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Lesefreundin
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Düsseldorf

Bewertungen

Insgesamt 68 Bewertungen
Bewertung vom 02.06.2025
OTTO fährt los - Ein Sommer in den Bergen
Ottenschläger, Madlen

OTTO fährt los - Ein Sommer in den Bergen


ausgezeichnet

Ein Bus wird lebendig

"OTTO fährt los. Ein Sommer in den Berg" ist das dritte Reiseabenteuer rund um den Campingbus Otto. Für meine Töchter und mich ist es das erste Buch dieser Reihe, das wir gelesen haben und es hat uns richtig gut gefallen.

In dieser Geschichte reist Otto mit den Zwillingen Klara und Luzie sowie deren Eltern in die Berge nach Österreich und die Schweiz, wo sie all das Erleben, was klassischerweise bei einem Urlaub in diese Region zu erwarten ist: Sie wandern, fahren mit einer Berg Gondelbahn, essen Kaiserschmarren, usw. Mit dabei ist der sprechende Bus Otto, der den Mädchen auch immer wieder Wissen über die Region vermittelt.

Meine Kinder und ich haben das Buch unglaublich gerne gelesen. Das liegt zum einen daran, dass wir dieses Jahr auch wieder unseren Sommer in den Bergen verbringen und somit einen besonderen Bezug zu der Geschichte hatten, aber vor allem haben die wunderschönen Illustrationen überzeugt. Stefanie Reich hat es geschafft, dass aus dem Campingbus ein ganz eigener Charakter entstanden ist, dem Emotionen und Gesichtsausdrücke abzulesen sind. Auch die Bergpanoramen und die niedlichen Almkühe sind liebevoll gestaltet.

Ebenso haben uns die Erlebnisse der Reisegruppe und das hier und da eingestreute Wissen über die Region sehr gut gefallen. In anderen Rezensionen habe ich gelesen, dass sich manche an den Wortschöpfungen von Otto stören. Da können wir uns nicht anschließen. Natürlich sind Wortschöpfungen beim Vorlesen immer eine kleine Herausforderungen, aber diese geben auch Anlass sich darüber zu unterhalten, welche lustigen Wörter und Ausdrücke Otto benutzt. Wir konnten darüber schmunzeln.

Fazit: Ein tolles Kinderbuch rund um Urlaub in den Bergen!

Bewertung vom 02.06.2025
Zehn Bilder einer Liebe
Köhler, Hannes

Zehn Bilder einer Liebe


sehr gut

Männliche Perspektive
Hannes Köhler hat mit "Zehn Bilder einer Liebe" einen sprachlich herausragenden Roman geschrieben, der eine aus meiner Sicht absolut glaubhafte und realistische Liebesbeziehung in den Mittelpunkt stellt. Es geht insbesondere um den Alltag einer Patchwork-Familie sowie um das Thema Kinderwunsch.

Ich fand es spannend, dass im Roman auch die männliche Perspektive gezeigt wird, denn meist werden diese Themen aus der weiblichen Sicht erzählt. Ich mochte den Protagonisten David sehr und konnte seine Unsicherheit als Stiefvater, aber auch seinen Kinderwunsch sehr gut nachempfinden. Dem Autoren ist die Charakterzeichnung und die Gefühlswelt von David ausgesprochen gut gelungen. Auch Luisas Perspektive, insbesondere ihre Gedanken zum Thema Liebe am Ende des Buches, haben mich nachdenklich gemacht.

"Zehn Bilder einer Liebe" ist ein ruhiger, tiefgründiger Roman, den ich gerne weiter empfehle.

Bewertung vom 25.05.2025
Der Kaiser der Freude
Vuong, Ocean

Der Kaiser der Freude


ausgezeichnet

Erwartungen erfüllt!

"Der Kaiser der Freude" mein erster Roman von Autor Ocean Vuong, der sich vor einigen Jahren mit seinem Debütroman "Auf Erden sind wir kurz grandios" einen Namen in der Literaturwelt verschaffen hat. Entsprechend hatte ich hohe Erwartungen an den neuen Roman, wie etwa eine poetische Sprache, tiefgründige Gedanken und eine melancholische Geschichte, die gesellschaftskritische Themen anspricht.

