Benutzer
Benutzername: 
Barbara
Wohnort: 
Remscheid

Bewertungen

Insgesamt 214 Bewertungen
Bewertung vom 28.08.2025
Georg, Miriam

Die Verlorene


ausgezeichnet

Ein Roman in zwei Zeitebenen, der einerseits vom Krieg und der Vertreibung aus Schlesien und andererseits von der Suche nach Wahrheiten und Identität handelt.
2019 stirbt Lauras Großmutter Änne und hinterlässt viele unbeantwortete Fragen. Zusammen mit ihrer Mutter Elena begibt sich Laura auf die Spuren ihrer Großmutter nach Schlesien und entdeckt Geheimnisse aus der Vergangenheit, über die Änne tunlichst geschwiegen hat. Die Haupterzählung beschreibt Ännes Leben zwischen 1943-47 und ist geprägt vom Krieg in Schlesien und den damit einhergehenden Verlusten und Bedrohungen.
Sehr eindringlich und einfühlsam beschreibt Miriam Georg in diesem Roman das Schicksal einer schlesischen Familie, in dem sie auch Wurzeln ihrer eigenen Familie verarbeitet hat. Sehr gut recherchiert sind die Geschehnisse rund um die schwer traumatisierten Kriegsrückkehrer, zu denen auch ihr eigener Großvater gehörte. Doch vor allem geht es in diesem Roman um die Frauen, hier gleich in 4 Generationen. Ännes Mutter Hela ist eine starke Frau, die ihre Familie beschützt und mit unermüdlichem Fleiß auf dem Hof in Schlesien schuftet. Änne erlebt die Kriegswirren zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Luise. Die beiden Mädchen verbindet eine schon fast ungesund enge Beziehung, doch die Charaktere der Mädchen könnten unterschiedlicher nicht sein. Und so passieren schreckliche Dinge, die das Weiterleben und die Verbindung der beiden zueinander dauerhaft beeinflusst. Elena leidet Zeit ihres Lebens unter dem schwierigen Verhältnis zu ihrer Mutter Änne. Auf der Suche nach der Wahrheit muss sie erkennen, dass die Schicksalsschläge ihrer Mutter generationsübergreifende Folgen hatten. Und schließlich Laura, die ihren Platz im Leben noch nicht wirklich gefunden hat und deren Leben sich in Kürze drastisch ändern wird.
Mit großer Spannung beschreibt die Autorin hier die schrecklichen Geschehnisse in Schlesien im 2. Weltkrieg. Einige überraschende Wendungen machen dieses Buch über 500 Seiten hinweg spannend und interessant, auch wenn einige Episoden sehr düster und bedrückend sind. Besonders gut gefallen hat mir die Geschichte von Änne, dagegen bin ich Laura und Elena nie so ganz nahe gekommen. Trotzdem bleibt diese emotionale Geschichte im Gedächtnis und gerade die Kraft der Frauen im 2. Weltkrieg hat mich sehr berührt.
Auch wenn es schon viele Bücher zu ähnlichen Themen gibt hat mich hier doch die aufrechterhaltene Spannung und Abwechslung gut überzeugen können.
Es ist eine gelungene Kombination aus Zeitgeschichte und Spurensuche nach Geheimnissen aus der Vergangenheit.

