!

Bewertung vom 05.05.2025
Die Summe unserer Teile
Lopez, Paola

Die Summe unserer Teile


ausgezeichnet

*Vielschichtige Familiengeschichte*
In ihrem eindrucksvollen Debütroman „Die Summe unserer Teile“ zeichnet Paola Lopez ein nuancenreiches Porträt dreier Frauenschicksale, das sich über drei Generationen und über siebzig Jahre hinweg entfaltet. Sie entwirft eine vielschichtige, bewegende Familiengeschichte, die sich eingehend mit Fragen nach Herkunft, familiären Prägung, Verbundenheit und der Weitergabe von Traumata beschäftigt.
Im Mittelpunkt stehen die junge Informatikstudentin Lucy, ihre Mutter Daria und ihre Großmutter Lyudmiła, deren Leben nicht nur durch familiäre Bande, sondern auch durch ihre ausgeprägte Leidenschaft für die Wissenschaft verbunden sind- und dennoch durch Brüche und unausgesprochene Konflikte unwiderruflich voneinander entfremdet wurden.
Der auf mehreren Zeitebenen angelegte Roman wechselt geschickt zwischen den Perspektiven der drei Frauen, wodurch er aufschlussreiche Einblicke in ihre Lebensumstände, inneren Konflikte und verborgenen Geheimnisse gewährt. Die Handlung spannt einen Bogen von Polen über den Libanon bis nach Deutschland und veranschaulicht eindrücklich die unterschiedlichen Herausforderungen, denen sich die Frauen in verschiedenen Zeiten und kulturellen Kontexten stellen mussten. So erleben wir Lucy in der Gegenwart des Jahres 2014 in Berlin, die durch die überraschende Lieferung des alten Steinway-Flügels aus ihrer Kindheit in ihrer Berliner WG mit der eigenen Vergangenheit und den ungelösten Konflikten ihrer entfremdeten Familie konfrontiert wird und beschließt, sich auf eine Spurensuche zu den Wurzeln ihrer Großmutter nach Sopot in Polen zu begeben. In weiteren Episoden erfahren wir mehr über Darias Kindheit und Jugend in Beirut und ihr weiteres Leben in München als Studentin, Ehefrau, Mutter und Ärztin. Zudem erhalten wir in Rückblenden Einblicke in Lyudmiłas Flucht aus Polen in den Libanon und ihre kompromisslose Verfolgung einer wissenschaftlichen Karriere als eine der ersten Chemikerinnen im Libanon.
Ein besonderes Highlight des Romans sind die fein ausgearbeitete Figurenzeichnung und die gelungene Verflechtung der Zeitebenen.
Lopez entfaltet in ihrem Roman ein eindrucksvolles und überzeugendes Panorama komplexer Mutter-Tochter-Beziehungen. Aus wechselnden Perspektiven beleuchtet sie die vielschichtigen emotionalen Verbindungen, die von tiefer Nähe, ebenso geprägt sind wie von schwelenden Konflikten, Entfremdung und alten Wunden. Jede Frau ist in ihrer eigenen Zeit gefangen, jede kämpft mit den Erwartungen der anderen und den eigenen Verletzungen. Besonders Lucys Entwicklung und ihre Suche nach Zugehörigkeit sind authentisch und nachvollziehbar gestaltet.
Lopez thematisiert eindrucksvoll die Herausforderungen, denen Frauen in männerdominierten Berufsfeldern wie den Naturwissenschaften begegnen. Dabei macht sie gekonnt die alltäglichen Kämpfe und Kompromisse greifbar, die mit dem Versuch einhergehen, berufliche Ambitionen, traditionelle Rollenbilder und familiäre Verantwortung miteinander zu vereinbaren.
Besonders eindrücklich zeigt sie, wie nicht nur der Wunsch nach Selbstverwirklichung und die Sehnsucht nach familiärem Zusammenhalt und Nähe jede der Frauen in einen unauflösbaren Zwiespalt stürzt, sondern auch wie Enttäuschungen, hohe Erwartungen und unausgesprochene Traumata von Generation zu Generation weitergegeben werden. Immer wieder stehen Missverständnisse, Sprachlosigkeit und Verschweigen einer verständnisvollen Beziehung im Weg und sorgen für Konflikte, emotionale Distanz und einem Kontaktabbruch. Anschaulich zeigt Lopez auf, wie das Erbe der Mütter bewusst oder unbewusst das Leben der Töchter formt und ein Durchbrechen dieses fatalen Kreislaufs immer schwieriger wird.
Mit ihrem bildhaften, feinfühligen Erzählstil entwirft Lopez vielschichtige, lebendige Charaktere und detailreiche Lebenswelten, die eine dichte, intensive Atmosphäre entstehen lassen. Auch wenn eine gewisse Distanz zu ihnen vorherrscht und man ihre Verhaltensweisen nicht immer gutheißen kann, so wirken diese dennoch sehr authentisch und glaubhaft. Indem die Autorin bewusst manche Details offenlässt und, uns im Ungewissen lässt, fordert sie zur eigenen Reflexion heraus und eröffnet Raum für eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Themen des Romans.

FAZIT
Ein bemerkenswerter und tiefgründiger Debütroman, der mit großer erzählerischer Kraft und psychologischer Tiefe drei Frauengenerationen in ihrem Ringen um Selbstbestimmung, Zugehörigkeit und familiäre Versöhnung porträtiert.
Eine bewegende Lektüre über das Erbe, das wir mit uns tragen – und über die Kraft, den eigenen Weg zu suchen und zu finden und ein lesenswerter Roman, der zum Nachdenken anregt und dazu einlädt, sich mit der eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen, um sich selbst besser verstehen zu lernen.

