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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
D. Schmidt
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 9 Bewertungen
Bewertung vom 23.12.2019
Miroloi
Köhler, Karen

Miroloi


ausgezeichnet

Miroloi erzählt von einer jungen Frau, als Findelkind aufgewachsen, die sich in einer patriarchalen, von der übrigen Welt abgeschnittenen Dorfgemeinschaft selbstermächtigt und die Verhältnisse in Frage stellt.
In dem Roman wird jede naheliegende Problemstellung für Freiheit anstrebende Menschen, wenn dieses Bedürfnis auf eine patriarchale, religiös geprägte Herrschaftsstruktur trifft, zumindest kurz angeschnitten. Gleichzeitig akzeptiert Karen Köhler dabei Logiklöcher in der Handlung des Romans und auch die Sprache wird nicht genutzt, um das Szenario plausibel zu machen. Teilweise wirkt das dadurch wie eine politische Schrift, die sich mühsam als Roman tarnt.

Aber: Ich habe das mit großem Gewinn gelesen. Die teilweise rotzige Sprache passt zwar nicht so richtig zum Szenario, erzeugt aber in sich einen wunderbaren Lesefluss. Und die Charaktere mögen holzschnittartig sein, die Aussagen sind es nicht. Als Leser wurde ich immer wieder eingeladen zum eigenständigen Denken und bewerten der Herausforderungen, welcher sich die Heldin stellt.
Herausheben möchte ich noch, dass jedesmal, wenn lange Abschnitte in wörtlicher Rede geschrieben sind, das Buch richtig Fahrt aufnimmt und mit großem Vergnügen von mir gelesen wurde.

Empfehle es daher jedem, der beim Lesen keine Scheu davor hat, mit deutlichen Standpunkten konfrontiert zu werden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.07.2019
Was heißt hier »wir«?
Detering, Heinrich

Was heißt hier »wir«?


ausgezeichnet

Dieses schmale Büchlein hat dazu geführt, dass ich die AfD neu bewertet habe. Und das, obwohl ich regelmäßig Zeitung lese und Nachrichten schaue. Heinrich Detering analysiert hier einige wenige Reden von Höcke, Gauland und anderen literaturwissenschaftlich. Und dieser genaue Blick auf die Sprache lohnt: Ein erschreckendes Weltbild wird hier offenbar; es bleibt kein Zweifel, dass die AfD eine menschenverachtende und gewalttätige Politik propagiert.
Vor dem Lesen diesen Buches dachte ich, dass die AfD ein Verein ewig gestriger Spinner ist, die am rechten Rand fischen. Nun weiß ich, dass es sich um Rechtsradikale handelt, die sich ein demokratisches Deckmäntelchen übergeworfen haben. Beängstigend.
Und vor allem auch deprimierend: In der öffentlichen Wahrnehmung werden die hier dargestellten - ebenso wie die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch kommenden - Grenzübertritte läppisch relativiert werden und im politischen Tagesgeschäft kaum weiter auffallen. Ich bin dennoch dankbar für diesen Text und den daraus gewonnenen Einblick.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.11.2018
Krumme Type, krumme Type
Franklin, Tom

Krumme Type, krumme Type


ausgezeichnet

Ein großartiger Südstaaten Krimi über Freundschaft, Enttäuschung und über Entscheidungen, wie sie sich auf das Leben auswirken können und wie man die Zeit halt nicht zurückdrehen kann.
In einem sehr unprätentiösen, klaren Stil geschrieben liefert das Buch zudem ein anschauliches Bild des Lebens in den ländlichen Gebieten der Südstaaten Amerikas. Themen wie Rassismus, mangelnde Perspektiven und Sucht sind ständig präsent, werden aber glücklicherweise an keiner Stelle pädagogisch bearbeitet.
Null gestört hat mich, dass der eigentliche Krimi Plot kaum Überraschungen bereit hält und auch nicht zum miträtseln einlädt.
Die Figuren sind detailliert gezeichnet und ihre Beziehungen zueinander sind mit soviel Feingespür dargestellt, dass hieraus beim Lesen ein Sog erwächst und der Roman trotz fehlender Spannung im Krimiteil für mich ein echter Pageturner war.

Bewertung vom 30.07.2018
Die Bücherschmuggler von Timbuktu
English, Charlie

Die Bücherschmuggler von Timbuktu


ausgezeichnet

Dieses Sachbuch behandelt zwei Themen im Wechsel: In einem historischen Teil wird die Suche und Entdeckung der Stadt Timbuktu durch Europäer geschildert. Es ist eine europäische Forschungs- und ein Abschnitt Kolonialgeschichte gleichermaßen.
Eher im Stil einer Reportage - gespeist durch endlose Stunden Interviews - behandelt der andere Teil die Rettung von historischen Manuskripten aus Timbuktu im Jahr 2012, als die Stadt von Dschihadisten besetzt war.
Dieser zweite Teil gelingt Charlie English in meinen Augen deutlich besser. Sein aktiver, teils investigativer Journalismus ist mitreißend. Vielleicht, weil dies auch die ursprüngliche Profession des Autors ist.

