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Buchkomet

Bewertungen

Insgesamt 67 Bewertungen
Bewertung vom 14.11.2025
Uchitani, Azumi

Yoshuku


sehr gut

„Yoshuku – Die japanische Kunst, Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen“ von Azumi Uchitani ist ein interessanter Ratgeber, der sich mit Manifestationen beschäftigt. Es geht hier nicht darum, das Leben von Grund auf zu verändern, sondern den Blick auf das zu lenken, was wir uns wünschen und wie wir diesen Wünschen Raum geben können. Yoshuku bedeutet dabei übersetzt so viel wie „im Voraus feiern“. Die Idee dahinter: Ein japanischer Brauch, ein wichtiges Ereignis im Leben, auf dessen Eintreffen wir hoffen, im Voraus zu feiern. Diese Haltung schafft Zuversicht, Leichtigkeit und Dankbarkeit.

Ich fand diesen Ansatz ganz interessant, weil er sich von der oft so rationalen westlichen Sichtweise unterscheidet. Statt etwas zu erzwingen, geht es darum, Vertrauen zu entwickeln, in das Leben, in die eigenen Schritte, in das, was kommen darf und was wir uns wünschen. Gerade für Menschen, die sich mit Mental Health beschäftigen, kann das ein interessanter Ratgeber sein.

Das Buch enthält kleine Übungen, die leicht umzusetzen sind, und Impulse, über die man länger nachdenkt, als man vielleicht erwartet. Natürlich kann man darüber streiten, ob Manifestation tatsächlich „funktioniert“. Aber vielleicht geht es gar nicht darum. Vielleicht ist Yoshuku eher eine Haltung, eine Art, bewusster durchs Leben zu gehen und den eigenen Fokus zu verändern.

Für mich war das Buch logischerweise kein Gamechanger, aber eine angenehme Erinnerung daran, dass wir nicht alles kontrollieren und erzwingen müssen. Manchmal reicht es, innezuhalten, dankbar zu sein und darauf zu vertrauen, dass gute Dinge ihren Weg in unser Leben finden. Wer sich gern mit Themen wie Achtsamkeit, innerer Ruhe und bewusster Lebensgestaltung beschäftigt, findet hier definitiv ein paar schöne Denkanstöße.

Bewertung vom 14.11.2025
Gablé, Rebecca

Das zweite Königreich / Helmsby Bd.1


sehr gut

Auch wenn Das zweite Königreich mein erstes Buch von Rebecca Gablé war, wusste ich natürlich, worauf ich mich da einlasse. Umfangreich und viel Geschichte. Und ja, genau so war’s auch. Nur ehrlich gesagt: manchmal ein bisschen zu viel von allem.

Klar, Gablé kann schreiben, keine Frage. Man merkt sofort, wie gründlich sie recherchiert hat. Die Schauplätze wirken gelungen, die Figuren echt, und man taucht ziemlich tief ins 11. Jahrhundert ein. Aber zwischen all den historischen Details bleibt die Geschichte stellenweise ein bisschen fad. Es ist einfach sehr, sehr viel, und es fehlt an echten Höhepunkten und Spannungsmomenten. Und manchmal hatte ich das Gefühl, Gablé verliert sich ein bisschen in den politischen Feinheiten und Machtspielchen.

Cædmon, der Protagonist, war für mich aber ein echter Lichtblick. Ein Typ, der zwischen zwei Welten steht: zu englisch für die Normannen, zu normannisch für die Engländer. Das fand ich spannend, weil er so vielschichtig und menschlich ist. Er will das Richtige tun, weiß aber oft selbst nicht genau, was das eigentlich ist.

Trotzdem: 900 Seiten sind eine Ansage. Nicht jede davon war für mich nötig. Manche Kapitel ziehen sich, und die großen Highlights bleiben ein bisschen aus. Es gibt zwar Schlachten, Intrigen und auch eine Liebesgeschichte, aber so richtig gepackt hat mich das alles nicht. Eher solide erzählt, aber selten mitreißend.

