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Wölkchen
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München

Bewertungen

Insgesamt 2 Bewertungen
Bewertung vom 24.02.2009
Der nützliche Freund / Ein Fall für Jacques Ricou Bd.3
Wickert, Ulrich

Der nützliche Freund / Ein Fall für Jacques Ricou Bd.3


weniger gut

Ulrich Wickert als Krimiautor kannte ich bisher nicht. Da mein Vater aber dieses Buch zum Geburtstag bekommen hat, habe ich mir gedacht, das ist eine gute Möglichkeit, um die andere Seite des Ulrich Wickert kennenzulernen.
Das Buch ist nicht sonderlich dick, gut zweihundert Seiten, aber relativ groß(zügig) gedruckt. Doch warum sollte es nicht möglich seinen, einen gut konstruierten, straffen Plot auf geringem Raum unterzubringen. Es müssen ja nicht immer 700-Seiten Wälzer à la Stieg Larsson sein...

Wickert verarbeitet in seinem Kriminalroman die Leuna-Affäre, der größte Korruptionsskandal der deutsch-französischen Geschichte. Der Hintergrund des Krimis beruht also auf wahren Begebenheiten. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass Wickert in einem ausführlicheren Nachwort darlegt, was genau die Fakten sind und was dazugedichtet ist.
Die Mordfälle, die Wickert um diesen Skandal herum entwirft, und deren Lösung sind zwar stringent erzählt, allerdings kaum ausgeschmückt. Die eigentliche Handlung des Krimis nimmt vielleicht 150 Seiten ein. Falsche Fährten, irreführende Indizien, Überraschungen für den Leser – das gibt es nicht, und dazu fehlt auch der Platz. Da hätte ich mir etwas mehr erwartet und gewünscht.

Was passiert nun auf den verbleibenden ca. 150 Seiten? Wickert ist Frankreich- und Pariskenner. Und so sind die Beschreibungen der Stadt, der Lokalitäten und der sozialen Situation sowie der Lebensart der Franzosen ein wichtiger Bestandteil des Buches. Das finde ich grundsätzlich nicht verkehrt, doch bei Wickert wirkt es an vielen Stellen leider sehr gezwungen. An jeder nur irgend möglichen Stelle lässt er sein Wissen über die Stadt einfließen. Das macht die Dialoge oft etwas holprig und unglaubwürdig. Denn welche Pariser erzählen sich in ihren Gesprächen schon die Geschichte ihres Viertels, wenn es eigentlich darum geht, einen Mord aufzuklären!? Hier hätte ein bisschen weniger Lokalkolorit gut getan.

„Der nützliche Freund“ ist leicht und flüssig zu lesen. Wirkliche Spannung kam bei mir allerdings nicht auf, höchstens Interesse, wie es weitergeht.
Ein bisschen drängt sich das Gefühl auf, dass hier doch hauptsächlich der Name das Zugpferd ist. So ist auf dem Buchrücken der Name des Autors auch weitaus größer als der Titel abgebildet. Wirklich überzeugt hat mich das Buch nicht, als Nachrichtensprecher, Journalist und Sachbuchautor gefällt mir Wickert besser.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.02.2009
Darling Jim
Mørk, Christian

Darling Jim


gut

Darling Jim beginnt ungewöhnlich: In einem Haus werden drei Frauen, Tante und Nichten, tot aufgefunden, Mörder und Tathergang sind geklärt, nur die Motive sind unklar. Das scheint für die Polizei kein großes Problem zu sein und so wirkt der Fall abgeschlossen. Das Ende steht am Anfang, der Leser weiß bereits, wie es ausgeht, mit was soll nun der 350-seitige Psychothriller gefüllt werden?
Ganz einfach: Ein Postbeamte bekommt zufällig Tagebücher der Gestorbenen zu lesen, in denen für die Nachwelt beschrieben wird, wie es zu diesem Ende kam. Im Gegensatz zur Polizei will er die Geschichte nicht ruhen lassen und macht sich auf, die Spuren der Verstorbenen zurückzuverfolgen. Die Reise führt ihn auf die Halbinsel Beara im Süden Irlands.