Bewertung vom 27.04.2025
Flusslinien
Hagena, Katharina

Flusslinien


ausgezeichnet

*Im Strom der Erinnerungen – ein vielschichtiger Generationenroman*
In ihrem facettenreichen Roman „Flusslinien“ entfaltet Katharina Hagena die Lebenswege dreier Generationen, die sich - wie Strömungen eines Flusses - begegnen, kreuzen, auf subtile Weise miteinander verflechten, bevor sie schließlich neue Richtungen im großen Strom der Zeit einschlagen.
Hagena gelingt es in ihrem tiefgründigen Roman eindrucksvoll, ein facettenreiches Portrait der menschlichen Schicksale ihrer drei Protagonisten zu zeichnen. Trotz aller Unterschiede in Alter und Lebenserfahrung verbindet sie ihre eingehende Auseinandersetzung mit Erinnerungen, Verlust, Trauma, Schuld und der Suche nach Selbstbestimmung und Heilung. Mit feinem Gespür verwebt die Autorin ernste Themen mit literarischen und kulturellen Anspielungen - von griechischer Mythologie über Fantasywelten bis hin zur Gartenkunst - und regt zudem zum Nachdenken über die sich wandelnde Rolle der Frau in Vergangenheit und Gegenwart an.
Die Geschichte ist an der Elbe in Hamburg angesiedelt und erstreckt sich über zwölf Frühsommertage, die das Leben der Figuren nachhaltig prägen.
Im Mittelpunkt steht die 102-jährige, ehemalige Stimmtherapeutin und Atemtrainerin Margrit, die in einer Seniorenresidenz lebt und auf ein faszinierendes Leben zurückblicken kann. Ihre 18 jährige Enkelin Luzie befindet sich nach einem traumatischen Erlebnis in einer schwierigen Lebenssituation, die sie ihrer Oma verschweigt. Kurz vor dem Abitur hat sie die Schule abgebrochen, lebt vorübergehend in einer Hütte am Elbufer und möchte Tätowiererin werden. Der 24-jährige Arthur arbeitet als Fahrer für Margrits Seniorenresidenz, erfindet neue Sprachen und engagiert sich beim Nabu. Nach einem dramatischen persönlichen Verlust hat er mit starken Schuldgefühlen zu kämpfen und hofft auf einen Neuanfang.
Hagenas lebendiger, bildhafter Schreibstil durchzogen von feinem Humor ist individuell auf die verschiedenen Charaktere zugeschnitten, sodass wir gut in ihre persönlichen Lebensgeschichten eintauchen können. Die Autorin versteht es, die unterschiedlichen Generationen mit ihren jeweiligen Herausforderungen und Sichtweisen in Beziehung zu setzen.
Die Erzählperspektive wechselt zwischen den Hauptfiguren und gewährt aufschlussreiche Einblicke in ihre Gedanken- und Gefühlswelt, so dass der Spannungsbogen allmählich wird gesteigert. Faszinierend sind die zahlreich eingestreuten Rückblenden, die uns vor allem bei Margrit in bewegte Vergangenheit zurückführen.
Ausgezeichnet ist der Autorin die einfühlsame, vielschichtige Charakterzeichung ihrer Protagonisten gelungen, die lebendig und authentisch wirken. Jede der Hauptfiguren ist mit ihren Eigenheiten, Sehnsüchten, Wünschen und Ängsten überzeugend dargestellt. Besonders überzeugend hat die Autorin die persönlichen Schicksale der Figuren mit übergeordneten gesellschaftlichen Themen verknüpft – etwa Umweltschutz, das Älterwerden in einer sich wandelnden Gesellschaft sowie den Kampf gegen patriarchale Strukturen und sexuelle Gewalt.
Die atmosphärisch dichten Naturbeschreibungen der Hamburger Elblandschaft und des Römischen Gartens schaffen eine ganz besondere Stimmung, die die seelische Verfassung der Charaktere subtil widerspiegelt.
ZUM HÖRBUCH
Das gekürzte Hörbuch besticht mit Ruth Reinecke, Chantal Busse, Julia Nachtmann und Jesse Grimm durch ein herausragendes Sprecherensemble, das jeder Figur mit ihrer lebendigen Lesung eine eigene, unverwechselbare Stimme verleiht. Die Besetzung der Rollen ist stimmig und die Interpretation von großer Dynamik und Einfühlungsvermögen.
Dank der nuancierten Vortragsweise gelingt es den Sprechern, die unterschiedlichen Charaktere klar voneinander abzugrenzen und ihre unterschiedlichen Lebensalter und Perspektiven glaubwürdig wiederzugeben. Jede Figur erhält durch die individuelle Interpretation eine authentische Persönlichkeit, indem sie ihre Emotionen, Erinnerungen und Verletzlichkeiten fein herausgearbeitet werden.
Die verschiedenen Stimmen bereichern das Hörerlebnis und machen es leicht, sich nicht nur auf die zahlreichen Stimmungswechsel einzulassen, sondern sich auch in die Beziehungen zwischen den Figuren hineinzuversetzen. Der komplexe Erzählstil erfordert allerdings erhöhte Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, sich auf die vielschichtige Geschichte mit den verschiedenen Zeitebenen einzulassen. Insgesamt bietet diese Hörbuchfassung aber eine gelungene, atmosphärische Umsetzung, die durch die exzellenten Sprecherleistungen besticht.

FAZIT
Ein eindrucksvoll komponierter, vielschichtiger Generationenroman, der mit großer erzählerischer Kraft und viel Feingefühl die Lebenswege dreier Menschen miteinander verwebt. Wer sich auf die ruhige Erzählweise und die tiefgründigen Charaktere einlässt, wird mit einer bewegenden, nachdenklich stimmenden Geschichte belohnt.

