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Buchkomet

Bewertungen

Insgesamt 58 Bewertungen
Bewertung vom 08.10.2025
Jones, Dan

Essex Dogs


sehr gut

Mit Essex Dogs wagt sich Dan Jones, den man sonst eher aus dem Sachbuchbereich kennt, erstmals auf das Terrain der historischen Romane. Der britische Historiker ist für seine fundierten, aber gleichzeitig unterhaltsamen Bücher über das Mittelalter bekannt. Dass er nun einen Roman über den Hundertjährigen Krieg schreibt, fand ich sofort spannend. Ich war neugierig, ob er es schafft, seine historische Expertise mit einem spannenden Erzähltalent zu verbinden und ja, das gelingt ihm erstaunlich gut, auch wenn mich nicht alles überzeugt hat.

Die Handlung führt uns ins Jahr 1346. Der englische König Edward III. landet mit seiner Armee an der französischen Küste. Mitten im Chaos begleiten wir die „Essex Dogs“, eine Truppe aus zehn Söldnern, die als Vorhut für die englische Armee kämpfen. Sie sind ein wilder Haufen: Pismire, der flinke Späher, Scotsman, der Riese, Millstone, der Beschützer, der abgedrehte Father und natürlich Loveday, der erfahrene Anführer, der seine Männer irgendwie lebend durchbringen will.

Jones zeigt das Mittelalter nicht als romantisierte Welt voller Ritter und Glorie, sondern so, wie es wohl wirklich war: brutal, schmutzig und gnadenlos. Gleichzeitig lässt er die Figuren so nah an uns heran, dass man meint, neben ihnen durch den Matsch zu ziehen. Besonders Loveday ist dabei eine Figur, die hängen bleibt: müde vom Töten, aber entschlossen, seine Leute zu retten.

Die Sprache ist direkt, rau und bodenständig, perfekt passend zu dieser Truppe. Und obwohl Jones Historiker ist, verliert er sich nicht in Fakten. Stattdessen fließt sein Wissen ganz natürlich in die Handlung ein, was die Geschichte glaubwürdig macht.

Natürlich merkt man, dass Jones eher aus dem Sachbuchbereich kommt. Der Roman ist sehr genau, fast dokumentarisch. Die Schlachten sind eindrucksvoll, aber im Mittelteil zieht es sich etwas. Zudem fehlt mir eine übergeordnete Handlung. Wir folgen eher den persönlichen Figuren, und ihren Geschichten, klar ergibt das am Ende auch ein großes Ganzes, dennoch wäre ein zentraler Plot nicht schlecht gewesen. Dennoch und das will ich auch nochmal sagen, bleibt das Ganze spannend, allein weil die Figuren gut ausgearbeitet sind und man Interesse an ihrem Schicksal hat.

Wer historische Romane mag, in denen es nicht um Glanz und Gloria, sondern um das Leben „von unten“ geht, sollte hier auf jeden Fall mal reinschauen. Aber auch Leser, die sonst vielleicht eher zu Thrillern oder Action greifen, könnten überrascht sein, wie spannend und mitreißend das Mittelalter sein kann, wenn man es mal ohne Romantik betrachtet.

Bewertung vom 06.10.2025
Lano, Ralf

Ein Schwur aus kaltem Zorn


ausgezeichnet

Mit „Ein Schwur aus kaltem Zorn“ geht die Eifelkrimi-Reihe von Ralf Lano in die dritte Runde und ich kann gleich sagen: Das Warten hat sich gelohnt. Nach den ersten beiden Bänden kehren wir zurück ins kleine Dorf Disselbach bei Bitburg.

Wir schreiben den Herbst 1947. Eine schlechte Ernte, Hunger und die Repressionen der Besatzungsmächte machen das Leben schwer. Trotzdem gibt es Hoffnung: Ein päpstlicher Ehrenprälat soll auf seiner Reise von Köln nach Trier Halt machen. Hier lauert jedoch neues Unheil: Der Kölner Verbrecherkönig Wolfgang Henkel erfährt von einem wertvollen Geschenk, das der Kirchenmann für den Papst mitführt und das will er sich holen. Außerdem hat er noch eine Rechnung mit Dorfschmied Karl offen, der ihm im zweiten Band die Schmuggelgeschäfte vermasselt hat.

