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Benutzername: 
Taina
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 14 Bewertungen
12
Bewertung vom 13.05.2025
Das Teufelshorn
Nicholas, Anna

Das Teufelshorn


sehr gut

Ein echter Mallorca-Krimi – so echt, dass es sich empfiehlt, eine Karte des Gebiets um Sant Martí und die Westküste griffbereit zu haben. Dieser Roman hat reale Schauplätze und eine große Anzahl von Personen, ein Verzeichnis wäre hilfreich.
Isabel Flores, die ehemalige Kommissarin, ist eine attraktive Frau Anfang 30 mit viel Energie, kriminalistischem Spürsinn, Appetit und Humor. Zurzeit leitet sie die Ferienhausvermietung ihrer Mutter zusammen mit Pep, dem Bruder ihrer Freundin.
Zunächst geht es um die Entführung der kleinen Miranda, mitten am Tag, am belebten Strand von Pollenca. Isabel hat in ihrer Zeit als Kommissarin in Palma Entführungsfälle bearbeitet, und so ruft ihr ehemaliger Chef Tolo Cabot sie an und bittet um Unterstützung. Obwohl Isabel eigentlich nicht mehr in ihrem alten Beruf arbeiten wollte, beginnt sie mit den Ermittlungen. Sie stellt Nachforschungen an und kommt mithilfe ihrer Beobachtungsgabe und ihres scharfen Verstandes zu einer Theorie. Einer der Verdächtigen verkehrt in zwielichtigen Kreisen, die mit Rauschgiftschmuggel im Zusammenhang stehen. Vom Bürgermeister wird Isabel dann über den grausamen Mord an einem alten Mann informiert, er möchte, dass sie auch hier hinzugezogen wird. Sie ist als erste am Tatort und macht sich ein eigenes Bild.
Isabel ist sehr gut vernetzt, kennt viele Menschen und ist damit den anderen Ermittlern stets um einen Schritt voraus. Die Schauplätze der Ereignisse werden sehr genau beschrieben, enge Straßen, traumhafte Gärten, Orangenhaine und eine blühende Landschaft mit ihren Gerüchen ziehen an den Lesern vorüber, die sich sicherlich gerne mit an den reich gedeckten Tisch von Isabels Mutter oder in eines der kleinen Cafés setzen würden. Hier wird jedoch auch ein Mallorca beschrieben, das eben nicht nur aus den touristischen Hotspots besteht; die realen Probleme der Insel sind immer präsent. Isabel gelingt es, Drogenschmugglern auf die Schliche zu kommen, sie findet das Geheimnis des alten Mannes und die Hintergründe von Mirandas Entführung heraus. Die Leser/innen werden durch Isabels präzise Arbeits- und Denkweise in ihre Überlegungen einbezogen, die zurückhaltend eingestreuten Hinweise auf den oder die Täter machen das Lesen zu einer Detektivarbeit und zu einem Vergnügen. Dabei verknüpft Anna Nicholas geschickt die verschiedenen Erzählstränge und Kriminalfälle. Daneben ist Platz für Verständnis und Empathie, sogar gegenüber denen, die sich nicht gesetzeskonform verhalten, jedoch nachvollziehbare Motive haben. Und Isabels romantische Gefühle für Tolo weisen am Ende auf eine mögliche Entwicklung dieser Beziehung im nächsten Band. Auch ist das Verschwinden ihres Onkels nicht geklärt, es gibt jedoch neue Hinweise…
Ein Kriminalroman, der aufgrund der detailreichen Schilderungen nicht schnell zu lesen ist, aber wer Freude daran hat, einzutauchen in das Setting, mitzurätseln und Isabels Erkenntnisse nach und nach in ein Gesamtbild zu fügen, der wird diese Lektüre nicht bereuen. Und auch, wenn Isabel ein bisschen zu sehr Superwoman ist: Ich freue mich auf die Fortsetzung!