Christian Mørk Roman ist sehr geschickt konstruiert: Durch zwei Tagebücher als Rückblenden und ergänzt durch die Reise des Postbeamten erschließt sich dem Leser nach und nach die ganze Geschichte. Selbstverständlich hört das Tagebuch der einen Schwester dort auf, an dem die Handlung im Tagebuch der anderen Schwester beginnt, so dass sie zusammengenommen die gesamte Geschichte erzählen (wie passend, dass dem Postbeamte Niall zuerst das Tagebuch in die Hand fällt, das den ersten Teil erzählt). Im Mittelpunkt der Handlung steht, wie der Titel auch schon besagt, Darling Jim. Besagter Jim ist ein „Seanchaí“, ein Geschichtenerzähler, der von Ort zu Ort reist und in den Pubs von Prinzen, menschlichen Wölfen und einem Schloss erzählt. Doch sind diese Geschichten nur erfunden, oder sind sie wirklich passiert, passieren vielleicht immer noch? Insbesondere seine weiblichen Zuschauer zieht Jim in den Bann, so auch die drei Schwestern Fiona, Roisín und Aoife. Die Frauen lieben ihn, doch diese Liebe wird ihnen zum Verhängnis….

Darling Jim wird dem Genre „Psychothriller“ zugeordnet. Ein Psychothriller ist es meiner Meinung nach jedoch nicht. Im Klappentext wird das Buch als „raffiniert und nervenaufreibend“ beschrieben. Raffiniert ja, doch die Nerven wurden beim Lesen nicht über die Maßen beansprucht. Ich fand das Buch nicht sonderlich spannend oder gar fesselnd. Es war flüssig und unterhaltsam zu lesen, aber es war kein „Pageturner“, mit dem man sich die Nächte um die Ohren schlägt. Vielleicht liegt das doch daran, dass das Ende vorweggenommen ist, somit also die Hoffnung fehlt, und auch die vorausgehenden Handlungen durch Andeutungen zumindest grob schon bekannt sind.

Teilweise konnte ich mich in die Handlung und in die Charaktere nicht sonderlich gut einfühlen, es ging mir manchmal etwas zu schnell und war mir zu blass gezeichnet. Beispielsweise der – für die weitere Handlung nicht mehr relevante – Briefträger Desmond: Nachdem er die Leichen entdeckt hat, wird er von den Bewohnern des Ortes gemieden. Warum wurde, zumindest mir, nicht so recht deutlich.
Auch Jim selbst blieb für mich ein etwas flacher Charakter. Die Diskrepanz zwischen seinen Verführungskünsten, dem Strahlemann einerseits und dem todbringenden, skrupellosen Charakter andererseits war für mich nicht ausgeprägt genug. Wie kommt es zu der fatalen Liebe der Schwestern, obwohl sie doch recht schnell seinen wahren Charakter erkennen? Oder wird die Liebe nur durch die Eifersucht auf die Tante am Leben gehalten?
Etwas verwunderlich fand ich auch, dass in Castletownbere jeder die Hintergründe der Morde bei Dublin kannte, es sogar Journalisten bis nach Beara geschafft haben und in den Tageszeitungen berichtet haben, aber sich der Dubliner Polizei die Motive der Morde nicht erschließen.

Da ich selbst erst im September in Irland war und unter anderem den Ring of Beara gefahren bin, hatte ich schon allein durch das Wiedererkennen der Orte Freude am Lesen. Es ist immer schön, wenn man das zugehörige Bild beim Lesen vor dem inneren Auge hat und zudem noch eigene Erinnerungen wach werden. Etwas störend waren für mich die Abschnitte zur Wolfsgeschichte. Für die Handlung zwar relevant, mir jedoch etwas zu sehr von Fantasy angehaucht.