Ich will’s aber auch gar nicht schlechtreden, Gablé versteht ihr Handwerk, keine Frage. Sie kann Atmosphäre, sie kann Figuren, und sie kann historische Genauigkeit, wie kaum jemand sonst. Nur für mich persönlich war’s stellenweise etwas zu ausufernd. Ich mochte den Stil, ich mochte die Welt, ich mochte Cædmon, aber ich hätte mir mehr Zug, und einen strafferen Plot gewünscht.

Unterm Strich: stark geschrieben, beeindruckend recherchiert, aber für mich auch kein Pageturner. Großen Respekt an die Autorin. Ob es am Ende aber wirklich über 900 Seiten gebraucht hätte, darf ruhig bezweifelt werden.

Bewertung vom 02.11.2025
Jarr, Simon

Jasper Field


ausgezeichnet

„Jasper Field“ hat alles, was ich gerade an Literatur so mag. Zum Teil ein Wirtschaftskrimi, Politthriller, Coming-of-Age-Story und dazu zwei queere Figuren. Zusammen ergibt das ein Buch, das ich nicht nur verschlungen habe, sondern das mich hinterher regelrecht in eine Leere gestürzt hat, wie ich sie so noch nie erlebt habe. Dieses seltsame Gefühl, wenn etwas Großes endet und man dafür noch gar nicht bereit ist.

Es wirkt fast so, als wäre dieses Buch für mich geschrieben worden.
Mit Superlativen halte ich mich ja meist zurück: hier kann ich das gar nicht.
Jasper Field ist nicht nur das beste Buch, das ich vermutlich je gelesen habe, sondern wird in Zukunft auch wertungstechnisch zum Maßstab meiner Rezensionen.

Der Autor hat sich mit diesem Buch in die Riege meiner Lieblingsautoren geschrieben. Man mag es zudem kaum glauben, aber das Buch ist im Selbstverlag erschienen. Ich hätte es mit Leichtigkeit in einem großen Publikumsverlag gesehen.

Simon Jarr hat mit diesem Debüt etwas geschaffen, das man nur selten findet: einen Roman, der Thriller, Drama und Gesellschaftskritik mühelos vereint. Einen Polit- und Wirtschaftsthriller, der über sich hinauswächst, der die Macht der Medien, den Wert von Wahrheit und die Grenzen von Moral beleuchtet. Und mittendrin zwei Männer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Max Sandberg, Erbe eines Zeitungsimperiums, und Jasper Field, der geheimnisvolle Fremde mit einer Vergangenheit, die alles verändert.

Knappe 850 Seiten. Keine zu viel, im Gegenteil, ich hätte locker noch 200-300 Seiten mehr lesen können. Ich wollte einfach nicht, dass diese Geschichte endet.

Jasper Field ist für mich nicht einfach nur Buch, es ist ein literarisches Meisterwerk. Und vermutlich sogar das beste Buch, das ich je gelesen habe.

Bewertung vom 29.10.2025
Martensen, Manuel

Das Dünenversteck


sehr gut

Eine skelettierte Leiche wird in den Nordsumer Dünen entdeckt und plötzlich steht für Kommissar Harring alles auf dem Spiel. Denn der Fall führt mitten in seine eigene Familie. Sein dementer Vater scheint mehr zu wissen, als gut ist, und als Harrings vermisster Cousin in einer anonymen Drohbotschaft des Mordes beschuldigt wird, gerät sein Leben aus den Fugen. Statt sich an Regeln zu halten, beginnt Harring, auf eigene Faust zu ermitteln und bringt sich damit selbst in Gefahr.

„Das Dünenversteck“ ist der vierte Band der Nordsum-Reihe, lässt sich aber problemlos auch ohne Vorwissen lesen. Das Setting ist hervorragend gewählt: die herbe Küstenlandschaft, die die Dünen und das Rauschen des Meeres. Hier gelingt es Martensen, eine besondere Atmosphäre zu schaffen, fernab der üblichen Genrepfade.