Bewertung vom 06.05.2025
Schisser und ich Bd.1
Schmeißer, Frank

Schisser und ich Bd.1


sehr gut

In jedem Fall ein Buch, das geübte Leser/innen ab 8 mögen werden, denn es ist vordergründig witzig und sehr gut geschrieben. Schwarz-weiße Zeichnungen im Comic-Stil, die Einteilung in kurze Kapitel und eine übersichtliche Druckgrafik tragen dazu bei, dass die immerhin knapp 190 Seiten gut zu bewältigen sind, außerdem kann ein Kind auch Antolin-Punkte sammeln.
Zu Beginn des Romans werden von Jakobs Familie Vorbereitungen für einen Umzug an den Stadtrand getroffen. Dieser ist nötig, um dem 10-jährigen Ich-Erzähler Jakob eine ruhigere Umgebung zu bieten, denn er leidet unter einer Angststörung und seine Therapeutin hat eine reizärmere Umgebung empfohlen. Die 4 Jahre ältere Schwester Lilli ist nicht begeistert, ihr Schulweg wird mühsamer. Was sie äußert, sollte ernst genommen werden: Es gehe immer nur um ‚den kleinen Spinner‘, also Jakob. Schisser ist der Stoffhase, den er immer bei sich trägt, ein Angsthase, der ihm bei der Bewältigung des Stresses helfen soll, die seine Ängste auslösen. Und das ist eine Situation, in der kein Kind stecken sollte: Jakob ist klug, strukturiert und sieht seine Situation sehr klar, aber die vielen Gefahren, die im Alltag lauern, sind ihm stets präsent. Seine Panikattacken und die um mögliche Gefahren kreisende Gedanken werden sehr anschaulich beschrieben. So wird schon die Autofahrt in das neue Wohngebiet, das Feuerviertel, für ihn zu einer Herausforderung, die er nur mit Helm und Knie- sowie Ellenbogenschützern überstehen kann. Der Vater verfährt sich und in einem Schrebergarten entdeckt Jakob einige Hühner in viel zu engen Kisten. Es empört ihn, aber er kann noch nichts unternehmen.
Im Feuerviertel lernt er andere Kinder kennen, die eine Bande gebildet haben. Um dazuzugehören, soll Jakob eine Mutprobe bestehen. Es kommt, wie es kommen muss, seine große Schwester erweist sich als Retterin in der Not und holt ihn aus der Situation nach Hause. Das erste Mal war Jakob nahe daran, auch Freunde zu haben, zu einer Bande zu gehören, und nun das: Die Angst ist stärker. Er ist am Boden zerstört. Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte – sonst wäre der Roman ja nichts für Kinder. Wie es gelingt, die Hühner zu retten und was Jakob damit zu tun hat, ist unterhaltsam und spannend erzählt. Allerdings bekommt man beim Lesen den Eindruck, dass es am Schluss sehr überstürzt zugeht und die Glaubwürdigkeit darunter leidet. Auch gibt es lose Enden, die vielleicht für eine Fortsetzung gedacht sind, aber unbedingt sofort eine Lösung verlangt hätten. Immerhin hatten der Hühnerbesitzer und sein Kumpan noch etwas Schlimmes vor.
Insgesamt ein etwas zwiespältiges Fazit: Zu ertragen ist die witzige Darstellung der Ängste nur, weil Jakob selbst davon erzählt und es als Galgenhumor gewertet werden kann. Wir sehen ein Kind, das eigentlich krank, aber vielleicht auf einem guten Weg ist.
Die Zeichnungen dürften eher Kinder ab 10 ansprechen, da sie karikaturenhaft daherkommen und jüngere Kinder doch eher hübsche und bunte Illustrationen bevorzugen.

Bewertung vom 25.04.2025
Was am Ufer lauert / Ermittlungen am Gardasee Bd.2
Koppelstätter, Lenz