Und: Ich wurde nicht enttäuscht!
Wir begleiten Hai, Sohn vietnamesischer Einwander*innen in den USA, der in einfachen Verhältnissen aufwächst und dem Druck der Mutter nicht standhält, "etwas besseres" aus sich zu machen. Im trostlosen East Gladness greift er zu Drogen und landet irgendwann in einer Entzugsklinik, während er seine Mutter in dem Glauben lässt, dass er in Boston Medizin studiert. Nach dem Entzug wird er von der Seniorin Grazina aufgegriffen, die einen Pfleger sucht. Er zieht bei ihr ein, pflegt sie, navigiert mit ihr durch Phasen von Demenz und wird schließlich ihr Freund. Parallel dazu findet er einen Job in einer Fast Food-Kette, wo er Teil einer Gemeinschaft von Kolleg*innen wird, die alle auf ihre Art ihr Päckchen zu tragen haben.

Schon lange habe ich keinen Roman mehr gelesen, in dem mir wirklich sämtliche Charaktere ans Herz gewachsen sind! Grazina ist eine warmherzige, lustige und pfiffige ältere Dame, die mit den Geistern der Vergangenheit ringt. Das Team der Fast Food-Kette steht sicherlich nicht auf der Sonnenseite des Lebens, aber alle haben das Herz am richtigen Fleck.
Ocean Vuong lässt uns sehr nah an die Geschichten dieser Menschen heran, an ihre Eigenheiten und ihre Herausforderungen im Alltag, während wir insbesondere Hais Gefühlswelt sehr eng miterleben. Dadurch habe ich mich den Menschen in dieser Geschichte ausgesprochen nah gefühlt und war berührt von ihren Schicksalen.

Ocean Vuong hat einen gesellschaftskritischen Roman geschrieben, der tiefgründig und poetisch ist. Gleichzeitig hat er mich traurig gemacht und mich zeitgleich viele Male zum Schmunzeln gebracht. Ich werde noch lange an Hai, Grazina und die anderen Charaktere denken, die mir regelrecht ans Herz gewachsen sind.

Bewertung vom 22.05.2025
Teddy
Dunlay, Emily

Teddy


weniger gut

Enttäuschend

Was für ein tolles Cover und dazu ein Klappentext, der eine charismatische Protagonistin verspricht, glamouröser 60Jahre-Flair in der High-Society der amerikanischen Botschaft in Rom und dazu eine feministische, emanzipatorische Geschichte. Ich war Feuer und Flamme für diesen Roman, nachdem ich ich ihn in der Verlagsvorschau entdeckt habe. Ein absolutes Must-Read im Frühjahr 2025.

Die Erwartungen auf ein Highlight waren groß und ich war mir sicher, dass Teddy in die Fußstapfen der großen Evelyn Hugo ("Die sieben Männer der Evelyn Hugo", Taylor Jenkins Reid) oder der toughen Elizabeth Zott ("Eine Frage der Chemie", Bonnie Garmus) treten wird.

Doch Fehlanzeige. Teddy ist weder eine Evelyn, noch eine Elizabeth. Sie ist eine Diplomatengattin, die eher blass daher kommt und gerne shoppen geht. Ich konnte während der Lektüre keine Sympathien für Teddy entwickeln, hatte keinen Bezug zu ihr und ihrer Situation. Das Hauptproblem lag für mich darin, dass die Autorin sehr ausufernd erzählt und sich in Handlungssträngen verliert, die die Geschichte nicht voran bringen (mehrere Seiten für den Kauf eines Kleides waren für mich z.B. zu viel des Guten). Auch wirkt Teddy, die in der Ich-Form von den Geschehnissen erzählt, eher "simpel". Es mangelt mir an Charaktertiefe, die Beziehung zu ihrem Mann bleibt mir rätselhaft (auch er bleibt völlig blass) und auch sprachlich ist der Roman nicht überzeugend.

Nach 200 Seiten war mein Interesse an Teddy und ihrer Geschichte dahin, sodass ich den Roman abgebrochen habe. Da ich in anderen Rezensionen gelesen hatte, dass das Ende noch mal einen Twist bietet, habe ich einen Blick in die letzten Kapitel geworfen. Am Ende wird es sicherlich noch mal interessanter, aber auch die letzten Kapitel konnten mich nicht davon überzeugen den Roman doch noch in Gänze zu lesen.

Fazit: Leider bleibt Teddy blass, die Geschichte plätschert dahin, es fehlt der 60Jahre-Flair. Darum keine Leseempfehlung von mir.

Bewertung vom 23.04.2025
Beeren pflücken
Peters, Amanda

Beeren pflücken


gut

Blasse Protagonistin

"Beeren pflücken" von Amanda Peters war vermutlich das Buch, auf das ich mich in diesem Frühjahr mit am meisten gefreut habe. Die vielen begeisterten Rezensionen aus dem englischsprachigen Raum sowie der Klappentext versprachen eine packende Lektüre. Leider war der Roman nicht das erwartete Highlight für mich.

