„Wohin du auch gehst“ ist ein leises, intensives, berührendes Debüt, das tief unter die Haut geht.
Die Autorin Christina Fonthes erzählt die miteinander verflochtenen Geschichten zweier Frauen – Bijoux, die als Teenager aus dem Kongo nach London flieht, und ihrer Tante Mira, die selbst einst geflohen ist. Zwei Generationen, zwei Lebensrealitäten – verbunden durch Schmerz, Schweigen und eine stille Sehnsucht nach Freiheit. Bijoux muss sich nicht nur in einer fremden Welt zurechtfinden, sondern auch ihre Liebe zu Frauen verbergen – in einer Umgebung, die kein Verständnis kennt. Doch Mira trägt ihr eigenes, schweres Geheimnis, das sie seit Jahren begleitet.
Der Roman springt zwischen Zeiten, Orten und Sprachen, und genau in diesen Brüchen liegt seine Kraft. Lingala-Worte durchziehen den Text wie Erinnerungen an ein Leben, das nicht vergessen werden kann – und nicht vergessen werden darf.
Für mich persönlich ein zutiefst berührender Roman über Identität, Zugehörigkeit und das Ringen um ein selbstbestimmtes Leben. Und darüber, dass Heimat manchmal kein Ort ist – sondern ein Gefühl, das man sich erst erkämpfen muss.
„Zwischen zwei Leben“* geschrieben von der Autorin Minna Rytisalo ist ein Roman, der mich zuerst tief bewegt und danach tatsächlich beschäftigt hat. Es ist kein lauter, dramatischer Aufbruch, den wir hier miterleben – vielmehr ist es ein stiller, aber kraftvoller Neuanfang.
Im Mittelpunkt steht eine Frau Namens Jenni Mäki, die nach Jahrzehnten Ehe den Mut fasst, sich selbst zu verlassen – und sich neu zu finden. Als "Jenny Hill" beginnt sie ein anderes Leben. Ihre Geschichte ist nicht nur die einer Frau, die ausbricht, sondern die vieler Frauen, die spüren, dass ihr Platz im Leben nicht mehr passt – oder nie gepasst hat.
Besonders beeindruckt haben mich die fiktiven Briefe an Brigitte Macron. Sie sind klug, schonungslos ehrlich und tief reflektierend. Es sind Gedanken, wie sie wohl viele Frauen mit sich herumtragen, nur selten laut aussprechen. Diese Briefe verleihen der Figur eine Intimität und Tiefe, die berührt.
Ein weiterer Kunstgriff sind die Stimmen der Ajatarras – weibliche Märchenfiguren wie Aschenputtel oder Rapunzel, die ihre bekannten Geschichten neu erzählen. Sie tun das aus einer Perspektive, die plötzlich sichtbar macht, wie sehr weibliche Erfahrungen über Jahrhunderte verzerrt, angepasst und klein gemacht wurden. Das ist mutig, ungewöhnlich und wirkt noch lange nach.
Die Themenvielfalt hat mich beeindruckt: Zwischen Mutterschaft, Tochterrolle, Ehe, Klimakterium, Selbstbestimmung und die Frage, was es heißt, als Frau in der Welt zu bestehen – oder sich gegen sie zu stellen. Rytisalos Stil ist ruhig, poetisch, dabei aber pointiert und durchdringend. Einfach ein toller Schreibstil.
„Zwischen zwei Leben“ ist für mich ein Roman über das Werden – über den schmerzhaften, aber notwendigen Prozess, sich selbst neu zu begegnen. Und darüber, dass es nie zu spät ist, das eigene Leben zu verändern.
Ein Buch, das ich ausdrücklich empfehle – nicht nur Frauen, sondern allen, die bereit sind, sich auf eine ehrliche, stille, kraftvolle Geschichte einzulassen.
Claire Deyas Roman spielt im Jahr 1945 in der südfranzösischen Küstenstadt Hyères und beleuchtet die schwierige Zeit direkt nach dem Zweiten Weltkrieg.
Obwohl der Krieg offiziell vorbei ist, prägen Zerstörung, Verlust und Unsicherheit weiterhin das Leben der Menschen. Im Mittelpunkt steht der Arzt Vincent, der aus deutscher Kriegsgefangenschaft heimkehrt und verzweifelt nach seiner verschwundenen Liebe Ariane sucht. Seine Spurensuche führt ihn zu einer gefährlichen Minenräumtruppe, der auch deutsche Gefangene angehören – darunter Lukas, der einen Fluchtversuch plant und möglicherweise Hinweise auf Ariane hat.