Jedoch hat mir auch der historische Teil Lesegenuss bereitet, umd im Zusammenspiel der beiden Teile habe ich vieles über den Kontinent Afrika und die Region um Timbuktu gelernt, was mir vorher nicht bewusst war.
Angenehm unaufgeregt fordert das Buch auch ein, dass der Lesende sein Afrikabild überprüft. Und ich zumindest konnte feststellen, wie sehr meines noch durch den Kolonialismus geprägt ist.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.07.2018
Kesseltreiben
Manotti, Dominique

Kesseltreiben


sehr gut

Kesseltreiben ist ein Wirtschaftskrimi, der sich umfassend und frei bei der Alstom Übernahme durch General Electric bedient. Die Figuren sind zahlreich, die Komissarin selbst spröde und weniger desillusioniert, als viele ihrer Art in anderen Krimis.
Trotz des großen Casts und den vielen Verflechtungen konnte ich der Handlung jederzeit gut folgen. Der Roman ist in sehr vielen kurzen Szenen geschrieben, welche häufig direkt aufeinanderfolgend die gleichen Emtwicklungen aus einer anderen Perspektiven darstellen. Der Plot wird zudem vor allem durch Gespräche und Treffen vorangetrieben, die in unterschiedlichen Bars und Restaurants stattfinden.
Der Leser bekommt also noch einen Pariser Kneipenführer gleich mitgeliefert.

Zwischendurch empfand ich dieses durch Szenen und von Ort zu Ort gehetze als etwas ermüdend. Insgesamt habe ich den Krimi aber mit großem Vergnügen gelesen, gerade wegen seiner Komplexität und seines wirtschaftspolitischen Bezugs. Das gesamte Buch wirkte auf mich mitreißend engagiert.

Bewertung vom 13.01.2018
Patience
Clowes, Daniel

Patience


weniger gut

„Patience“ ist eine Sci-Fi Zeitreise / Kriminalgeschichte, geschrieben und gezeichnet von Daniel Clowes. Der Zeichenstil orientiert sich hierbei an den Comics der späten 80er und 90er, zwischendurch verrät die Anordnung der Panels aber mal, dass man es mit einem deutlich moderneren Comic zu tun hat. Ich habe durchaus Sympathien für die Arbeit von Clowes, auch wenn sein Faible für mürrisch verzerrte Gesichter und die insgesamt freudlose Grundstimmung des Comics mich teilweise ermüdet hat.

Das liegt aber wohl auch an der Story, die hat mich einfach nicht abgeholt. Der Protagonist ist leider unsympathisch UND langweilig, was eine schlechte Kombi für eine Hauptfigur ist. Auch die Auflösung des Zeitreiseplots fand ich wenig spektakulär und bemüht.

Kudos jedoch an Reprodukt: Druck, Übersetzung und vor allem das Cover passen wunderbar zu dem Comic und sind wunderbar wertig.

Bewertung vom 06.01.2018
Warum erwachsen werden?
Neiman, Susan

Warum erwachsen werden?


gut

„Bei der Arbeit an diesem Buch las ich viel und Verschiedenes, und dies alles so unsystematisch, dass die Bücher möglicherweise nichts Anderes gemein hatten als die Tatsache, dass ich aus jedem von ihnen etwas lernte.“ Dieses Zitat aus „Warum erwachsen werden?“ beschreibt meiner Ansicht nach sehr gut die Stärken und auch die Schwächen des Buches.

Susan Neiman zieht Werke von Kant, Rousseau, Arendt und vielen anderen heran um ein Plädoyer für das Erwachsen sein zu erstellen. Sie verknüpft die Ideen dieser Autor*innen gekonnt und innerhalb einer stringenten Argumentation, Langeweile habe ich hierdurch beim Lesen nie verspürt. Erwachsen sein bedeutet für Sie am ehesten Mündigkeit, vorrangig Selbst denken und mit sich selbst einstimmig denken. Wie sie selbst schreibt, ist dieses Plädoyer wenig systematisch aufgebaut, dafür ist das ganze Buch sehr engagiert geschrieben. Und hier liegen für mich auch die Probleme des Buches: Manchmal schlägt das Engagement von Frau Neiman gefühlt in Eifer um und dann habe ich beim Lesen nicht mehr den Eindruck, selbst als Erwachsener angesprochen zu werden.

Insgesamt habe ich das Buch noch mit einigem Gewinn und Lust gelesen, stellenweise hätte ich mir für die Autorin mehr Besonnenheit gewünscht oder einfach einen besseren Lektor*in.

Bewertung vom 26.12.2017
Barbara
Hoss,Nina

Barbara


sehr gut

Ähnlich spröde wie seine weiteren Arbeiten mit Nina Hoss fällt Christian Petzolds "Barbara" aus. Doch im Gegensatz zu Jerichow und Yella gefällt mir hier das Drehbuch deutlich besser. Der Film zerfasert nicht so wie die beiden anderen genannten.
Die Motive der Figuren wurden deutlich herausgearbeitet und der Film scheut sich auch nicht vor klaren Aussagen, ohne pathetisch zu werden.