Die Handlung ist kompakt erzählt, kommt schnell auf den Punkt und bleibt trotzdem durchgehend spannend. Klar, einiges ist vorhersehbar, und man ahnt früh, wohin die Spur führt. Doch der Autor baut die Geschichte so auf, dass man trotzdem weiterlesen will. Die Auflösung ist logisch, das Ende zufriedenstellend. Vielleicht hätte es hier und da noch einen Tick mehr Überraschungen vertragen können.

Was den Thriller auszeichnet, sind seine Figuren. Bork und Harring sind ein Duo, das gut harmoniert. Der etwas grummelige, erfahrene Bork und der impulsive, emotionalere Harring, zwei Gegensätze, die sich perfekt ergänzen. Ihre Dialoge, ihre kleinen Reibereien, das Zusammenspiel im Ernstfall, wirkt glaubwürdig und bringt Tiefe in die Geschichte.

Vor allem Harring steht diesmal im Mittelpunkt. Der Fall betrifft ihn persönlich, und das macht ihn verletzlich. Er weiß, dass er befangen ist, kann sich aber nicht heraushalten. Also ermittelt er auf eigene Faust, mit all seinen Vor- und Nachteilen.

Am Ende bleibt ein toller Thriller, der das Rad zwar nicht neu erfindet, aber genau weiß, was er will: Spannung, Atmosphäre und Charaktere, die überzeugen. Wer ruhige, durchdachte Spannung, statt blutiger Schockmomente sucht, der sollte definitiv mal die Nordsum- Reihe genauer unter die Lupe nehmen.

Bewertung vom 26.10.2025
Leiss-Huber, Anton

Der große UFA-Bluff


ausgezeichnet

„Ein Film, der nie gedreht wurde – und doch das Leben vieler rettete.“

Februar 1945. Deutschland steht vor dem Zusammenbruch. Während in Berlin die Bomben fallen, versucht ein kleines UFA-Filmteam, sein eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen. Produktionsleiter Eberhard Schmidt hat eine waghalsige Idee: Unter dem Vorwand, in Tirol einen Propagandafilm für den „Endsieg“ zu drehen, will er mit seiner Crew fliehen. Doch was niemand wissen darf – sie haben keinen Meter Film dabei.

Anton Leiss-Huber erzählt in Der große UFA-Bluff die Geschichte eines riskanten Täuschungsmanövers, das auf wahren Begebenheiten beruht. Inspiriert von Erich Kästners Tagebuch Notabene 45 zeigt er, wie sich eine Gruppe Filmschaffender mit List und Mut dem Untergang entzieht.

Besonders beeindruckt hat mich, wie er die Stimmung jener letzten Kriegswochen einfängt, diese Mischung aus Angst, Erschöpfung und dem Gefühl, dass alles bald vorbei ist, nur dass man es aber noch nicht laut sagen darf. Gleichzeitig zeigt er auch, dass es Menschen gab, die trotz allem Mut bewiesen und sich dem Wahnsinn des Regimes widersetzten.

Besonders Luis Adrian, der fiktive Filmstar der Geschichte, hat mich beeindruckt: Eine Figur, die so echt wirkt, dass man meint, sie hätte tatsächlich existiert. Seine Beziehung zu Lisa Lion bringt Wärme in eine Welt, in der kaum noch Platz dafür war. Unterm Strich ist Der große UFA-Bluff für mich ein spannendes Buch. Es zeigt, wie eng Wahrheit und Täuschung manchmal beieinander liegen, und dass Mut in dunklen Zeiten viele Gesichter haben kann.

Bewertung vom 22.10.2025
Riemer, Martina

Bluewell University - The Trust You Need


sehr gut

Ich sag’s gleich vorweg: Ich bin ja wirklich nicht der Typ für große Liebesgeschichten. Wenn dann noch so Begriffe wie Enemies to Lovers oder Forced Proximity fallen, bin ich normalerweise raus. Und trotzdem: Bluewell University – The Trust You Need hat mich dann doch abgeholt.