Also schickt Henkel eine Truppe eher mäßig begabter Ganoven los, um das Geschenk zu stehlen. Doch die Bande hat nicht mit Karl gerechnet, der unverhofft Unterstützung von seinem alten Freund Werner und den Dorfbewohnern erhält. Und so entwickelt sich ein turbulenter, spannender Tag, der es in sich hat, denn die gesamte Handlung spielt, abgesehen vom Epilog, innerhalb von 24 Stunden.

Ich habe das Buch in weniger als zwei Abenden verschlungen. Es ist spannend, temporeich und atmosphärisch on top. Besonders gefallen hat mir, dass sich Lano diesmal stärker auf die Figuren konzentriert und neben all der Dramatik auch humorvolle Momente einstreut. Die Dialoge sind spritzig, manchmal rau, so lieben wir das.

Karl, Fräulein Schneebach, Pauline, alle bekannten Gesichter sind wieder da, und es ist schön, sie wiederzutreffen. Ralf Lano schafft es, die Charaktere so sympathisch und lebendig zu halten, dass man sich regelrecht freut, wenn ein neuer Band ins Haus steht.

Historisch ist auch diesmal alles stimmig. Zudem funktioniert die Mischung aus Spannung, Humor und Menschlichkeit wunderbar. „Ein Schwur aus kaltem Zorn“ ist nicht nur eine gelungene Fortsetzung, sondern hebt die Reihe auf ein neues Niveau. Die Messelatte für künftige Bände hängt zumindest jetzt ziemlich hoch. Bin gespannt, ob und wie Ralf Lano diese noch übertreffen kann.

Bewertung vom 06.10.2025
Abel, Susanne

Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104


ausgezeichnet

„Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104“ von Susanne Abel erzählt die Geschichte von Hardy und Margret, zwei Kindern, die im Chaos der Nachkriegszeit aufeinandertreffen und sich aneinander festhalten, weil es sonst niemanden gibt. Hartmut, genannt Hardy, wird nach dem Krieg allein aufgegriffen. Niemand weiß, woher er kommt oder wie alt er ist. Man steckt ihn in ein katholisches Kinderheim, wo Zucht und Ordnung herrschen. Dort trifft er Margret, ein etwas älteres Mädchen, das ihn fortan beschützt und ihm Halt gibt. Aus dieser Verbindung wächst eine tiefe Freundschaft, später Liebe, die beide durch ihr ganzes Leben begleitet.

Jahrzehnte später wächst ihre Urenkelin Emily in dieser Familie auf. Sie spürt das Schweigen, das über allem liegt, die Schwere, die niemand erklären kann. Als Jugendliche beginnt sie, Fragen zu stellen und in der Vergangenheit zu graben, und stößt auf Geschichten, die lange niemand mehr aussprechen wollte.

Susanne Abel schreibt ruhig, aber mit einer Tiefe, die einen nicht mehr loslässt. Schon nach wenigen Seiten hat mich dieses Buch komplett gepackt. Der Spannungsbogen bleibt bis zum Ende straff, jede Szene sitzt. Abel erzählt von Liebe, von Verlust, von Schuld und vom Schweigen. Von den Wunden, die man nicht sieht, und davon, wie sie über Generationen weitergegeben werden. Das, was Hardy und Margret im Heim erleben, verfolgt sie ein Leben lang. Und auch die Nachkommen spüren es noch, selbst wenn sie die Gründe nicht kennen.

Abel zeigt, dass Leid und Gewalt viele Gesichter haben und dass es immer Menschen gibt, die die Folgen tragen, auch wenn sie selbst nichts dafür können. Dieses Buch ist keine leichte Lektüre. Das Leid der Heimkinder, die Gewalt, das Schweigen, all das bekommt hier Raum. Ihre klare, reduzierte Sprache verstärkt die Wirkung nur noch mehr.

Ein großartiger Roman, ehrlich, bewegend und tiefgehend. Keine leichte Kost, aber ein Buch, das man so schnell nicht vergisst.

