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Benutzername: 
violettera
Wohnort: 
Stuttgart

Bewertungen

Insgesamt 28 Bewertungen
Bewertung vom 16.04.2024
Lebenslang beweglich und kraftvoll mit Tigerfeeling
Cantieni, Benita

Lebenslang beweglich und kraftvoll mit Tigerfeeling


sehr gut

Beweglichkeit, Kraft und Gesundheit gewinnen
Benita Cantieni hat ein Trainingsprogramm entwickelt, das sie seit Jahren unter dem Namen CANTIENICA erfolgreich vermarktet. Auch zahlreiche Bücher hat die über Siebzigjährige darüber veröffentlicht. Das vorliegende richtet sich an ältere Menschen, die gerne lebenslang beweglich und kraftvoll werden und bleiben wollen. Wer möchte das nicht? Die Autorin, selbst bestes Beispiel für den Erfolg ihres Trainings, verspricht noch mehr: Auch gesund und schön bleibt man auf diese Weise oder wird es sogar wieder. Das scheinen schon sehr vollmundige Versprechen zu sein, die man zunächst nur glauben kann, denn durch die Lektüre allein ist nichts dergleichen zu erreichen. Wer aber das ausführliche Übungsprogramm erlernt und regelmäßig ohne Pause lebenslänglich in den Alltag integriert, dem gelten die genannten Heilsversprechen. In acht Kapiteln werden zunächst die Grundlagen der Methode erläutert, die durchaus nachvollziehbar sind. Sie beruhen auf einer von unten nach oben gedachten Aufrichtung des Körpers, der Aufspannung zu einer sehr geraden, gestreckten Haltung, die den Knochen und dem ganzen Körper Länge schenkt. Daraus entwickelt sich ein Bewegungsprogramm, das Beweglichkeit, Kraft und Gelenkigkeit fördert, auch Schmerzfreiheit und gute Reaktionsfähigkeit als Schutz vor Verletzungen durch Stürze. Das mag alles richtig sein, man muss es nur machen. Und dranbleiben. Ich finde es schwierig, die anspruchsvollen, nur bei korrekter Durchführung wirksamen Übungen einzig aus Texten und Fotos zu erlernen. Hier helfen Links weiter, z.B. zum CANTIENICA-Studiofinder. Fazit: Auch unsportlichen Menschen, die nach einer dauerhaft wirksamen Trainingsmethode für mehr Lebensqualität suchen, bietet dieses Buch durchaus wertvolle Hinweise.

Bewertung vom 07.04.2024
Sommerhaus am See
Poissant, David James

Sommerhaus am See


gut

Brüchige Fassaden
Cover und Titel suggerieren einen leichten, frischen Sommerroman über ein Familientreffen am See, wo die Eltern, beide in erfolgreicher Stellung an der Cornell University, ein kleines Sommerhaus besitzen. Die inzwischen erwachsenen Söhne halten mit ihren Partner*innen an der Tradition fest, sich alljährlich hier zum Familienurlaub zu treffen. Aber das Holzhäuschen ist mit seinen Besitzern in die Jahre gekommen, vieles ist brüchig geworden. Und nun jagt ein Schock den Nächsten: Die Eltern haben ohne Wissen der Söhne beschlossen, das Haus zu verkaufen. Dann ertrinkt auch noch ein kleiner Junge im See, obwohl einer der Söhne einen Rettungsversuch unternimmt und sich dabei selbst verletzt. In kurzen Kapiteln, die jeweils aus der Perspektive der betreffenden Person erzählt werden, erfahren wir nach und nach, welche haarsträubenden Geheimnisse die einzelnen Familienmitglieder belasten: verschwiegene Todesfälle, Ehebruch, bedrohliche Erkrankungen, Drogen, Alkoholismus und dergleichen mehr. Das ist alles gut beobachtet und präzise geschildert, mit allerhand gefährlichen Situationen spannungsvoll angereichert. Der Roman liest sich leicht, man hat die Verfilmung schon beinahe vor Augen, samt Happy End: „Die Welt ist voller Wunder und Liebe.“