Rockster und Wesley sind zwei Typen, die sich am Anfang am liebsten gegenseitig an die Wand klatschen würden. Und das ist noch nett gesagt. Beide haben genug Päckchen zu tragen: Rockster jongliert zwischen Uni, Nebenjob und seiner kleinen Schwester, um die er sich plötzlich allein kümmern muss, und Wesley kämpft mit einer Vergangenheit, die ihn immer noch verfolgt. Was sich daraus entwickelt, ist eine Geschichte voller Emotionen und einem sehr ehrlichen Blick darauf, was Vertrauen eigentlich bedeutet.

Martina Riemer schreibt locker, witzig und trotzdem mit Tiefgang. Ich mochte, dass die Story nicht nur romantisch ist, sondern auch Themen wie Akzeptanz, mentale Gesundheit und Selbstfindung anspricht. Manchmal leicht, manchmal ernst. Wesley war für mich das Herz des Buches, Rockster der, der lernen muss, loszulassen. Und das Zusammenspiel der beiden funktioniert einfach.

Natürlich gibt’s auch Dinge, die mir weniger gefallen haben: Die Sache mit Rocksters Mutter war mir etwas zu überzeichnet, und ja: der Spice war mir persönlich too much. Aber das Buch hat mich am Ende trotzdem überzeugt. Bluewell University – The Trust You Need ist frech, warm und ehrlich und erinnert uns daran, dass Menschen Fehler machen dürfen und Vertrauen kein Selbstläufer ist.

Für mich persönlich war der Spice etwas too much und der Tonfall an ein paar Stellen etwas zu derb, aber das ändert nichts daran, dass ich die Story mochte. Ein queerer Liebesroman, der nicht nur romantisch, sondern auch menschlich ist.

Bewertung vom 17.10.2025
Martin, Jo Ann

Tod unter Wacholdern


ausgezeichnet

Ein Krimi, der uns direkt in die wunderschöne, aber auch geheimnisvolle Vulkaneifel entführt: das ist Tod unter Wacholdern, das Debüt von Jo Ann Martin. Auf den ersten Blick wirkt das kleine Dorf Loogh friedlich, doch schon bald wird klar: Hinter den hübschen Fachwerkhäusern lauern dunkle Geheimnisse.

Ein Mann wird in einem Wacholderschutzgebiet tot aufgefunden, grotesk drapiert auf einer Bank. Kommissar Leo Werner aus Daun übernimmt die Ermittlungen, obwohl der Fall eigentlich nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fällt. Doch irgendetwas an diesem Mord lässt ihn nicht mehr los. Der Tote war wohlhabend, besaß eine Villa in Südfrankreich und eine Geliebte. Nur: warum musste er sterben?

Während die Polizei noch im Dunkeln tappt, mischt sich Biologin Alex Cameron ein. Eigentlich wollte sie mit Freunden nur entspannte Wochenenden in der Eifel verbringen, doch als eine Nachbarin Opfer eines Stalkers wird, kann sie nicht länger tatenlos zusehen. Bald merkt sie, dass die Gefahr viel näher ist, als alle denken.

Was mich sofort überzeugt hat, war die Atmosphäre. Jo Ann Martin fängt das Leben in der Eifel wunderbar ein: mit Dialekt, Eigenheiten und dieser Mischung aus Herzlichkeit und Verschwiegenheit, die man in kleinen Dörfern so gut kennt. Dazu kommt ein Schreibstil, der flüssig, klar und spannend ist. Die Kapitel sind kurz, die Perspektiven wechseln regelmäßig, das sorgt für einen tollen Lesefluss.

Besonders stark fand ich, wie realistisch die Autorin das Thema Stalking aufgreift. Sie zeigt, wie hilflos Betroffene oft sind, wenn Behörden nicht handeln, und wie schwer es ist, sich zu wehren. Und trotz der ernsten Themen kommt der Humor nicht zu kurz. Immer wieder gibt es kleine Szenen oder Dialoge, die auflockern. Dieser Balanceakt ist gut gelungen. Tod unter Wacholdern ist ein richtig gelungenes Krimidebüt, das mich sowohl durch die Story als auch durch das Setting begeistert hat. Es gibt viel Spannung, glaubwürdige Figuren und einen Hauch schwarzen Humor. Absolut lesenswert.

Bewertung vom 14.10.2025
Zimmermann, Matthias A. K.

