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clematis

Bewertungen

Insgesamt 216 Bewertungen
Bewertung vom 28.04.2025
Teufel von Potsdam
Hagedorn, Frank

Teufel von Potsdam


ausgezeichnet

Giftmord und mehr

Unabhängig voneinander werden zwei etwa dreißigjährige Frauen tot aufgefunden, die Rechtsmedizin entdeckt Gift in den Leichen. Als ein weiterer Mordanschlag auf eine Frau in ähnlichem Alter verübt wird, schrillen bei der Mordkommission Potsdam alle Alarmglocken. Paula Osterholz und Henry Wullitzer geraten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, denn beide Ermittler tragen Probleme aus der Vergangenheit mit sich.

Spannend und lebendig erstreckt sich die Handlung mit interessanten Themen vom ersten bis zum letzten Kapitel. Schön, wenn man Paula bereits von früher kennt, aber auch kein Problem, wenn dies nicht der Fall ist, denn Frank Hagedorn flicht wissenswerte Querverbindungen geschickt in diesen zweiten Band der Krimireihe ein, sodass man den Geschehnissen problemlos folgen kann. Seine Figuren wirken überaus authentisch mit allen Sorgen und Schwierigkeiten, die einen Polizisten sowohl im Dienst als auch im Privaten betreffen können. So passen die eingestreuten Familienepisoden gut ins Bild und runden die Thematik des Krimis entsprechend ab. Gut gelungen sind auch die Abschnitte aus Tätersicht, wobei man als Leser den Ermittlern zwar eine Naselang voraus ist, aber noch nicht einordnen kann, welche Beweggründe hier zugrunde liegen. Die Fahndungen führen in eine bereits vor mehreren Jahren geschlossene Klinik, treiben Paula zu Höchstleistungen am Steuer des Dienstwagens an und zeigen den immensen Zusammenhalt im Team, sodass das Lesen Spannung und Freude beim Miträtseln bietet.

Ein durchwegs fesselnder Krimi, der mit Abwechslungsreichtum und Kurzweil überzeugt. Natürlich bleiben auch diesmal noch offene Fragen, weshalb man neugierig auf die Fortsetzung wartet.

Bewertung vom 27.04.2025
Junikinder (eBook, ePUB)
Jarl, Marcus

Junikinder (eBook, ePUB)


sehr gut

Immer für dich da

Julia und ihre ältere Schwester Liv sind im Juni geboren, mit fünf Jahren minus zwei Tagen Abstand, Geburtstag gefeiert wird stets am Tag dazwischen. Einst geben sie einander das Versprechen, immer füreinander da zu sein, aber können sie das tatsächlich für den Rest des Lebens so einhalten? Einschneidende Geschehnisse stellen Julia und Liv auf eine schwierige Probe.

Julia hat es nicht leicht. Als Säuglingsschwester ist sie permanent sehr fordernden Situationen ausgeliefert, privat teilt sie sich mit einem manipulativen Charakter das Sorgerecht für Sohn Truls, zusätzlich hat sich das Verhältnis zu ihrer Schwester Liv distanziert und abgekühlt. Da passiert das schier Unglaubliche an ihrem Arbeitsplatz.

In eher ruhigem Stil beschreibt Marcus Jarl seine Charaktere und Szenen. Dabei blickt er ganz genau aufs Detail und lässt so den Leser tiefe Einblicke nehmen in den Alltag einer Frühgeborenenstation. Eine wenig erfreuliche Überraschung überschattet alsbald Julias Alltag und bringt die junge Frau in ein unlösbares Dilemma. Auf diesen ersten Abschnitt, der im Juni 2022 spielt, folgen zwei weitere große Teile, welche mittels Rückblenden aus Julias und Livs früherem Dasein erzählen und Zusammenhänge begreifbar werden lassen. Im abschließenden vierten Teil kehren wir ins Jahr 2022 zurück, spitzt sich die Lage naturgemäß zu und wartet auch mit einer ganz passablen Lösung auf. Trotz der zeitweise empfundenen Kühle im Schreibstil wird das Drama in der Geschichte gut transportiert – nicht jede Einzelheit muss erwähnt werden, um alles zu verstehen – da und dort hätte ich aber doch noch gerne mehr teilhaben wollen an den Gefühlen der Betroffenen. Nach außen hin gehen sie mit ihrem Schicksal fast zu gelassen um, wie es in ihrem Inneren aussieht, könnte vielleicht noch eindringlicher vermittelt werden.