Bewertung vom 19.04.2025
Ein ungezähmtes Tier
Dicker, Joël

Ein ungezähmtes Tier


ausgezeichnet

*Ein fesselndes Verwirrspiel*
Mit seinem neuesten Roman „Ein ungezähmtes Tier“ hat der Franko-Schweizer Bestsellerautor Joël Dicker erneut einen hochkomplexen Spannungsroman verfasst, der mich mit seinem packenden Plot über Geheimnisse, Verrat und menschliche Begehrlichkeiten erneut sehr fesseln konnte.
Die in Genf angesiedelte Geschichte um einen spektakulären Juwelenraub verbindet gekonnte Elemente aus Thriller, Gesellschaftsroman und psychologischer Studie und enthüllt nach und nach die faszinierenden Abgründe hinter einer scheinbar perfekten Fassade.
Im Mittelpunkt des ereignisreichen Romans stehen das wohlhabende Ehepaar Sophie und Arpad Braun, das in einer luxuriösen Villa am Waldrand lebt, sowie die mit ihnen befreundeten, aber finanziell weniger privilegierten Nachbarn Karine und Greg, die in der von Anwohnern abfällig als „Warze“ bezeichneten Neubausiedlung leben. Parallel dazu erhalten wir in einem Countdown Einblicke in einen minutiös geplanten Juwelenraub und dessen raffinierte Ausführung.
Es entspinnt sich eine clever angelegte und hochdynamische Handlung, bei der ein ständiger Wechsel zwischen unterschiedlichen Erzählperspektiven und Zeitebenen erfolgt. In geschickt eingestreuten Rückblenden werden die vielschichtigen Vergangenheiten der Charaktere beleuchtet. Dicker versteht es hervorragend, die Spannung durch die parallele Erzählweise zwischen Vergangenheit und Gegenwart, den Countdown bis zum eigentlichen Raubüberfall sowie zahlreiche unvorhersehbare Plottwists stetig zu steigern. Es bereitet großes Vergnügen, die privaten Dramen und Verwicklungen zu verfolgen, mitzurätseln und allmählich den Verbindungen und wahren Hintergründen auf die Spur zu kommen. Immer wieder führen vermeintliche Spuren in die Irre, offensichtlich Verdächtiges entpuppt sich als falsche Fährte, sodass man bis zur überraschenden Auflösung dieser Geschichte voller Intrigen und Täuschungen weitgehend im Dunkeln tappt.
Hervorragend gelungen ist Dicker die Zeichnung seiner komplexen, ambivalenten Charaktere, deren vielschichtige Psyche und moralische Zwiespältigkeit für zahlreiche Überraschungen sorgen. Ob nun die attraktive Anwältin Sophie Braun mit ihrer makellosen Fassade und einigen dunklen Geheimissen, ihr allglatter Vorzeigeehemann Arpad mit seiner nicht ganz so rühmlichen Vergangenheit oder Sonderermittler Greg, der mit seiner Obsession für Sophie zunehmend in Schwierigkeiten bringt – sie alle überzeugen mit ihren Verletzlichkeiten, ihrer Vorgeschichte und überraschenden Handlungen. Allerdings wirken einige Charaktere durch bestimmte klischeehafte Züge stellenweise etwas zu stereotyp und überzeichnet.
Dicker versteht es, in seiner komplexen Geschichte sorgsam gehütete Geheimnisse, verdächtige Details und persönliche Verstrickungen zu enthüllen, und dabei zum Nachdenken über soziale Ungleichheiten, moralische Grenzen und die dunklen Seiten menschlicher Beziehungen anzuregen. Nach etlichen überraschenden Wendungen verknüpft er gekonnt die verschiedenen Handlungsstränge zu einer stimmigen Auflösung, die uns in erschreckende Abgründe der menschlichen Psyche blicken lässt.
ZUM HÖRBUCH
Torben Kessler erweist sich mit seiner angenehmen und einfühlsamen Stimme als Idealbesetzung für dieses ungekürzten Hörbuch. Er versteht es hervorragend, uns unmittelbar in die fesselnde Geschichte hineinzuziehen und an die unterschiedlichen Schauplätze zu entführen. Durch gezielte Variationen in Tempo und Lautstärke erzeugt er gekonnt Abwechslung, fängt die jeweiligen Stimmungen treffend ein und baut subtil Spannung auf. Die Vielzahl an Handlungssträngen erfordert zwar eine gewisse Konzentration und Aufmerksamkeit, um der komplexen und wendungsreichen Geschichte folgen zu können. Dennoch bietet dieses Hörbuch ein durchweg mitreißendes und lohnendes Hörerlebnis, das durch Kesslers Interpretation eine besondere Dynamik und Intensität gewinnt.
FAZIT
Ein vielschichtiger, raffiniert konstruierter Spannungsroman, der bis zur letzten Seite fesselt.
Die geschickte Verbindung von Thriller-Elementen, gesellschaftlicher Analyse und psychologischer Tiefe, gepaart mit überraschenden Wendungen und vielschichtigen Figuren, macht den Roman zu einem echten Pageturner. Ein Muss für alle Fans intelligenter Spannungsliteratur!