Bewertung vom 05.03.2024
James
Everett, Percival

James


ausgezeichnet

Schein und Wirklichkeit
Gut oder böse, weiß oder schwarz, schuldig oder unschuldig – nichts ist gewiss, alles gerät durcheinander in diesem schillernden Roman. Moralisch und unmoralisch, gebildet und ungebildet – nichts passt zu den Erwartungen. Schein und Wirklichkeit verdreht und verwoben, auf den Kopf gestellt wie die Story von Tom Sawyers und Huckleberry Finn, die gleich im ersten Kapitel ihren Auftritt haben. Sogar im schönen, geheimnisvollen Cover irritieren Schein und Wirklichkeit in dem Bild einer exotischen Landschaft aus dem leuchtenden Hintergrund, die sich vorne über Schulter und Oberarm des jungen Schwarzen zieht. Humorvoll und erschütternd beschreibt Percival Everett die abenteuerliche Flucht des Sklaven James auf dem Mississippi, durch die Wälder und über unzählige Hindernisse in die Freiheit, wenn es denn eine geben sollte. Aber was ist denn frei oder unfrei? Gewissheiten gibt es hier nicht, nur ganz großes Lesevergnügen.

Bewertung vom 03.03.2024
Einfach gärtnern! Naturnah und nachhaltig
Mager, Horst

Einfach gärtnern! Naturnah und nachhaltig


ausgezeichnet

Gärtnern mit der Natur
Horst Mager, seit Kindesbeinen leidenschaftlicher Gärtner, inzwischen mit viel Medienerfahrung, schreibt ebenso kompetent wie unterhaltsam darüber, wie Gartengestaltung und -pflege gelingt, wenn man mit der Natur gärtnert und nicht gegen sie. Der Standort bestimmt, was in einem Garten wachsen und dauerhaft gedeihen kann. Beherzigt man diesen Grundsatz, lassen sich gärtnerische Misserfolge meist vermeiden, und der Aufwand des Gärtners verringert sich. Horst Mager erläutert diese Erfahrung sehr anschaulich, beschreibt auch die Geduld, die beim Gärtnern zunächst abverlangt wird, um die Standortgegebenheiten kennenzulernen. Mit diesem Buch legt er ein sehr nützliches Kompendium vor, in dem wir zu vielen Fragen naturnahen Gärtnerns Antworten finden, so knapp wie möglich und so ausführlich wie nötig. Er stellt pflegeleichte Pflanzen für die verschiedensten Standorte vor, erläutert die naturnahe Bodenbearbeitung und die richtige Bewässerung, schreibt über Tiere im Garten und die Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten. Ein aus meiner Sicht rundum gelungenes Gartenbuch, empfehlenswert für Anfänger wie für erfahrene Gärtner.

Bewertung vom 01.02.2024
Spur und Abweg
Tallert, Kurt

Spur und Abweg


sehr gut

Durch Nazigewalt beschädigte Familiengeschichte

„Ich stamme von den Mördern meiner Vorfahren ab. Ich denke den Begriff der Abstammung deshalb immer mit einem gewissen Sicherheitsabstand.“
Spuren suchen und verfolgen, in der Spur bleiben, also spuren, aus der Spur geraten, auf Abwege geraten. Was ist ein Abweg? Dem Abwegigen auf der Spur sein, Abwegiges suchen und verfolgen, einen Hang zum Absurden haben. Ist Erinnerung möglich an Geschehnisse, die man nicht selbst erlebt hat? Um all dies geht es bei der Suche des Autors nach seiner durch Nazigewalt beschädigten Familiengeschichte. Es ist eine Spurensuche, die immer wieder auf Abwege führt, diese Suche nach dem Leben des eigenen Vaters, die auch eine Suche nach verstörenden Erinnerungen und Verhaltensweisen des Sohnes darstellt. Wie intensiv die Erfahrungen seines viel älteren Vaters, der noch die Weimarer Republik und als „Halbjude“ das Dritte Reich erlebt hatte, den Sohn, der von alldem ja nichts miterlebt hatte, noch in der Gegenwart prägen, wird dem Autor bei der Recherche erst recht bewusst. Seinen Hang zum Absurden und Abwegigen, ja seine stete Suche danach, erklärt er sich so.
Auch der Geschichte des jüdischen Großvaters spürt er nach. Beide, Vater und Großvater, hatten den Naziterror überlebt, beide waren gezeichnet davon. Andere wurden vernichtet, wie seine damals schon achtzigjährige Uroma Berta. Mit einem Brief an sie endet das Buch, finden Nachspüren und Abwege für den Autor ein vorläufiges, fast versöhnliches Ende. Aber: “Die Gräber schweigen noch immer in die aus der Zeit gefallene Vergessenheit, die deutschem Alltag schon immer etwas Schleierhaftes verlieh.“
Kurt Tallert macht es sich und seinen Lesern nicht leicht. Seine Spurensuche ist verstörend, trägt aber zur Erhellung dunkler Kapitel der deutschen Geschichte, auch der Nachkriegsgeschichte, bei. Das Buch ist so gesehen ein wichtiger Beitrag gegen das Vergessen.

