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katikatharinenhof

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Insgesamt 269 Bewertungen
Bewertung vom 14.08.2025
Mierau, Susanne

Bindungsstarke Kita


ausgezeichnet

Ich bin für dich da

Susanne Mieraus Bindungsorientierung-Ansatz wird in "Bindungsstarke Kita" praxisnah, wertschätzend und konkret präsentiert. Das Buch ist ein Plädoyer dafür, dass Kinder nicht nur Zuhause, sondern auch in außerfamiliären Betreuungssettings ein Gefühl von Geborgenheit, Verlässlichkeit und Beziehungssicherheit erleben müssen — und es bietet Erzieher:innen konkrete Werkzeuge, um genau dieses Umfeld zu gestalten.

Die Pädagogin beschreibt in ihrem Buch die Bedeutung stabiler, verlässlicher Beziehungen für die ganzheitliche Entwicklung von Kindern. Im Zentrum steht das Leitmotiv "Ich bin für dich da": pädagogische Fachkräfte sollen als verlässliche Bezugspersonen fungieren, die den Kita-Alltag so gestalten, dass Kinder sich verstanden und sicher fühlen. Mierau legt dabei Wert auf alltagspraktische, leicht umsetzbare Maßnahmen, die von einer klaren Haltung und Selbstreflexion der Fachkräfte getragen werden.

Viele konkrete Alltagstipps und kleine Routinen, die sich unmittelbar im Kita-Alltag umsetzen lassen machen das Buch für Erzieher:innen besonders nutzbar. Dabei distanziert sich die Schreibende bewusst von pauschalen „guten Ratschlägen“ und setzt stattdessen auf eine Haltung, die Kinder in ihrer Individualität und mit ihren Bedürfnissen ernst nimmt. Es wird deutlich gemacht, dass Bindung nicht nur ein emotionales Grundbedürfnis ist, sondern die Grundlage für Selbstvertrauen, Ausdrucksfähigkeit und soziale Kompetenz legt, um Kindern das Gefühl zu vermitteln, dass ihre Kita-Bezugspersonen eine Art "Anker" für sie sind, der sie in allen Situationen hält und unterstützt.

Ein überzeugender, praxisorientierter Ratgeber, der Erzieher:innen ermutigt, Beziehung als Kernaufgabe in der Kita zu begreifen. Susanne Mierau gelingt der Spagat zwischen klarer Haltung und konkreter Umsetzbarkeit — ein Buch, das nicht nur Ideen liefert, sondern Fachkräften Mut macht, ihre Rolle als verlässliche Bezugspersonen aktiv zu gestalten. Für alle, die Beziehungssäulen im Kita-Alltag stärken wollen, ist dieses Buch eine sehr empfehlenswerte Lektüre. Kleine Abzüge gibt es, wenn man eine stärkere wissenschaftliche Tiefe oder umfassende Konzepte zur Organisationsentwicklung erwartet, daher 4,5 Sternchen

Bewertung vom 13.08.2025
Rämö, Satu

Die Toten am Meer / Hildur Bd.4


gut

Wirkt wie nachgeschoben....

Tief durchatmen, die Vergangenheit hinter sich lassen und endlich so etwas wie einen normalen Alltag leben - Hildur dachte eigentlich, dass sich die Aufregungen nach dem letzten Fall gelegt haben. Doch erstens kommt es anders und zweitens wird es kryptisch, denn derFfund von menschlichen Knochen auf dem elterlichen Anwesen treibt Hildur wieder dazu an, tief in der Vergangenheit zu wühlen. Aber sind es dieses Mal wirklich die Toten, die ihre Geschichte erzählen...



Ich bin mehr als überrascht, dass es einen vierten Teil aus der Hildur-Reihe gibt, denn nach dem dritten Band war für mich klar, dass die Geschichte in sich ist.. Nun stellt sich die Frage, ob die Autorin noch mal auf den fahrenden Zug aufgesprungen ist, um den Hype um ihre doch eher unkonventionelle Ermittlerin auszukosten, oder war es Absicht, die Leser:innen darüber im Unklaren zu lassen ?!