Bewertung vom 19.08.2025
Foenkinos, David

Das glückliche Leben


sehr gut

Zunächst einmal ist in diesem Roman von David Foenkinos niemand glücklich in seinem Leben. Éric ist unzufrieden in seinem Job bei Decathlon, geschieden, Vater von Hugo der bei seiner Ex-Frau Isabelle lebt und er hat kaum Kontakt zu seiner Mutter, die ihn am frühen Tod des Vaters mitschuldig macht. Unentschlossen und leicht deprimiert geht es durchs Leben, bis er von Amélie angeworben wird für einen Job, der ihn trotz Flugangst und Zaudern durch die halbe Welt führt. Seine Chefin ist eine taffe Karrierefrau, die ihre Familie und die Arbeit mehr oder weniger gut unter einen Hut bringt. Doch auch sie ringt mit ihrer Position, mit der Entfremdung zu ihrem Mann und den beiden Töchtern. Als Éric bei einem Termin in Korea alles zu viel wird kommt er in Kontakt mit einer Firma, die Fake-Beerdigungen anbietet. Dieses Erlebnis verändert sein gesamtes Leben und damit auch das von Amélie.
Was ich für eine ziemlich verrückte Idee gehalten gibt es in Süd-Korea wirklich. Es kommt mir ein bisschen bizarr vor, dass man durch diese "Therapie" ein neuer Mensch wird, zufriedener, zielstrebiger und ausgeglichen. Die Vorstellung, sich in einem Sarg liegend auf sich und sein Leben zu besinnen, erscheint mir hier in Europa - in diesem Fall in Frankreich - doch eher unrealistisch.
Es ist extrem, wie sehr Éric sein Leben ändert und plötzlich im Griff hat, hier hat der Roman für mich ein bisschen was philosophisches. Am besten gefällt mir die Person der Amélie, die alles in ihre Karriere investiert und den typischen Stress von Frauen in Führungspositionen durchmacht. Auch der realistische Bezug zu Corona, die Schwierigkeiten als Eltern im Homeschooling, die erzwungene Nähe als Paar und der berufliche Stillstand machen sie für mich zu einer Person, mit der ich mich gut identifizieren kann. Das Verhältnis von Éric und Amélie ist ein interessantes auf und ab, in dem sich die Machtverhältnisse deutlich verschieben. Dies zu verfolgen ist sehr unterhaltsam. Gut gefällt mir, dass aus der Sicht von beiden Protagonisten erzählt wird, so dass man ein Ereignis aus verschiedenen Perspektiven erlebt.
Der Schreibstil ist eher umemotional und beobachtend, hier hätte ich mir manchmal etwas mehr Wärme oder Empathie gewünscht.
Ein unterhaltsamer Roman über eine verrückte Idee und wie sie das Leben verändern und glücklicher machen kann. Eine Hymne auf den Mut zu Neuanfängen.

Bewertung vom 19.08.2025
Allende, Isabel

Mein Name ist Emilia del Valle


gut

In dem neuen Roman von Isabel Allende beschreibt Emilia Del Valle ihre Lebensgeschichte, die gleichzeitig auch ein Ausflug in die Geschichte Chiles gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist. Emilias irische Mutter wurde von einem chilenischen Adligen vergewaltigt, sie wächst jedoch gut behütet von ihrem Stiefvater und der sehr gläubigen Mutter in Kalifornien auf. Sie liebt das Schreiben, veröffentlicht Groschenromane unter einem männlichen Pseudonym und wird schließlich Journalistin. Doch sie möchte noch mehr erreichen und wird schließlich Kriegsberichterstatterin in Chile, ein Land, in dem sie gleichzeitig ihre Wurzeln sucht.
Emilia del Valle ist eine sehr emanzipierte junge Frau, die keinen Wert auf Konventionen legt. Fast liest sich ihre Geschichte wie ein Abenteuerroman, in diesem Fall ist er aber unterlegt mit der martialischen blutigen und aufständischen Geschichte Chiles. Dieser historische Teil über die Politik und den Bürgerkrieg in Chile gefällt mir insgesamt in diesem Roman am besten.
In einer männerdominierten Welt besorgt Emilia sich geschickt ihre Informationen von Dienstboten, die hinter den Kulissen viel Wissen erwerben und wird damit recht erfolgreich. Sie ist mutig und waghalsig und lässt sich nichts gefallen. Auch ihr Umgang mit Männern ist für die Zeit sehr ungewöhnlich und abgebrüht, obwohl auch sie die Liebe nicht ganz kalt lässt.
Die Erzählweise von Emilia ist etwas spröde, was aber sicher der Zeit geschuldet ist, in der die Handlung spielt. Trotzdem macht dies den Roman für mich weniger attraktiv, da ich ansonsten gerade auf Grund des Schreibstils die Bücher der Autorin sehr schätze. Zudem hat das Buch ein paar Längen und das Ende erscheint mir nicht sehr realistisch und auch ein wenig abrupt. Wieder ist die Protagonistin hier eine sehr starke Frau, trotzdem konnte diese Kombination aus Emanzipation und Zeitgeschichte mich nicht vollends überzeugen.