KRYONIUM


ausgezeichnet

Was, wenn du eines Tages in einem Schloss aufwachst: ohne Erinnerung und ohne Vergangenheit? Genau hier beginnt KRYONIUM. Der (noch) namenlose Erzähler erwacht in einem Schloss, das sich verändert wie ein lebendiges Wesen. Räume verschieben sich, Türen verschwinden wieder und außerhalb des Schlosses wartet ebenfalls nichts Gutes. Das Schloss scheint ein eigenes Bewusstsein zu haben, als würde es mit ihm spielen, ihn prüfen, ihn festhalten wollen.

Der Einstieg war für mich noch etwas holprig, fast märchenhaft, aber dann hat mich die Geschichte gepackt und nicht mehr losgelassen. KRYONIUM ist kein Thriller, kein Science-Fiction-Abenteuer, sondern etwas Drittes: ein philosophisches Kammerspiel über Erinnerung, Identität und die Frage, was uns zu dem macht, was wir sind.

Der Weltenbau ist unglaublich atmosphärisch. Zimmermann erschafft eine Welt, die gleichzeitig märchenhaft und technisch wirkt, als würde man zwischen Vergangenheit und Zukunft festhängen. Besonders beeindruckend fand ich die Sprache. Mal feierlich und altmodisch, dann wieder präzise. Ich musste mich anfangs einlesen, aber danach floss der Text ganz natürlich. Man streift mit dem Erzähler durch das endlose Schloss, sucht nach einem Hinweis, einer Tür, einem Ausweg, oder vielleicht nach sich selbst.

Das Cover möchte ich an dieser Stelle wirklich loben: die Schneekugel, das Schloss, der Schlüssel mit der Nummer 1001, alles passt perfekt zur Geschichte.

KRYONIUM ist ein modernes Märchen, aber kein verträumtes. Es ist kühl, klar, manchmal beängstigend, aber immer auch faszinierend. Es spielt mit Wahrnehmung, Virtualität und der Frage, was Erinnerung eigentlich bedeutet. Nichts ist so, wie es scheint und jedes Mal, wenn man glaubt, etwas verstanden zu haben, entgleitet einem die Geschichte wieder. Großartig.

Wer beim Lesen gerne denkt, wer Sprache liebt und sich auf etwas Experimentelles einlässt, sollte hier unbedingt zugreifen.

Bewertung vom 10.10.2025
Sack, Adriano

Noto


sehr gut

Konrad verliert seinen Partner Adriano durch einen tragischen Unfall. Mit einem Teil seiner Asche macht er sich auf den Weg nach Sizilien, genauer gesagt nach Noto, einer kleinen barocken Stadt im Süden der Insel. Dort, wo die beiden sich einst ein Haus gebaut und eine zweite Heimat geschaffen hatten, möchte Konrad Abschied nehmen. Begleitet wird er von seinem Hund und dem lebenslustigen Santi, der das Leben mit einer Leichtigkeit nimmt, die Konrad fast befremdlich vorkommt.

Was wie eine einfache Reise beginnt, geht schnell tiefer. Es ist eine Auseinandersetzung mit der eigenen Trauer, mit Erinnerungen, mit der Frage, wie man weiterlebt, wenn der wichtigste Mensch plötzlich fehlt. Zwischen der sizilianischen Sonne und der ungestümen Landschaft entfaltet sich eine ruhige, aber eindringliche Geschichte.

Adriano Sack erzählt in „Noto“ sehr unaufgeregt, aber präzise. Man spürt auf jeder Seite, dass er weiß, wovon er schreibt. Die Geschichte wirkt echt und nachvollziehbar. Trauer ist hier nichts, das man überwinden muss, sondern etwas, mit dem man leben lernt.

Was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass Konrad in seinen Gedanken immer wieder mit Adriano spricht. Diese Gespräche verleihen der Geschichte eine besondere Nähe. Man hat das Gefühl, als sei Adriano nie ganz weg, sondern auf eine andere Weise noch da. Das ist toller erzählerischer Kniff.

