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Magnolia
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Bayern

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Insgesamt 218 Bewertungen
Bewertung vom 04.12.2025
Stern, Anne

Die weiße Nacht


ausgezeichnet

Spannender Reihenauftakt

An diesem 14. Dezember 1946 ist es bitterkalt in Berlin, das in Trümmern liegt. Die Fotografin Lou Faber ist auf Motivsuche, dabei findet sie eine Tote, die mit wie zum Gebet gefalteten Händen im Schnee liegt. Kriminalkommissar Alfred König bearbeitet diesen Todesfall und als dann eine zweite Leiche entdeckt wird, ist von einem Ruinenmörder die Rede.

„Die weiße Nacht“ ist der Auftaktband der Lou & König-Kriminalreihe. Den Kriminalkommissar und die junge Fotografin bringt eher der Zufall zueinander, ist doch dem Polizeifotografen bei der Entwicklung der Bilder von der Toten im Schnee ein Missgeschick passiert. Nur gut, dass Lou ebenfalls einige Bilder gemacht hat, die König sich holt. Der Aufklärung der Morde scheint ziemlich aussichtslos zu sein, zudem wird König von seinem Vorgesetzten ausgebremst, was ihn allerdings nicht daran hindert, jeder Spur nachzugehen. Auch bleibt es nicht bei den beiden Toten, weitere Opfer sind zu beklagen.

Der Krieg ist vorbei und doch hungern und frieren sie nach wie vor, es ist ein täglicher Kampf ums Überleben. Jeder hat sein Päckchen zu tragen, es gibt viele Versehrte, sofern sie den Krieg überhaupt überlebt haben. Auch König ist nicht ungeschoren davongekommen, trotzdem verrichtet er seinen Dienst gewissenhaft. Seine Wege führen zurück in die Nazizeit, die gewisse Personen nur zu gerne hinter sich lassen. Die einen reden nicht, weil sie zu viel zu verbergen haben und die anderen haben Angst vor Repressalien. Auch Lou hat es nicht leicht, ihr Ehemann ist verschollen, ihre Bilder kann sie nicht so gut verkaufen, wie sie es müsste. Ihre Fotos jedoch sind für König hilfreich, ihr geschultes Auge sieht so manch Detail, das anderen entgeht.

Anne Stern ist ein rundum gelungener Kriminalroman gelungen. Wir sind wie gesagt im Nachkriegswinter 1946 und begleiten König und auch Lou bis zum Jahresende, denn bis dahin zeichnet sich das Motiv um die Morde glasklar ab. Angefangen von der Story an sich und die gut nachvollziehbaren Wege hin zur Aufklärung passt auch das gut recherchierte Historische perfekt zum Geschehen. Die Charaktere sind glaubhaft angelegt, allen voran Lou und König, aber auch so manch andere Personen wie etwa Justus und Gerti und ihre Rolle inmitten des Schwarzmarktes, der zwar verboten, aber doch notwendig fürs Überleben ist. Der Krimi ist noch sehr viel komplexer, dabei stets verständlich, ich bin restlos überzeugt davon und werde dieser neuen Reihe treu bleiben.

Bewertung vom 04.12.2025
Kuttner, Sarah

Mama & Sam (eBook, ePUB)


sehr gut

Liebesbetrug

Sarah Kuttner nimmt sich eines Themas an, das leider in unsere virtuelle Zeit passt. Love Scammer. Von ihnen hört und liest man immer wieder, es wird vor ihnen gewarnt und doch haben sie Erfolg. Die Frauen (denn meistens sind es Frauen) wollen Liebe, wollen Zuneigung, die Betrüger jedoch wollen nur eins: sie wollen ihr Geld. Und möglichst viel davon, auch wenn ihre Opfer es sich nicht mehr leisten können. Dann helfen sie nach, finden Mittel und Wege, pressen sie aus wie eine Zitrone.