Was am Ufer lauert / Ermittlungen am Gardasee Bd.2


sehr gut

Also ein neuer Fall für die Gerichtsreporterin Gianna Pitti, drei Wochen, nachdem sie erfolgreich zur Lösung eines Verbrechens in ihrem idyllischen Ort am Gardasee beigetragen hat. Die kleine Zeitung, für die sie arbeitet, sendet sie immer wieder zu Rechercheaufträgen. Diesmal ist es anders: Ihr Vater Arnaldo Pitti, eigentlich Marchese Pitti-Sanbaldi, Inhaber eines investigativen Online-Portals, hat sich nach über einem Jahr bei ihr gemeldet und ihr einen harmlos erscheinenden Auftrag erteilt. Sie soll am Ufer des Gardasees eine Informantin treffen. Gianna hatte ihren Vater für tot gehalten und freut sich auf ein Wiedersehen.
Als sie am Ufer ankommt, findet sie die Informantin ermordet im See. Eine leere CD-Hülle zeugt vom Material, das übergeben werden sollte: Churchills Geheimnis. Diesem sind noch andere Menschen hinterher, Gianna beobachtet einen Jeep, dessen Insassen sich für sie interessieren. Zurück in der Redaktion, wird sie sofort zu einem anderen Tatort geschickt, an dem sich eine Schießerei ereignet hat. Am See verschwindet indessen die Leiche. Sie ahnt, dass die beiden Fälle zusammengehören.
Es folgen turbulente, auch gefährliche Ereignisse, die geschickt historische Fakten mit einem ‚Was-wäre-wenn‘ verknüpfen, dabei ist die Familie Giannas immer involviert: Ihre Mutter Carla, der Vater und auch der liebenswert-schrullige Onkel Francesco, bei dem Gianna seit einem Wasserrohrbruch lebt, der sich in ihrer Wohnung ereignet hat. Es geht spannend zu, ohne die Leser/innen mit allzu vielen Grausamkeiten zu konfrontieren. Und immer ist da auch eine gehörige Portion Humor in der Beschreibung der Charaktere. Der Geschichtsprofessor, der hier verfolgt wird, ist ein Engländer, wie ihn sich Karikaturisten ausgedacht haben könnten. Francesco achtet auf Stil und verwaltet das Erbe der Pitti-Sanbaldis, ist jedoch bereit, für seine Familie jede erdenkliche Hilfe zu leisten, auch wenn es dabei gefährlich wird. Wie sein Bruder und seine Nichte Gianna, so verfügt auch er über kriminalistischen Spürsinn. Gianna ist eine junge Frau, etwas chaotisch, offenbar attraktiv, die Listen anfertigt, um mehr Struktur in ihr Leben zu bekommen, dann aber daran scheitert und die Listen ad absurdum führt. Und Arnaldo, der Verschollene, der seine Frau Carla wegen einer anderen verließ, kann es nicht glauben, dass es ihr auch ohne ihn gut zu gehen scheint!
Der Autor verbindet alles das gekonnt mit dem Kriminalfall, der sich als größer und komplizierter entpuppt, als Gianna das geahnt hätte. Hier geht es um die politische Brisanz der Geheimnisse Churchills, die sogar den britischen Geheimdienst auf den Plan rufen. Zum Ende des Romans wird die Spannung gesteigert, die Dinge scheinen sich zu überschlagen. Die Gleichzeitigkeit der Ereignisse wird durch verschiedene Erzählstränge verdeutlicht, der Fokus liegt abwechselnd auf Gianna, ihrem Vater, ihrem Onkel und der Chefredakteurin Elvira, wobei der größte Teil auf Gianna entfällt. Durch das Unterbrechen des jeweiligen Erzählstranges entstehen spannungssteigernde Cliffhanger. Am Schluss entlässt uns Koppelstätter mit einem solide geschriebenen Kriminalfall, einer neu gestalteten Familie, aber auch mit einem Augenzwinkern. Die Perspektive für weitere Romane der Reihe ist eröffnet. Lesenswert.