Bewertung vom 02.10.2025
Sotto Yambao, Samantha

Water Moon


ausgezeichnet

In den Straßen Tokios, versteckt hinter einem unscheinbaren Ramen-Restaurant, liegt ein Ort voller Magie: ein Pfandhaus, in dem Menschen nicht Dinge, sondern bereute Entscheidungen eintauschen können, gegen Seelenfrieden und eine Tasse exquisiten grünen Tee. An dem Tag, an dem Hana das Geschäft ihres Vaters übernehmen soll, ist er plötzlich verschwunden. Der Tresor geplündert, die Verantwortung auf ihren Schultern. Unerwartete Hilfe bekommt sie von Kei, einem jungen Physiker, der sich trotz seines rationalen Weltbildes auf dieses Abenteuer einlässt. Gemeinsam begeben sich die beiden auf eine Suche, die mehr ist als die Jagd nach einem verschwundenen Vater.

Oh, wow. Was war das denn bitte für eine geile Geschichte? Die Kombi aus Magie, Mythologie und einer zarten Liebesgeschichte, war für mich eine echte Überraschung. Samantha Sotto Yambao zeigt eine Kreativität, die ich so noch nie gelesen habe. Ich weiß gar nicht, wie ich all das Gelesene in Worte packen soll. Es war einfach wunderschön und so kreativ.

Richtig beeindruckt hat mich vor allem die Atmosphäre. Die Autorin entführt uns in die Gassen Tokios und in eine magische Parallelwelt, die sofort an die Filme von Studio Ghibli erinnert, die ich übrigens über alles liebe. Diese Mischung aus Schönheit, Melancholie und Geheimnis hat mich vollkommen verzaubert. Auch die winzigen Details und die kulturellen Elemente tragen dazu bei, dass man sich mittendrin fühlt.

Hana und Kei schließt man sofort ins Herz. Hana, die zwischen Stärke und Verletzlichkeit schwankt, und Kei, der Skeptiker, der über sich hinauswächst. Zusammen sind sie ein Team, das wunderbar funktioniert, weil sie so unterschiedlich sind. Und selbst die Nebenfiguren sind mit viel Liebe gestaltet.

„Water Moon“ ist ein fantastischer Roman voller Wendungen und Überraschungen, niemals vorhersehbar, dafür umso berührender. Wer „Chihiros Reise ins Zauberland“ oder „Der Nachtzirkus“ mochte, wird sich hier sofort zu Hause fühlen. Für mich ein Buch voller Wunder, und einfach wunderschön geschrieben. Absolute Empfehlung.

Bewertung vom 27.09.2025
Schad, Willy

Die Wege des Krieges


ausgezeichnet

„Die Wege des Krieges“ von Willy Schad ist für mich das schwerste Buch, das ich bisher auf meinem Blog besprochen habe. Im Zentrum stehen William und seine Freunde Eric, Lukas und Sandro. Vier Jungs aus einer mitteldeutschen Großstadt, die eigentlich ein normales Leben führen, bis einer von ihnen zur Bundeswehr geht. Die anderen schließen sich an.

Anfangs läuft alles noch geordnet. Mit Disziplin machen die vier Karriere, gewinnen Ansehen in der Truppe. Doch der erste Auslandseinsatz verändert alles, es geht nicht mehr um Beförderungen, sondern ums nackte Überleben. Kugeln fliegen, Kameraden sterben, und die Jungs erleben Dinge, auf die sie niemand hätte vorbereiten können. Wir begleiten sie nicht nur im Einsatz, sondern auch im Privaten, lernen Familien, Sorgen und Hoffnungen kennen.

Und hier ein kurzer Exkurs: Wie oft stehen wir genervt in der Supermarktschlange oder regen uns über fünf Minuten Warteschleife auf? Nach diesem Buch sehe ich solche Situationen anders. Denn stellt euch vor, ihr wärt nicht in der Schlange, sondern in einem Kriegsgebiet. Kugeln prasseln, neben euch liegt ein verletzter Kamerad. Plötzlich wirken Alltagsprobleme ziemlich klein.

Dieses Buch hat mich nicht nur bewegt, sondern auch aufgerüttelt. Ich habe Tage gebraucht, um das Gelesene zu verdauen. Krieg ist das Schlimmste, was wir Menschen hervorgebracht haben, und der Autor zeigt auf brutale, ehrliche Weise, was es bedeutet, Soldat zu sein. Wir nehmen Frieden oft als selbstverständlich hin, doch das ist er nicht. Männer und Frauen gehen in Einsätze, voller Angst um sich und ihre Familien und viele zahlen dafür den höchsten Preis.