Parallel dazu wird die Geschichte der jungen Jüdin Saskia erzählt, die als einzige ihrer Familie überlebt hat und in Hyères vor dem Nichts steht. Vincent nimmt sie bei sich auf, und zwischen den beiden entsteht eine vorsichtige Verbindung.
Mit wechselnden Perspektiven erzählt Deya eindrucksvoll von Schuld, Hoffnung, Versöhnung und Neuanfang. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem wenig beachteten Thema der Minenräumung, das für Spannung und historische Tiefe sorgt. Die Figuren sind psychologisch nuanciert dargestellt, auch wenn manche innere Entwicklung stärker hätte gezeigt statt erklärt werden können. Die deutsch-französische Zusammenarbeit erscheint stellenweise idealisiert.
Ein Nachwort der Autorin gibt dem Roman zusätzliche Tiefe: Deyas Großvater diente als Vorlage für Vincent, Saskias Geschichte beruht auf einer realen Begegnung. Diese persönlichen Bezüge verleihen dem Buch besondere Authentizität.
Zusammenfassung:
Ein berührender, atmosphärischer Roman über die unmittelbare Nachkriegszeit in Frankreich, der durch emotionalen Tiefgang und historische Detailtreue überzeugt – trotz kleiner erzählerischer Schwächen.
Ein wuchtiger und mächtiger Roman, der Geschichte lebendig macht: *Ginsterburg*geschrieben von Arno Frank führt uns in eine fiktive deutsche Stadt, die im Mahlstrom von Krieg, Faschismus und Zerstörung versinkt. In drei Zeitsprüngen (zwischen 1935, 1940, 1945) erleben wir schreckliche, menschliche Schicksale aus allen Gesellschaftsschichten – erbarmungslos, packend und erschreckend aktuell. Arno Frank verwebt historische Realität mit erzählerischer und spannender Brillanz, lässt uns einfach und tief in die Köpfe seiner Figuren eintauchen und zeigt, wie rücksichtsloser Machtwahn eine ganze Gesellschaft ins Verderben stürzt. Ein wichtiger, fesselnder und sprachlich meisterhafter Roman – unvergesslich und beklemmend zeitgemäß.
Für mich persönlich weiterzuempfehlen an Leser, die sich mit Historie und starkem Schreibstil beschäftigen wollen.
Ich hatte große Hoffnungen in Dancing Queen gesetzt – die Geschichte von Paulina klang vielversprechend, frisch, anders. Doch schon nach wenigen Seiten wich meine anfängliche Neugier einer wachsenden Ernüchterung.
Vielleicht lag es an der Übersetzung, vielleicht an der Erzählweise, aber ich kam einfach nicht in den Lesefluss. Die Sprache wirkte holprig, viele Passagen sprangen ohne erkennbaren Zusammenhang von einer Szene zur nächsten, und Paulina als Protagonistin blieb für mich völlig unnahbar. Ihre Gedanken schienen leer, ihre Erinnerungen wie lose Puzzleteile, die kein Bild ergeben.
Statt mitzufiebern oder mitzufühlen, blieb ich unberührt. Es war, als würde ich durch eine trübe Glasscheibe auf eine Geschichte blicken, die mich nicht berühren wollte – oder konnte. Und so schloss ich das Buch mit einem Schulterzucken. Kein Nachklang, keine Emotion, nur das leise Bedauern darüber, dass es mich so gar nicht erreichen konnte.
Das Buch *Mein Körper* von Sandra Noa aus der Reihe *Wieso? Weshalb? Warum? Erstleser* bietet jungen Leser:innen eine altersgerechte Einführung in die Welt des menschlichen Körpers. Es vermittelt grundlegendes Wissen über Körperteile, Organe und deren Funktionen sowie Themen wie Gesundheit, Hygiene und körperliche Veränderungen im Lebensverlauf.
Die einfache Sprache und anschaulichen Illustrationen erleichtern das Verständnis und machen das Buch ideal für Kinder von sechs bis zehn Jahren. Die Kombination aus informativem Inhalt, klarer Struktur und liebevoller Gestaltung regt dazu an, den eigenen Körper zu entdecken und biologische Zusammenhänge zu verstehen. Ein didaktisch gut aufgebautes Werk, das Lernen spannend und unterhaltsam gestaltet.
Das Cover des Buches weckt absolutes Interesse, wie man es aus der Reihe *Wieso? Weshalb? Warum? kennt.
