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QueerLeserin
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NRW

Bewertungen

Insgesamt 24 Bewertungen
Bewertung vom 31.05.2025
Hüterin der Schwäne (eBook, ePUB)
Stöcken, Julia Lalena

Hüterin der Schwäne (eBook, ePUB)


sehr gut

Worum geht es:
Im frühmittelalterlichen Wales erfährt Adwen, dass sie nicht die Tochter ihres Vaters, des Fürsten Madoc, ist, sondern von einem verfeindeten Clan abstammt. Sie schließt sich diesem Clan an, wobei sie sich in den Krieger Kynan verliebt. Gemeinsam wollen sie gegen die Unterdrückung durch Madoc kämpfen. Doch uralte Segen und Flüche sorgen für Chaos, und bald ist nicht mehr klar, wer gut und böse ist.

Was ich gut fand:
Mit vielen Details macht die Autorin das frühe Mittelalter im Zwiespalt zwischen keltischer Mythologie und Christentum lebendig und baut Atmosphäre auf. Das Setting fühlt sich glaubwürdig an. Ich fand interessant, wie Magie organisch mit dem historischen Hintergrund verflochten wurde: Flüche und Segen existieren wirklich und gehorchen einer eigenen Logik.
Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt und es gibt kein eindeutiges Gut und Böse. Selbst Madocs Handeln wird nach und nach verständlich. Auch die Charaktere der Priesterin Eleri und der Hexe Gwrach verleihen der Geschichte Würze, indem sie mit ihren mysteriösen Plänen für Chaos sorgen. Die Hexe hat einige sehr coole und herrlich verstörende Auftritte. Ebenso fand ich die Entwicklung von Adwens Bruder Cadel spannend, auch wenn sich seine letzte Wandlung für mich zu abrupt anfühlte.
Sprachlich ist das Buch flüssig geschrieben und die Wortwahl passt zum mittelalterlichen Setting.
Auch optisch macht das Buch mit dem Goldschmuck etwas her.

Was ich nicht so gut fand:
Es gibt stellenweise ein paar sprachliche Holprigkeiten. 

Fazit: Frühmittelalter und Magie in einer atmosphärischen Geschichte vereint. 

Bewertung vom 31.05.2025
Auslöschung / Southern Reach Trilogie Bd.1
VanderMeer, Jeff

Auslöschung / Southern Reach Trilogie Bd.1


sehr gut

Ich habe „Auslöschung“ jetzt zum zweiten Mal gelesen und finde es immer noch ziemlich gut.

Worum geht es:
Es gibt ein Gebiet namens Area X, das hermetisch abgeriegelt wurde und in dem seltsame Dinge geschehen. Immer wieder schickt eine Behörde Expeditionen dorthin, um mehr herauszufinden. Im Buch geht es um die 12. Expedition, eine Gruppe von vier Frauen. Berichtet wird aus Sicht einer der Frauen, der Biologin. Schnell entwickelt sich die Expedition zum Desaster. Eine unbekannte Lebensform scheint Area X im Griff zu haben und „assimiliert“ Menschen, sodass sie sich in Tiere oder Pflanzen oder etwas ganz anderes verwandeln. 

Kommentar:
„Auslöschung“ ist eine Mischung aus Horror, New Weird, Science Fiction und mehr. Besonders gut fand ich, dass der Horror nicht nur auf klassische Schocker setzt, sondern darauf, dass etwas nur aufgrund des Vorwissens des Lesers gruselig ist (der Stapel Tagebücher) oder weil es so seltsam und undenkbar ist (Pilze, die verstörende Worte bilden).

Das Buch ist auch eine Reflexion über das Zusammenleben von Mensch und Natur. Menschen zerstören die Natur und die Natur schlägt zurück und assimiliert die Menschen – wobei leider nicht genauer differenziert wird, wer die Akteure der Naturzerstörung sind und warum sie das tun.
Zugleich wird nach und nach klar, dass die Behörde die Expeditionsteilnehmerinnen belogen und psychisch manipuliert hat. In diesem Licht erscheint fragwürdig, wer nun wirklich gefährlich ist: die Lebensform von Area X, die Behörde, oder beide. 