Bewertung vom 22.04.2025
Beeren pflücken
Peters, Amanda

Beeren pflücken


sehr gut

Der Roman erzählt die Geschichte des entführten Mädchens Ruthie aus zwei unterschiedlichen personalen Perspektiven, ihrer eigenen und der ihres Bruders Joe. Im Prolog erfahren wir, dass Joe, nun 56-jährig, im Sterben liegt und sich an die Zeit zurückerinnert, die zwischen Ruthies Verschwinden und der jetzigen liegt. Hier wird bereits offenbart, dass ein Wiedersehen nach nun 50 Jahren bevorsteht.
Zu Beginn des Buches wird deutlich, wie ‚die Weißen‘ auf die ‚Indianer‘ herabschauen, sie als minderwertig betrachten. Ruthies Mi’kmaq Familie reiste zum Beerenpflücken aus Nova Scotia nach Maine, um dort Geld zu verdienen. Am Rande erfahren die Leser/innen von Indianerbeauftragten, Internaten für Indianerkinder und davon, wie die Landbesitzer von den Saisonkräften und ihrer vermuteten Unempfindlichkeit gegen Kriebelmücken profitieren: Diesen Menschen wird Empfindsamkeit abgesprochen, in physischer wie psychischer Hinsicht.
Als Ruthie vierjährig verschwindet, sucht die Familie sechs Wochen lang nach der Kleinen, immer wieder durchkämmen sie den Wald und das Gelände, rufen sie, sind verzweifelt. Schließlich müssen sie zurück. Das Mädchen wächst, nachdem sie entführt wurde, bei einem weißen Ehepaar an einem anderen Ort als Norma auf.
Norma berichtet, wie Joe, rückblickend. Zunächst erfahren wir, dass sie als Kind Träume hatte, die eigentlich die Wahrheit offenbarten, was ihr aber nicht bewusst wurde. Sie träumte von der Zeit in Maine, von einem Bruder, erfand eine Freundin namens Ruthie. Von Anfang an wird klar, dass Norma und Ruthie identisch sind. Ihre psychisch labile ‚Mutter‘ Lenore hatte einige Fehlgeburten und Ruthie, die auf einem Stein saß und auf ihre Familie wartete, einfach mitgenommen. Der Ehemann, ein Richter, deckte seine Frau und versuchte, Norma ein guter Vater zu sein. Bei ihren Fragen wirkte er jedoch gequält und unsicher. Sie hatte nicht die gleichen Freiheiten wie die Kinder gleichen Alters, wurde sehr abgeschirmt und quasi bewacht. Beim Heranwachsen bemerkte sie die vielen Ungereimtheiten in ihrem Leben und schob sie irgendwann darauf, offenbar adoptiert worden zu sein.
Ruthie/Norma lernte, ihre vorgeblichen Eltern zu lieben, übernahm aber Lenores Trauma und hatte nach einer Fehlgeburt Angst, das gleiche durchzumachen wie sie. Es gelingt ihr nie, stabile Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen, Freundschaften kann sie nicht halten, ihre Ehe scheitert. Beruflich ist sie durchaus erfolgreich, sie kann studieren und findet eine gute Anstellung. Dass ihr Leben ein falsches war, die Ungeheuerlichkeit der Wahrheit, erfährt sie erst nach Lenores Tod. Sie sucht ihre eigentliche Familie und findet am Ende die, die noch da sind. Sie haben die Hoffnung nie aufgegeben, dass Ruthie lebt.
Joe fühlt sich mitschuldig am Verschwinden von Ruthie, war er doch der letzte, der sie gesehen hatte. Er vermisst seine kleine Schwester, sein Leben wird fortan geprägt von Wut und Unstetigkeit. Auch er kann kein gelingendes Leben mit stabilen sozialen Beziehungen führen.
Die Spannung des Buches besteht darin, die verschiedenen Lebenswege zu verfolgen und zu erfahren, wie es den Menschen ergangen ist und wie es zu der angedeuteten Wiedervereinigung kommen wird. Es gibt aber einige Längen – zu oft werden Normas Träume thematisiert, wird geschildert, wie versucht wird, ihr verharmlosende Deutungen nahezulegen. Strukturiert ist das Buch durch die abwechselnden Erzählungen von Norma und Joe, deren Lebenswege wir verfolgen. Sprachlich kann das Werk durchaus überzeugen, es wurde von Brigitte Jakobeit sorgfältig übersetzt. Was unangenehm auffällt: Wer spricht heute noch von Indianern? Hier wäre es an Amanda Peters gewesen, diesen kolonialen Begriff zumindest zu problematisieren, auch wenn die erzählte Zeit so weit zurückreicht, dass dies noch nicht zentral thematisiert wurde.

Bewertung vom 23.01.2025
9 kleine Menschen
Feldmann, Regina

9 kleine Menschen


gut

Die Idee des Buches ist lobenswert – es gilt, alte Kinderreime, die von 10 kleinen dunkelhäutigen Kindern runterzählten, bis niemand mehr da war, zu ersetzen durch positiv besetzte Bilder von ‚kleinen Menschen‘, die unterschiedlich sind, jedoch alle die gleichen Wünsche und Träume haben. Das ist für die jungen Leser/innen eine wichtige Anregung und Erkenntnis: Alle Menschen, egal welcher ethnischen Herkunft, mit welchem sozialen Hintergrund, mit welchen Familienkonstellationen, sind so anzunehmen, wie sie uns begegnen. Und alle haben ein Recht auf Freude am Leben, auf Freunde und auf Zusammenhalt.
Die im Hintergrund aller Aktionen abgebildete Stadt ist stets in Pastelltönen gehalten und sehr abstrakt dargestellt, während die Kinder selbst und ihre direkten Umfelder in starken Farben gestaltet sind. Die dadurch transportierte Botschaft erschließt sich direkt und ist daher künstlerisch gut umgesetzt. Allerdings werden Kinder, die nach dem Cover eines Buches gehen, sicherlich nicht nach diesem greifen. Zwei große Bäume in blassem Rot und Orange?
Diese Kinder und ihre Eltern sind zwar kreativ, aber zum Teil nicht sehr kindgerecht porträtiert. Details sind an einigen Stellen schwer zu erkennen, die Proportionen stimmen nicht. Dennoch: Es gibt viel Diversität und das ist lobenswert: Ein Junge hat offenbar nur einen Fuß und benutzt entweder Gehhilfen oder eine Prothese, ein Mädchen mit einer großen Brille entweder einen Blindenstock oder einen entsprechenden Hund. Es gibt dunkelhäutige Kinder und solche mit asiatischem Aussehen, Großmütter, Väter… Da gibt es bei genauer Betrachtung einiges zu entdecken und viele geeignete Sprechanlässe für die Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Buches tun sich auf. Der unterschiedliche Reichtum der Kinder dürfte anhand der Bilder schwerer nachzuvollziehen sein, allein ein großer Flügel in einem schönen Zimmer ist hier eindeutig.
Die Sprache des Buches ist zum Teil nicht so durchdacht oder auch schlicht grammatisch falsch: Das Buch beginnt zum Beispiel mit dem Satz ‚9 kleine Menschen kommen heute raus.‘ Das soll hier heißen, sie kommen zu Welt, sie werden geboren. Aber ‚rauskommen‘? Dann heißt es ‚Manche kleine (!) Menschen‘ statt ‚Manche kleinen Menschen‘ – ist das dem Lektorat nicht aufgefallen? Und beim allerletzten Satz hapert es mit dem Reim ganz beträchtlich.
Inhaltlich finde ich viele gute Ansätze, ein bisschen mehr Handlung hätte es sein dürfen, um die ‚Freunde fürs Leben‘ zu begründen. Positiv sind die vielen Möglichkeiten, mit dem Kind über das Gesehene und Gelesene zu sprechen.