Fest steht jedenfalls, dass die komplette Handlung es Buches tatsächlich wie nachgeschoben wirkt, um noch ml mit allen brisanten Themen aufzuwarten, mit denen die skandinavischen Länder konfrontiert werden.. Raubbau an der Natur, "Überschwemmung" abgelegener Orte mit Kreuzfahrttourist:innen, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen auf den Kreuzfahrtschiffen, Menschenhandel und und und.

Es ist irgendwie von allem zu viel und doch ist es zu wenig Spannung, die die Schreibende auf halber Strecke zwischen ihren Themen regelrecht verloren hat. Normalerweise sind viele Erzählstränge Garanten für spannende Abwechslung, wechselnde Schauplätze und geradezu perfekt, um eigene Ermittlungen anzustrengen. In diesem Krimi wirkt alles ziemlich lose, zu gewollt und mitunter wenig hilfreich für die Fortführung der Ermittlungen. Die gedanklichen Ansätze im Bereich der ökologischen Ausbeutung der Region sind sehr gut, jedoch bleibt in der Umsetzung noch deutlich Luft nach oben.

Selbst Jakobs Spagat zwischen Familie und Beruf wirkt zwischenzeitlich aufgesetzt und auserzählt.

Die Familiengeschichte von Hildur bleibt weiterhin von Lügen und Intrigen durchzogen, jedoch fehlt das sprichwörtliche Salz in der Suppe, um daraus noch irgendwie so etwas wie Nervenkitzel werden zu lassen.

Immerhin hat Satu Rämö es geschafft, die Fans ihrer Buchreihe mit der Veröffentlichung eines vierten Buches zu überraschen....und das ist auch schon mal viel wert. Bleibt die Frage: War es dieses Mal auch wirklich der letzte Teil ?

Bewertung vom 12.08.2025
Weiss, Ruth

Erinnern heißt Handeln


sehr gut

Starke Menschen haben nie eine einfache Vergangenheit

Ruth Weiss blickt in ihrem Buch „Erinnern heißt handeln“ auf die Ereignisse eines ganzen Jahrhunderts zurück. Erinnerungen, die ihr eigenes Lebensjahrhundert geprägt und dabei Spuren und Narben hinterlassen haben. Und doch ist Ruth Weiss nicht verbittert

Im Gegenteil: Als jüdische Betroffene hat sie Rassenhass und Diskriminierung im Kindheitsalter nicht nur erlebt, sondern auch überlebt, um dann im Exil in Südafrika genau das gleiche wieder vor Augen geführt zu bekommen. Denn Hass, Hetze, Rassentrennung und eine vergiftete Atmosphäre liegen als Tuch der Apartheid lange Jahre über Südafrika.

Ruth Weiss schaut nicht weg, sondern bewusst hin und geht einen Weg, der sich aus ihren Erinnerungen formt und zum Handeln wird, um Demokratie, Freiheit und Gleichberechtigung hinaus in die Welt zu tragen.

Auf 175 Seiten macht sie ihren Leser,innen Mut, damit Völkerverständigung, Versöhnung und gegenseitiges Verständnis zu einem achtsamen Miteinander führen. Respekt, Rücksichtnahme und Toleranz sind die Türöffner, um Hass und Hetze - egal ob als gesprochenes oder geschriebenes Wort- endlich entgegenzutreten, damit auch das „Nie wieder ist jetzt!“ aktiv gelebt und umgesetzt werden kann.

Erinnern, um nicht zu vergessen – heute wichtiger denn je. Ein sehr kluges, intensives Buch, das nicht nur Mut macht, selbst etwas zu tun, sondern auch davor warnt, welche Gefahren durch Intoleranz in der gesellschaftlichen Entwicklung schlummern.

Bewertung vom 12.08.2025
du Mont, Sky

Der nächste Fehler kommt bestimmt


sehr gut

„Es gibt keine Fehler oder Zufälle. Alles, was passiert, hat seinen Sinn.“ – Friedrich Nietzsche

Er hat es wieder getan ! Sky du Mont hat erneut ein paar Gedanken zu den Themen Leben, Wendepunkte und Schlüsselmomente zu Papier gebracht und sie mit dem Titel „Der nächste Fehler kommt bestimmt“ versehen“

Aber was sind eigentlich Fehler ? Wo beginnen und wo enden sie ? Sind Fehler eigentlich nicht hundert Möglichkeiten, andere Wege zu gehen und Neues zu entdecken ?