„Mama & Sam“ wird aus Sicht der Tochter erzählt. Sie steht in Mamas Wohnung, Mama ist tot. Das Erbe hat sie ausgeschlagen, denn außer Schulden ist nichts geblieben. In Mamas Laptop und in ihrem Handy findet sie den Chat zwischen Mama und Sammy, der nüchtern betrachtet sofort auf einen dieser Love Scammer schließen lässt. Er behauptet, Sam Heughan zu sein, ein berühmter Schauspieler, den ich zugegebenermaßen nicht kenne. Ein Blick ins Netz macht sofort deutlich, wer er ist, wie und mit wem er lebt, was er gerade macht – man könnte also meinen, dass keine Frau auf so eine Story hereinfallen würde. Nun, Mama ist verliebt, sie glaubt ihm zwar nicht alles, widerspricht sogar und doch lässt sie sich permanent auf ihn und seine Lügen ein. Sie lechzt geradezu nach Liebesbeweisen, die spärlich fließen, ihr Geld jedoch fließt umso mehr Richtung Sam. Sarah Kuttner erzählt davon und von der Tochter, die mit dieser Situation irgendwie zurecht kommen muss. Die Mutter-Tochter-Beziehung war ziemlich kühl, auch spüre ich nicht viel von Trauer, der Schreibstil ist eher nüchtern. Bis hin zur lieblosen Urnenbeisetzung, die mir eher als lästiges Übel vorkommt, wechseln sich das Lesen der Chateinträge und das Nachspüren von Mutters Leben und auch das der Tochter ab.

Das Nachwort gibt Empfehlungen für den Umgang mit einem Opfer eines Love Scams und greift auch das typische Verhalten eines Menschen auf, der sich auf diese manipulative Betrügermaschinerie einlässt. Ich bin zutiefst erschüttert, musste das Buch des Öfteren weglegen, denn die Story ist heftig, abwegig jedoch ist sie nicht.

Bewertung vom 03.12.2025
Schörghofer, Manuela

Schatten über dem Kloster / Isabella Falk ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Intrigen hinter Klostermauern

Allgäu, 1376: Isabella Falk ermittelt in ihrem ersten, sehr persönlichen Fall. Schon der Prolog hat es in sich. Es scheint, als ob einer in eine Falle gelockt würde. Und ja, ein Messer wird gezückt, Öl läuft aus, entzündet sich, zurück bleibt eine verkohlte Leiche, daneben ein Indiz, das dem Bürgermeister zugeordnet werden kann. Zuständig ist hier der Richter Rudolf Falk, der bald darauf verstirbt. Der neu ernannte Richter hat jedoch kein Interesse an einer Aufklärung, für ihn ist es nichts anderes als ein selbst verschuldeter Unfall.

Richter Rudolf Falk hat vor seinem Tod seinen Nachlass notariell geregelt. Darin hat er seine Ehefrau als Alleinerbin benannt, vorausgesetzt, sie klärt den Mord an Bürgermeister Vogler auf. Sollte sie scheitern, geht das Erbe an seinen Bruder, der schon habgierig darauf lauert. Isabella ist eine junge, gebildete, kluge und weitsichtige Frau, die nun für Haus und Gesinde zuständig ist. In ihrem Schwager Berthold hat sie einen gefährlichen Gegenspieler, der vor nichts zurückschreckt. Der neu ernannte Stadtschreiber Leonhard Stadler jedoch steht auf ihrer Seite, er unterstützt sie mit Rat und Tat, ebenso der junge Magnus Bader, Sohn des alten Medicus und selber ausgebildeter Mediziner.

„Schatten über dem Kloster“ ist der Auftaktband um Isabella Falk, ein historischer Krimi voller Intrigen und finsteren Machenschaften. Man spürt direkt die dunklen Klostermauern, die Schatten in den verborgenen Winkeln, ahnt Verschwörung und Betrug, lehnt so manch giftigen Trank vehement ab und glaubt unter der Gugel, dem Überwurf mit Kapuze, an so manch zwielichtige Gestalt.