Bewertung vom 18.11.2024
Mordscoach
Pabst, Lilli

Mordscoach


weniger gut

Der Krimi von Lilli Pabst beginnt zunächst durchaus komisch, da die sich ständig selbst reflektierende, achtsame, psychologisch versierte Ich-Erzählerin Sophie Stach ihren Klienten Nils Bergmann einerseits mit den Augen der Psychotherapeutin, die weiß, was sie zu denken hat, andererseits als Sophie voller Abscheu betrachtet. Der erste Satz lautet: ‚Nils Bergmann ist eine fette Qualle.‘ Das ist ein fulminanter Auftakt und sicherlich nicht das, was sich Menschen wünschen, die eine Therapeutin aufsuchen.
Diese Zweigleisigkeit Psychotherapeutin/Mensch zieht sich durch den gesamten Roman und wird mehrfach thematisiert. Sophie spricht achtsam und bedacht, handelt jedoch spontan und emotional, zum Teil auch kalt und berechnend. Sie bringt, mehr oder weniger unbeabsichtigt, die Geliebte ihres Mannes um und ‚muss‘ dann in der Folge noch mehrfach zum Mord greifen, um einerseits ihre erste Gewalttat zu vertuschen, andererseits sich selbst als Therapeutin zu beweisen. Sie ist selbst in Behandlung, da sie die psychische Gewalt, die ihr in ihrer Kindheit durch ihre Mutter angetan wurde, aufarbeiten will, und sie hat es offenbar bitter nötig. Sie erklärt fachkundig, was bei ihr gerade vor sich geht – und kann dann doch nicht aus ihrer Haut. Sophie lügt und mordet munter weiter, obwohl sie doch so gut ausgebildet ist und in der Lage sein sollte, Konflikte anders zu lösen. Dabei, und dieses Kunststück vollbringt die Autorin, ist die Erzählerin nicht durchweg unsympathisch, man glaubt ihr wenigstens zum Teil die Zwangslagen, die sie zu ihren Handlungen treiben.
Der Grundgedanke dieses Buches ist amüsant, die Ereignisse werden bis ins Groteske gesteigert. Leider stellt sich durch die Redundanz, mit der hier erklärt, belehrt, kommentiert wird, ein gewisser Ermüdungseffekt ein. Die nächste Wendung scheint vorhersehbar, jedenfalls in groben Zügen. Der Mord an dem Freund einer Klientin ist unnötig und passt nicht wirklich gut in die Handlung, ein Weniger wäre hier mehr gewesen. Was überhaupt für den Roman gilt: Eine straffere Handlung, also Kürzung, wäre zuträglich gewesen. Zudem ist er nur oberflächlich lektoriert, das beginnt damit, dass der Ehemann auf dem Klappentext Jörn heißt, im Buch selbst Jakob, dass Fehler wie ‚vorrübergehend‘ durchrutschen oder dass Sophie sich vorstellt, dass das Objekt ihrer Begierde ‚bestimmt kleine schwarze Haare über (?) seinem Sixpack‘ hat, wobei aus dem Kontext hervorgeht, dass sie tiefer denkt. Auch die Häufung des Wortes ‚toxisch‘ verstört. Hier wirkt doch alles sehr schnell dahingeschrieben, auch musste jeder Einfall irgendwie untergebracht und zu einem neuen Handlungsstrang aufgebläht werden. Die zum Teil sehr vulgäre Sprache ist zwar modern, wirkt jedoch recht aufgesetzt.