Gewohnt heiter und doch auch nachdenklich, sogar manchmal auch philosophisch, führt Sky du Mont die Leser:innen durch seine Rückblicke. Lässt sie an seinen Gedanken und Entscheidungen teilhaben und gibt ihnen tiefe Einblicke – auch in sein Seelenleben.

Er zeigt, dass es eigentlich nur eine einzige Bühne gibt, die sich Leben nennt und Jede/r darauf sein Bestmögliches gibt. Diese Bühne immer wieder neu zu bespielen. Sie als ganzen Raum zu nutzen bedeutet aber auch, vom Weg abzuweichen, sich mal zu verlaufen und auch ein Stück des Weges allein zu gehen.

Es sind Erinnerungen, die den Schauspieler und Autor geprägt haben und die ihn, trotz oder gerade wegen ihrer einschneidenden Erfahrungen dankbar gemacht haben. Dankbar für die Menschen, die ihn ein Stück weit in seinem Leben begleitet haben, dankbar für jeden Moment der Aufmerksamkeit, Respekt, Anerkennung Fürsorge und des an ihn Glaubens und dankbar für die Möglichkeit, sich auszuprobieren, hinzufallen und gestärkt wieder aufzustehen.

Du Mont richtet klare Worte an seine Leser:innen, bezieht Stellung im Hinblick auf die aktuelle politische Situation und beweist auch bei diesen Themen Fingerspitzengefühl, Empathie und Einfühlungsvermögen. „Würde ist nicht nur ein Konjunktiv“ könnte auch ein Untertitel seines Buches sein, denn du Mont nimmt die Würde des Menschen, die Würde des Alterns und die Würde des Ich-Seins sehr genau unter die Lupe, macht auf Diskrepanzen im Alltag aufmerksam (man sollte die Welt nicht durch die Filter der Fotos in den sozialen Medien sehen) und lädt dazu ein, das Leben als ein Geschenk zu betrachten.

Dinge, die für uns selbstverständlich sind, gehen oft im Alltag verloren und so ist das Leben einfach jeden Tag eine neue Gelegenheit, dieses Geschenk immer wieder auszupacken, es anzunehmen und daraus ein glitzernden Konfettibonbon zu machen. Fehler sind dazu da, um sie zu machen, denn nur dann werden wir zu den Menschen, die wir sind.

Ein Buch über Demokratie und Happy Ends, Abschiede und Neubeginn, erste Male, die gefeiert werden sollen und ganz viel Spaß am Leben

Bewertung vom 06.08.2025
Simon, Teresa

Die Holunderschwestern


ausgezeichnet

Ihr seid vielleicht so verschieden wie die Sonne und der Mond, aber das gleiche Blut fließt durch eure beiden Herzen. Du brauchst sie, so wie sie dich braucht. George R.R. Martin

Katharina kann kaum glauben, was der Fremde in ihrer Werkstatt ihr erzählt. Plötzlich steht nicht nur ihre eigenen Welt Kopf, sondern die ganze Familiengeschichte wird neu aufgerollt. Zwischen Holzspänen, tanzenden Staubpartikeln und Politur entfaltet sich nämlich nicht nur eine Romanze, sondern auch ein faszinierender und spannender Einblick in handgeschriebene Aufzeichnungen. Während manchmal die Tinte auf dem Papier regelrecht flüstert, wird Katharina Zeugin einer Geschichte, die zunächst von Euphorie und dem Glauben an eine aufregende Zukunft geprägt wird. Doch manchmal kommt alles anders....



Sie.Kann.Es.Einfach! Teresa Simon aka Brigitte Riebe veröffentlicht mit "Die Holunderschwestern" einen sehr feinfühligen und zugleich aufwühlenden Roman der zeigt, wie das Leben seine Kreise zieht und das Rad des Schicksals sich immer weiter dreht, wenn der Stein erst einmal ins rollen gekommen ist.

