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Benutzername: 
Tom
Wohnort: 
Rieseby

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Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 12.11.2014
Das Zeitliche segnen
Käßmann, Margot

Das Zeitliche segnen


ausgezeichnet

Schon die großen Philosophen weisen darauf hin: wer sich mit dem Sterben beschäftigt, der lernt etwas für das Leben. So folgt auch Margot Käßmann diesem Grundgedanken und übersetzt ihn in diese Zeit. Eine Lektüre, die über das Genre Lebenshilfe weit hinausgeht.
Längst ist die außergewöhnliche Frau ein Superstar. Man muss nicht Veranstaltungen mit ihr besucht haben, eine abendliche Talkshow, bei der sie als Gast geladen ist, hat Esprit und Tiefe, eben beides.
Mit ihrer so ganz eigenen Eloquenz holt sie den Leser bei den vielfältigen Fragen zum Thema Sterben ab, spart keine schwierigen Themen aus und lässt den dieser Art ins Denken Angeregten zum Schluss nicht allein. Margot Käßmann bezieht immer auch Stellung, lädt also nicht nur zum Diskurs ein, sondern sagt, wo sie steht. Eine authentische Position, eine mögliche Art, mit den Fragen umzugehen, eine Auslegung im Sinne, wie Leben ganz praktisch sein kann, sein darf.
Auch weil sie uns schon in früheren Büchern so wunderbare Formulierungen geschenkt hat wie „Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand“ ist die Lesezeit mit ihr eine, bei der dem Herzen besser wird. Eine Seelsorgerin zumal, wie sie dem Menschen nicht näher sein könnte. Das Titelbild auf dem Buchumschlag scheint das auch optisch zu unterstreichen, Kompliment und Respekt an die Macher.
Alles bestens also, eine klassische Fünf-Sterne-Empfehlung? Nach dem einnehmenden Start in das Buch mit all seinen Facetten der praktischen Fragen beim Umgang mit dem Sterben dreht die Predigerin sehr ins Pastorale. Wie immer kann noch eine und wieder eine andere Stelle in der Bibel so und so ausgelegt werden und immer ist alles ganz wunderbar und beindruckend und einladend. Hier ist für meinen Geschmack des Guten zu viel getan, wird mancher Leser eher überfordert. Dieser gedanklich religiöse Spaziergang ist nicht zwangsläufig, der spirituell suchende Mensch kann den Gläubigen bestenfalls beobachten, er wird aber nicht auf derselben Wolke mitreisen können. Ebenso wenig wie die zu mächtige Bekenntnis zu Luther. Sicher, das ist Frau Käßmanns Thema als Botschafterin in seiner Sache bis zum Lutherjahr. Es wirkt hier aber eher ablenkend, weil zu dominant. Weniger wäre hier mehr gewesen. Im hinteren Teil des Buches löst sich das aber wieder auf und so schließe auch ich mit dem Dank an die Autorin für einen starken Start und ein starkes Ende in diesem sehr lesenswerten Werk. Lebendige Hoffnung und innerer Frieden thematisiert in einer Zeit der Ängste. Auch deswegen ist sie ein Superstar - mit fünf Sternen.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.10.2014
Über Leben
Messner, Reinhold