Da ich sowohl historische Romane als auch alles Kriminalistische sehr gerne lese, bin ich hier genau richtig. Nicht jedem würde ich trauen, so einigen traue ich vieles zu und in manch einer Person täusche ich mich dann doch. Trotzdem Isabella mit dunklen Machenschaften zu kämpfen hat, hat sie ihr Ziel nie aus den Augen verloren. Mit nicht nur einem Widersacher hat sie es zu tun und auch eine verirrte Seele bringt tödliche Gefahren mit sich. Die Autorin versteht es, Spannung zu erzeugen und diese kontinuierlich hoch zu halten. Schon allein die damaligen Begriffe, die sie im (dem Geschehen vorangestellten) Glossar erklärt, lassen mich eintauchen in diese Zeit. Dabei sei auch das gut gegliederte Personenverzeichnis sowie der Stadtplan von Füssen anno 1376 noch erwähnt.

Der durchgehend spannende historische Roman, der im Spätmittelalter angesiedelt ist, hat mich bestens unterhalten. Und selbstredend werde ich Isabella Falk treu bleiben, ein weiterer Fall deutet sich an.

Bewertung vom 28.11.2025
McCluskey, Laura

Wolfskälte


ausgezeichnet

All das Unfassbare…

George Lennox erster Eindruck von dieser winzigen, weit vor der Westküste Schottlands gelegenen Insel, ist frostig. Der Wind peitscht den Regen aufs Polizeiboot, das sie und ihr Kollege Richie auf diese unwirtliche Insel bringt. Ein tragischer Todesfall muss untersucht werden, dafür bleiben sie für ein paar Tage hier. Alan Ferguson, ein junger Mann, soll sich vom Leuchtturm der Insel zu Tode gestürzt haben, zumindest lässt sein Auffinden am Fuße des Leuchtturms darauf schließen.

Laura McCluskeys Romandebüt ist eher eine ziemlich makabere Milieustudie der besonderen Art. Sie ist ganz nah an den Inselbewohnern, von denen sie schon einiges preisgibt, wenngleich keiner dieser schweigsamen, geheimnisumwitterten Gestalten zu durchschauen ist. Schroff wie die Felsen ihrer Heimat, dunkel wie die steilen Klippen kommen sie mir vor. 206 Seelen sind es, die hier auf diesem Felshaufen leben.

Gleich bei Georges Ankunft gibt Kathy, die neben anderer Aufgaben auch Postmeisterin ist, ihr die Aufzeichnungen der vor langer Zeit verschollenen Leuchtturmwärter zu lesen. Was verspricht sie sich davon? Der Leuchtturm ist seit 1919 nicht mehr in Betrieb, heute dient er als heimlicher Treffpunkt für Jung und Alt. Kaum vorstellbar, dass das Schicksal dieser drei Männer mit Alans Tod zu tun haben könnte. Oder doch? Noch tappe ich völlig im Dunkeln.

Dass die beiden Ermittler unerwünscht sind, bekommen sie auch hautnah zu spüren. Da ist jemand mit einer Wolfsmaske, dem George hinterherläuft, dieser Wolf jedoch im Nichts zu verschwinden scheint. Und da ist diese Stille, die sich anfühlt, als ob ein Lauscher ganz nah wäre und nur darauf lauert, zuzuschlagen – wie auch immer dies enden wird. Seltsames geschieht, verstandesmäßig nicht erklärbar, dazu dieser Aberglaube und diese unheimliche Mitgift, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Zu diesem Inselvolk passen die Witterungsverhältnisse perfekt. Karg, windgepeitscht, mit Schnee und Eis und die nächtlichen Verfolgungsjagden, hinein in den finsteren Wald, vor dem gewarnt wird, dazu die eiskalte See, die durchnässten Kleider – all dies ist so treffend geschildert, dass man beim Lesen direkt fröstelt.

Es sind so einige Insulaner, die in all ihren Eigenheiten beschrieben sind, zu jedem habe ich ein Bild vor Augen. Die meisten sind ziemlich mürrisch und abweisend, andere dagegen direkt gastfreundlich. Und doch ist so manch Eindruck trügerisch. Auch George, die eigentlich Georgina heißt, jedoch die männliche Form bevorzugt, hat mit sich selbst zu kämpfen. Was genau das ist, wird dem Ende zu aufgelöst, zwischendurch sind es eher kurze Andeutungen. Alles fügt sich – irgendwie. Nicht so, wie man es vermutet hätte, aber doch nachvollziehbar.