Auf zwei Zeitebenen gelingt es der Autorin, ihre Leser:innen dermaßen an die Seiten zu fesseln, dass sie das Buch nur schwer aus der Hand legen können. Ähnlich wie Katharina im Buch ergeht es auch den Lesenden, denn sie tauchen immer tiefer in die Geschehnisse ein und erleben gerade die Schilderungen der Vergangenheit wie einen lebendig gewordenen sepiafarben Kinofilm. Dabei dienen die aufgeschlagenen Seiten des Romans als begehbare Kulisse und ziehen die Lesenden mitten hinein ins Geschehen.

Schwestern - und gerade Zwillingsschwestern - sind durch ein ganz besonderes Band verbunden und doch können sie unterschiedlicher nicht sein. Während Fanny warmherzig ist wie die Sonne, erscheint Fritzi kühl und weit entfernt wie der Mond. Fanny und Fritzi sind zwei starke Frauen, die es nicht immer leicht haben und doch auf ihre Weise ihren Weg gehen - ein Blick in das Gesicht der einen ist auch der Blick in die Seele der anderen. Von ihren Lebensgeschichten zu lesen bedeutet auch, eine sehr anschauliche Geschichtsstunde mitzuerleben, die Dank der hervorragenden Recherche der Autorin, ihren beruflichen Erfahrungen als promovierte Historikern und ihrem mitreißenden Schreibstil zu pulsierenden Sprachbildern verwebt werden.

Katharina steht als Bindeglied zwischen dem Einst und Jetzt. Ihre Arbeit als Restauratorin erschafft aus einer alten Ladeneinrichtung ein wundervolles Stück, das trotz Narben und Rissen in neuen Glanz erstrahlt. Und genau da setzt die Schreibende an, wenn sie Geschichte lebendig werden lässt - sie erzählt von Narben und Rissen, Wunden auf Herz und Seele und verbindet die Bilder der Erinnerung mit der Gegenwart, die ineinandergreifen wie Zahnräder. Aus gut gehüteten Geheimnissen entsteht eine Familiengeschichte, die manche Wunden heilen lässt, Vergebung und Neubeginn enthält und starke Botschaften aussendet.

Der kulinarische Genuss kommt auch nicht zu kurz und so können die Lesenden dank der vielen beigefügten Rezepte den Kochlöffel schwingen und sich Fannys Gerichte auf der Zunge zergehen lassen - bei Grießnockerlsuppe, Schweinsbraten mit Kartoffelknödeln oder gebackenen Holunderblüten mit Vanilleschaum schweifen gerne die Gedanken zurück zum Buch und so bleibt es ganz lange in Erinnerung.

Wer Kino in Buchform erleben möchte, der muss einfach "Die Holunderschwestern" lesen !

Bewertung vom 26.07.2025
Lott, Sylvia

Duftwickensommer


gut

Jede Blume im Garten erzählt eine Geschichte – über Überleben, Schönheit und die Wandlung der Zeit.

Marieke nimmt sich den Spruch "Das Meer ist meine Waschmaschine für die Seele" sehr zu Herzen und wagt nach ihrer Scheidung den Neustart auf Borkum. Ihre Villa Cupani ist ramponiert, ähnlich wie ihr Herz, und doch fühlt sich Marieke auf Anhieb wohl im rot geklinkerten Haus. Mariekes Neugier nimmt kein Ende, als Nachbarin Alwine ihr von der Geschichte ihres Hauses erzählt. Und so taucht Marieke immer tiefer in die Vergangenheit ein und lernt ganz nebenbei, dass das Leben mit all seinen Narben auch wundervolle Blüten treiben kann...



Sylvia Lott öffnet mit "Duftwickensommer " einladend die kleine Gartenpforte zur Villa Cupani und lädt ihre Leser:innen ein, sich auf Borkum direkt wohlzufühlen. Das duftig-sommerliche Cover verbreitet sofort eine angenehme maritime Atmosphäre und versprüht den Zauber eines Spätsommertages an der Nordsee.