Zudem reflektiert das Buch darüber, was die (Natur)wissenschaft wissen kann. Gibt es Dinge, die sich dem Wissen entziehen und machen Menschen Fehler bei dem Versuch, etwas zu erforschen? Zitat: „Wenn ich keine echten Antworten habe, liegt das daran, dass wir immer noch nicht wissen, welche Fragen wir stellen sollen. Unser Instrumentarium ist nutzlos, unsere Methodologie liegt in Trümmern, unsere Beweggründe sind egoistisch.“ Diese Thematik hat mich an „Solaris“ von Stanislav Lem erinnert. Allerdings bleibt unklar, was genau die Kritik an der naturwissenschaftlichen Methode ist. Die Methode funktioniert nicht, weil die Aliens ihre Zellen verändern können? Könnte man nicht die Methode auch darauf anwenden? Die Beweggründe sind egoistisch, weil ...? Ich hätte es begrüßt, wenn die Kritik genauer ausgeführt worden wäre. 

Das Buch hat außerdem eine ungewöhnliche Protagonistin und erzählt in Rückblenden aus deren Leben. Die Biologin ist eine eigensinnige Frau, die mit Pflanzen und Tieren schon immer besser zurechtkam als mit Menschen. In nüchternem Ton schildert die Ich-Erzählerin, wie ihre Ehe daran gescheitert ist, dass ihr Ehemann als extrovertierter und sie als introvertierter Mensch nicht zueinanderfanden. Vieles konnte ich selbst als introvertierter Mensch nachempfinden. Und gerade die Eigenschaften der Biologin, mit denen sie immer bei Menschen angeeckt hat, helfen ihr nun, in Area X zu überleben.

Das Buch ist großartig geschrieben. Vandermeer traut sich selbst und seinen Lesern noch etwas zu. Es gibt komplexe Sätze und Überlegungen zu tiefergehenden Themen. Vandermeer tut vieles, was man heute laut Schreibratgebern und Buchmarktmenschen nicht mehr tun soll. Und er hat Erfolg damit. Das ist in meinen Augen ein Zeichen, dass Lesende mehr drauf haben und Lust auf komplexere Stoffe haben, als die Gurus des Buchmarkts weismachen wollen. Das macht mir Hoffnung, dass noch nicht alles in der Literatur weichgespült ist. 

Fazit:
„Auslöschung“ ist ein Buch, auf das man sich einlassen muss. Bis zum Ende werden nicht allzu viel der Rätsel aufgelöst, aber dafür gibt es die Folgebände. Nur die Kritik an Naturwissenschaft und -zerstörung lässt an Genauigkeit zu wünschen übrig.
Insgesamt: Horror, New Weird und Science Fiction mit Tiefsinn und einer ungewöhnlichen Erzählerin.

Bewertung vom 29.05.2025
Tiefsommer (eBook, ePUB)
Habert, Jesko

Tiefsommer (eBook, ePUB)


sehr gut

Das Buch beginnt in dem fiktiven Land Pagau, das große Ähnlichkeiten mit realen südamerikanischen Ländern hat. Wie die realen Vorbilder hat auch Pagau das Problem, wegen seiner Rohstoffe von einem mächtigen Staat, Uriwa, ausgebeutet zu werden. Zora, Lucio und Roja werden in diesen Konflikt hineingezogen, als Uriwa ihre Stadt bombardiert. Die drei müssen fliehen und treffen auf die Schmugglerin Luana. Zu viert beschließen sie, gegen Uriwa zu kämpfen. Bald müssen sie sich entscheiden, wie viel Gewalt sie bereit sind anzuwenden.
Ich fand die Idee sehr cool, solche realen politökonomischen Konflikte in einer Fantasywelt zu behandeln. Fantastische Elemente wie pflanzliche Luftschiffe, Lichterzwerge oder umherziehende Philosophen sorgen dabei für Auflockerung von dem ernsten Thema. Die Schilderungen von Landschaft und Kultur schaffen eine eindrückliche Atmosphäre und zeugen davon, dass der Autor selbst Zeit in Südamerika verbracht hat. Die Sprache ist auf einem hohen Niveau und sehr poetisch.
Auch das Cover ist wunderschön und macht Pagau lebendig.