Alles in allem hat mir der Roman Junikinder sehr gut gefallen, im Vordergrund stehen tapfere und selbstständige Frauen, für die ich mir auch künftig schöne gemeinsame Stunden vorstellen kann. Wer eine ruhige Lesezeit sucht mit wegweisenden Momenten, der ist bei den Schwestern Julia und Liv gewiss gut aufgehoben.

Bewertung vom 24.04.2025
Bad Tourists (eBook, ePUB)
Carver, Caro

Bad Tourists (eBook, ePUB)


sehr gut

Trio auf Scheidungsreie

Drei Frauen um die Fünfzig – die sonst recht unterschiedlichen Damen Darcy, Kate und Camilla haben sich aufgrund einer einzigen Gemeinsamkeit zusammengefunden und treten anlässlich Darcys Scheidung eine Reise auf die Malediven an. Aber statt erholsam wird es im Ferienresort ziemlich schnell turbulent und aufregend. Unerwartete Überraschungen lassen Zweifel an Freundschaft und Vertrauen aufkommen.

Aus unterschiedlichen Blickwinkeln lässt Caro Carver diese Geschichte aufleben. Neben den bereits genannten Figuren nimmt auch Jade eine wesentliche Rolle ein. Sie verbringt zur selben Zeit wie die drei Freundinnen ihre Flitterwochen auf den Malediven, vor dem malerischen Hintergrund einer phantastischen Ferienidylle braut sich allerdings Schreckliches zusammen. Mit einer verblüffenden Ruhe und Gelassenheit werden aktuelle Geschehnisse geschildert, wird auf ein grausames Massaker im Jahre 2001 zurückgeblickt. Wer meint, sehr schnell den Überblick zu haben und alle Zusammenhänge zu erfassen, wird sich vielleicht im Laufe der Kapitel doch noch wundern und eines Besseren belehren lassen, denn die Autorin hält einige Wendungen und Neuigkeiten bereit, mit denen ich jedenfalls nicht gerechnet hätte. So verläuft die gesamte Handlung fesselnd, bleibt die Spannung auf einem konstant guten Niveau, um des Lesers Neugierde nicht schwinden zu lassen. Lediglich zum Ende hin wird es etwas zu drastisch, was eigentlich nicht nötig gewesen wäre.

Caro Carver wählt verschiedene Themenbereiche rund um das Leben einer Frau und verpackt diese gekonnt in ihrem vorliegenden Thriller. Insbesondere die Wut und ihre Ausdrucksmöglichkeiten finden Raum in der Handlung und zeigen, welche Folgen ein Trauma haben kann. Mir hat´s gut gefallen, ich spreche gerne eine Empfehlung aus.

Bewertung vom 22.04.2025
Wut und Liebe (eBook, ePUB)
Suter, Martin

Wut und Liebe (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Kunst leidet

Camilla liebt Noah, aber sie liebt nicht das Leben mit ihm, denn Noah ist ein Künstler ohne Einkommen, sodass Camillas Geld für beide reichen muss. Anfang dreißig trifft sie eine weitreichende Entscheidung: sie trennt sich von Noah, um ihre eigenen Träume zu verfolgen. In seiner Trauer lernt Noah alsbald eine ältere Witwe kennen, mit der er einen zweifelhaften Pakt schließt, um Camilla zurückzugewinnen.