„Wolfskälte“ ist ein fesselnder Kriminalroman vor unwirtlicher Kulisse, der ein schier unfassbares Szenario aufzeigt. Die kriminalistischen Elemente sind immer spürbar und je weiter sich die Story entwickelt, desto sichtbarer wird das Unfassbare. Mich hat Laura McCluskey mit ihrem Romandebüt sofort abgeholt und mich zudem gut unterhalten.

Bewertung vom 28.11.2025
Indriðason, Arnaldur

Zerbrochene Stille / Kommissar Konrad Bd.6 (eBook, ePUB)


gut

Komplexe Story

Der Tourist, den sie im Hafravatn, einem See in der Nähe von Reykjavík, tot aufgefunden haben, wurde offenbar ermordet. Wie sich herausstellt, war dieser Tote der Freund eines vor Jahrzehnten verschwundenen Mannes. Dies wiederum bringt den ehemaligen, mittlerweile pensionierten Kommissar Konráð auf den Plan. Er beginnt zu ermitteln, was nicht jedem gefällt. Alles deutet auf den Vermisstenfall aus den 1970er Jahren hin, der zwar als geklärt gilt, was sich aber nun als Irrtum herausstellt. Konráðs damaliger Freund und Kollege Léo hat diesen Fall damals bearbeitet und nun sucht Konráð nach ihm…

Die Buchbeschreibung hat mich dazu verführt, zu diesem Island-Krimi zu greifen. Dabei habe ich übersehen, dass „Zerbrochene Stille“ Band sechs der Kommissar Konráð-Reihe ist. Und genau diese Reihe sollte man von Anfang an kennen, denn das Hineinfinden war zumindest für mich äußerst schwierig. Nach einigen Kapiteln hab ich zunächst pausiert, um dann konzentriert und mit neuem Elan weiterzulesen. Die komplexe Story verlangt volle Aufmerksamkeit, sie taucht ab in die Zeit des Kalten Krieges, von Spionage ist die Rede und von den Sowjets, auch ist ein alter Lada ist von Bedeutung.

Der Erzählstil ist eher ruhig, die Handlung vielschichtig, das Lesen durch die abrupten Übergänge zwischen dem Gestern und dem Heute schwierig. Um des besseren Überblicks wegen habe ich mir alsbald ein Personenverzeichnis erstellt, das ich so nach und nach mit so einigen charakterlichen Eigenschaften ergänzt habe. Konráð, die Hauptfigur, ist ein Charakter, den man schon näher kennen muss, um ihn zu mögen (oder auch nicht). Und auch von Léo und von dieser Männerfreundschaft ist so einiges zu erfahren, um stellvertretend für alle anderen diese beiden herauszugreifen.

„Zerbrochene Stille“ hat mir – wie oben erwähnt – so einiges abverlangt. Das Buch hat mir zunächst nicht sonderlich zugesagt und nachdem ich einen zweiten Anlauf genommen und mir viel Zeit und Muße verschafft habe, hatte ich mir den nötigen Durchblick verschafft, die Reihe weiterverfolgen werde ich aber nicht.

Bewertung vom 28.11.2025
Bestgen, Sarah

Safe Space (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein äußerst manipulatives, ein gar tödliches Spiel

„Anna Salomon. Ich bin die neue Anstaltspsychologin der sozialtherapeutischen Abteilung“ stellt sie sich vor. Sie hofft, dass ihre Stimme fest genug klingt, denn Nervosität oder mangelndes Selbstvertrauen würde ihre Kompetenz sofort untergraben, hat die 26jährige es doch in Zukunft mit Schwerverbrechern zu tun. Mit Serienmördern, mit Vergewaltigern, mit Sadistin und Psychopathen. Genau hier will sie sein, genau hier ist sie richtig. Dass sie so jung ist, überrascht den Sozialarbeiter Yves Vandenfeld, der in kleinen Gruppen mit den Inhaftierten arbeitet. Der Anstaltsleiter Kirchfeld stellt sie auch ihren anderen neuen Kollegen der sozialtherapeutischen Abteilung der JVA Weyer, kurz „SothA“ genannt, vor.