Unterteilt in zwei Zeitebenen folgen die Lesenden zunächst Marieke auf ihrem Trip zu sich selbst, um dann erschrocken festzustellen, dass sich hinter der weiblichen Hautfigur eine doch eher depressive und fast schon antriebslose Frau versteckt, die mit sich selbst und der aktuellen Situation noch nicht ganz klar kommt.

Ganz anders Anni im Jahr 1911, die ein bisschen keck und vorwitzig ist und trotzdem, oder gerade deswegen, das Herz am richtigen Fleck sitzen hat. Die Erzählung ist hier spritzig, lebhaft und mitunter auch neckisch, perlt wie Champagnerbläschen im Glas und lässt die Leser:innen sämtliche Höhen und Tiefen miterleben.

Die Handlung im Hier und Jetzt ist manchmal sehr seicht, um dann doch einen großen, fast schon überspannten Bogen zu schlagen. Naturschutz, Klimawandel, Overtourism, Immo-Leerstand durch Umwandlung von Wohnraum in Ferienimmobilien und und und wirken mitunter oberleherhaft und deplatziert.

Alwine in der Gegenwart und Anni in der Vergangenheit sind die Stars des Romans und führen die Lesenden durch die Seiten. Was Marieke nicht immer gelingt, machen die beiden starken Frauenfiguren wieder wett.

Es gibt Wissenswertes und Neues über die Vielfalt von Duftwicken zu lesen und so erscheinen die duftig zarten Blüten in einem sehr romantischen Licht. Jedoch versäumt es Lott, ihre Leser:innen mit ihrer Geschichte ebenso zu verzaubern, wie es die Blüten und Anni im Buch tun.

Ein netter Sommerroman für den Strandkorb - schnell gelesen und leider schnell wieder vergessen

Bewertung vom 24.07.2025
Caspian, Hanna

Schwestern des brennenden Himmels


gut

Versprochen ist versprochen...

Während die Welt in Trümmern liegt, schicken sich die Siegermächte an, in Potsdam zu verhandeln, um so etwas wie Ordnung in das Chaos zu bringen. Ann Miller reist mit der britischen Delegation nicht etwa, um beim Verlauf der geschichtsträchtigen Ereignisse dabei zu sein, sondern aus eigenem Interesse. Denn hinter Ann Miller steckt nicht etwa die umtriebige junge Engländerin, sondern eine junge deutsche Frau, die alles dafür tut, um ein gegebenes Versprechen einzulösen. Was zunächst nach einer Odyssee zwischen Trümmern, Ruinen und politischem Chaos aussieht, entpuppt sich schon bald zu einer Achterbahn der Gefühle. Denn Ann steht sprichwörtlich zwischen den Stühlen...



Hanna Caspian - der Name steht für akribisch recherchierte geschichtliche Ereignisse und Romane, die Wahrheit mit Geschehnisse, die nicht sattgefunden haben, zu einer neue Realität verweben. Mit der "Gut-Greifenau-Reihe" hat sich die Autorin selbst gekrönt und macht damit umso neugieriger auf alle Bücher, die nachfolgen.

Mit "Die Schwestern des brennenden Himmels" erzählt sie ein Stück deutscher Geschichte, das die schrecklichen Bilder des Nachkriegsdeutschland unglaublich lebendig werden lässt. Zwischen Asche, Staub und Trümmerbergen sehen die Leser:innen Ann Miller durch die Ruinen streifen und werden ein Teil der Geschichte.

Während die Machtspielchen der Siegermächte und das politische Ringen um die neue Weltordnung sehr interessant dargestellt werden, gelingt es aber Caspian nicht, die Gedanken und Gefühle der Figuren zugänglich zu machen, um sich mit ihnen zu identifizieren. Ann's Gewissensbisse sind nachvollziehbar, jedoch fehlt ihnen manchmal die Glaubwürdigkeit, um die innere Zerrissenheit der jungen Frau vollkommen nachspüren zu können.

Je mehr Seiten gelesenen sind, desto mehr gerät die Erzählung ins stocken. Manchmal wirkt es so, als habe die Autorin selbst eine Schreibpause eingelegt, um Szenen neu zu überdenken, neue Ansätze der Erzählweise zu finden oder Gedankengänge einzuflechten, die nicht immer nachvollziehbar und passend sind.