Bewertung vom 13.08.2025
Gerstberger, Beatrix

Die Hummerfrauen


sehr gut

Drei Frauen begleiten wir durch den Roman, die sehr unterschiedlich sind aber alle einen ungewöhnlichen Beruf haben. Da ist zum einen Ann, die älteste Hummerfischerin in einem kleinen Ort in Main. Sie ist etwas verschroben und ruppig, außerdem durch ihre Homosexualität eher eine Exotin. Ihre Freundin Julie ist eher das Gegenteil, sie ist ein wenig schrill und glitzernd und trägt ihr Herz auf der Zunge. Die ungleichen Freundinnen verbindet die Hummerfischerei, wo sie dem genauen Augenmerk der männlichen Fischer ausgesetzt sind, deren Respekt man sich hart erarbeiten muss. Dritte im Bund und jüngste ist Mina, die als Kind mit ihrer Familie in dem kleinen Ort immer den Urlaub verbracht hat. Sie lernt das Hummerfischen und es entsteht eine tiefe Frauenfreundschaft.
Man könnte diesen Roman fast ein bisschen emanzipatorisch nennen, gehen die drei Frauen doch einem von Männern dominierten Beruf nach. Die unterschiedlichen Charaktere der Hummerfrauen sind sehr unterhaltsam zu lesen, mir gefällt allerdings die meist ruppige Ann mit ihren trockenen Kommentaren am besten. Mina ist zunächst die hilfsbedürftigste der drei, tut jedoch auch ihren Freundinnen sehr gut.
Viele Facetten hat dieser Roman, es geht um Liebe, um Freundschaft und auch um ein Geheimnis aus der Vergangenheit. Und doch ist auch hier nicht alles eitel Sonnenschein, der Roman hat durchaus auch ernste Themen im Gepäck. Die Autorin beschreibt das kleine Dorf in Main so intensiv, dass man die dümpelnden Fischerboote und die wunderschöne Natur fast vor den Augen hat. Auch die Nebencharaktere sind sehr liebevoll und manchmal etwas überspitzt dargestellt, was dem ganzen Roman etwas sehr leichtes und lustiges gibt.
Für mich eine ideale Urlaubslektüre für Frauen, da den Männern durchweg eher Nebenrollen zukommen. Es ist nicht unbedingt ein besonders anspruchsvolles Buch, aber sehr unterhaltsam und oft auch humorvoll.

Bewertung vom 13.08.2025
Hewitt, Seán

Öffnet sich der Himmel


gut

James lebt in einem kleinen Dorf zusammen mit seinem kranken Bruder und seinen Eltern. Schon früh hat er sein Coming out, was ihn noch mehr zum Außenseiter in der Schule macht. Als er Luke kennen lernt, einen Jungen der selber mit reichlich Problemen zu kämpfen hat, verliebt er sich und ringt schwer mit seinen Gefühlen.
Der Roman wird aus der Rückschau erzählt. Man erfährt wenig über den Erwachsenen James, nur dass er geschieden ist. Seine Liebe gilt immer noch Luke aus der Vergangenheit, von dem er sich gedanklich nie ganz lösen konnte.
Es ist ergreifend zu erfahren, wie sich der junger James in der Pubertät mit seiner Sexualität quält. Zumindest wird er nicht von seiner Umgebung angefeindet, er fühlt sich eher nicht dazugehörig, als Exot. Auch seine Eltern akzeptieren ihn so wie er ist, aber er kann eine Kluft zu ihnen - vor allem zur Mutter, die sich wirklich Mühe gibt - nicht überwinden. Erschreckend ist allerdings, wie stark sich die Eltern auf den kranken kleinen Bruder Eddie konzentrieren und wie wenig Aufmerksamkeit James dagegen bekommt. Er scheint es zu akzeptieren, leidet aber trotzdem darunter.
Sprachgewaltig erzählt Seán Hewitt hier James Geschichte in einem Coming-of-Age Roman. Man merkt, dass der Autor mehrere Gedichtbände veröffentlicht hat, seine Formulierungen sind bildhaft und intensiv. Trotzdem konnte mich der Inhalt nicht ganz überzeugen, eher lässt mich dieses Buch ein wenig schwermütig zurück. Es gibt wenig positive Perspektiven oder Spuren von Glück, es überwiegen eher depressive Gefühle und die Unsicherheit. Auch das Cover finde ich nicht wirklich gelungen, der geöffnete Mund des jungen Mannes lässt ihn ein bisschen merkwürdig aussehen.
Ein Roman, den ich vielleicht eher Männern empfehlen würde.