HAPPY END habe ich seinerzeit verschlungen, diese irrwitzige Story, die so anders ist, als es lange den Anschein hat. Und nun legt Sarah Bestgen ihren neuesten Thriller vor. SAFE SPACE. Auch er hat mich sofort gepackt. Warum Anna genau hier sein will, ist alsbald klar. Nur sie alleine weiß um ihren eigentlichen Plan, doch bald muss sie entsetzt feststellen, dass nicht sie die treibende Kraft ist, denn eher scheint sie die Getriebene zu sein.

Jemand sinniert über den Tod. Den altersbedingten Tod, den durch Unfall und auch den, der durch die Hand eines anderen herbeigeführt wird. Es gibt viele Arten des Ablebens, eines davon trägt die Handschrift eines Mörders. Das sind die ersten Gedanken, die ich lese – von wem auch immer. Um dann Einblicke in ein Tagebuch zu erhalten, das zwischendurch mehr und immer mehr von einer toxischen Beziehung verrät und das auch von einer Freundschaft berichtet. Auch erfahre ich von Leon, auch er kommt zwischendurch zu Wort. Noch bin ich ratlos, was diese Erzählstränge mit Anna und ihrer geheimen Mission zu tun haben.

So einige Lösungsansätze drängen sich mir auf, jeder davon ist mit vielen Fragezeichen behaftet und jede der hier agierenden Figuren beäuge ich sehr kritisch, es ist ein Auf und Ab der Verdachtsmomente und nicht nur einmal habe ich Angst um Anna. Sie will im Alleingang einen vermeintlichen Mörder dingfest machen, dabei hat es den Anschein, dass nicht nur die Schwerkriminellen ihre Gegner sind. Oder doch? Meine Zweifel werden irgendwann ausgeräumt, verblüfft bin ich nur bedingt, denn auch diese Möglichkeit habe ich in Betracht gezogen, wollte es aber dennoch nicht glauben.

SAFE SPACE bietet für Anna keinen Zufluchtsort, keinen geschützten Raum. Sarah Bestgen lässt tief in menschliche Abgründe blicken, das zunehmend bedrohliche Spiel drängt unaufhaltsam dem Höhepunkt zu, das Ende dann kommt geradezu grotesk daher.

SAFE SPACE ist durchgehend spannend. Ein bitterböses Spiel, das lange nicht durchschaubar ist mit vielschichtigen, undurchsichtigen, manipulativen Charakteren, deren dunkelste Seiten zum Vorschein kommen. Ein Thriller, den ich am Stück verschlungen habe, der nicht unbedingt für Zartbesaitete gedacht ist, den zu lesen es sich für jeden Thriller-Fan allemal lohnt.

Bewertung vom 28.11.2025
Dunlap, A. Rae

Wer die Toten stört (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Spannend, makaber - gewürzt mit britischem Humor

Wie kommt A. Rea Dunlap dazu, in ihrem historischen Thriller „Wer die Toten stört“ über Grabräuber und Serienkiller zu schreiben? Es waren Burke und Hare, Schottlands berüchtigste Serienmörder, von denen sie erstmals in einem Podcast erfahren hatte. Sie ist abgetaucht in eine Zeit, in der Grabräuber sich eine rechtliche Grauzone zunutze machten, um Leichen zu Studien- und Lehrzwecken zu beschaffen und diese gewinnbringend zu verkaufen. William Burke und William Hare hatten als West Port murders traurige Berühmtheit erlangt, sie trieben in den Jahren 1827/28 in Edinburgh/Schottland ihr Unwesen.

Zunächst aber treffe ich auf den jungen, doch ziemlich unbedarften James Willoughby, der nach Edinburgh kommt, um Medizin zu studieren. Er ist begierig, alles über die Anatomie des menschlichen Körpers zu erfahren. Knochen, Muskeln, Nervenbahnen, innere Organe – alles erweckt seine Aufmerksamkeit. Bald hält er ein Skalpell in Händen, vor ihm auf dem Tisch eine menschliche Leiche. Widrige Umstände sind es, die ihn zu Nye MacKinnon treiben und dieser ist es, der ihn in zweifelhafte Machenschaften einführt.