Das Einlösen des gegebenen Versprechens rückt manchmal in den Hintergrund und holt andere, plötzlich wichtigere Ereignisse und Szenen hervor, die für eine gewisse Unruhe beim Lesen sorgen. Die Handlung selbst ist eher unaufgeregt und nicht ganz so emotional, wie erhofft, sodass mitunter eine gewisse Zähflüssigkeit entsteht und sich der Roman ungewollt in die Länge zieht.

Hanna Caspian hat bereits bewiesen, dass sie sehr gute Romane schreiben kann und es bleibt zu hoffen, dass sie an den großen der Erfolg der Greifenau-Reihe mit weiteren Buchveröffentlichungen anknüpfen kann. Dieser Roman ist von der Idee sehr gut, in der Umsetzung bleibt jedoch noch ganz viel Luft nach oben - neutrale 3 Sternchen

Bewertung vom 21.07.2025
Völler, Eva

Der Sommer am Ende der Welt


sehr gut

Kinderseelen sind zerbrechlich (Seelenkarussell)


Hanna steht vor einer emotional sehr belastenden Aufgabe, denn die Recherche für ihren neuen Artikel geht nicht nur unter die Haut, sondern weckt auch in ihrer Mutter unschöne Erinnerungen. Ihre Kinderkur auf auf Borkum hat bis ins Erwachsenenalter tiefe Spuren hinterlassen, denn aus der geplanten Erholung wurde ein Alptraum. Je mehr Hanna sich mit den traumatischen Erfahrungen ihrer Mutter und den Zeitzeug:innenberichten einer Facebookgruppe befasst, desto klarer wird das Bild. Zunächst scheint auch das Geschwisterpaar, dem das "Dünenschloss" gehört, auch mehr als freundschaftlich mit Hanna verbunden zu sein, doch nachdem ein mysteriöses Tagebuch aufgetaucht ist, zeigen die beiden ihre wahres Gesicht. und das lässt tief blicken....

Kinderseelen sind zerbrechlich,
denn ihr Geist kennt keine Zwänge,
sie sind so zart und so verletzlich,
und leben nicht in unsrer Enge.
Sie schau’n mit ungetrübten Augen,
und ihr Lachen ist so echt,
sie sind bereit alles zu glauben,
für sie ist nichts und niemand schlecht.
Drum führe eine Kinderseele,
behutsam in ihr eignes Leben,
versuche es nicht mit Befehle,
nur so kann sie zu Freiheit streben.
Es ist dein Werkzeug was du gibst,
lehr sie es weise zu benutzen,
sag ihr wie sehr du sie auch liebst,
denn man wird ihr manche Flügel stutzen

(Seelenkarussell)



Es gibt wenige Romane, die den Leser:innen dermaßen unter die Haut gehen, dass sie beim Lesen seelische und emotionale Schmerzen hervorrufen, Tränen ungehindert fließen lassen und tief empfundenes Mitgefühl auslösen. "

"Der Sommer am Ende der Welt" erzählt in feinfühligen und einfühlsamem Worten vom Alptraum Kinderverschickung in den 1960er Jahren und prangert diejenigen an, die am Ende das große Geld mit misshandelten Kinderseelen gemacht haben. Die strenge und lieblose Atmosphäre wird dabei sehr plastisch eingefangen und zeigt, wie vielfältig die Formen von Gewalt und Vernachlässigung hinter verschlossenen Türen gewesen sind: Schläge, Essenszwang, Kollektivstrafen, Beschämung, unerlaubte Medikamentengabe, Kinder, die die Kur leider nicht überlebt haben, Entmenschlichung durch Namensentzug und Nummernvergabe. Ähnlichkeiten mit den Gegebenheiten der KZ sind nicht von der Hand zu weisen, da jegliche Entnazifizierung des Personals nicht nicht vorgenommen wurde und auch sonstige strukturellen Mängel niemanden interessiert haben - nur der Profit zählt.