Sizilien selbst wird in diesem Roman fast zu einer eigenen Figur. Sack beschreibt die Insel mit all ihren Gegensätzen: schön und rau, lebendig und still, sonnig und doch schwer. Man merkt, dass er eine persönliche Verbindung zu diesem Ort hat. Zudem mochte ich die Sprache sehr. Sie ist bildhaft, aber nicht überladen. Man sieht die Landschaft vor sich, riecht das Meer, spürt die Hitze auf der Haut. Sack schafft es, all das mit wenigen, klaren Worten einzufangen. Auch die Figuren sind stimmig. Niemand wirkt perfekt, alle haben Ecken und Kanten.

Kleine Schwächen gibt es trotzdem. Manchmal verfällt der Autor dann eben doch in unnötige Ausschweifungen. Der Stil neigt an manchen Stellen dazu, sich in (irrelevanten) Details zu verlieren. Das ändert aber nichts daran, dass „Noto“ ein starkes Debüt ist, das authentisch ist und nachklingt. Leseempfehlung!

Bewertung vom 08.10.2025
Jones, Dan

Essex Dogs


sehr gut

Mit Essex Dogs wagt sich Dan Jones, den man sonst eher aus dem Sachbuchbereich kennt, erstmals auf das Terrain der historischen Romane. Der britische Historiker ist für seine fundierten, aber gleichzeitig unterhaltsamen Bücher über das Mittelalter bekannt. Dass er nun einen Roman über den Hundertjährigen Krieg schreibt, fand ich sofort spannend. Ich war neugierig, ob er es schafft, seine historische Expertise mit einem spannenden Erzähltalent zu verbinden und ja, das gelingt ihm erstaunlich gut, auch wenn mich nicht alles überzeugt hat.

Die Handlung führt uns ins Jahr 1346. Der englische König Edward III. landet mit seiner Armee an der französischen Küste. Mitten im Chaos begleiten wir die „Essex Dogs“, eine Truppe aus zehn Söldnern, die als Vorhut für die englische Armee kämpfen. Sie sind ein wilder Haufen: Pismire, der flinke Späher, Scotsman, der Riese, Millstone, der Beschützer, der abgedrehte Father und natürlich Loveday, der erfahrene Anführer, der seine Männer irgendwie lebend durchbringen will.

Jones zeigt das Mittelalter nicht als romantisierte Welt voller Ritter und Glorie, sondern so, wie es wohl wirklich war: brutal, schmutzig und gnadenlos. Gleichzeitig lässt er die Figuren so nah an uns heran, dass man meint, neben ihnen durch den Matsch zu ziehen. Besonders Loveday ist dabei eine Figur, die hängen bleibt: müde vom Töten, aber entschlossen, seine Leute zu retten.

Die Sprache ist direkt, rau und bodenständig, perfekt passend zu dieser Truppe. Und obwohl Jones Historiker ist, verliert er sich nicht in Fakten. Stattdessen fließt sein Wissen ganz natürlich in die Handlung ein, was die Geschichte glaubwürdig macht.

Natürlich merkt man, dass Jones eher aus dem Sachbuchbereich kommt. Der Roman ist sehr genau, fast dokumentarisch. Die Schlachten sind eindrucksvoll, aber im Mittelteil zieht es sich etwas. Zudem fehlt mir eine übergeordnete Handlung. Wir folgen eher den persönlichen Figuren, und ihren Geschichten, klar ergibt das am Ende auch ein großes Ganzes, dennoch wäre ein zentraler Plot nicht schlecht gewesen. Dennoch und das will ich auch nochmal sagen, bleibt das Ganze spannend, allein weil die Figuren gut ausgearbeitet sind und man Interesse an ihrem Schicksal hat.

Wer historische Romane mag, in denen es nicht um Glanz und Gloria, sondern um das Leben „von unten“ geht, sollte hier auf jeden Fall mal reinschauen. Aber auch Leser, die sonst vielleicht eher zu Thrillern oder Action greifen, könnten überrascht sein, wie spannend und mitreißend das Mittelalter sein kann, wenn man es mal ohne Romantik betrachtet.