Bewertung vom 17.09.2024
Medusa / Mythen der Monster Bd.1
Marsh, Katherine

Medusa / Mythen der Monster Bd.1


sehr gut

Ein Roman für ältere Kinder (ab 12 Jahre), der spannende Einblicke in die griechische Mythologie bietet. Hier wird diese auf den Kopf gestellt, da es um die Frauen geht, die nur allzu oft eine untergeordnete Rolle inne und wenig zu sagen haben. Katherine Marsh hat mit Ava und ihren Freundinnen Fia und Layla Protagonistinnen erschaffen, die stets auf die Rollen der weiblichen Gestalten Wert legen und sich dann durch ihre eigenständigen Aktionen in große Gefahr bringen.
Es beginnt mit einer alltäglichen Erfahrung von Mädchen in der Schule: Obwohl Ava sich gemeldet hat, wird Owen, der sich vordrängelt, bevorzugt. Ava ist wütend und es geschieht etwas Unerwartetes, woraufhin die Mutter Ava und ihren älteren Bruder Jax sofort auf der Accademia del Forte in Venedig anmeldet – ein weiter Weg von ihrem Zuhause in Amerika. Es soll sich nach Aussage der Mutter um ein Internat für besonders begabte Kinder handeln, was sich auf eine originelle Weise als richtig erweist. In der Accademia tauchen Ava und Jax viel tiefer in die griechische Mythologie ein, als sie sich das hätten träumen lassen. Ava findet in Fia und Layla Freundinnen und in Arnold einen guten Freund. Die Freundinnen wollen wie sie nicht hinnehmen, dass stets nur von den männlichen Göttern gesprochen wird und die Frauen eigentlich nichts zu sagen haben. Es beginnt eine aufregende und rasante Handlung mit vielen Aktionen, bei denen es um Leben und Tod geht. Dabei muss sich die sich Freundschaft der drei Mädchen sowie des Jungen Arnold beweisen, und wenn Freunde in Not sind, dann wachsen sogar Flügel – im wörtlichen Sinne. Selbstverständlich unterstützt auch Jax seine kleine Schwester.
Die mythologischen Gestalten werden durch die verschiedenen Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer verkörpert. Gut, dass sich im Anhang des Buches ein Glossar befindet, in dem auch Erwachsene immer wieder nachsehen können, wer auf dem Olymp welche Rolle innehatte, über welche spezifischen Fähigkeiten verfügt und wie das Verwandtschaftsverhältnis der weit verzweigten Familie der Gottheiten war. Dies ist nicht nur spannend, sondern äußerst lesbar und unterhaltsam geschrieben und bringt den Leserinnen und Lesern die Göttinnen, Götter und eben auch die Monster sehr nahe. Die Idee von Katherine Marsh, diesen eine konkrete Person auf der Accademia zuzuordnen, hilft beim Verstehen und Behalten.
Was allerdings auffällt, sind die vielen Anleihen bei Harry Potter: Schon der Empfang auf der Accademia präsentiert ein Bankett, das stark an die Szene im Stein der Weisen erinnert, nur, dass hier eben kein gebackener Kürbis, sondern italienische Spezialitäten serviert werden. Die Freundschaft, bei der die Jugendlichen ihre unterschiedlichen Fähigkeiten zusammentragen müssen, um zum Erfolg zu gelangen, hat viele Anklänge an J.K. Rowlings Erfolgsroman, wenngleich man zugeben muss, dass sie selbst mit Fluffy eine Inkarnation von Zerberus geschaffen und ihrerseits viele Mythen aufgegriffen hat. Diejenigen Leser, die mit Harry Potter gut vertraut sind, werden weitere Parallelen schnell aufspüren.
Insgesamt ein aufregender Roman, der die Interessen der Jugendlichen bedient. Auch das Internat ist ja seit Hanni und Nanni vor über 80 Jahren ein immer wieder gern gelesener Ort – es entspricht dem Wunsch der Heranwachsenden nach Ablösung von den Eltern und einer Peer Group, in der sie sich erproben können.