Bewertung vom 28.07.2025
Maschik, Anna

Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten


sehr gut

Dieser Buch sticht einem sofort durch das schöne Cover und den ungewöhnlichen Titel ins Auge. So wie diese beiden nicht wirklich zueinander passen wollen, so bemüht auch die Geschichte über 4 Generationen von Frauen zahllose Bilder, die scheinbar nicht harmonisieren. Aber so wie sich der Titel gleich zu Beginn des Romans erklärt und auch die Zitrone immer wieder Teil der Geschichte wird, so fügen sich auch die kurzen Lebensfragmente insgesamt zu einer harmonischen Einheit zusammen.
Die Urenkelin Alma erzählt vom Leben ihrer Urgroßmutter Henrike, die mit ihrem Mann Georg auf einem kargen Bauernhof an der Nordsee lebt. Tochter Hilde versucht, dem harten Alltag als Bäuerin zu entkommen, in ihr bleibt aber die Liebe zur Natur und zum Garten. Obwohl Hilde schwer unter der Lieblosigkeit ihrer Mutter leidet, zieht auch sie eines ihrer Kinder deutlich den anderen vor. Mit ihrer zuletzt geborenen Tochter Miriam, Almas Mutter, verbindet sie eher negative Gefühle, dieses Kind wollte sie nicht mehr bekommen. Überhaupt geht es viel um die Liebe zwischen Mütter und Kindern, den Männern in diesem Roman kommen eher Nebenrollen zu. Gestraft wird mit Verstummen oder harten Worten. Das Verhältnis der Familienangehörigen untereinander ist überwiegend geprägt durch Missgunst und fehlender Nähe. Die jeweiligen Töchter versuchen alle mit einer gewissen Verzweiflung, sich im Laufe ihres Lebens von der Prägung durch die Mütter zu lösen.
An diesem Debütroman von Anna Maschik ist vieles ungewöhnlich, dennoch liest er sich schnell und trotz der Schwere des Themas sehr leicht. Ich habe ihn mit großer Neugier an einem Nachmittag hintereinander weg gelesen. Viele Dinge bleiben ungesagt, viele Lücken werden nicht gefüllt, aber trotzdem entsteht beim Lesen im Kopf eine Geschichte über 4 Generationen von Frauen, die ihren Weg gehen. Trotz der geringen Seitenzahl hat dieser Roman eine große Dichte, die mich beim Lesen immer wieder ein wenig überrascht hat. Sehr gut gefallen mir zudem am Ende des Romans die 5 Fragen an die Autorin, die einen guten Einblick in das Entstehen des Buches und in die Geschichte geben.
Ein (halber) Stern Abzug dafür, dass ich insgesamt an mehreren Stellen gerne noch weiter in die Tiefe gegangen und mehr Details erfahren hätte.
Hier werden durchaus alte Themen ganz neu erzählt, dass macht für mich den großen Reiz des Buches aus. Eine Empfehlung für alle, die einen in vielen Facetten ungewöhnlichen Roman zu schätzen wissen.

Bewertung vom 23.07.2025
Rytisalo, Minna

Zwischen zwei Leben


sehr gut

Jennys Leben teilt sich in ein Vorher und ein Nachher: Den Cut hat sie selber dadurch herbeigeführt, dass sie ihren Mann verlassen und einen Neuanfang gewagt hat. Früher war sie Jenni, Ehefrau und Mutter, angepasst, fürsorglich, stets bemüht zu gefallen. Heute ist sie die 51jährige Jenny die alleine lebt, kontaktfreudig und mutig ist und einen guten Draht zu ihrer Familie hat.
Erzählt wird die Geschichte in verschiedenen Ebenen, alles ohne von wörtlicher Rede untermalt zu sein. Es gibt den beobachtenden Erzählstrang, dann die kommentierenden Geschichten der Ajatarras (weibliche Märchenfiguren) und schließlich die Briefe, die Jenny auf Anraten ihrer Therapeutin an eine beliebige Person schreiben soll. Diese unterschiedlichen Ansätze erzählen Jennys Geschichte in Zeitsprüngen und Rückblicken, wobei mir am besten die Briefe gefallen. Interessanter Weise sucht sie sich Brigitte Macron aus, die ihr mit ihrer Lebens- und Liebesgeschichte imponiert."Distanz schafft Sicherheit" (S.233), und so öffnet sich für mich Jenny am deutlichsten in Zeilen, die niemals abgeschickt werden.
Witzig auch die Sichtweise der weiblichen Märchenfiguren, die ihr Rollenbild in der Gesellschaft hinterfragen und Jenny sozusagen gute Tipps geben.
Es ist ein emanzipatorischer Roman, den Minna Rytisalo hier geschrieben hat und auf erfrischende Art von einer Frau erzählt, die sehr durchschnittlich ist und mit der man sich deshalb wunderbar identifizieren kann. Jenny greift in ihrer Veränderung auch nie zu drastischen Mitteln oder schlägt völlig über die Stränge. Selbst der Aufbau ihres neuen Lebens geht gesittet und meist unsentimental vor sich. Dies ist kein radikal feministisches Buch sondern besticht durch leise Töne, einzig die aufmüpfigen Märchenfiguren trauen sich hier manchmal etwas. So findet man sich als Frau in zahlreichen Rollenklischees wieder, kennt die nicht dramatischen und doch belastenden Probleme von Jenny.
Ein ungewöhnlicher Roman, der sich vor allem an Frauen wendet. Eine Leseempfehlung für alle, die ein emanzipatorisches Buch lesen mögen, das nicht mit der Brechstange und dem erhobenen Zeigefinger daher kommt.