Über Leben


ausgezeichnet

In der 1. Auflage von 1978 „Everest“ von Reinhold Messner startet er im Klappentext mit „Ich wollte einmal hoch hinaufsteigen, um tief in mich hineinsehen zu können.“ Spätestens seitdem (ich war fünfzehn) bin ich diesem Mann dankbar, für mich ein tragfähiges Vorbild in meinem Leben gewesen zu sein. Als er dann 1996 in "Die Grenzen der Seele wirst du nicht finden" schrieb „Ich möchte ein weiser, alter Mann werden.“ war vorweggenommen, was nach seinem Marsch durch die Gobi Wirklichkeit werden sollte. Aus meiner Sicht war danach alles getan und gesagt. Die jüngsten Rezensionen sprachen zu viel von Wiederholungen, als dass ich wirklich interessiert war an seinem jüngsten literarischen Werk „Über Leben“. Nun bekam ich es geschenkt - von einem Freund. Siehe da: Die Lektüre ist ein Genuss über 336 Seiten, wie gut, dass auch hier die Tat letztlich alles andere vergessen macht!
Wer Messner schätzt und kennt, wird hier durchaus neue Aspekte der Lebensbewertung in unterschiedlichen Lebensphasen kennenlernen, wird sich an den Wiederholungen nicht stören. An den Erstleser einer Messner‘schen Lektüre sei gerichtet: sehen Sie es ihm nach, dass sich sein Intellekt nicht am Mainstream literarischer Geflogenheiten orientiert. Was dem Mann wichtig ist, dass penetriert er bis keiner etwas mehr missverstehen kann.
Ansonsten ist der Text auch für Nichtbergsteiger mannigfaltig und einfach lesbar. Sprache und Inhalt von einem Mitmenschen, der letztlich gut geerdet war und ist. Manchmal erinnerte mich das Buch an Michel de Montaigne und seine ESSAIS. Hier schreibt nicht wirklich ein Philosoph, sondern jemand, dessen Lebenserfahrung zu lebensklugen Aussagen geführt hat, die dem Leser mehr als nur Anregungen zum Nachdenken geben. Wer gar archaische Erlebnisse in der Jugend und Kindheit erleben durfte, wird sich wiederfinden in dieser prädigitalen Welt, die Messner verkörpert. Fast wie ein Rückblick ins Analoge mitten im digitalen Jetzt mit all seiner Gleichzeitigkeit und den allgegenwärtigen Widersprüchen. Dass ein moderner Weltbürger daran nicht zerbrechen muss, sondern schöpferisch im Sinne des Menschen gestaltet und handelt, stellt die Ausnahmeperson überzeugend dar.
Andere schreiben Bücher über Lebenshilfe, zitieren wieder und wieder die Weisen der letzten drei oder vier Jahrtausende und dann fragt sich der Leser, wer wohl von wem abgeschrieben hat. Wenn auch die zentralen Weisheiten Messners mit denen der frühen Vordenker deckungsgleich sind, diese sind vor dem Kontext des realen Lebens als authentisches Beispiel dargestellt und wohltuend befreit von zu viel religiösem oder spirituellem Beiwerk. Messner ist Praktiker, mitten im Leben, auch jetzt als alter Mann.
Leben findet in der Zukunft statt, dieser Rückblick aber tut trotzdem gut, schafft Gemeinsamkeit. Eine geistige Seilschaft vielleicht. Danke, dass Reinhold Messner uns dieser Art an seinem Grenzgang teilhaben lässt.

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.05.2012
Olavsweg
Detert, Lothar

Olavsweg


ausgezeichnet

Brandaktuell und doch unaufgeregt anders kommt dieses besondere Taschenbuch daher. Wer schon viele Pilger-Tagebücher verschlungen hat, der fragt sich, warum er noch ein weiteres lesen sollte. Überschriften immergleich und am Ende dann die stereotypen Erkenntnisse und Begriffe. Lothar Detert aber formuliert gekonnt mutig und emotional die Veränderungen in sich während der Pilgerwanderung. Ganz nach dem Motto Arved Fuchs’ „ Wer nicht bereit ist, etwas von sich Preis zu geben, der hat auch nichts zu sagen“. Dass er dabei gemeinsam mit seiner Partnerin auf dem „Königsweg der Pilgerwege“ unterwegs ist, der Strecke, auf der der Wanderer am stärksten den Unbilden der Natur ausgesetzt ist, unterstreicht die literarische Wirkung noch. Er startet mit einleitenden Worten wie „Ich bin immer allein gegangen, lang und intensiv und dorthin, wo ich nicht verstehe und nicht verstanden werde. Das ist mir wichtig.“ Der Schlussakkord der über weite Strecken fast prosaischen Erzählung malt solche Darstellungen: „Wir wissen jetzt, dass nämlich sie es sind, die Fragen, die man findet, wenn man Glück hat, wissen, dass es die Fragen sind im Leben, die Bestand haben, nicht die Antworten.“ Sie bieten auch noch zwischen den Zeilen Inhalte, die das Pilgern im Kern wunderbar und treffend beschreiben – jenseits jeder Vordergründigkeit oder journalistischen Schickeria. „Der Weg ist das Ziel“ bekommt hier eine Auslegung, die des Nach-Denkens Wert ist. Die Zeit dazu schenkt einem der Weg!