William, Eric, Lukas und Sandro wachsen einem ans Herz. Man wünscht ihnen, dass sie heil zurückkommen, weiß aber zugleich, dass es nicht für alle gut ausgeht. Und selbst wer überlebt, ist nicht mehr derselbe. Dass so viele Soldatinnen und Soldaten mit PTBS kämpfen, wundert nach dieser Geschichte nicht.

Willy Schad baut enorme Spannung auf. Die Gewalt ist hart, die Beschreibungen realistisch, manchmal so heftig, dass ich kurz pausieren musste. Gleichzeitig spannend wie ein Psychothriller, nur viel eindringlicher. Beeindruckend ist, wie er zwischen Emotion und technischer Präzision balanciert: Waffen, Fahrzeuge, Abläufe sind detailliert beschrieben.

Natürlich gibt es für mich auch einen Kritikpunkt: Die Ich-Perspektive war an manchen Stellen unglücklich gewählt, eine dritte Person hätte hier mehr Klarheit gebracht. Doch das schmälert den Gesamteindruck kaum.

Das Finale schließlich hat mich völlig überwältigt. Es ist lange her, dass mich ein Buch so sehr zum Weinen gebracht hat. Und genau das ist die Stärke dieses Buches: Es schont uns nicht und entlässt uns nicht einfach zurück in den Alltag.

Ich werde nach dieser Lektüre nie wieder den Einsatz der Soldatinnen und Soldaten unterschätzen, die dafür sorgen, dass wir hier in Sicherheit leben können. Für mich ein eindringlicher, schonungsloser und zutiefst bewegender Roman, der zeigt, welchen Preis Soldaten für unsere Sicherheit zahlen.

Bewertung vom 26.09.2025
Rockwell, Ryan

Kryo - Das verschollene Schiff (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Wenn Ryan Rockwell ein neues Buch veröffentlicht, und bei mir anfragt, ob ich es lesen will, dann lasse ich erstmal alles stehen und liegen. Als einer meiner ersten Unterstützer auf dem Blog hat er sich das nicht nur verdient, sondern liefert auch zuverlässig Stoff, der mich jedes Mal aufs Neue überzeugt. Kryo – Das verschollene Schiff reiht sich da nahtlos ein.

Im Mittelpunkt steht Scott Ferguson, ein Softwaretechniker, der ungewollt aus dem Kryoschlaf geholt wird. Auf dem riesigen Raumschiff Tycho, ausgestattet mit allem, was die fortschrittlichste Technik im Sonnensystem zu bieten hat. Dabei ist er scheinbar der Einzige, der wach ist. Die restlichen 3.000 Passagiere befinden sich weiter im Tiefschlaf, und das Schiff selbst treibt manövrierunfähig durch den Raum. Der eigentliche Zielort, der Zwergplanet Ceres, ist längst außer Reichweite. Stattdessen befindet sich die Tycho in der Nähe von Proxima Centauri b, Lichtjahre vom geplanten Kurs entfernt.

Die Ausgangslage verspricht dabei richtig viel Spannung und Rockwell liefert auch ab. Die holografische Sicherheitsassistentin Kate, die ihm zunächst als einzige Kommunikationsschnittstelle zur Verfügung steht, wird dabei mehr und mehr zur undurchsichtigen Figur. Was hat sie zu verbergen? Die Antworten auf die ganz großen Fragen: Die Mission der Tycho und was sie im Proxima Centauri System zu suchen hat, werden Stück für Stück enthüllt.

Für mich ist Kryo ein weiterer Beweis dafür, dass Rockwell sein Handwerk einfach versteht, vor allem, wenn es darum geht Spannung, psychologischen Druck und fragile Beziehungen aufzubauen. Eine vielschichtige und kluge Geschichte, die genau das liefert, was ich mir von einem Sci-Fi-Thriller wünsche: Spannung, Atmosphäre, eine dichte Handlung und genug Raum zum Weiterdenken. Leseempfehlung!

Bewertung vom 23.09.2025
Delacourt, Grégoire

Alle meine Träume


ausgezeichnet

Stell dir vor: ein Millionengewinn, die Erfüllung sämtlicher Träume und doch bist du nicht glücklich. Der unerwartete Reichtum stellt dein Leben auf den Kopf und das nicht gerade zum Guten. Willkommen zu: Alle meine Träume von Grégoire Delacourt.