Bereits ganz zu Beginn ist klar, dass es sich bei Norma um die vermisste, kleine Schwester Ruthie des Protagonisten Joe handelt. Joe und seine Familie, eine Mi'kmaq-Familie aus Nova Scotia, kommen Jahr für Jahr nach Maine, um dort bei der Beerenernte zu arbeite. Eines Tages verschwindet die vierjährige Ruthie spurlos, Joe war der letzte, der sie gesehen hat. Die Geschichte erzählt von den getrennten Leben von Norma/Ruthie und Joe bis ins späte Erwachsenenalter hinein. Aus der Ich-Perspektive erfahren wir, wie es es Norma in ihrer "neuen" Familie ergangen ist, bei Joe verfolgen wir ein Leben voller Schuldgefühle und Flucht. Er fühlt sich verantwortlich für das Verschwinden seiner Schwester und kann dies nie wirklich überwinden.

Ich empfand die Geschichte insbesondere zu Beginn als ausgesprochen zäh und langatmig erzählt und ich habe das Buch sogar für einige Tage zur Seite gelegt. Große Probleme hatte ich mit Normas Geschichte, da ich sie als ausgesprochen unglaubwürdig empfunden habe bzw. hat mich Normas Passivität extrem gestört. Immer wieder stößt sie auf Hinweise, dass sie nicht die leibliche Tochter ihrer Eltern ist und ihr werden Lügen erzählt, die völlig an den Haaren herbeigezogen sind (u.a. würde sich ihre dunkle Hautfarbe durch einen italienischen Opa erklären). Norma akzeptiert das so, hinterfragt nichts, konfrontiert ihre Eltern nicht, weil sie befürchtet, dass ihre Mutter Kopfschmerzen haben und traurig sein könnte. Auch später gibt es mir in der Auflösung zu wenig Konfrontation. Norma wurde als vierjähriges Mädchen entführt, extrem manipuliert und ihre Kindheit war noch nicht einmal fröhlich. Aber auch das wird mehr oder weniger so hingenommen. Da sträuben sich mir als Mutter die Nackenhaare!
Über die Hälfte des Buches spielt auch die Entführung selbst keine wirkliche Rolle.

Joes Geschichte fand ich durchaus lesenswert. Seine Schuldgefühle, seine Trauer und Wut waren überzeugend. Auch das Ende empfand ich als gelungen.

Fazit: Leider kein Highlight, trotz großem Potential.

Bewertung vom 20.04.2025
Frau im Mond
Jarawan, Pierre

Frau im Mond


gut

Es liegt an mir...
... und vermutlich nicht am Buch, dass ich es nach gut 100 Seiten zur Seite lege. Denn das Buch hat alles, was mir normalerweise richtig gut an einem Roman gefällt: Eine Familiengeschichten über verschiedene Generationen, eine Migrationsperspektive, Einblicke in eine andere Gesellschaft und Kultur, ein Blick in die Vergangenheit, ein liebenswerter und leicht schrulliger Charakter, historische Tatsachen.

Und dennoch finde ich einfach nicht in das Buch hinein. Der Erzählstil ist recht eigen. So erzählt uns Lilith die Geschichte ihrer Familie, von ihren Großeltern und den libanesischen Wurzeln. Dabei wechselt sie häufig und schnell die zeitlichen Ebenen und spricht die Leserschaft teilweise direkt an. Für gewöhnlich mag ich es sehr, wenn der Erzählstil nicht geradlinig ist, aber dieses Mal hemmt es meinen Lesefluss.

Ich habe für den Moment entschieden, dass ich das Buch abbreche. Aber da ich die Story nach wie vor interessant finde, werde ich irgendwann sicherlich weiterlesen. Denn ich bin mir sicher , dass Pierre Jarawan eine tolle Geschichte geschrieben hat.

Ich vermute, dass der Roman und ich im Moment einfach nicht zusammen passen. Ich werde es zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal versuchen.

Bewertung vom 20.04.2025
Wie Risse in der Erde
Hall, Clare Leslie

Wie Risse in der Erde


ausgezeichnet

Großartige Lesestunden
Wenn ich ein Buch in zwei Tagen weg inhaliere, dann muss ich schlichtweg eine große Leseempfehlung für dieses Highlight aussprechen!

In dem Roman begleiten wir Beth, eine junge Farmersfrau, die versucht über den tödlichen Unfall ihres Sohnes hinwegzukommen, der sich vor drei Jahren ereignet hat. Als ihre Jugendliebe Gabriel mit seinem Sohn Leo auftaucht und gerät alles ins Wanken, insbesondere ihre Ehe zu Frank. Am Ende eskalieren die Dinge so sehr, dass ein Mensch getötet wird und die Frage im Raum steht, wer für den Tod verantwortlich ist.