Bewertung vom 18.04.2025
Der irische Fremde
Moor, Matthias

Der irische Fremde


sehr gut

*Ein irischer Thriller voller Spannung und psychologischer Tiefe*
Mit seinem neuesten Spannungsroman „Der irische Fremde“ ist dem deutschen Autor Matthias Moor einen spannungsgeladener und zugleich psychologisch tiefgründiger Thriller gelungen, der mich von Beginn an mit seinem düsteren Einstieg und der unheilvollen Atmosphäre in den Bann gezogen hat. Vielschichtig und eindringlich setzt sich der Autor in seiner Geschichte mit Traumata, der Unzuverlässigkeit von Erinnerungen und der schmerzhaften Suche nach Wahrheit und Identität auseinander.
Im Mittelpunkt steht die junge Journalistin Mary Shean, deren Leben durch ein tragisches Kindheitserlebnis geprägt wurde, bei dem ihre Eltern durch einen Brand ums Leben kamen. Als sie 25 Jahre später zufällig einem Mann begegnet, den sie damals am Unglücksort gesehen zu haben glaubt, kommen ihr erstmals Zweifel an der offiziellen Version des schrecklichen Vorfalls. Längst verdrängte Erinnerungsfragmente drängen an die Oberfläche, lassen die Geschehnisse in einem ganz anderen Licht erscheinen und werfen die Frage auf, ob es sich wirklich um ein Unglück oder vielmehr einen kaltblütiger Mord gehandelt hat. Kurzentschlossen begibt sich Mary auf eine ungewisse Reise in die Vergangenheit zurück in ihre Kindheit nach Irland. Dabei ahnt sie nicht, in welches undurchschaubare Geflecht aus Lügen, Intrigen und verstörende Wahrheiten sie geraten wird - und in welche tödliche Bedrohung sie selbst begibt.
Mit seinem lebendigen Schreibstil und atmosphärisch dichten Beschreibungen gelingt es Moor hervorragend, die irischen Schauplätze in all ihren faszinierenden Facetten sowie die raue Schönheit der Natur der Grünen Insel eindrucksvoll einzufangen. Wir begleiten die Protagonistin auf ihrer ereignisreichen Spurensuche und tauchen an ihrer Seite in die leicht melancholische, düstere Handlung ein, die durch ihre intensive Atmosphäre rasch einen unwiderstehlichen Sog entfaltet.
Mit psychologischem Feingefühl hat der Autor seine facettenreiche, authentische Protagonistin Mary ausgearbeitet. Sie ist eine faszinierende, sehr komplexe Figur, deren Leben durch das traumatische Kindheitserlebnis nachhaltig geprägt ist. Noch immer ringt sie mit ihren inneren Dämonen, was sich in ihrer Zerrissenheit, Bindungsangst und Rastlosigkeit deutlich zeigt. Ihre distanzierte, selbstbezogene Art erschwert zunächst eine emotionale Verbindung zu ihr aufzubauen, doch ihre inneren Zweifel und ihr unbeirrbarer Drang, die Wahrheit über den Tod ihrer Eltern ans Licht zu bringen, machen sie zu einer interessanten und glaubwürdigen Hauptfigur, mit der man trotz aller Ecken und Kanten mitfühlt.
Durch geschickte Szenenwechseln und überraschenden Wendungen sorgt der Autor, für jede Menge Nervenkitzel und stetige Spannung. Gleichzeitig beleuchtet Moor moralische Aspekte, den Umgang mit Schuld und Verlust sowie die Graubereiche menschlichen Handelns und Fühlens. Besonders gelungen ist die spannende Verknüpfung von persönlichem Schicksal und politischem Hintergrund, die der Geschichte eine zusätzliche brisante Dimension verleiht Die komplexe Handlung gewinnt zum Ende hin immer mehr an Dynamik und gipfelt in einem fesselnden, hochdramatischen Showdown.
Insgesamt sind die Erklärungen für die damaligen Geschehnisse und deren Hintergründe überzeugend und schlüssig. Allerdings empfand ich das Verwirrspiel und das ständige Hin und Her rund um die Auflösung als etwas überzogen und unnötig in die Länge gezogen, was mein Lesevergnügen jedoch keineswegs geschmälert hat.
FAZIT
Ein atmosphärisch dichter und psychologisch vielschichtiger Thriller, der durch seine spannende Handlung, tollem irischen Setting und authentischen Figuren überzeugt. Ein packendes Leseerlebnis voller Nervenkitzel und emotionaler Intensität!

Bewertung vom 14.04.2025
Halbe Leben
Gregor, Susanne

Halbe Leben


ausgezeichnet

*Ein bewegender Roman über Ungleichheit und Verbundenheit*
In dem bewegenden Roman "Halbe Leben" zeichnet die Autorin Susanne Gregor ein eindringliches Porträt zweier Frauen aus unterschiedlichsten Lebenswelten, deren Lebenswege sich für kurze Zeit kreuzen und in einer Tragödie münden.
Im Mittelpunkt der fesselnden Erzählung stehen zwei Protagonistinnen, die kaum unterschiedlicher sein könnten: die erfolgreiche Architektin Klara und die slowakische Pflegekraft Paulína, von Klara für ihre leicht demente Mutter nach deren Schlaganfall einstellt wurde.
Der Roman beginnt mit einem erschütternden Ereignis - dem tödlichen Absturz der Protagonistin Klara während einer Wanderung, dessen einzige Zeugin ausgerechnet Paulína ist. Gregor versteht es mit diesem dramatischen Auftakt hervorragend, uns auf Anhieb in die Geschichte hineinzuziehen und eine intensive Atmosphäre von Spannung und Ungewissheit zu schaffen.
Einfühlsam entfaltet sie die Vorgeschichte dieses tragischen Vorfalls in einer spannenden Mischung aus Gegenwart und geschickt eingestreuten Rückblenden und enthüllt nach und nach die komplexe Beziehung zwischen den beiden Charakteren. persönliche Einblicke in seinen Lebensalltag
Kritisch erkundet Gregor auch tiefer liegende gesellschaftliche Themen und beleuchtet dabei insbesondere die Komplexität von Pflegearbeit und die oft unsichtbaren Opfer, die damit verbunden sind.
Mit ihrem klaren, prägnanten Schreibstil gelingt es der Autorin hervorragend, neben den eindringlichen Schilderungen der Emotionen und Gedanken der Charaktere auch eine sehr unheilvolle Stimmung einzufangen, wodurch die Geschichte eine unwiderstehliche Sogwirkung entfaltet.
Mit ihren beiden Protagonistinnen Paulína und Klara hat die Autorin vielschichtige Charaktere geschaffen.
Die Autorin versteht es sehr gut, ihre Verletzlichkeiten, emotional aufgewühlte Verfassung und komplexe Gedankenwelt anschaulich und eindringlich zu vermitteln, so dass man sich hervorragend in ihre Lage hineinversetzen und mitfühlen kann.
Paulínas Schicksal steht stellvertretend für viele osteuropäische Pflegekräfte, die ihre Kinder in der Heimat zurücklassen müssen, um aufgrund einer finanziellen Notlage im Ausland zu arbeiten. Zutiefst bewegend schildert die Autorin ihre Bemühungen, sich in der fremden Umgebung zurechtzufinden, während sie mit Heimweh und der Sorge um ihre Kinder zu kämpfen hat. Deutlich wird ihre innere Zerrissenheit spürbar, die das Leben zwischen zwei Welten mit sich bringt. Klara als Verterterin der privilegierten Schicht der Gesellschaft hat damit zu kämpfen, ihre beruflichen Ambitionen mit der Pflege ihrer Mutter und familiären Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Unbeabsichtigt, doch spürbar, offenbart sie ein ignorantes und oftmals herablassendes Verhalten gegenüber den schwierigen Lebensumständen und vielfältigen Herausforderungen, mit denen Paulína im Alltag konfrontiert ist.
Gregor zeichnet ein facettenreiches und psychologisch stimmiges Bild der Figuren und der Entwicklung einer zarten Freundschaft, die über das anfänglich rein professionelle Verhältnis hinausgeht, aber trotz physischer Nähe letztlich emotional distanziert bleibt.
. Feinfühlig und eindrucksvoll arbeitet sie die feinen Machtstrukturen und Gegensätze zwischen den beiden Frauen heraus. Ihr gelingt es hervorragend, die zögerlich aufgebaute Nähe und Zerbrechlichkeit ihrer komplexen Beziehung aufzuzeigen, die immer wieder durch Missverständnisse sowie soziale und kulturelle Hindernisse belastet wird.
Nuanciert beleuchtet sie die oft unsichtbaren Hierarchien, die durch gesellschaftlichen Strukturen und ökonomische Abhängigkeit entstehen sowie die Grenzen eines Arbeitgeber- und Angestelltenverhältnisses.
Geschickt wirft die Autorin darüber hinaus kritische Fragen zu der Situation ausländischer Pflegekräfte, dem Spannungsfeld zwischen Familie und Beruf sowie den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft auf. Somit erweist sich "Halbe Leben" als facettenreiches Kaleidoskop, das aktuelle gesellschaftliche Strömungen einfängt und zum Nachdenken und kritischen Hinterfragen anstößt.