Dieser historische Thriller vereint Wahres mit Fiktion. Neben Burke und Hare sind es noch so einige historische Personen, die mit den fiktiven Figuren, allen voran James und Nye, vermischt sind. Die Grabräuber betrieben ihr in jeglicher Hinsicht schmutziges Geschäft, ihre Abnehmer waren die medizinischen Fakultäten, die enormen Bedarf an Leichen hatten, die allein durch Körperspender nicht gedeckt werden konnten.

Zugegebenermaßen habe ich zuvor weder von den Grabräubern an sich noch von Burke und Hares mörderischen Geschäften gehört. Umso erstaunter bin ich, wie Dunlap diese kriminellen Umtriebe als makabres Gaunerstück präsentiert, ohne dabei würdelos zu sein. Sie hat mich zweihundert Jahre zurückversetzt, sie hat die gesellschaftlichen Normen und das Miteinander auf verschiedenen Ebenen gut eingefangen. Der feine britische Humor blitzt dabei stets durch, sie lässt diese gar schauerliche Geschichte James Willoughby erzählen, dessen Wunsch, sich medizinisches Wissen anzueignen, nicht ohne die notwendigen Studien am menschlichen Körper machbar ist.

„Wer die Toten stört“ ist ein spannender, auf Tatsachen beruhender historischer Roman, der trotz der makabren Thematik einen guten Einblick in die Umstände der anatomischen Studien gibt.

Bewertung vom 25.11.2025
Carsta, Ellin

Geschenk des Loslassens


sehr gut

Neues von den Hansens…

Der nunmehr achte Band der Reihe um „Die Kinder der Hansens“ hat sie alle im Blick. Gleich mal sind wir in Hamburg. In der Villa, die ehemals voller Leben war, ist es ziemlich still geworden. Außer Amala und Eduard, ihrem Cousin, sind alle ausgeflogen. Auguste ist mit Carl und der kleinen Eva für etliche Wochen unterwegs und Therese ist nach Georgs Tod doch wieder nach Wien zurückgegangen. Amalas Bruder Robert zieht es zurück in die Staaten, vorher allerdings will er noch die Wiener Verwandtschaft besser kennenlernen, er ist bei Therese zu Gast. Natürlich ist er auch hier nicht untätig, als Journalist schreibt Robert von seinen Wiener Eindrücken, seine Artikel finden hüben wie drüben seine Leserschaft.

Drüben, in Philadelphia, ist nicht alles eitel Sonnenschein - wir erfahren so einiges von Elsa Harris. Auch werfen wir einen Blick nach München zu Helene und Bernhard und, um den Bogen zurück nach Hamburg zu spannen, ist es Eduard, der seine halbseidenen Geschäfte vorantreibt, die zunehmend lukrativ, aber auch brandgefährlich sind.

Vier Jahre sind es nun, wie Ellin Carsta im Nachwort schreibt, dass sie von den Kindern der Hansens erzählt. Schon Louise hat mich für die Familie Hansen eingenommen - was liegt da näher, auch der nächsten Generation zu folgen. Neben der fiktiven Geschichte um die einzelnen Charaktere sind es die historischen Fakten, die geschickt eingeflochten werden. Roberts Artikel habe ich oben kurz erwähnt, er schreibt über den sogenannten Eisernen Gustav, den Berliner Droschkenkutscher, der mit seiner Droschke, gezogen von dem Wallach Grasmus, von Berlin nach Paris gefahren ist. Dazu verrät sie noch so einiges Interessantes, zudem sind es noch sehr viel mehr tatsächliche Begebenheiten, die in ihre Story mit einfließen. All dies zusammen – Fiktion und geschichtliche Fakten – bietet gute Unterhaltung.