Der persönliche Bezug von Völler zu diesen traumatischen Ereignissen lässt das Buch noch aufwühlender werden und schickt die Lesenden auf eine emotionale Achterbahn, mitunter an Grenzen des Ertragbaren. Der Aufbau des Buches ist durchdacht, die Handlung mitreißend und aufwühlend geschrieben. Jedoch verliert sich die Autorin manchmal in zu vielen Schauplätzen, sodass die Lesenden regelrecht mit Ereignissen überschüttet werden und das Gelesene nicht in in seiner ganzen Komplexität aufnehmen und verarbeiten können.

Die Figuren im Buch sind sehr gut skizziert und erzählen authentisch und eindringlich ihre Lebensgeschichten. Die Bilder der physisch und psychisch misshandelten Kinder brennen sich auf der Netzhaut ein und gerade die kleine Sabine bliebt im Gedächtnis - ihr Martyrium mitzuerleben geht an die Substanz und sie steht stellvertretend für alle Verschickungskinder, die stumme Schreie der Verzweiflung Richtung Zuhause geschickt , heiße nächtlichen Tränen vor Heimweh geweint haben und ein Leben lang ihre Narben auf der Seele tragen.

Traurig und ergreifend, und daher umso wichtiger all denjenigen eine Stimme zu geben, die bis heute als Betroffene aus Angst und Scham schweigen. Ein Glück, dass sich vieles in dieser Hinsicht geändert hat und wir heute Kinder bedürfnisorientiert belgeiten.

Bewertung vom 19.07.2025
Dessaul, Arne

Ewige Schuld


sehr gut

Es gibt keine Geheimnisse, die die Zeit nicht irgendwann offenbart (Jean Racine)

Für Fritz hängt gerade der Himmel voller Geigen, denn ausgerechnet Freda, die Tochter des Bürgermeisters, hat sein Sehnen erhört und wird seine Freundin. Zwischen den Vorbereitungen für die Abiprüfung, der Euphorie der WM 1974 und den ersten sexuellen Erfahrungen klebt aber ein fieses Geheimnis, das die Dorfgeschichte bis heute prägt. Aber warum schweigen alle, wenn die Erklärung doch offensichtlich ist ? Je mehr Fritz nachbohrt, desto größer werden die Klüfte, die sich auftun. Unfreiwillig stößt Fritz in ein Wespennest und ahnt nicht, dass dieser Dolchstoß ihn ein Leben lang begleiten wird....



Arne Dessaul erzählt von Mauern...in Köpfen, in dörflichen Gemeinschaften, auf Herz und Zunge und als sichtbar gewordene Machtdemonstration eines ganzen Landes und doch verbindet er Leser:innen und Figuren. Nicht immer gelingt es ihm auch Anhieb, denn der Roman braucht ganze 100 Seiten, um aus den Startlöchern zu kommen und richtig Fahrt aufzunehmen.

Und dann ist es wie mit dem sprichwörtlichen Stein, der einmal ins Rollen gekommen, nicht mehr aufzuhalten ist. Fritz Tiedemann ist ein Blender, ein Lügner und Betrüger und täuscht nicht nur seine Mitmenschen, sondern auch sich selbst. Was als harmlose Affäre beginnt, entwickelt sich fast schon zu einer Art sexueller Hörigkeit und dadurch sieht Fritz die Zeichen der Zeit leider nicht oder nimmt sie nur verschwommen wahr.

Dessaul weckt die Gespenster der Vergangenheit und beweist, dass Lügen und Geheimnisse wie Ungeziefer sind, denn sie kriechen denjenigen immer nach, die sie mit aller Macht zu verheimlichen versuchen. Aus jeder Ecke, jedem Winkel oder wie hier, aus jeder Tagebuchseite, prangern sie auch Jahrzehnte später das an, was oft kunstvoll und mühsam in Lügengebilden aufgebaut wird.

Der Autor zeichnet ein echtes Retro-Gemälde eines niedersächsischen Dorfes nahe der deutsch-deutschen Grenze und lässt auch eine echt coole Playlist dazu abspielen. Während "Waterloo" im Radio rauf und runter läuft, erlebt Fritz selbst seinen ganz persönlichen Untergang und wünscht sich dabei, das "Über den Wolken" nicht nur seine Freiheit grenzenlos ist, sondern auch seine Probleme "plötzlich nichtig und klein" werden.