Ab hier Spoiler:
Nach etwas über der Hälfte des Buches gibt es einen Plottwist: Pagau ist in Wirklichkeit nur eine Computersimulation. Ab diesem Zeitpunkt geht es um Luana, die in der realen Welt versucht, die Wahrheit über die Simulation herauszufinden und dem mächtigen Konsortium zu entkommen.
Mich persönlich hat dieser Twist nicht so richtig überzeugt, denn die zusätzliche Meta-Ebene wirkte für mich unorganisch daran gestückelt. Ich hätte es besser gefunden, wenn entweder das ganze Buch nur in Pagau gespielt hätte – oder wenn die Handlung von Anfang an zwischen den beiden Ebenen gewechselt wäre, sodass der Bruch weniger stark wäre und beide Konflikte parallel gelaufen wären. So jedoch schien diese Enthüllung alles, was in Pagau passiert ist, zu entwerten und weniger ernsthaft zu machen. Warum sich über die Gewaltfrage und die Ausbeutung von Ressourcen weiter Gedanken machen, wenn es eh bloß NPCs getroffen hat?

Dennoch fand ich das Buch insgesamt sehr lesenswert. Und vielleicht haben andere Lesende ja gerade an dem starken Plottwist ihre Freude.

Bewertung vom 18.05.2025
Zwielicht 20
Blackwood, Algernon

Zwielicht 20


sehr gut

„Zwielicht“ ist eine fortlaufend erscheinende Anthologie für Horror und düstere Phantastik. Die Texte in Nr. 20 hatten ein durchgehend hohes Niveau, waren sprachlich und stilistisch gut gemacht und spannend. Der Horror oder die unheimlichen Begebenheiten waren häufig auf eine ungewöhnliche Weise umgesetzt und auch bekannte Themen wie Zombies / Untote wurden neu in Szene gesetzt. 
Meine Favoriten:
Julia A. Jorges: „Zwischen zwölf Uhr und Mittag“: atmosphärisch und dystopisch. 
Ina Elbracht: „Mein wunderschöner Supermarkt“: bizarr und surreal. 
Maximilian Wust: „Salz, Glas und Silber“: Dunkle Magie und Zombiebekämpfung mit einem coolen Magiesystem. 
Timothy Granville: „Einige unlängst gestiftete Objekte“: Aus den Etiketten von Museumsobjekten reimt sich eine unheimliche Geschichte zusammen. 
Karin Reddemann: „Roter Regen“: Man fragt sich, ob der wahre Horror die Wechselbälger oder das Familienleben der Protagonistin ist. 
Yvonne Tunat: „Der Hotelflur“. Ein unheimliches Hotel und die Beziehung der Protagonistin zu ihrem Messie-Vater vermischen sich auf bizarre Weise. 

Nur mit den historischen Geschichten vom Anfang des 20. Jahrhunderts konnte ich nicht viel anfangen. Zum Beispiel ist mir bei der Geschichte von Arthur Machen nicht klar geworden, ob der Autor die Aufopferung von Soldaten im Krieg ernsthaft abfeiert, oder ob es sich um Satire handelt.

Davon abgesehen empfehle ich das „Zwielicht“ allen, die Horror und düstere Geschichten mögen. 

Bewertung vom 07.03.2025
Das Ministerium für die Zukunft
Robinson, Kim Stanley

Das Ministerium für die Zukunft


gut

Worum geht es:
Ein von der UN gegründetes Ministerium versucht, die Klimaschutzziele in die Tat umzusetzen, und scheitert zunächst am Unwillen von Staaten und Unternehmen. Mary, die Leiterin, wird vom Klimaaktivisten Frank entführt und unter Druck gesetzt, dass sie mehr tun müssten. Daraufhin greift das Ministerium insgeheim zu illegalen Aktivitäten gegen Klimaschäden und -Schädiger und eine internationale Massenbewegung entsteht.