Bewertung vom 09.01.2024
Lichtungen
Wolff, Iris

Lichtungen


ausgezeichnet

Reise in die Vergangenheit
Ein wunderschönes Cover, ein Vogel auf einem Zweig, sehr geschmackvoll und dezent coloriert, lockt die Leser an. Iris Wolff beschwört eine Welt herauf, deren Zauber und Poesie sich in diesem Bild schon andeutet. Es geht um Lev und Kato, die beide in einem rumänischen Dorf in Siebenbürgen aufgewachsen sind. Nun sind sie in den Dreißigern, Kato zieht seit Jahren durch Europa, lebt von ihren Zeichnungen und Straßenkunst, Lev ist auch nach dem Ende des Kommunismus im Dorf geblieben, arbeitet als Schreiner. Aber dann lädt sie ihn ein nach Zürich. Auf ihrer Postkarte steht nur: Wann kommst Du? Poetisch und feinfühlig erzählt Iris Wolff von der erneuten Begegnung der beiden. Kapitel um Kapitel führt uns der Roman zurück in die Vergangenheit bis in die Kindheit der Protagonisten. Wir erleben in umgekehrter Folge insbesondere Levs Entwicklung, Katos Rolle dabei, die Veränderungen in seinem Umfeld und in seinen Beziehungen. Vieles bleibt angedeutet, lässt Raum für eigene Gedanken. Ein berührendes Buch mit Tiefgang.

Bewertung vom 02.01.2024
Hab ich noch Hoffnung, oder muss ich mir welche machen?
Raether, Till

Hab ich noch Hoffnung, oder muss ich mir welche machen?


sehr gut

Die Kraft der Hoffnung in schwierigen Zeiten
Der Titel kommt witzig daher, aber das Thema ist ernst und hoch aktuell: Wie steht es um unsere Hoffnung und die unserer Kinder in Zeiten schier unermesslich wachsender Krisen und dunkelster Perspektiven? Feuilletonistisch, in gut zu lesendem Plauderton, versucht Till Raether das Thema zu ergründen.
Er nähert sich der Hoffnung weder philosophisch noch politisch, vielmehr aus persönlichen, teils sehr privaten Erfahrungen heraus, die er anschaulich schildert. Daraus leitet er gesellschaftliche Folgerungen ab: Was bedeutet Hoffnung in Zeiten der Klimakrise für die ältere und die nachwachsende Generation, für die Gesellschaft, für jugendliche Aktivisten wie für arrivierte Politiker? Wann schlägt Hoffnung um in Resignation, wann beflügelt sie zu eigenen Aktivitäten? Wann erzeugt der gute Wille anderer zur Veränderung hingegen Ärger, Frust und Bevormundung? Was können wir tun, um uns selbst Hoffnung zu machen? Lauter wichtige Fragen und der sehr persönliche Versuch des Autors Antworten zu finden und zum Nachdenken anzuregen.