Dessaul bedient die Genres Krimi, Coming-of-Age und Vergangenheitsbewältigung zu einem Mix, der sich spannend entwickelt und mit überraschenden Wendungen immer wieder für Erstaunen und Aha-:Momente verantwortlich ist. Der Showdown fesselt die Leserschaft mit faszinierenden Fakten an die Seiten und doch bleiben manche Fragen ungeklärt und der Ausgang der Fantasie überlassen.

Nicht alltäglich in der Herangehensweise, somit definitiv anders als der Mainstream und gerade deswegen lesenswert

Bewertung vom 13.07.2025
Romes, Claudia

Zeit der Pfingstrosen


ausgezeichnet

Liebe ist alles (Rosenstolz)

Aus. Schluss. Vorbei - Katy steht vor den Scherben ihrer Ehe und muss noch einmal ganz von vorne anfangen. Als alleinerziehende berufstätige Mutter fällt ihr dieser Schritt nicht gerade leicht, doch Aberdeen soll von nun an das Zuhause für Mabel und sie sein. Zunächst scheint auch alles ganz gut zu laufen, doch die Betreuung ihres Demenzpatienten Jeff entwickelt sich zu einem Tanz auf dem Vulkan. Der Nebel des Vergessens hüllt ihn immer mehr ein und dabei gäbe es doch so viel zu sagen....



Wenn die Leser,innen "Zeit der Pfingstrosen" von Claudia Romes in den Händen halten, werden sie zu erst mit dem Blick auf das romantische Cover verzaubert. Doch das Buch ist mehr als "nur" eine Romanze, es ist ein zauberhafter Roman, der in die Tiefe geht, feinfühlig und warmherzig die Türen in die Vergangenheit öffnet und die Lesenden mitnimmt auf eine Reise, die voller Geheimnisse, Erinnerungen und Ereignisse ist, die unter die Haut gehen.

Die Autorin bedient zwei Zeitebenen und weckt in den Rückblenden die Geister der Vergangenheit wieder auf, die im Hier und Jetzt immer noch für Tumult und Gefühlschaos verantwortlich sind. Romes findet immer den richtigen Ton, um zum einen Jeff, gefangene in seinem Gedanken- & Erinnerungsgefängnis, besser zu verstehen und zum anderen die Ereignisse der Gegenwart einordnen zu können.

Es ist eine Begegnung auf Augenhöhe, die Romes ihren Leser:innen mit den Figuren ermöglicht, denn jede einzelne von ihnen ist präzise beobachtet und ausgearbeitet worden. Katy im fortwährenden Spagat zwischen Beruf und Mutter sein, Aidan versucht die Pflege seines Onkels mit den eigenen Bedürfnissen unter einen Hut zu bringen und Mabel ist für eine Zehnjährige schon ganz schön clever und gewitzt - in ihr steckt mehr drin, als zunächst vermutet.

Die Handlung baut sich langsam auf und bietet dabei komplexe und mitunter tragische Einsichten in die Lebensgeschichte von Jeff. Eine Liebe, die so rein und unschuldig beginnt und durch den Zweiten Weltkrieg in ihren Grundfesten erschüttert wird, dient als Grundlage für melancholische Rückblicke, die mit Geheimnissen verbunden sind,

Das behutsame Annähern von Aidan und Katy lässt auch bei den Lesenden die berühmten Schmetterlinge im Bauch flattern. Es ist so unglaublich schön, eben diese zaghafte und doch intensive Entwicklung der Gefühle mitzuerleben und die Autorin zeichnet nebenbei noch malerische Kulissenbilder, die von der Landschaft in und um Aberdeen geprägt werden.

Ein Roman, der beweist, dass Liebe alles ist, was Menschen brauchen

Das ist alles, was wir brauchen
Noch viel mehr als große Worte
Lass das alles hinter dir
Fang nochmal von vorne an, denn

Liebe ist alles

(Rosenstolz - Liebe ist alles)