Wie ich es fand:
Das Buch beginnt mit einem Knalleffekt: Frank überlebt als Einziger eine brutale Hitzewelle in Indien. Die eindrückliche Szene macht klar, dass das Überleben von Millionen Menschen auf dem Spiel steht. Nach dieser Szene hätte ich einen packenden Thriller erwartet. Doch leider lässt die Spannung bald nach. Denn das Buch besteht abwechselnd aus Szenen aus dem Leben verschiedener Menschen sowie aus Essay- und sachbuchartigen Passagen.
Verschiedene Menschen weltweit zu Wort kommen zu lassen, darunter Klimaflüchtlinge, ist eine coole Idee und zeigt, wie sehr das Klima jeden angeht. Doch insgesamt macht es die Handlung schwerfällig, ein klassischer Spannungsbogen fehlt und eine emotionale Bindung zu den Charakteren konnte ich nicht aufbauen.
Die sachbuchartigen Passagen waren wiederum für ein Sachbuch zu schwammig und begrifflich unklar. Da wäre mir persönlich lieber gewesen, entweder ein ordentliches Sachbuch zu lesen oder einen funktionierenden Roman.
Inhaltlich setzt der Roman seine Hoffnung auf einen eher sanften Umbau des Kapitalismus unter mehr oder weniger freiwilliger Aktion der Staaten, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten. Dauernd werden Gesetz und Rechtsstaat als Hoffnungsträger genannt. Dem widerspricht jedoch, dass es ohne ein gerüttelt Maß an illegalen Aktionen nicht vorangeht.
Etwas befremdlich fand ich, dass das Ministerium die Gründung einer neuen Erdreligion betreibt. Religion als gutes Mittel im Kampf gegen den Klimawandel? Sollte es nicht sinnvoller sein, die Menschen rational aufzuklären?
Stilistisch ist das Buch größtenteils gut geschrieben, allerdings fehlen häufig die Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede, was das Verständnis erschwert.

Fazit: Der Kampf gegen den Klimawandel als weltumspannendes Panorama, das versucht, sowohl Roman als auch Sachbuch zu sein, aber leider beides nicht richtig schafft.

Bewertung vom 05.01.2025
Das Lied der Tollpatsche und weitere Geschichten aus dem Herbstgebirge (eBook, ePUB)
Moor, Iva

Das Lied der Tollpatsche und weitere Geschichten aus dem Herbstgebirge (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Worum geht es:
In einer High Fantasy - Welt mit Zwergen, Alben und Dappen (Abkömmlinge von Menschen und Zwergen) werden mehrere Slice of Life-Kurzgeschichten erzählt. Die Dappin Erle soll einen Ehemann finden, verliebt sich jedoch in die Zwergin Nork und bricht aus ihrer Gemeinschaft aus. Der junge Lanzo muss den Verlust seiner Eltern verarbeiten, und die junge Leia rebelliert mit Erles Hilfe gegen eine sexistische Tradition.
Es geht in diesen Geschichten um das Erkennen der eigenen Queerness in einer heteronormativen Gesellschaft, um Rebellion, um Verlust, aber auch um das Finden von Verbündeten und um die Liebe zwischen Großeltern und Enkeln.

Was ich gut fand:
Die Geschichten bieten eine runde Mischung aus einer behaglichen, märchenhaften Fantasywelt und aus Rebellion und Kritik an den dortigen Verhältnissen. Zugleich war die Liebe zwischen Familienmitgliedern und Freunden deutlich spürbar und hatte etwas Tröstliches – wie eine wohlig warme Decke und ein heißer Tee. Ich fand toll, wie Brun sich bemüht, dem Jungen Lanzo durch seine Trauer zu helfen, wie Erle Leia unterstützt, und wie Erle selbst von zwei Nachtalbinnen unterstützt wurde.

Habe ich Kritik?
Manchmal frage ich mich, ob das Thema „Mädchen / weiblich gelesene Person rebelliert gegen patriarchale Verhältnisse“ nicht schon ausgelutscht ist, da es bereits unzählige Bücher und Filme dazu gibt. Andererseits bleibt das Thema leider immer weiter aktuell.
Ich habe mich teilweise gefragt, was das für eine Welt ist: Warum heißt das Festival „Friedensfestspiele“? Gab es denn mal einen Krieg, und zwischen wem?
Bei den Zwergen wird mit Gold gehandelt, bei den anderen gibt es Tauschhandel – wie sehen diese Ökonomien genau aus?
Bei der Geschichte um die Albin Titania fiel mir das Verständnis schwer, mangels Hintergrundwissen, was Alben und Dunkelalben sind und was sie unterscheidet.
Allerdings können Kurzgeschichten natürlich nicht so viel an Worldbuilding leisten und vieles nur andeuten.

Fazit:
Eine Sammlung mit tröstlich-flauschigen Fantasygeschichten mit einer guten Portion Queerness und Rebellion.