FAZIT
Ein feinfühliger Roman über soziale Ungleichheit, kulturelle Gegensätze und die unsichtbaren Opfer der Pflegearbeit. Ein eindringliches Werk, das zum Nachdenken anregt – über Machtstrukturen, menschliche Abgründe und die Frage nach Gerechtigkeit im Alltag.

Bewertung vom 14.04.2025
Blumen, Kohl & Rock'n'Roll
Klein, Anja

Blumen, Kohl & Rock'n'Roll


sehr gut

*Ein inspirierender Ratgeber für einen Gute-Laune-Garten*
Das faszinierende Sachbuch "Blumen, Kohl & Rocknroll" von Anja Klein, kürzlich erschienen im Kosmos-Verlag, ist ein unkonventioneller Gartenratgeber, der uns auf eine persönlichen Reise und einen abwechslungsreicher Streifzug durch den vielseitigen Gute-Laune-Garten der Autorin mitnimmt. Es ist insbesondere ein inspirierender Leitfaden für alle Gartenvisionäre, die davon träumen, sich ein kleines individuelles Gartenparadies anzulegen und konkrete Gestaltungsmöglichkeiten zur Umsetzung aufzeigt.
Die bekannte SPIEGEL Bestseller Autorin und reichweitenstarke Influencerin Anja Klein, die seit 2010 einen erfolgreichen Blog und Instagram-Account (@derkleinehorrorgarten) hat im Laufe der Zeit zusammen mit ihrem Ehemann Andreas Lauermann ihren 700 Quadratmeter großen Schrebergarten in eine fruchtbare grüne Oase umgestaltet.
Mit einer gelungenen Mischung aus persönlichen Erfahrungen, praktischen Tipps und atemberaubenden Fotos bietet das Buch einen inspirierenden Einblick in die Welt des Gärtnerns fern vom üblichen Perfektionismus. Gekonnt vermittelt die Autorin uns ihre Philosophie des Gärtnerns, bei der vor allem Freude und Leidenschaft im Vordergrund steht.
Inhaltlich deckt "Blumen, Kohl & Rock'n'Roll" eine breite Palette von Gartenthemen ab.
Von der Anlage von unterschiedlichen Beeten, prachtvollen Blumen-und Staudenrabatten über die Kultivierung von verschiedenstem Gemüse bis hin zur kreativen Verwendung ungewöhnlicher Baumaterialien - Klein lässt kaum einen Aspekt des Gärtnerns unberührt. Dabei geht sie nicht nur auf die Gartengestaltung und verschiedene Gartenelemente ein, sondern behandelt bespielsweise auch ausführlich Kompostmieten, in denen Grünschnitt und Gartenabfälle dem wichtigen Naturkreislauf zugeführt werden und später wieder der Bodenernährung dienen.
Besonders interessant ist ihre Herangehensweise an den Gemüseanbau. Hier finden sich nicht nur praktische Tipps zu Anzucht und Ernte, aus denen ich noch einige neue Anregungen mitnehmen konnte, sondern auch köstliche Rezepte zur Verarbeitung der Ernte aus eigenem Anbau.
Anja Kleins lockerer, humorvoller Schreibstil – gewürzt mit persönlichen Note und einer sehr unterhaltsamen Prise Rock'n'Roll-Attitüde - lässt sich angenehm lesen.
Die sympathische Autorin versteht es hervorragend, ihre Gartenerlebnisse, Erfahrungen und persönlichen Anekdoten abwechslungsreich, informativ und mit leicht verständlichen praxisnahen Anleitungen zu vermitteln. Sehr gefallen hat mir ihr erfrischend unkonventioneller Ansatz beim Gärtnern und ihre humorvolle, gelassene Einstellung, die dazu ermuntert, unvermeidbare Misserfolge und Fehlschläge als wertvolle Lektionen zu betrachten und Spaß und Freude an der kreativen Gartenarbeit in den Vordergrund zu stellen. Die realitätsnahe Darstellung zeigt eindrucksvoll, wie unberechenbar und zugleich faszinierend die Natur sein kann.
Insbesondere Garten-Neulingen sollte daher trotz der wundervollen Impressionen bewusst sein, wie viel Aufwand, Zeit und persönlicher Einsatz hinter einem derartigen Gartenprojekt steckt, und so kann man sich auf vielfältige Enttäuschungen unter dem Motto „Schönes Scheitern“ einstellen!
Ein faszinierender Aspekt des Werkes ist seine ganzheitliche Herangehensweise an Nachhaltigkeit. Klein präsentiert eine Fülle von Ratschlägen für umweltfreundliches Gärtnern und die Förderung der Biodiversität. Entsprechend wurde dieser Gedanke auch in der Buchproduktion selbst umgesetzt. Die Verwendung von Pflanzenfarben für den Druck unterstreicht eindrucksvoll die umweltbewusste Ausrichtung und das ökologische Engagement. Allerdings begleitet uns leider ein dezent unangenehmer und beharrlicher Eigengeruch durch die Seiten.
Die optische Gestaltung des brochierten Buchs ist außerordentlich gut gelungen und sorgt dafür, dass man es immer wieder gerne zur Hand nimmt. Ein besonderes Highlight sind die eindrucksvollen Fotografien von Andreas Lauermann, Anja Kleins mitgärtelnden Partner, die uns stimmungsvolle Schnappschüsse und ansprechende Portraitaufnahmen der vielen Gartenstars zeigen. Die zahlreichen, großformatigen Bilder fangen die atemberaubende Schönheit und Vielfalt des Gartens in allen Jahreszeiten ein, illustrieren den Inhalt sehr anschaulich und vermitteln einen lebendigen Eindruck des üppigen „Horror“-Gartens.
Sehr gelungen ist ebenfalls eine Luftaufnahme des gesamten Areals, die uns einen umfassenden Überblick über die Gestaltung und Aufteilung des Schrebergartens bietet.
Abgerundet wird das Buch mit einigen weiterführenden nützlichen Adressen und Literaturtipps, einem alphabetischen Register sowie einem kurzen Autoren-Porträt.