Im Zentrum steht Jocelyne, von allen nur Jo genannt, bodenständig, verwurzelt im nordfranzösischen Arras, ein bisschen müde vom Leben, aber im Kern zufrieden. Bis sie plötzlich 18 Millionen Euro im Lotto gewinnt. Jo löst den Gewinn nicht ein. Zumindest nicht sofort. Sie weiß, was Geld mit Menschen machen kann. Mit Beziehungen. Mit Vertrauen. Und auch mit einem selbst. Als ihr Mann sich dann ohne Vorwarnung mit der Summe aus dem Staub macht, inklusive „treuherzigem“ Geständnis später, bleibt Jo mit rund 15 Millionen allein zurück.

Was dann passiert, ist gleichzeitig vorhersehbar und trotzdem ziemlich rau: Reaktionen aus dem Umfeld, die man niemandem wünscht. Neid. Missgunst. Vorwürfe. Menschen, die sich abwenden. Andere, die plötzlich mit ausgestreckter Hand vor der Tür stehen. Und natürlich der Staat, der auch gleich mal mitkassieren will. Jo will etwas Gutes tun, und merkt schnell, dass das schwerer ist als gedacht.

Natürlich kommt man bei diesem Buch nicht um die große Frage herum: Macht Geld denn nun glücklich? Die Antwort ist nicht neu, aber hier auf sehr eindrückliche Weise erzählt: Nein. Geld macht natürlich nicht glücklich. Aber es macht vieles sichtbar. Am Ende bleibt ein kluger Roman, der deutlich macht, dass Reichtum kein Ziel ist, sondern höchstens ein Werkzeug und dass selbst das gut überlegt sein will.

Bewertung vom 19.09.2025
Sommer, Tobias

Wer das Ende verrät


ausgezeichnet

Ein Krimi für Leseratten, Küstenfans und alle, die sich im Herbst gern mit einer Tasse Tee auf dem Sofa verkriechen, so würde ich Wer das Ende verrät von Tobias Sommer wahrscheinlich anteasern. Dieses Buch sticht charmant aus dem Cozy-Crime-Genre hervor: Ein leicht verschrobener Buchhändler mit Spürsinn, ein überforderter Dorfpolizist, ein merkwürdiger Einbruch und eine Kleinstadt, in der nicht alles ist, wie es scheint.

Moritz Wendtal ist nicht einfach nur Buchhändler, er ist eine Art Seelenklempner mit einem feinen Gespür für Menschen. Seine Buchhandlung, früher eine Apotheke, ist ein Zufluchtsort. Und als in Cruxdorf beim Bürgermeister eingebrochen wird, ohne Diebstahl, aber mit einer verstörenden Szene inklusive Tomatensaftdose und Gedichten, ist es Wendtal, der beginnt, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Die Atmosphäre im Buch ist Top!. Man riecht förmlich die Nordseeluft und hört die knarrenden Dielen in der Buchhandlung. Cruxdorf wirkt wie ein Prototyp der norddeutschen Kleinstadt, inklusive skurriler Figuren: etwa der betagten Buchladen-Aushilfe oder dem überforderten Polizisten, dessen größte Stärke wohl seine Ahnungslosigkeit ist.

Die Figuren sind das Herzstück des Romans, eigen, aber durch und durch sympathisch. Der Fall entwickelt sich langsam, aber das passt zum Genre. Spannung entsteht durch Atmosphäre und Neugier, nicht durch Action. Das Finale überrascht mit einer gelungenen Wendung und bringt alles stimmig zusammen.

Tobias Sommer liefert mit Wer das Ende verrät einen klug erzählten, charmanten und leicht zugänglichen Cozy-Crime, der vor allem durch seine Figuren und das atmosphärische Setting überzeugt.

Wer Lust auf einen ruhigen, aber nicht langweiligen Krimi mit norddeutschem Flair, literarischen Zwischentönen und einem Hauch Skurrilität hat, sollte sich dieses Buch nicht entgehen lassen.

Bewertung vom 17.09.2025
Schüttler, A. L.

2081


sehr gut

Wenn man so viele Dystopien, in so kurzer Zeit liest, stumpft man ein bisschen ab. Die Zutaten ähneln sich: kaputte Welt, unterdrückendes System, rebellische Figuren. Konnte mich 2081 von A. L. Schüttler trotzdem begeistern? Ja, durchaus.