Clare Leslie Hall hat einen Roman mit einer unglaublichen Sogwirkung geschrieben, womit ich so nicht gerechnet hätte. Liebesstories sind in der Regel nicht meins, aber obwohl Beths Gefühle zu Gabriel und Frank viel Raum einnehmen, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Beth ist als Protagonistin sehr authentisch und sowohl ihre Gefühlswelt zu den Männern als auch der schwere Verlust ihres Kindes sind ausgesprochen emotional und nachvollziehbar gezeichnet. Ich war hier sehr berührt und fieberte gleichzeitig der Aufklärung entgegen, wer getötet wurde und wer für den Tod für verantwortlich ist.

Denn nur Häppchenweise streut die Autorin Hinweise und lässt immer wieder kurze Kapitel aus dem Gerichtsprozess einfließen, was die Spannung stetig steigen lässt.
Der Auflösung fand ich großartig und hat mich komplett überzeugt, wenngleich das Ende des Buch schon sehr nah am Kitsch vorbei geschrammt ist.

"Wie Risse in der Erde" ist ein unglaublich atmosphärischer Roman, der mich als Leserin mit einer sehr nahbaren Protagonistin hat mitfiebern lassen. Ich hatte großartige Lesestunden.

Bewertung vom 10.04.2025
Good Girl
Aber, Aria

Good Girl


sehr gut

Sprachlich und emotional eine Wucht

"Good Girl" von Aria Aber befindet sich aktuell auf der Shortlist des Womens' Prize for Fiction und das - aus meiner Sicht - völlig zu Recht!

Es ist die Geschichte einer 19jährigen, deren Eltern aus Afghanistan nach Deutschland geflohen sind und nun in Berlin leben. Nila will ausbrechen, aus den starren Regeln, denen sie als Mädchen in ihrer Familie ausgesetzt ist, aus den ärmlichen Verhältnissen und dem heruntergekommen Stadtteil, in dem sie nach dem Tod der Mutter alleine mit ihrem Vater lebt. Gleichzeitig hadert sie mit ihrer Identität als muslimische Afghanin, mit Rassismus und Vorurteilen.

Ihr Weg führt sie in das Berliner Partyleben, wo Drogen und eine toxische Beziehung zu einem älteren Künstler ihr Leben bestimmen.

Es ist ein raues, hartes Buch, das uns ein von Drogen und Gewalt geprägtes junges Leben zeigt, gleichzeitig bezaubert der Roman durch eine unglaublich schöne Sprache. Selten habe ich ein Buch gelesen, das mich emotional so nah an eine Protagonistin herangeführt hat. Aria Aber schafft es auf herausragende Weise, dass ich mich Nilas Gefühlswelt sehr nah gefühlt habe.

"Good Girl" thematisiert weibliche Zwänge, Identität, Rassismus, Gewalt und soziale Ungleichheiten. Es ist ein sprachlich und emotional herausragendes Buch, das ich allen empfehle, die sich auf "schwere Kost" einlassen möchten, denn insbesondere der exzessive Drogenkonsum zieht sich durch das komplette Buch und ist damit vermutlich nicht für jede Leserin geeignet.

Bewertung vom 02.04.2025
Oh Sunny
Yun, Ta-Som Helena

Oh Sunny


ausgezeichnet

Zwischen familiären Zwängen und Selbstbestimmung

"Oh Sunny" von Ta-Som Helena Yun war eine Überraschung für mich, denn mit Blick auf dieses farbenfrohe Cover und dem Blurb von Mithu Sanyal, die von einem "herrlich rebellischen Trip" spricht, hatte ich kaum mit einer so tiefgründigen und gar bedrückenden Geschichte gerechnet.

In dem Buch begleiten wir Sunny, die aus den Zwängen und strengen Regeln ihres Elternhauses ausbricht und in einer Turnhalle landet, wo sie den koreanischen Heimatverein ihrer Freundin Ha unterstützt. In ihrer Jugend musste sie eine Entscheidung treffen (oder haben ihre Eltern diese Entscheidung für sie getroffen?!), über die sie stillschweigen muss, um das Ansehen ihrer Eltern nicht zu beschädigen. Es wirkt Paradox, dass ihr Vater ein anerkannter Freiheitskämpfer ist, er für seine Tochter jedoch ganz andere moralische Vorstellungen hat. Auch die Mutter ist Sunny keine Unterstützung. Im Gegenteil ist auch sie es, die Sunny psychisch erniedrigt. Das Erlebte in ihrer Jugend hat Sunny bis ins Erwachsenenalter nicht überwunden, wie ein Schatten liegt dieses Ereignis über ihrer Seele, das sie aufzufressen droht. Als sie ausbricht und im koreanischen Heimatverein landet, wird ihr umso deutlicher, dass auch ihre Freundin mit ihrer Vergangenheit zu kämpfen hat.