Bewertung vom 28.08.2024
Das Wesen des Lebens
Turpeinen, Iida

Das Wesen des Lebens


ausgezeichnet

Ein lange von dieser Erde verschwundenes Tier, die Stellersche Seekuh, bildet das Leitmotiv des außerordentlich lesenswerten Romans von Iida Turpeinen. Das Schicksal dieser Tierart steht für unzählige, deren Knochen wir heute in wenigen Museen finden können – und die nur selten unsere Aufmerksamkeit erhalten.
Das riesige Geschöpf, das der Naturforscher Georg Wilhelm Steller auf einer Expedition mit Vitus Bering im Nordmeer im Jahre 1741 vorfand, zieht sich als roter Faden durch den Roman. Ohne Arg, ein Pflanzenfresser, schutzlos dem Menschen ausgeliefert. Rückblickend heißt es: … ‚die erste verschwundene Art/…/ die den Menschen gezwungen hat, in den Spiegel zu blicken.‘ (298)
Der Körper der Seekuh hilft der Mannschaft Berings zu überleben, Bering selbst stirbt. Steller erkennt, dass er auf eine seltene, fast mythische Art gestoßen ist, eine Meerjungfrau, ein Manati – es existieren verschiedene Namen. Er vermisst das riesige Tier genau, kann das Skelett aber nicht mit nach Europa nehmen, wie er gehofft hatte. Nach Stellers Tod bleiben nur die Aufzeichnungen erhalten.
Der Roman springt in das Jahr 1859 zur Südostküste Alaskas, wo Gouverneur Furuhjelm das Skelett einer Seekuh in seinen Besitz bringt – einer der letzten. Sie sind bereits ausgestorben, denn sie wurden um der Pelze willen gejagt, gleichzeitig griffen die Menschen in die Nahrungskette ein und nahmen den Tieren die Möglichkeit zu überleben.
Der nächste Sprung führt nach Helsinki in das Jahr 1861, als der Anatomieprofessor von Nordmann das verblichene und unvollständige Skelett der Seekuh abzeichnen lässt und damit ein Buch illustriert. Noch immer sind viele Menschen ‚nicht bereit zu glauben, dass der Mensch in der Lage sein soll, eine andere Art auszulöschen‘ – also in den Spiegel zu schauen. (249) Das Skelett landet schließlich im Tierkundemuseum von Helsinki, wo John Grönvall, der sich eigentlich dem Vogelschutz verschrieben hatte, es in den 1950ern neu zusammensetzt, da die Forschung inzwischen fortgeschritten ist und neue Erkenntnisse in die Arbeit einfließen.
Spannend und informativ führt Iida Turpeinen ihre Leser/innen durch die vergangenen Jahrhunderte. Ihr Verdienst ist es, aus diesen Fakten nicht nur ein berührendes Sachbuch, sondern ein großes Stück Literatur zu machen. Die historischen und wissenschaftlichen Sachverhalte sind eingebettet in eine Romanhandlung, in der die Menschen lebendig werden, deren Schicksale mit dem des Tieres auf die eine oder andere Weise verknüpft sind.
Eindringlich und ohne zu belehren beschreibt die Erzählerin die Zusammenhänge und lässt dabei eine große Empathie erkennen: ‚Sanftmütig und ohne Furcht‘ ist das riesige Tier, als es Steller begegnet. Turpeinen nutzt vorrangig kurze, prägnante Sätze, die eine starke Sogwirkung entfalten und zur Spannung des Romans beitragen. Dabei verzichtet sie auf Dramatisierungen, der Erzählstil ist geprägt von einer großen Schlichtheit. Die Melancholie, die dahinter hervorschimmert, spiegelt die Trauer angesichts dessen, was Menschen angerichtet haben und noch immer anrichten.
Das ist kein schneller Lesegenuss, aber ein außerordentlich lohnender. Nie sind die Entstehung des Lebens aus einer Urzelle und die Weiterentwicklung der Arten durch die klimatischen und geographischen Veränderungen der Jahrmillionen hindurch poetischer und eindringlicher beschrieben worden als in diesem Buch.