Mit seinem großartigen Schreibstil zieht Martin Suter seine Leser sofort in einen Bann, der durchgängig anhält von der ersten bis zur letzten Seite. Perfekte Portraits lassen die Figuren bis hin zur kleinsten Nebenrolle lebendig werden, jede einzelne Person zu einer bestens vorstellbaren Persönlichkeit heranreifen. Durch die Liebe zum Detail gelingt es sogar, Menschen zu verstehen, die einem im wahren Leben vielleicht nicht besonders sympathisch wären. Die drei größeren Abschnitte im Roman widmen sich unterschiedlichen Gesichtspunkten und lösen nicht nur aufgeworfene Fragen, sondern geben stets neuerliche Rätsel auf. So bleibt die gesamte Handlung extrem kurzweilig und Suter gelingt es immer wieder, Verblüffung in die Gesichter der Leser zu zaubern.

Was erwarten wir vom Leben, von der Liebe, von uns selbst? Was sind wir bereit zu geben, wo ziehen wir Grenzen? Raffiniert verpackt Martin Suter eine Menge Philosophisches in eine banal anmutende Szenerie, überlegt Alltägliches unter verschiedenen Blickwinkeln und sorgt gleichzeitig für Witz und Humor.

Ein weiteres erstklassiges Buch aus der Feder eines gewandten Schriftstellers, ein unterhaltsamer Roman trotz ernster Umstände. Wie auch andere Suter-Geschichten habe ich alles in einem Schwung gelesen und mich erfreut an vielfältigen Überlegungen, die nicht nur einmal für eine Überraschung gut waren. Aus voller Überzeugung empfehle ich auch „Wut und Liebe“ sehr gerne weiter.

Bewertung vom 21.04.2025
Die Lichter über St. Pauli / Elbnächte Bd.1 (eBook, ePUB)
Engel, Henrike

Die Lichter über St. Pauli / Elbnächte Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Trio in Hamburg

Louise ist mit einem reichen Mann verheiratet und reist von einer Stadt zur nächsten, verbringt Zeit auf Pferderennbahnen und in noblen Bars. Bis ihr Gatte spurlos verschwindet. Ella ist eine ehemalige Prostituierte und reist mehr zufällig als geplant nach Hamburg. Alles, was sie will, ist ein neues Leben. Da trifft sie auf Louise und gerät in ein unaufhaltsames Abenteuer.

Unterschiedlichste Handlungsstränge und Schauplätze eröffnen diesen Roman, der im Jahre 1913 überwiegend in Hamburg spielt. Wie die Geschichten einer eleganten Dame, einer unfreiwilligen Liebesdienerin und eines Einarmigen zusammenhängen könnten, erschließt sich dem Leser erst nach einigen Kapiteln, in welchen man nach und nach erkennt, wohin die Reise führt. Aber da kommt auch schon die nächste Überraschung, denn plötzlich entwickelt sich die ganze Angelegenheit zu einem Krimi, den man so vielleicht nicht erwartet hätte.

Stete Perspektivenwechsel gewähren Einblicke in die Sichtweise und Gedankenwelt der einzelnen Figuren, die man sich aufgrund der detaillierten Charakteristik gut vorstellen kann. Turbulente Szenen schrammen bisweilen am Rand der Glaubwürdigkeit, sodass hier die Authentizität leider ein wenig leidet. Dennoch lernt man die Welt Hamburgs um 1900 gut kennen mit den großen Unterschieden zwischen Arm und Reich, den Möglichkeiten für Mann und Frau. Umso schöner, dass das Trio Louise, Ella und Paul – nicht ganz aus freien Stücken – so zusammenwächst und agiert, wie es Henrike Engel vorgesehen hat.

Ein unterhaltsamer Roman mit extrem unterschiedlichen Hauptfiguren und fast unlösbaren Problemen. Ob sich alle Träume erfüllen, wird wohl erst der Folgeband verraten.

Bewertung vom 20.04.2025
Teufels Tanz / Mordgruppe Bd.3 (eBook, ePUB)
Poznanski, Ursula

Teufels Tanz / Mordgruppe Bd.3 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Straßenstrich

Ein Achtzigjähriger am Straßenstrich – und kurz darauf tot. Ungewöhnlich, aber rasch aufgeklärt, als man den Zuhälter erwischt. Doch die Serie von Toten in ähnlichem Alter scheint erst zu beginnen und die Mordgruppe zwei des LKA Wien in Atem zu halten.