Bewertung vom 12.12.2024
Wie Schatten in der Dämmerung
Strange, Laura May

Wie Schatten in der Dämmerung


sehr gut

Worum geht es:
Eine fiktive Welt mit einem Konflikt um Magie. In Daskyen werden Magiebegabte gefürchtet und von der Staatsmacht in einem Schloss eingesperrt, wo sie der dorthin verbannten Obermagierin Dahlya dienen. Als die magischen Kräfte der jungen Tia erwachen, wird sie von der Gardistin Kary aufgespürt und in das Schloss gebracht. Zunächst glaubt Tia, ein neues Zuhause gefunden zu haben, und vertraut Dahlya. Doch mehr und mehr stellt sich die Frage, ob Dahlya wirklich nur Gutes im Sinn hat – und ob Gut und Böse überhaupt so einfach zu unterscheiden sind. Parallel dazu beginnt die Gardistin Kary zunehmend an den Zielen der Garde und deren Chefin – ihrer Mutter – zu zweifeln. Schließlich geraten Tia und Kary zwischen alle Fronten.
 
Was ich gut fand:
Das Buch zog mich mit seiner schönen Gestaltung, seinem emotionalen Schreibstil und dem düster-atmosphärischen Gothic Setting direkt in seinen Bann. Die vielen Konflikte und Wendungen halten die Spannung hoch, sodass ich ständig weiterlesen musste. Tia und Kary waren mir beide sympathisch: Tia als rebellische, eigenständige Person, die sich nichts gefallen lässt und vieles in Frage stellt; und die ehrgeizige und pflichtbewusste Kary, die versucht, ihrer Mutter alles recht zu machen, um deren Wertschätzung zu gewinnen. Cool fand ich die Idee, dass die Magiebegabten durch einen Bann jeweils mit einem Gegenstück verbunden sind, wodurch ihre Magie geschwächt wird, und dass Tia und Kary Gegenstücke sind, was für Kary einen starken Loyalitätskonflikt mit der Garde verursacht. Geschickt werden Tias Zweifel an Dahlya und Karys Zweifel an ihrer Mutter nach und nach aufgebaut. Ebenso die Entwicklung der Beziehung zwischen Tia und ihrer Magielehrerin Meena von Feindschaft zu vorsichtiger Freundschaft. Schön sind auch die vielen queeren Figuren.

Was ich nicht so gut fand:
Das Setting blieb mir teilweise zu vage. Wie funktioniert die Wirtschaft in dieser Welt? Wie und warum werden die Magischen in ihrem Schloss mit lebensnotwendigen Gütern versorgt? Der Staat könnte sie ja auch einfach aushungern? Was machen die Magischen den ganzen Tag im Schloss, außer mit Flammen und Lichtkugeln herumzuspielen? Müssen sie nicht arbeiten?
Wieso kann sich Tia einfach so (mit Gawens Hilfe) in den Königinnenpalast schleichen, wenn so hohe Angst vor gefährlichen Magischen herrscht? Warum werden keine besseren Sicherheitsvorkehrungen getroffen?
Und warum gibt es überhaupt diese Feindschaft zwischen dem Staat und den Magischen, anstatt dass der Staat die Magischen für seine Zwecke einspannt und ihnen z.B. anbietet, in der Armee zu dienen?

Fazit:
Ein stimmungsvoller Dark Fantasy Roman, der spannend und emotional packend ist, für meinen Geschmack jedoch manches zu vage lässt.

Bewertung vom 23.11.2024
Anarchie Déco
Vogt, J. C.

Anarchie Déco


sehr gut

Worum geht es:
Im Berlin des Jahres 1927 müssen sich die Physikerin Nike und der Künstler Sandor zusammentun, um Magie auszuüben, die vor kurzem entdeckt wurde. Denn für Magie braucht es die Kombination von Mann und Frau und von Kunst und Wissenschaft in jeweils einer Person – so zumindest die Lehrmeinung. Die beiden kommen in Zusammenarbeit mit der Polizei magischen Verbrechen und einer Verschwörung auf der Spur. Zugleich stellt Nike zunehmend ihre Geschlechtsidentität in Frage und verliebt sich in die trans Frau Georgette, und Sandor ist zwischen seiner Arbeit für die Polizei und seiner anarchistischen Gesinnung hin und her gerissen.