Es ist der mittlerweile achte Band und natürlich passiert im Laufe der Jahre so einiges, sodass man die Reihe am besten von Anfang an liest. Dem beugt die Autorin vor, indem sie immer wieder zurückblickt, was jedoch der Story viel an Tempo nimmt, auch muss ich nicht in jedem Band von möglichst jedem Familienmitglied lesen. Gut, hier ist es Eduard, der den guten Ruf des Hansens gefährdet, das er gleichberechtigt mit seinen Cousinen Amala und Auguste betreibt. Hier habe ich um Eduard gebangt, er ist schon ein ganz besonderer Charakter. Verwegen, nicht ganz bescheiden und doch liebenswert – irgendwie. Auf seine weitere Entwicklung bin ich gespannt. Seinen Weg und auch die Wege der anderen werde ich weiterhin verfolgen.

Bewertung vom 23.11.2025
Beckett, Simon

Knochenkälte / David Hunter Bd.7 (MP3-CD)


ausgezeichnet

Bedrohlich-schaurige Atmosphäre – gute Story, brillant vorgetragen

Direkt bedrohlich geht es los. Von Knochen, die überleben, ist die Rede – anders als der Rest des Körpers, der sich je nach Lage mit der Zeit auflöst. Von nackten Wurzeln eines vom Sturm entwurzelten Baumes wird berichtet, aus denen ein Gesicht starrt.

Und dann ist er es, der sich heillos verirrt. Sein Ziel hat er meilenweit verfehlt, das Navi ist ausgefallen, kein Handyempfang. Mitten auf der Straße steckt ein Schaf fest, er schafft es gerade nochmal so in ein Pub. Dort erfährt er von einem Hotel, das geschlossen ist und doch ist es die einzige Chance, die Nacht nicht im Freien zu verbringen. Auch dieses heruntergekommene Gemäuer wirkt nicht gerade einladend. Mehr noch, es ist geradezu furchteinflößend. Und nicht nur das, auch die Leute in Dorf zeigen ihre feindliche Fratze.

Eigentlich ist der forensische Anthropologe Dr. David Hunter auf der Suche nach einem seit sechs Monaten verschwunden 16jährigen Teenager, der Schneesturm jedoch hat ihn weit abgetrieben und die Straße, die ihn zurückführen würde, ist durch den Einsturz einer Brücke nicht mehr passierbar. Von der Außenwelt abgeschnitten macht er sich auf die Suche nach einem Handynetz, was ihm zwar nicht gelingt, jedoch macht er eine grausame Entdeckung.

Gespannt, ja atemlos folge ich der Beschreibung des Waldes mit all seinen Gefahren, der Bäume und der Wurzeln, die wie ein Netz nicht nur Erdklumpen einspinnen und der Krater, die im Dunkeln so manches verbergen, dazu das unwirtliche Wetter und der tiefe Schnee, in dem es fast kein Durchkommen gibt – es ist eine bedrohlich-schaurige Atmosphäre, die mir Johannes Steck, der Sprecher des Hörbuches, hier vermittelt. Er ist es, der mich über 12 Stunden und 20 Minuten gebannt zuhören lässt. Er gibt jeder einzelnen Figur seine ganz persönliche Note, seine ganz eigene Stimmlage, sodass jeder einzelne sofort erkennbar ist. Ihm zuzuhören, ist Genuss auf ganzer Linie. Die sowieso absolut fesselnde Story gewinnt durch seinen gekonnten Vortrag nochmal, er füllt jeden Charakter mit Leben.

Nicht jeden Band um Dr. David Hunter habe ich gelesen bzw. gehört, diese „Knochenkälte“ jedoch, der nunmehr siebte Band, hat es in sich. Dunkle Geheimnisse inmitten einer angsteinflößenden Kulisse treiben die Story vorwärts, ein Entrinnen scheint unmöglich. Den nächsten Hunter werde ich mir wieder als Hörbuch gönnen, ich bin wieder voll im Hunter-Fieber.

Bewertung vom 20.11.2025
Haigh, Tara

Aufbruch ins Paradies


ausgezeichnet

Eine Reise ins Unbekannte – ins Paradies?