Aufregend und abwechslungsreich geht es dahin bei Poznanskis Wien-Krimi-Serie, die mit Fina Plank eine überaus sympathische - weil lebensnahe - Ermittlerin präsentiert. Sie hat es nicht leicht, sich beruflich in der männerdominierten Abteilung durchzusetzen und privat mit ihrer Schwester verglichen zu werden. So kann man sich in so mancher Situation sehr gut in die junge Polizistin hineinversetzen und ihre Gedanken und Gefühle verstehen. Der Fall selbst ist diesmal besonders raffiniert, er entführt an die letzten Straßenstriche Wiens und in die endlosen Gänge des Allgemeinen Krankenhauses und stellt Ermittler sowie Leser vor das Rätsel, wer es denn auf alte Männer abgesehen haben könnte, die ohnehin bald eines natürlichen Todes sterben würden. Ein untrügliches Bauchgefühl und logische Kombinationsgabe führen Fina auf die richtige Spur und damit letzten Endes in ein schwerwiegendes Dilemma. Wie sie damit umgehen wird, bleibt auch nach Auflösung dieses bemerkenswerten Falles spannend.

Ursula Poznanski schreibt gewohnt bildhaft und lebendig, sodass man sich wie selbstverständlich mit den verschiedensten Figuren durch Wien bewegt und den aufgeworfenen Geheimnissen auf den Grund geht. Die zwischendurch eingestreuten Kapitel aus Tätersicht setzen den Aufbau der vorangegangenen Bände gelungen fort, sodass eine erkennbare Einheit in der Serie gegeben ist. Aufgrund der Thematik und der schlüssigen Klärung der Dinge hat mir dieser Teil bislang am besten gefallen. Leseempfehlung (unter Berücksichtigung der Reihenfolge)!

Bewertung vom 18.04.2025
Nimms nicht persönlich (eBook, ePUB)
Hofland, Tom

Nimms nicht persönlich (eBook, ePUB)


gut

Surreales Drama

Lute leitet eine eigene Abteilung bei einem Arzneimittelhersteller und schiebt dort, salopp gesagt, eine ruhige Kugel. Aufgrund einer Firmenübernahme soll nun genau diese Abteilung eingespart werden und Lute – der selbst einen neuen Platz bekommen wird – soll seine 32 Untergebenen nicht nur irgendwie loswerden, sondern ihnen vielmehr schmackhaft machen, von sich aus zu kündigen. Der loyale Lute pflegt mit all diesen Menschen ein freundschaftliches Verhältnis und steckt nun in der Zwickmühle.

Einem Thriller gleich, beginnt dieses skurrile, surreale Drama, nimmt im zweiten Kapitel aber lebensnahe Formen an und beschäftigt sich mit durchaus alltäglichen Szenen: Einsparungen, gewinnträchtiger Firmenverkauf, Personalrochaden. So weit, so gut, so interessant. Auch als Lombard als Personalvermittler auf den Plan gerufen wird, sieht man, wie rasch – und gerne – Verantwortung für Unangenehmes abgegeben wird, wie Tatsachen aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden und einem das Wort im Munde umgedreht werden kann. Die Ausflüge in Zeiten der Pest oder in die Situation einer Psychotherapie fließen ebenso elegant ins Geschehen ein wie die familiäre Lage Lutes, aber dann, mit den Sciencefiction ähnlichen, unrealistischen Bildern, driftet die bis dahin durchaus unterhaltsame Handlung ins Absurde ab. Viele Details rund um die harte Arbeitsrealität gefallen mir sehr gut, auch die privaten Eindrücke rund um Lute und einige seiner Mitarbeiter passen schön ins Geschehen, die surrealen, wie ein Traum verrinnenden Episoden hingegen können mich nicht erreichen. Diese ausgeblendet, fühle ich mich gut unterhalten.

Fazit: ein sehr spezielles Buch, das man wohl in der richtigen Stimmung lesen muss und das im Kern viel Wahres enthält.