Wie ich es fand:
In diesem Buch kommen eine Menge Themen vor: Politik, Anarchismus, Magie, Physik, Gender, die Bedrohung durch die Nazis, Antisemitismus, Kunst, Architektur, die Wohnungsnot und die soziale Lage ... Manchmal wirkte das Ganze zu überladen und ging zu sehr zu Lasten des Plots. Anderseits bewundere ich den Mut und die Ernsthaftigkeit, mit der das Autorenpaar solche anspruchsvollen Themen in einem Urban Fantasy-Roman unterbringt.
Das Magiesystem bleibt trotz aller eingestreuten Physikbegriffe für meinen Geschmack etwas zu vage. Ungefähr verstanden habe ich, dass Magie dann entsteht, wenn die Gegensätze Kunst und Wissenschaft und Mann und Frau aufeinander treffen - und dann die coole Wendung, dass diese Gegensätze sich auch in einer Person vereinen lassen und eine einzelne Person Magie wirken kann, wenn man diese starren Grenzen aufgibt. Eine gute Idee, somit das Hinterfragen der Geschlechtsrollen im Magiesystem widerzuspiegeln. Dennoch, wenn man schon mit Physik anfängt, hätte ich genauere Erklärungen gut gefunden; begründet wird die Vagheit damit, dass die Forschung zur Magie eben noch in den Kinderschuhen stecke.
Nike als Protagonistin wirkte auf mich anfangs blass und unnahbar und durch wenig mehr als ihre Ablehnung der weiblichen Geschlechtsrolle definiert. Die Figur bekam dann aber durch die Darstellung der Beziehung zu ihrer Mutter und durch die Liebesgeschichte mit Georgette mehr Tiefe. Sehr schön fand ich die zart und einfühlsam geschilderte Sexszene zwischen Nike und Georgette, in der wunderbar auf Consent geachtet wurde. Gerne mehr davon in der Literatur! Spannend auch die Ausflüge der beiden ins verruchte und queere Nachtleben.
Sandor war mir sympathisch als naiver und leichtsinniger junger Künstler mit dem Herz am anarchistischen Fleck. Allerdings wurde hier meiner Meinung nach Konfliktpotential verschenkt. Ein Anarchist, der für die Polizei arbeiten soll, hätte deutlich mehr Konflikt hergeben können. Stattdessen tanzt Sandor auf zwei Hochzeiten gleichzeitig, ohne dass es Konsequenzen gibt.
Die Auflösung der Verschwörung am Ende kam mir ein wenig zu banal vor. Die komplexen politischen und gesellschaftlichen Probleme reduzieren sich auf nur zwei Antagonisten und deren größenwahnsinnigen Evil Masterplan. Allerdings ist das leider oft so im Krimi, was mich generell an diesem Genre stört. Dennoch hatte das große Finale einige coole Szenen.

Fazit: Ein Buch, das auf faszinierende Weise Magie, Wissenschaft, Politik, Kunst und Queerness im Berlin der zwanziger Jahre vermischt, dabei aber manchmal etwas überladen wirkt.

Bewertung vom 23.10.2024
Shapes of Diversity
Aranyos, É. R.

Shapes of Diversity


sehr gut

Worum geht es:
Lena und ihre beste Freundin Rebecca machen Urlaub in Florida und lernen dort den Sänger Evan kennen. Dummerweise verlieben sich beide Frauen in ihn. Noch dazu ist Lena in Rebecca verliebt. Das Gefühlschaos wird dadurch vergrößert, dass sowohl Lena als auch Evan Gestaltwandler sind, die sich in Tiere verwandeln können. Zwischen Lena und Evan bahnt sich mehr an, doch die Freundschaft zwischen Lena und Rebecca droht daran zu zerbrechen ...

Was ich gut fand:
Die Mischung aus Romance, Erotik und Fantasy hat mit gut gefallen. Auch mochte ich, wie verschiedenste sexuelle Orientierungen gezeigt werden sowie Neurodivergenzen, was im Anhang noch einmal genau erklärt wird. So leistet das Buch nicht nur Unterhaltung, sondern auch Aufklärung. Einen spannenden Ansatz fand ich, dass die erotischen Szenen mit Symbolen markiert sind, sodass die Lesenden sich entscheiden können, ob sie diese lesen oder lieber überspringen wollen. Außerdem ist die Autorin auch Künstlerin und hat das ganze Buch mit wunderschönen Bildern illustriert.

Was ich nicht so gut fand:
Sprachlich ist noch Luft nach oben. Leider hatte ich den Eindruck, dass trotz Lektorat und Korrektorat einige Rechtschreibfehler im Text stecken. Ich hoffe, dass dies in den kommenden Bänden sorgfältiger gehandhabt wird.

Fazit: Eine gelungene Mischung aus Romance, Erotik und Fantasy, die zudem Aufklärung leistet.