Der Autorin ist ein starkes Debüt gelungen, das uns in einer klaren Sprache in die Gefühlswelt der Protagonistin mitnimmt und den Leserinnen zeigt, wie belastend familiäre Zwänge und gesellschaftliche Erwartungen sein können. Besonders gelungen fand ich die Einbindung von historischen Tatsachen aus der koreanischen Geschichte, über die ich mich nach der Lektüre des Buches noch weiter informiert habe. So greift Ta-Som Helena Yun u.a. die grausame Geschichte der sogenannten koreanischen "Trostfrauen" auf, die im zweiten Weltkrieg als Se*sklavinnen für japanische Soldaten herhalten mussten. Im Roman möchte der Kulturverein eine Friedensstatue in Berlin aufstellen lassen, die eine koreanische Frau zeigt und so auf das konkrete Leid der Koreanerinnen, aber auch allgemein auf das Leid von Frauen in Kriegsgebieten aufmerksam machen soll. Diese Statue gibt es tatsächlich und auch die politische Kontroverse um dieses Mahnmal sind keine Fiktion.

Fazit: Ein überraschend tiefgründiges Buch, das mich insbesondere durch das Einbinden historischer Tatsachen, aber auch durch das Schicksal von Sunny sehr berührt hat. Ich konnte Sunnys Verhalten nicht immer nachvollziehen, aber dennoch konnte ich ihren Schmerz spüren. Von mir gibt es 4,5 Sterne und eine Leseempfehlung!

Bewertung vom 23.03.2025
Was ich von ihr weiß
Andrea, Jean-Baptiste

Was ich von ihr weiß


ausgezeichnet

Ein Roman zum Abtauchen

"Was ich von ihr weißt" von Jean-Baptise Andrea, ausgezeichnet mit dem Prix Goncourt und Lieblingsbuch der französischen Buchhändler*innen, hat mit mir eine weitere Leserin begeistert!

Wir begleiteten den Lebensweg des Bildhauers Mimo Vitaliani, der in bescheidenen Verhältnissen aufwächst und als Kleinwüchsiger Spott und Hohn erfährt. Doch das Blatt wendet sich für das künstlerische Ausnahmetalent als er in die Kreise der einflussreichen Adelsfamilie Orsini stößt. Es ist die Zeit des aufstrebenden Faschismus in Italien zu Beginn des 20. Jhd., in der Mimo mit Hilfe der Osini-Brüder Stefano und Francesco zu immer mehr Ruhm kommt. Der entscheidende Mensch in Mimos Leben ist allerdings Viola Orsini. Schon als Kinder verbindet die beiden eine heimliche, tiefe Freundschaft. Die beiden, kosmische Zwillinge wie sie sich nennen, brauchen einander und stoßen sich dennoch immer wieder ab. Dabei sei angemerkt, dass es hier tatsächlich nicht um eine Liebesbeziehung geht, sondern um eine enge Freundschaft.

Jean-Baptiste Andrea hat einen Roman geschrieben, der die fiktive Lebensgeschichte eines ruhmreichen Bildhauers in die politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten Italiens rund um Mussolinis Herrschaft einbettet. Besonders beeindruckt hat mich Violas Geschichte, die als junges Mädchen wunderbar eigen, höchst intelligent und voller Phantasie ihren Träumen nachgegangen ist. Doch die damalige Zeit und ihr gesellschaftlicher Stand sahen dies nicht vor. Mit dem Erwachsen werden ist sie in den patriarchalen Strukturen und der Macht ihrer Brüder gefangen, ihre Lebensfreude und ihre Träume schwinden.

Ich konnte beim Lesen tief in die Geschichte abtauchen, die Tiefgang besitzt, historische Gegebenheiten aufgreift und eindrücklich das damalige Gesellschaftsbild nachzeichnet. Nicht zuletzt haben der Sprachstil und auch der hier und da eingeflossene, sarkastische Humor von Mimo, mich überzeugt. Insbesondere das Ende und die Auflösung rund um das Geheimnis von Mimos Pieta empfand ich als ausgesprochen gelungen.