Arielle Johnsons Flavorama eröffnet eine neue Welt des Geschmacks, in der Wissenschaft und Sinneserfahrung verschmelzen. Mit beeindruckender Präzision erklärt die Chemikerin die enge Verbindung von Riechen und Schmecken und liefert sehr fundiertes, detailreiches Wissen über die fünf Geschmacksrichtungen. Neben inspirierenden Rezepten (die für mich sehr relevant waren und ich tatsächlich mit mehr Rezepten gerechnet hätte) vermittelt das Buch Grundlagen, die Gerichte neu erlebbar machen.
Doch der nüchterne Stil und die anspruchsvolle Fachsprache machen es vor allem für Profis zur Schatztruhe – für Hobbyköch:innen bleibt es eine Herausforderung.
Neben der Aufbereitung der Rezepte, ist die tolle Gestaltung des Buches erwähnenswert. Gut überlegte Überschiften und schön illustrierte Seiten.
Ein wissenschaftliches Meisterwerk, das für manche Augen öffnet, für andere jedoch unzugänglich bleibt.
In *Moralische Ambition* beleuchtet Rutger Bregman die Geschichten von Pionieren, die durch ihren Mut und ihre moralische Zielstrebigkeit den Lauf der Geschichte verändert haben – von Abolitionisten bis hin zu Bürgerrechtler:innen. Es ist ein inspirierender und zugleich herausfordernder Bericht über Menschen, die nicht nur große Ideen hatten, sondern diese auch mutig in die Tat umsetzten.
Das Buch zeigt anhand historischer Beispiele, wie bedeutende Veränderungen entstehen: nicht durch Reden allein, sondern durch Handeln. Bregman fordert seine Leser:innen eindringlich auf, ihr eigenes Potenzial nicht zu vergeuden, sondern aktiv Verantwortung zu übernehmen – auch in scheinbar ausweglosen Situationen.
Dieses Buch ist sowohl eine Anleitung als auch ein Weckruf, wie jede:r Einzelne in einer krisenbehafteten Welt einen Unterschied machen kann. Es inspiriert!
Tina Harnesks Roman und ebenfalls Schwedenbestseller "Als wir im Schnee Blumen pflückten" bietet eine Reise in die raue, faszinierende Winterlandschaft der samischen Heimat, wo insbesondere Themen wie Verlust, Demenz und familiäre Verbundenheit im Mittelpunkt stehen. Die poetische Sprache und die eindringliche Atmosphäre sind beeindruckend.
Die Geschichte rund um das kinderlose Ehepaar Mariddja und Biera sowie das Paar Mimmi und Kaj weckt Interesse. Humorvolle Momente und die Verbindung zur samischen Kultur verleihen dem Roman Charme.
Mir gefällt der weiche Schreibstil über das schwerwiegende Thema Demenz. Ebenfalls die realitätsnahe Beschreibungen der Landschaften.
Ein Buch, das atmosphärisch überzeugt. Sowohl inhaltlich und realitätsnah. Geeignet für Leser:innen, die keine zu tiefste emotionale sondern genau passend emotionale Handlung erwarten.
Mithu Sanyals Erstling Identitti hat mich völlig begeistert und mitgerissen. Deshalb fieberte ich dem Nachfolger Antichristie regelrecht entgegen – ich hatte hohe Erwartungen! Leider wurden diese nicht ganz erfüllt. Schon auf den ersten Seiten merkte ich, dass Antichristie eine Herausforderung sein würde. Antichristie zeigt, wie unfassbar komplex die Welt sein kann: Raum und Zeit, Religion, Freundschaft, Identität – all diese Themen verwebt die Autorin auf eine Weise, die zwischen verschiedenen Zeitebenen und Perspektiven hin- und herspringt. Das machte das Lesen nicht nur anspruchsvoll, sondern teilweise auch verwirrend.
Im Mittelpunkt steht Durga, eine junge Frau, die als Tochter eines indischen Vaters und einer deutschen Mutter in Deutschland aufgewachsen ist und mittlerweile in London lebt. Dort arbeitet sie an einem modernen Projekt zu Agatha Christie. Doch dann passiert das Unerwartete: Durga wird durch die Zeit katapultiert und landet plötzlich im Jahr 1906 – und nicht mehr als sie selbst, sondern als Sanjeev, ein indischer Revolutionär. Von da an muss sie sich mit tiefgreifenden historischen und politischen Fragen auseinandersetzen.
Zusammenfassung: eine wirklich inspirierende Lektüre, die zum Nachdenken anregt. Allerdings schwer zu lesen, wenn geschichtliche Hintergrundkenntnisse über die kolonialen Verflechtungen zwischen Indien und Großbritannien fehlen. Hervorzuheben ist der Schreibstil, der trotz Überkomplexität sehr humorvoll erschien.
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