Die Geschichte spielt in einer Zukunft, in der die Erde durch die Klimakatastrophe unbewohnbar geworden ist. Die Menschheit hat sich in unterirdische Litho-Asylums gerettet: Tunnelsysteme, die Schutz bieten, aber auch gnadenlos den sozialen Status widerspiegeln. Der scheinbar einzige Ausweg: die Flucht zum Mars. Doch auch dort kein Zuckerschlecken, sondern neue (alte) Probleme. Die Gesellschaft ist in Sektoren unterteilt, streng reguliert, scheinbar perfekt, bis Gaia, unsere Hauptfigur, beginnt, hinter die Fassaden zu blicken.

Was wie ein Neuanfang wirkt, entpuppt sich als System mit alten Fehlern in neuem Gewand. A. L. Schüttler verbindet aktuelle Themen wie Klimakrise, soziale Ungleichheit, Kontrolle und Überleben zu einer düsteren, aber klugen Zukunftsvision. Es geht nicht nur ums große Ganze, sondern um das Menschliche im System: Angst, Macht, Anpassung, Hoffnung, oder das, was noch davon übrig ist.

Das Buch nimmt sich Zeit, seine Welt aufzubauen. Es gibt verschiedene Zeitstränge und Perspektiven, die sich langsam zu einem Gesamtbild fügen. Anfangs etwas sperrig, aber je tiefer man eintaucht, desto spannender wird es. Besonders gelungen: die Darstellung der Marsgesellschaft, strukturiert, durchdacht, aber auch nicht alles eitel Sonnenschein.

2081 ist fordernd, nachdenklich und streckenweise bedrückend. Es stellt nicht die großen Antworten in den Raum, sondern die richtigen Fragen. Das Finale ist klug, stimmig und genau richtig. Wie gesagt, nur der Einstieg war etwas zäh, ansonsten aber gut gelungen. Fans von (SciFi) - Dystopien können bedenkenlos zugreifen.

Bewertung vom 16.09.2025
Stroot, Marc

HIM - Liebe auf den zweiten Blick (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ich bin ja normalerweise nicht der größte Romance-Leser. Große Gefühle, Seelenverwandtschaft und Herzschmerz, das findet man hier eher selten. Aber manchmal braucht man eben doch mal was fürs Herz.

Die queere Lovestory rund um Lukas und Nico hat mir richtig gut gefallen. Es geht um zwei Männer, die auf den ersten Blick mitten im Leben stehen: mit Job, Familie, Beziehungen. Lukas lebt in einer toxischen Beziehung mit seinem Ehemann Thomas, der ist dominant, kalt, manipulativ. Die Art von Beziehung, in der man sich selbst Stück für Stück verliert, ohne es gleich zu merken. Auf der anderen Seite ist Nico, Familienvater, verheiratet und innerlich zerrissen. Zwischen Pflichtgefühl und dem Wunsch, endlich ehrlich zu sich selbst zu sein. Sein inneres Ringen mit seiner sexuellen Identität war für mich fast das stärkste Element der Geschichte. Es zeigt, wie viel Mut es braucht, sich selbst zu akzeptieren, wenn alles auf dem Spiel steht.

Das Schöne an diesem Buch ist, dass es keinen geradlinigen Weg gibt. Beide Figuren kämpfen um ihre Beziehungen, ihre Gefühle. Dabei machen sie nicht alles richtig. Die Annäherung zwischen Nico und Lukas ist süß und emotional. Man hofft, dass beide ihr Glück finden können. Doch es wäre keine Romance, wenn nicht noch ein Drama im Hintergrund warten würde, und genau das bekommen wir hier auch.

Einziger kleiner Kritikpunkt: Die Ehefrau von Nico bleibt mir leider etwas blass. Gerade in einer Geschichte, in der so viel auf dem Spiel steht, hätte ich mir gewünscht, auch ihre Perspektive etwas besser zu verstehen. Ihre Gefühle, ihre Unsicherheit, vielleicht auch ihre Wut oder Angst, das hätte dem Buch noch eine zusätzliche emotionale Tiefe gegeben. Aber ich verstehe auch, dass der Fokus hier klar auf Lukas und Nico liegt. Und als Romance funktioniert das Buch auch so sehr gut.

Unterm Strich ist HIM mehr als nur eine Liebesgeschichte. Es ist ein Roman über Selbstfindung, über das Ringen mit den eigenen Gefühlen und über das Überwinden von toxischen Beziehungen. Ich habe mich bestens unterhalten gefühlt. Leseempfehlung!