Bewertung vom 25.08.2024
Mord in der Charing Cross Road
Hamilton, Henrietta

Mord in der Charing Cross Road


gut

Das ist naturgemäß ein altmodischer Krimi, das Original stammt aus dem Jahr 1956. Umgangsformen, Nachwirkungen des Krieges, Geschlechterrollen, Kleidung – in allem fließt dieser Umstand mit ein. Das hat zunächst durchaus seinen Reiz. Miss Sally Merton, also ledig, arbeitet in einer antiquarischen Buchhandlung. Die handelnden Personen kommen nach und nach an ihr vorbei, um Feierabend zu machen, und sie werden vor allem dadurch charakterisiert, wie sie sich ihr gegenüber verhalten. Der Senior Chef ist ein Gentleman der alten Schule, auch die anderen sind zumeist auf ihre Art liebenswert.
In der Buchhandlung wurde mehrfach ein Geist gesichtet, den es schon vor vielen Jahren in diesem Gebäude gegeben haben soll. Die Angestellten – natürlich vor allem die Frauen - sind erschrocken und ängstlich.
Dann geschieht ein Mord. Die Aufklärung gestaltet sich schwierig, da viele in der Buchhandlung ein Motiv gehabt haben könnten, dem unsympathischen Mr Butcher (der Name ist durchaus gut gewählt) den Tod zu wünschen. Als die Ermittlungen beginnen, unterzieht der leitende Kommissar die Personen eingehenden Befragungen und stellt die Beziehungen zwischen ihnen fest, was durchaus interessant ist. Doch dann geht es allzu ausführlich darum, wer zu welcher Zeit welche Tür aufgelassen oder aufgeschlossen, wer wann die Treppe zum Büro des Opfers benutzt haben könnte. Das ist von der Autorin so detailliert ersonnen, dass ich es als Leserin irgendwann nicht mehr nachvollziehen konnte oder wollte. In meinen Augen mindert es die Spannung, wenn man sozusagen mitschreiben oder nochmals nachlesen müsste, wie es sich genau verhält. Das Retardierende steht dem Vorwärtsdrängen der Leser entgegen, das ist geschickt gedacht, jedoch übertrieben ausgestaltet.
Die Auflösung findet dann nicht die Polizei, sondern Sally und ihr Verehrer, der Juniorchef Johnny Heldar, sind erfolgreich, indem sie den Spuren akribisch nachgehen, um Johnnys Cousin zu entlasten. Der wurde verhaftet, was beide für absurd halten. Am Ende finden dann Sally und Johnny zueinander.
Leider ist der Krimi insgesamt etwas langatmig und an einigen Stellen zu ausführlich gehalten. Auch die Geschlechterklischees und die ärgerlichen Ressentiments einiger Charaktere wirken veraltet. Es hat zwar durchaus Charme, sich die Charing Cross Road vor fast 70 Jahren zu vergegenwärtigen, doch insgesamt bleibt der Eindruck eher schwach.

Bewertung vom 22.07.2024
Unser größter Schatz: Der Boden
Küntzel, Karolin

Unser größter Schatz: Der Boden


ausgezeichnet

Ein Buch für alle wachen Naturschützer und Menschen, die glaubwürdig umweltbewusst leben wollen. Schon bei der Produktion wurde darauf geachtet: Es ist auf Recyclingpapier gedruckt, kommt ohne Plastik und Mineralöle aus. Dennoch sind die Farben klar und kräftig, die Bilder zeigen nicht nur das Beschriebene, sondern bilden die bunte Vielfalt unseres Lebens auf der Erde ab – es gibt verschiedene Hautfarben und ein Kind im Rollstuhl. Das ist immerhin ein Anfang. Schön ist auch, dass Braun- und Grüntöne passend zum Thema dominieren.
Inhaltlich ist das Buch ebenso vielfältig, es beschreibt Aspekte, die mir nicht sofort in den Sinn gekommen sind. Natürlich ist da der Aufbau unseres Bodens, aber auch der Erde und ihrer Gestalt. Dazu gehören der Aufbau der Erdkruste, vulkanische Aktivitäten, Plattentektonik und Klimazonen. Im Kleinen wird erläutert, wie die Filterfunktion des Bodens funktioniert, was den Boden mit seinen unzähligen Lebewesen darin gesund erhält. Erwähnt werden Gärten und die Pflege des Bodens, aber auch der Raubbau an der Natur, der Abbau von Bodenschätzen, die Verdichtung des Bodens und Faktoren, durch die wir Menschen den Boden beeinflussen – fast immer negativ. Das wird zwar kindgerecht, aber durchaus anspruchsvoll erläutert und bietet Informationen, die über das Erwartete hinausgehen. Die Wichtigkeit der Moore und der Wälder, verschiedene Arten von Naturschutz, der Boden des Meeres, das Wattenmeer – Boden ist ein sehr vielfältiger Begriff. Viele Formationen sind von unserem Schutz abhängig, denn der Einfluss des Menschen führt dazu, dass Wüsten sich ausbreiten, Regenwald verschwindet. Sehr schön ist der Satz: ‚Die Art des Bodens entscheidet darüber, ob die Menschen, die dort leben, hauptsächlich arm oder reich sind.‘ Damit werden die Leser/innen daran erinnert, dass unser Wohlstand nicht immer ein Verdienst ist und dass diejenigen, die in sehr armen Gebieten leben, unsere Solidarität und Unterstützung benötigen.
Das Buch endet sehr abrupt, hier hätte ich mir einen Abschluss gewünscht. Aber es wirkt über sich hinaus, indem es vielfältige Denkanstöße liefert. Der Titel ist ein schönes Wortspiel – Unser größter Schatz – der Boden. Ein Boden- und Bücherschatz für jüngere und ältere Leser.

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