FAZIT
Ein inspirierendes und informatives Gartenbuch, das durch seine persönliche Note, praktischen Tipps und wunderschönen Bilder punktet. Es ist mehr als nur ein Ratgeber - es ist eine Einladung, das Gärtnern als erfüllendes Hobby zu entdecken und dabei Freude, Kreativität und eine Prise Humor und Gelassenheit zu kultivieren.

Bewertung vom 09.04.2025
HEN NA E - Seltsame Bilder
Uketsu

HEN NA E - Seltsame Bilder


sehr gut

*Origineller Krimi voller Rätsel und Abgründe*
Mit „Hen na E – Seltsame Bilder“ hat der mysteriöse japanische Kultautor und YouTuber, der unter dem Pseudonym Uketsu auftritt, einen außergewöhnlichen Spannungsroman geschaffen, der mit dem Sketch-Mystery-Stil eine für das Krimi-Genre innovative Erzählform geschaffen hat.
Es handelt sich um einen psychologisch tiefgründigen Roman, der menschliche Abgründe beleuchtet und den Leser nachdenklich und erschüttert zurücklässt.
Geschickt kombiniert Uketsu in seinem Werk klassische Elemente des Kriminalromans mit rätselhaften Zeichnungen, die verborgene Botschaften enthalten und entschlüsselt werden müssen. Diese Illustrationen fungieren als eigenständige narrative Elemente, die nicht nur wichtige Hinweise zum Kriminalfall liefern, sondern auch die komplexe Handlung ergänzen. Mit dieser faszinierenden Erzählweise wird eine subtile Spannung erzeugt. Wie ein roter Faden zieht sich die Frage durch den Roman, wie die Bilder miteinander zusammenhängen und welche Geheimnisse sie verbergen. Geschickt werden wir in ein spannendes interaktives Leseerlebnis eingebunden und dazu eingeladen, aktiv als Ermittler mitzuwirken und Verbindungen herzustellen. Trotz des eher gemächlichen Erzählstils entfaltet die Geschichte von Beginn an eine unheilvolle Atmosphäre, die mich rasch in ihren Bann ziehen konnte.
Die in vier Kapitel untergliederte, sehr fragmentiert wirkende Geschichte entwickelt sich wie ein Puzzle aus scheinbar unzusammenhängenden Geschehnissen, die sich nach und nach zu einem größeren Ganzen zusammenfügen und schließlich ein verstörendes Verbrechen offenbaren.
Nach einer kurzen Einleitung, in der eine Psychologin einen zurückliegenden psychologischen Fall aus ihrer Praxis anhand einer Kinderzeichnung analysiert, wechselt die Erzählperspektive. Die eigentliche Handlung beginnt mit einem mysteriösen Blogeintrag, der seltsame Zeichnungen enthält. Beide Erzählstränge scheinen zunächst unabhängig voneinander zu sein, doch ahnt man bereits früh, dass die Eingangsszene im weiteren Verlauf eine zentrale Rolle spielen wird. Das Bilderpuzzle aus dem Blog erweist sich zudem als bedeutsamer Ausgangspunkt für einen komplexen Kriminalfall. Die Einführung der unterschiedlichen Charaktere erfolgt schrittweise, wobei ihre Beziehungen zueinander anfangs unklar bleiben. Uketsu versteht es in seinem clever komponierten Krimi hervorragend, die Spannung durch abrupte Kapitelwechsel und raffiniert platzierte Cliffhanger zu steigern.
Weitere scheinbar unzusammenhängende Episoden mit neuen Charakteren sowie zusätzlichen Zeichnungen und Skizzen sorgen für weitere Rätsel und treiben die Handlung voran. Die Hauptfiguren sind weitgehend vielschichtig gestaltet. Ihre Vergangenheit und Beweggründe werden detailliert beleuchtet, was sie zu komplexen, glaubhaften Figuren macht. Gekonnt wirft der Autor ethische Fragen auf und zeigt die dunklen Seiten ihrer Persönlichkeit.
Besonders spannend ist es, über die in den Bildern verschlüsselten Hinweise zu rätseln und immer wieder neue Verknüpfungen zu entdecken.
Nach einigen unerwarteten Wendungen werden schließlich die Handlungsstränge miteinander verknüpft. Die schlüssige Auflösung offenbart nicht nur die zugrundeliegenden psychologischen Hintergründe der Taten, sondern auch deren erschütternde Konsequenzen.
Der Schreibstil des Autors ist sehr nüchtern und minimalistisch gehalten und setzt auf subtile Zwischentöne. Auch ohne Ausschmückungen gelingt es dem Autor, eine dichte und mitreißende Atmosphäre zu schaffen. Die Einbindung der Skizzen und Zeichnungen zur Unterstützung des Rätselprozess ist sehr gelungen und verleiht dem Krimi eine ganz besondere Note. Die detaillierte Erklärung der Bilderrätsel ist zwar hilfreich und interessant, wirkte für meinen Geschmack jedoch stellenweise etwas belehrend und hätte straffer gestaltet werden können.
Trotz der insgesamt gelungenen Erzählweise gibt es einige logische Schwachstellen sowie konstruiert wirkende Elemente in der Handlung. Diese mindern jedoch nicht wesentlich den Lesespaß, da die Spannung durchgehend hoch bleibt.
FAZIT
Ein kreativer und psychologisch packender Krimi, der den Leser aktiv zum Miträtseln einlädt - mit einer fesselnden, innovativen Erzählstruktur, komplexen Bilderrätseln und überraschenden Wendungen.
Trotz kleinerer Schwächen überzeugt er durch seinen originellen Ansatz und regt zum Nachdenken an. Empfehlenswert für alle, die sich auf ein ungewöhnliches Leseerlebnis voller Rätsel und Überraschungen einlassen möchten!