Bewertung vom 21.07.2025
Fonthes, Christina

Wohin du auch gehst


ausgezeichnet

Es ist eine ganz andere Welt, in die einen Christina Fonthes mit ihrem Debütroman entführt. Es geht um zwei Frauen, die auf ihre Art versuchen, mit einem Leben zwischen dem Kongo und London zurecht zu kommen.

Mira ist die etwas aufmüpfige Tochter einer wohlhabenden Familie im Kongo, die bei ihren Eltern in Ungnade fällt. Sie zieht nach Europa und landet schließlich in London, wo sie 20 Jahre später als verhärmte und tiefgläubige Frau lebt. Die junge Bijoux wird weg von ihrer afrikanischen Familie zu Mira nach London geschickt. Als sie entdeckt, dass sie lesbisch ist, beginnt ein quälendes Ringen um Selbstfindung im Kreis der afrikanischen Gemeinde.

Beide Geschichten werden im Wechsel jeweils aus der Sicht von Mira und von Bijoux erzählt. Durchsetzt mit vielen afrikanischen Wörtern, die teilweise hinten in einem Glossar erklärt werden, versetzt die Autorin einen hinein in das Leben in Afrika einerseits und in eine afrikanische Gemeinde in London andererseits. Dabei beschreibt sie so anschaulich und authentisch, dass man die afrikanischen Gewänder, die Frisuren und das Essen fast vor sich sieht. Auch legt Fonthes immer wieder den Fokus auf bestimmte Gerüche, die intensiv beschrieben werden. Auf ihre Art erschütternd sind beide Schicksale, auch wenn das von Mira mir noch näher geht. Ihre Entwicklung ist extrem, man wirft ganz langsam einen Blick hinter die Fassade der unsympathischen, herrischen und lieblosen Frau, die so gar nicht zu dem aufmüpfigen und lebensfrohen Mädchen aus dem Kongo passen will. Aber auch Bijouxs Kampf ist sehr berührend geschrieben und zeigt auf erschreckende Art, was afrikanische Frauen alles durchmachen müssen. Dabei sind viele Themen brandaktuell, auch wenn die Geschichten zwischen 1974 und 2007 erzählt werden. Es geht um Liebe zwischen Eltern und ihren Kindern, um afrikanische Lebenseinstellung, um Bevormundung, um Akzeptanz, um Diversität und um das Recht der freien Partnerwahl. Aber auch die Gefühle von Menschen, die aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden und sich plötzlich zwischen zwei Welten mit einem Kulturschock wiederfinden. In den aktuellen politisch unruhigen Zeiten eine Geschichte, die einen sofort an die vielen Flüchtlinge denken lässt, die versuchen, in einem neuen Leben Fuß zu fassen. Am Ende gibt es noch einen Twist, der das Buch zusätzlich interessant und überraschend macht.

Ein Buch vor allem für Frauen, das zwei eindrückliche Geschichten über afrikanische Frauen und die afrikanische Kultur erzählt und dabei viele verschiedene Themen anspricht. Es macht viel Spaß zu lesen und versetzt einen im Laufe der Handlung nach Kinshasa, London, Brüssel und Paris.