Bewertung vom 17.04.2025
Beeren pflücken (eBook, ePUB)
Peters, Amanda

Beeren pflücken (eBook, ePUB)


gut

Verlorene Leben

Joe liegt im Sterben, seine Familie ist um ihn, nur Ruthie fehlt. Seine Schwester ist fünf Jahrzehnte zuvor im Alter von vier Jahren einfach verschwunden vom Feld, auf dem die Mi`kmaq-Familie Blaubeeren gepflückt hat, um Geld zu verdienen. Auch Norma blickt zurück, als ihre Mutter stirbt und muss damit zurechtkommen, dass diese etwas vor ihr verborgen hat. Verlorene Leben, Jahre, die man anders hätte verbringen können, füllen die trostlosen Szenen in diesem schicksalhaften Roman.

Alles beginnt im Jahre 1962 auf einem endlos scheinenden Blaubeerfeld. Ruthie ist plötzlich nicht mehr da, wo sie gerade noch mit ihrem Jausenbrot gesessen ist. Die tagelange Suche bleibt erfolglos, man kehrt schweren Herzens irgendwie in den Alltag zurück. Joe blickt im Jetzt, fünfzig Jahre später, auf dieses Leben zurück, auf seine Eltern, seine Geschwister, auf Ruthie, die sie verloren haben. Immer wieder wechselt die Zeitebene, verschwimmt Vergangenes mit aktuellem Geschehen und wirkt zuweilen verwirrend auf den Leser. Ähnlich trägt es sich mit der Geschichte Normas zu. Auch sie erzählt aus ihrer Sicht ihren bisherigen Weg, der geprägt ist von unerklärlichen Träumen und Gefühlen. Trotz einer bewegenden Handlung ist es jedoch schwierig, die vorherrschende Distanz zu den Figuren zu überwinden, sich auf deren Probleme einzulassen und in die einzelnen Szenen einzutauchen. Der Roman wirkt überwiegend trist und düster, was natürlich nicht grundsätzlich falsch ist, dennoch in gewisser Weise anstrengend und zermürbend. Etwas mehr Kontrast zu Schlägereien, Alkohol und Einsamkeit wäre schön gewesen.

Eine überaus interessante Geschichte liegt „Beeren pflücken“ zugrunde, die hoffnungslose Grundstimmung trübt allerdings ein wenig die Lesefreude.

Bewertung vom 17.04.2025
Night Road - Der Sommer unseres Lebens (eBook, ePUB)
Hannah, Kristin

Night Road - Der Sommer unseres Lebens (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Als der Regen zu Asche wurde

Die vierzehnjährigen Zwillinge aus reichem Elternhaus, Mia und Zach, freunden sich mit der neuen Schülerin Lexi an. Trotz deren Herkunft aus zerrütteten Verhältnissen wird Lexi von den Farradays akzeptiert und bald wie ein Familienmitglied behandelt. Wenige Jahre später begleitet ein Sommer voller Partys die drei jungen Menschen und soll darüber hinwegtrösten, dass sich deren Wege vor dem College nun trennen werden. Da geschieht die Tragödie, die alle Zukunftspläne vergessen lässt und das Leben in ein einziges Grau verwandelt – der Tag, als der Regen zu Asche wurde [kindle, Pos. 7153, Kap. 27].

Vortrefflich gelingt es Kristin Hannah, die Stimmung unter den Jugendlichen einzufangen, ausgelassene Feste, Widerspruch zur elterlichen Meinung und voranschreitende Abnabelungsprozesse widerzuspiegeln. Dabei wird die Lebenswelt der Heranwachsenden realistisch und lebensnah dargestellt, die Träume und Hoffnungen, die vor ihnen liegen – und plötzlich zerplatzt die Euphorie, bricht alles in sich zusammen aufgrund einer einzigen Fehlentscheidung, die nicht mehr zurückgenommen werden kann. Was darauf folgt, ist selbst für den außen stehenden Leser nur schwer zu ertragen, denn die Autorin bindet diesen mit ein ins Geschehen, lässt ihn die Handlung nicht nur am Rande mitverfolgen, sondern erschafft mit ihren Zeilen eine derartig emotionale Stimmung, die wohl niemanden kalt lässt. Wie gehen Menschen mit einer so außergewöhnlichen Situation um? Verstehen sie andere Reaktionen, akzeptieren sie diese oder wehren sie sich dagegen? Was unterscheidet Recht, Gerechtigkeit und Rache voneinander? Was unterscheidet Reich von Arm? Wie bringt man Moral in all den Gleichungen unter? So viele Fragen, die Kristin Hannah geschickt in diese überwältigende Geschichte hineinverpackt, die immer wieder mit neuen Wendungen überrascht und einen immer tiefer in einen Strudel aus unfassbaren Entscheidungen hineinzieht.