Bewertung vom 07.04.2025
Die blaue Stunde
Hawkins, Paula

Die blaue Stunde


ausgezeichnet

*Ein fesselnder Spannungsroman über Kunst und Obsession*
"Die blaue Stunde" von der britischen Autorin Paula Hawkins ist ein fesselnder psychologischer Spannungsroman, der uns auf eine abgelegene schottische Gezeiteninsel entführt.
In ihrer sehr atmosphärischen Geschichte erzählt sie über künstlerisches Vermächtnis, Vereinsamung und unheilvolle Geheimnisse und beleuchtet zudem gekonnt die Komplexität menschlicher Beziehungen sowie die labilen Grenzen zwischen Realität, Wahrnehmung und Obsession.
Hawkins' ansprechende Erzählweise und ihr Talent, komplexe Charaktere zu erschaffen, sorgen nicht nur für ein spannendes Leseerlebnis, sondern regen mit der gelungenen tiefgründigen Erforschung der Abgründe der menschlichen Psyche auch zum Nachdenken an.
Die Geschichte kreist um die verstorbene, enigmatische Künstlerin Vanessa Chapman, deren Werke nach ihrem Tod zu großem Ruhm gelangt sind. Im Mittelpunkt der Geschichte steht der promovierte Kunsthistoriker und Kurator der Fairburn-Stiftung James Becker, der die bemerkenswerte Kunstsammlung mit den Werken von Vanessa Chapman betreut. Chapman war nicht nur für ihr außergewöhnliches Talent und ihre glamouröse Persönlichkeit bekannt, sondern auch für ihr geheimnisumwobenes Leben auf der abgelegenen schottischen Gezeiteninsel Eris.
Als bei einer Ausstellung in einer von Chapmans berühmten Skulpturen ein mutmaßlich menschlicher Knochen entdeckt wird, gilt es einen möglichen Skandal abzuwenden. Dieser Fund droht nicht nur Chapmans Vermächtnis zu beschädigen, sondern könnte auch die Reputation der Stiftung in Misskredit bringen und sogar Beckers Karriere beenden. Um den Hintergründen auf die Spur zu kommen und Licht ins Dunkel zu bringen, reist Becker kurzentschlossen nach Eris Island, wo Chapmans ehemalige Freundin und Pflegerin Grace Haswell noch lebt und eine Hüterin der letzten Geheimnisse der Künstlerin zu sein scheint. Noch ahnt Becker nicht, auf welche heikle Spurensuche er sich begeben hat und welche fatale Ereigniskaskade er in Gang gesetzt hat.
Gekonnt erschafft Hawkins eine dichte, geheimnisvolle Atmosphäre und lässt uns immer tiefer in eine unheilvolle Welt voller Geheimnisse und dunkler Wahrheiten eintauchen.
Geschickt hat sie die komplexe Handlung auf verschiedenen Zeitebenen angelegt und sorgt dafür, dass wir immer tiefer in den Sog der Ereignisse hineingezogen werden. Hawkins versteht es, Vergangenheit und Gegenwart kunstvoll miteinander zu verweben und erzählt die vielschichtige Geschichte rund um Vanessa Chapman aus wechselnden Perspektiven. Dies ermöglicht es uns, nicht nur die Geschehnisse aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, sondern auch immer tiefer in Vanessas Kunst und ihr Lebensumfeld einzutauchen. Nach und nach enthüllen wir die dunklen Geheimnisse um ihre Person und ergründen ein komplexes Geflecht aus Intrigen und Emotionen, das die Geschichte zunehmend in eine düstere Stimmung taucht.
Hawkins' besondere Stärke sind ihre vielschichtigen, tiefgründigen Charaktere. Insbesondere die pensionierte Ärztin Grace Haswell ist sehr faszinierend gezeichnet. Sie entwickelt sich im Laufe des Romans von einer einsamen, bemitleidenswerten Figur zu einer Frau mit überraschenden Facetten. Langsam wird ihre komplexe Persönlichkeit enthüllt, die neben großem Mitgefühl auch erschreckend dunkle Seiten ihrer Seele erkennen lässt. Vanessa Chapman, wir nur durch rückblickende Erinnerungen und Tagebucheinträge kennen lernen, ist eine facettenreiche Figur, deren schillernde Persönlichkeit in ihrem künstlerischen Schaffen, ihren Affären und eigenen Geheimnissen spürbar wird. Ebenfalls ein interessanter Charakter ist James Becker, der zunächst ein glühender Verehrer der Künstlerin im Laufe seiner Nachforschungen zunehmend seine Bewunderung verliert und ihrer geheimnisvollen Persönlichkeit schließlich ernüchtert gegenübersteht.