Nachdem mich vor ziemlich genau einem Jahr Tara Haigh nach Madeira entführt hat und ich dem „…Ruf des schwimmenden Gartens“ begeistert gefolgt bin, treibt es mich mit ihrem „Aufbruch ins Paradies“ um die halbe Welt mit Ziel Neuguinea. Wir schreiben das Jahr 1884. Sie erzählt von „drei jungen Frauen und einer Reise, die alles verändert…“

Noch sind wir in Karlsruhe bei der Familie Berger und ihrer Möbelfabrik, die ihr Auskommen sichert, wenngleich die exquisiten Stücke mit ihren Einlegearbeiten, die dem Familienoberhaupt Gustav so viel bedeuten, immer weniger Käufer finden, die Arbeiter brauchen eher einfaches Mobilar. Die Frage der Produktumstellung stellt sich nach dem Brand, der in den Stallungen ausbricht, nicht mehr. Das Feuer breitet sich auf Werkstatt und Lager aus, auch das Haus ist nicht mehr bewohnbar. Vaters jüngerer Bruder Friedrich ist gerade geschäftlich hier, er macht ihnen einen Neuanfang im fernen Neuguinea schmackhaft - sie brechen auf ins Paradies…

…reisen mit der „Prinz Heinrich“. Mit an Bord sind ihre Vorstellungen, ihre Wünsche und Träume. Sie fahren einer Zukunft entgegen, die ihnen Friedrich in den schillerndsten Farben beschreibt. Die Insel ist voller Palmen, weiß er zu berichten. Mit Palmöl lässt sich gutes Geld verdienen, mehr noch mit Kopra, dem getrockneten Fruchtfleisch der Kokosnuss, daraus wird Kokosöl gewonnen, das vielfältige Anwendungsbereiche abdeckt. Anna, die jüngste von Gustav Bergers Töchtern, will alles darüber wissen. Mehr noch - sie will in dieses lukrative Geschäft einsteigen. Ihr Bruder Ludwig und seine Frau Clara wollen missionarisch unterwegs sein und auch ihre große Schwester Hedwig ist von dem Gedanken infiziert, nochmal ganz neu anzufangen.

Gespannt verfolge ich die Reiseroute, bin beim Landgang in Lissabon dabei, passiere die Meerenge von Gibraltar, durchquere den Suezkanal, mache Halt in Colombo/Sri Lanka, bin in Penang in einer Opiumhöhle, die für eine schicksalhafte Begegnung sorgt. Später dann in Singapur ist es eine rothaarige Frau, die eine unangenehme Wahrheit ausspricht. Dies ist nur ein kleiner Abriss der Schiffsreise, die für so einige abrupt enden wird, für andere wird sie alles verändern. So manch Reisebekanntschaft erweist sich als Luftnummer, es entstehen Freundschaften, Enttäuschungen bis hin zu Verrat bleiben nicht aus, aber auch die Liebe reist mit.

Es ist schon ein Wagnis, alles zurückzulassen, noch dazu in ferne, unbekannte Gefilde. Und das vor 150 Jahren, als diese Schiffsreise eine strapaziöse, mehrmonatige Weltumsegelung bedeutete. Gefährlich war sie obendrein, nicht nur die Unwägbarkeiten einer stürmischen See mussten in Kauf genommen werden, auch wusste man weder von den Gefahren während der Reise noch von denen am Zielpunkt. Tara Haigh beschreibt dies alles so eindringlich, ich war gefühlt mit auf dem Schiff, hab die Landausflüge genossen und mich für Anna, Hedwig und Clara gefreut, hab mit ihnen gehadert und gelitten und auch später dann, nachdem sie endlich angekommen sind, war ich schon auch ernüchtert. Ihr ganzes Leben und das ihrer Familie und ihrer Freunde wird sich grundlegend ändern, in dem jungen Raba haben sie einen deutschsprechenden Einheimischen gefunden, der – so hoffe ich – ihnen in ihrer neuen Heimat in Finschhafen/Neuguinea zur Seite stehen wird. Der zweite Teil der Neuguinea-Saga „Unter fremden Himmeln“ wird am 20.01.2026 erscheinen, ich fiebere diesem Datum jetzt schon entgegen.