Bewertung vom 16.07.2025
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


sehr gut

Lisa und Simon führen eine Ehe, die hauptsächlich auf Gewohnheiten beruht. Lisa fühlt sich ihrem lieblosen Vater verpflichtet, der nur noch mühsam sein Hotel betreiben kann. Außerdem kümmert sie sich um ihre demente Mutter. Plötzlich muss sie erleben, wie sich eine unbekannte Frau in ihr Leben drängt und alles in Frage stellt, was sie sich aufgebaut hat.
Dieser Roman wird abwechselnd aus der Sicht von Lisa, ihrem Mann Simon, dem Vater Carl und seiner Freundin und Haushälterin Margret geschrieben. Der Schwerpunkt liegt jedoch klar bei Lisa, von deren Gemütslage man am meisten erfährt.
Auch in diesem Roman gelingt es Hauff, viele verschiedene unterschwellige Konflikte darzustellen, die unter einer vermeintlich harmonischen Oberfläche lauern. Allen voran ist es die Beziehung von Lisa und Simon, in der beide irgendwie unglücklich sind, ohne dass sie den Grund richtig benennen können oder wollen. Durch Danielas Auftauchen wird eine Aussprache erzwungen, die eigentlich schon lange überfällig ist. Auch das Verhältnis zwischen Lisa und ihrem Vater Carl ist zutiefst gestört. Lisas bettelt um die Liebe oder wenigstens die Anerkennung ihres Vaters, der jedoch nur den abwesenden Sohn vergöttert, der sich aus allem raushält. Damit ist auch das Verhältnis von Lisa und ihrem Bruder Felix stark belastet, obwohl beide unter der schwierigen Kindheit mit den hohen elterlichen Ansprüchen gleichermaßen leiden mussten. Dass Lisas Freundin Johanna so leicht gegen ihre beste Freundin einzunehmen ist finde ich eher unrealistisch, ist aber hier auf Neid zurück zu führen. Nicht zuletzt die Konflikte zwischen Carl, Lisa und Margret vervollständigen dieses Bild der vermeintlichen Harmonie, bis die Situation durch das Auftauchen von Daniela völlig eskaliert.
Wer die beiden Vorgängerromane von Kristina Hauff gelesen hat, der findet hier die gleiche Leichtigkeit in der Lektüre, auch einen gewissen Sog und die Spannung, wie es wohl mit den Charakteren weiter geht. Für mich bleibt dieser Roman jedoch leider hinter den anderen zurück. Ein bisschen zu vorhersehbar kommt die Handlung daher, die Charaktere könnten etwas mehr Tiefe vertragen. Die ersten beiden Teile des Buches gefallen mir besser, der dritte Teil ist mir ein wenig zu platt, die Figuren - hier vor allem Lisa - allesamt ein bisschen naiv, das Ende zu glatt. Da hätte ich mir etwas mehr Raffinesse oder einen Twist gewünscht.
Trotzdem ein gut geschriebener Roman, der sich flott liest und die Geschichte einer geschickten Manipulation erzählt.

Bewertung vom 13.07.2025
Fox, Candice

Devil's Kitchen


ausgezeichnet

Wie immer bei Candice Fox geht es um etwas zwielichtige Gestalten, es wird brutal und sehr spannend. Diesmal spielt ihr Thriller im Feuerwehr-Milieu, wo die Crew von Engine 99 tatsächlich sehr viel mehr tut als Brände zu löschen. Die private Ermittlerin Andy wird auf die Gang angesetzt und ermittelt undercover und mit Einsatz ihres Lebens in einer harten und gewaltbereiten Männerwelt.
Einzig wirklich sympathischer Charakter in dieser Gruppe ist Ben, obwohl auch der an Verbrechen beteiligt ist. Aber er hat einen weichen Kern, leidet noch unter seiner Kindheit und träumt von einem Leben als liebevoller Familienvater. Auch Andy ist eine krasse Frau, die ihre weiche Seite nicht wahr haben will. Sie kniet sich völlig in ihre Fälle rein und verändert dafür ihr gesamtes Leben. Was für ein Leben, bei dem man sich immer vollständig an eine neue Rolle anpasst.
Wie realistisch dieses Szenario von Candice Fox ist weiß ich nicht. So kann ich mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass sich Andy in ein paar Tagen trotz Crash-Ausbildung als Feuerwehrfrau alles draufschaffen kann, was man wissen muss. Manche Szenen finde ich ein bisschen übertrieben brutal, aber auch das bin ich von der Autorin gewöhnt. Die Figur von Matt ist da schon extrem.
Ein knallharter Thriller mit interessanter Hintergrundgeschichte, der gut unterhält.