In ihrem Roman erforscht die Autorin Obsession in ihren vielfältigen Formen und hinterfragt die Natur der Kunst, den Preis des Ruhms und die Grenzen, die Menschen zum Schutz ihres Vermächtnisses zu überschreiten bereit sind.
Hervorragend gelungen sind die lebendigen, eindrucksvollen Beschreibungen von Vanessas Kunstwerken, so dass man sich wünscht, diese fiktiven Stücke mit eigenen Augen zu sehen. Die Autorin fängt die Essenz kreativer Leidenschaft sehr anschaulich ein und lässt uns sehr unmittelbar an der Begeisterung, Frustration und Besessenheit als künstlerischer Antriebsfeder teilhaben.
Hawkins schafft es, uns im lange Zeit Ungewissen zu lassen, bis man schließlich ahnt, worauf alles hinausläuft. Durch einige unvorhersehbare Wendungen bleibt der Spannungsbogen bis zum packenden Finale hoch.
Trotz gelegentlicher Längen im Mittelteil und einiger etwas blasser Nebenfiguren ist der Roman ein beeindruckendes und fesselndes Werk, das zum Nachdenken anregt.
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Bewertung vom 24.03.2025
The Modern Taste of Ayurveda
Nowoczin, Kristina

The Modern Taste of Ayurveda


ausgezeichnet

*Inspirierendes Ayurveda-Kochbuch für Einsteiger*
In ihrem inspirierenden, kürzlich beim ZU-Verlag erschienenen Kochbuch „The Modern Taste of Ayurveda – Wohltuende Rezepte im Rhythmus der Tages- und Jahreszeiten“ präsentiert uns Kristina Nowoczin - eine zertifizierte Ayurveda-Ernährungsberaterin und Gründerin von "Masala Love"- ihre eigene moderne Interpretation der ayurvedischen Ernährungsweise.
Sie lädt uns nicht nur ein diese einzigartige Kochkunst zu entdecken, sondern auch im bewussten, jahreszeitlichen Einklang mit der Natur zu leben und mehr Vitalität und Ausgeglichenheit in unseren Alltag zu bringen.
Basierend auf umfangreichem Wissen und vielfältigem Erfahrungsschatz vermittelt die Autorin in ihrem Buch eine gelungene Mischung aus theoretischem Hintergrundwissen inklusive der spirituellen und gesundheitlichen Grundlagen und praktischen Aspekten der modernen Ayurveda-Küche. Wichtig ist ihr vor allem die Einfachheit und Alltagstauglichkeit ihrer Gerichte, die unabhängig von der individuellen Dosha-Konstitution sind, und hierdurch auch für Einsteiger geeignet sind.
In dem kurzen, aber informativen Einleitungsteil AYURVEDA BASICS erhalten wir eine übersichtliche und anschauliche Einführung in die Grundprinzipien der ayurvedischen Lehre und Ernährung. Nowoczin gelingt es sehr gut, die komplexen ayurvedischen Konzepte und ihre Bedeutung für die Gesundheit verständlich darzustellen, so dass auch Neueinsteiger ohne große Vorkenntnisse einen guten Einstieg finden.
Danach schließt sich der eigentliche Hauptteil REZEPTE IM JAHRESVERLAUF an, der zunächst mit einer kurzen Zusammenstellung von Grundrezepten beginnt. Mit über 90 vegetarischen und veganen Gerichten findet sich eine beeindruckende Vielfalt an leckeren, alltagstauglichen Rezepten, die auf saisonale Zutaten abgestimmt sind und zeigen, dass gesunde ayurvedische Ernährung weder langweilig noch aufwendig sein muss.
Die abwechslungsreiche Rezeptsammlung folgt einem saisonalen Ansatz und ist in die vier Jahreszeiten gegliedert, die dann entsprechend der Tageszeiten in die Abschnitte Frühstück, Mittag, Abend sowie Sweets & Getränke unterteilt sind. Von Frühstücksideen wie kreative Porridge-Variationen über sättigende Suppen und Salate, leckere Gemüsegerichte zum Abend bis hin zu Snacks und süßen Gaumenfreuden.
Die sehr übersichtliche Gliederung der Rezepte erleichtert den Zugang zur ayurvedischen Küche und die ansprechenden Gerichte machen Lust aufs Nachkochen – da fällt die Entscheidung, welches der köstlichen Rezepte man zuerst ausprobieren möchte, gar nicht so leicht. Zudem findet man saisonale Masala-Kompositionen, die speziell auf jede Jahreszeit abgestimmt sind und zu kreativen Küchenabenteuern inspirieren.
Die Rezepte sind so konzipiert, dass sie für alle Dosha-Typen geeignet sind, so dass eine individuelle Anpassung an spezifische gesundheitliche Bedürfnisse oder Dosha-Ungleichgewichte hier nicht thematisiert wird.
Das Buch richtet sich daher primär an Einsteiger ohne spezifische Ayurveda-Kenntnisse und weniger an fortgeschrittene Ayurveda-Köche, die tiefere Einblicke suchen.
Für alle Rezepte werden hauptsächlich frische, unverarbeitete Lebens- und Grundnahrungsmittel verwendet, die viel Prana (Lebensenergie) enthalten und somit das Wohlbefinden fördern. Einige eher ungewöhnliche Zutaten könnten allerdings etwas schwer erhältlich sein – hier wären alternative Vorschläge wünschenswert gewesen.
Zu jedem Rezept findet sich eine übersichtliche Zutatenliste (in der Regel für 2 Portionen), verständlich beschriebene Zubereitungsschritte und hilfreiche Tipps für Serviervorschläge. Abgerundet wird es durch ein ganzseitiges, sehr appetitanregendes Foto vom Gericht. Die Zubereitung der kulinarischen Köstlichkeiten ist in der Regel nicht allzu aufwändig, erfordert aber teilweise schon gewisse Kochkenntnisse, was für absolute Anfänger eine Herausforderung darstellen könnte..
Die gelungene Gestaltung des Buchs besticht durch ihre Übersichtlichkeit und optische Attraktivität. Besonders hervorzuheben ist das sehr ansprechende Food-Design. Die Autorin selbst hat die Bebilderung mit meist ganzseitigen, natürlich wirkenden und appetitanregenden Fotografien übernommen. Diese hochwertige visuelle Präsentation unterstreicht eindrucksvoll den Inhalt.
Am Ende des Buchs findet sich noch ein übersichtliches alphabetisches Sach- und Rezeptregister, das einem das Auffinden der Rezepte, aber auch der Zutaten und vieler im Text erwähnten Begriffe erleichtert.

FAZIT
Ein inspirierendes und informatives Kochbuch, das die ayurvedische Ernährung auf moderne und alltagstaugliche Weise interpretiert - mit verständlichen Erklärungen der ayurvedischer Prinzipien und köstlichen, abwechslungsreichen Rezeptideen, die sich an den Rhythmen der Tages- und Jahreszeiten orientieren!
Sehr empfehlenswert für alle, die sich für die alte Heilkunst Ayurveda sowie ganzheitliche Ernährung interessieren!