Der faszinierende Schreibstil der Autorin fesselt von Anfang an und hält die Spannung hoch. Auch eher nüchterne Leser wie ich werden sich dem Bann der Zeilen nicht entziehen können und von Emotionen gepackt werden ob der unfassbaren Geschehnisse, die sich hier abspielen. Ich halte diese Szenarien für durchaus realistisch und keinesfalls abwegig, auch driftet der Roman niemals ins Geschmacklose ab oder überzeichnet die Vorgänge. Insbesondere die Figuren sind extrem anschaulich charakterisiert, selbst die kleinste Nebenrolle wird beim Lesen lebendig und prägt sich nachhaltig im Gedächtnis ein.

Night Road, ein Roman, der zu den besten gehört, die ich bisher gelesen habe. Absolute Leseempfehlung für all jene, die sich auf tiefgreifende, bewegende Gefühle einlassen möchten.

Bewertung vom 13.04.2025
Die Frau und der Fjord
Strohmeyer, Anette

Die Frau und der Fjord


ausgezeichnet

Heimsuchung

Gro Kristjánsdóttir ist Mitte vierzig und erfolgreiche Geologin bei einer großen Erdölfirma. Mit Leidenschaft und Erfahrung arbeitet sie wochenlang auf Ölplattformen am Meer und bringt ihre Expertise ein, als unerwartet ihr Ehemann verstirbt und sich ihr bisheriges Leben auf den Kopf stellt. Gro kündigt ihre einträgliche Stelle und zieht sich zurück in einen einsamen Fjord am Polarkreis, allein im einzigen Häuschen in einer Gegend namens „Heimsuchung“, denn hier sollen sich böse Geister umtreiben. Im Kreis der Natur, umgeben von einer vielfältigen Pflanzen- und Tierwelt, findet Gro langsam wieder zu sich selbst. Aber kaum hat sie sich eingelebt, kommen neue Schwierigkeiten auf sie zu.

Begleitet von liebevollen Illustrationen zum jeweiligen Beginn gliedert sich das Buch in vier große Abschnitte, nämlich die vier Jahreszeiten am entlegenen Fjord. Ruhig und besonnen fühlt sich Anette Strohmeyers Schreibstil an, geht dabei in Details, ohne bloßzustellen. Im Einklang mit der Natur, der unendlichen Ruhe ohne Handy und Fernseher, kann Gro den Vögeln und Robben lauschen, den Duft von Tang und Blüten atmen, die schroffen Felsen erklimmen. Immer wieder gleiten Gros Gedanken zurück in ihr früheres Dasein und lassen uns als Leser teilhaben an ihrer persönlichen Geschichte, die überaus stimmig und verständlich dargestellt wird; den Grund dafür erfahren wir im Anhang, der noch einmal wesentliche Informationen preisgibt. Bis dahin unterhält die Geschichte großartig mit Momenten, die teils traurig sind, andererseits aber auch immer wieder einen Horizont von Hoffnung einblenden und dadurch Gro stärken in ihrem Denken und Handeln. Ihre Entwicklung kann man wunderbar beobachten und mitverfolgen, sodass das Jahr im Fjord sehr schnell vergeht und stets kurzweilig daherkommt.

Ich habe Gro sehr gerne begleitet bei ihrer Reise durch Trauer und Erholung, viele sehr berührende Szenen erlebt mit einem perfekten Ausblick für die Zukunft, sodass ich dieses Buch uneingeschränkt weiterempfehle.