Bewertung vom 05.12.2023
Der Spion und der Verräter
Macintyre, Ben

Der Spion und der Verräter


gut

Gefährlicher Einsatz
Kein Zweifel, diese wahre Spionagegeschichte aus der Zeit des Kalten Krieges ist tatsächlich spektakulär, zudem sehr gut recherchiert. Der Autor führt uns gekonnt in die Welt der Spionage ein, wo der KGB-Agent Oleg Gordijewski zum Doppelagenten für die Briten wurde und so die westliche Politik maßgeblich beeinflussen konnte. Wir erfahren vieles über seine Herkunft und Entwicklung, seine Motive und herausragenden Fähigkeiten, sein Privatleben und die Gefahren, denen er seine Familie und sich aussetzte. Der fiktionale Anteil der Geschichte beschränkt sich auf das Notwendige. Die meisten Interna aus dem KGB, dem britischen Geheimdienst und dem CIA sind gesichert und werden ausführlich geschildert. Ein Höhepunkt ist schließlich die perfekt inszenierte Flucht des enttarnten Agenten. Wer aber war der Verräter? Auch hierzu liefert der Autor glaubwürdige Indizien. Das Buch ist sicherlich spannend für alle, die sich für Politik und Spionage interessieren, linear erzählt im sachlichen Stil einer Reportage.

Bewertung vom 04.11.2023
Endstation Malma
Schulman, Alex

Endstation Malma


sehr gut

Verstörende Erlebnisse
In kurzen Sequenzen erzählt Alex Schulmann Geschichten einer Kleinfamilie über drei Generationen. In Zeitsprüngen, vor und zurück, erkennen wir allmählich die Struktur der Familie, erst Vater, Mutter und zwei Töchter; Vater und jüngere Tochter; Vater, Mutter und Tochter der nächsten Generation; auch dort schließlich Vater und Tochter. Alle fahren sie irgendwann zur Endstation Malma, und erst spät verstehen wir die Zusammenhänge. Durchgängig herrscht eine beklemmende, teils verstörende Stimmung. Schmerzhafte Erlebnisse prägen die Protagonisten, besonders die Töchter und ihre Väter. Vieles bleibt zwischen ihnen unausgesprochen, quält sie im Verborgenen. Die Kommunikation ist gestört. Die Töchter erleben den Verlust der Mutter, in der Folge Angst, Gefühlskälte, Einsamkeit. Das prägt sie für ihr Leben.
Bedeutungsgeladene Motive ziehen sich durch den Roman, wie die Zugfahrt und ihr düsteres Ende, Fotografien, der einsame Adler als Lieblingsmotiv des fotografierenden Vaters, das Reinigen und Ordnen der Objektive, das grausame Schicksal eines geliebten Haustiers. Der Roman bleibt spannend bis zum Ende. Er ist meisterhaft erzählt, aber schwer zu verdauen.

Bewertung vom 15.10.2023
Memoria
Beck, Zoë

Memoria


sehr gut

Beklemmendes Szenario
Der Roman spielt in einer leider nicht so fernen deutschen Zukunft: In den Städten herrscht große Hitze, im ganzen Land wüten Flächenbrände, die Kluft zwischen arm und reich ist extrem, viele Menschen leben in Armut, wohnen z.B. in aufgegebenen Bürotürmen, kämpfen um Wasser, Energie und Lebensmittel, während sich die Reichen abschotten und von Securityfirmen bewachen lassen. Brände spielen in der Story eine wichtige Rolle. Harriet, eine junge Frau, die in Frankfurt am unteren Rand der Gesellschaft lebt, hat lückenhafte bzw. fehlende und offenbar falsche Erinnerungen, erlebt Unerklärliches, stößt auf Widersprüche, will ihre Erinnerungslücken füllen. Wen soll sie fragen? Die Mutter ist tot, der Vater dement, Freunde hat sie nicht. Alpträume quälen sie mit immer gleichen oder ähnlichen Bildern, oder sind es Erinnerungen? Warum passt nichts zusammen, wo ist der Schlüssel zu ihrer Vergangenheit? Harriet macht sich auf nach München, den Ort ihrer behüteten Kindheit als Tochter wohlhabender Eltern, den die Familie überstürzt verlassen hatte. Wir erleben eine rasante, teils sehr konstruierte Story, immer wieder überraschende Entwicklungen, Spannung bis zum Schluss. Sprachlich ambitioniert und mit lebendigen Schilderungen führt uns die Autorin nach einem sehr spannenden Einstieg hinein in die beklemmende Gegenwart einer Zukunft, in der nicht einmal mehr auf eigene Erinnerungen Verlass ist.