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Magnolia
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Bayern

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Insgesamt 171 Bewertungen
Bewertung vom 05.09.2025
Pérez-Reverte, Arturo

Der Italiener


sehr gut

Spionage und mehr in Kriegszeiten

Elena Arbués findet einen schwer verletzten Mann am Strand. „Er trug einen Gürtel mit einem Messer, am linken Handgelenk zwei seltsame große Uhren und am rechten eine dritte. Die Zeiger einer von ihnen standen auf 7.43Uhr.“ Einen Moment lang dachte sie, es könnte sich um einen Matrosen handeln, denn sie erinnert sich an die nächtliche Explosion und das brennende Schiff. Sie schleppt ihn kurzerhand zu ihrem nahe gelegenen Haus, sie ruft nicht die Guardia Civil. Kurz darauf wird er von Unbekannten abgeholt.

Was sie zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß ist, dass er – Teseo - als Kampftaucher einer italienischen Spezialeinheit mit Stützpunkt in Algeciras angehört, die mit ihren maiale (das sind mit jeweils zwei Tauchern bemannte Torpedos) sich direkt an die britischen Schiffe heranpirschen, um diese mit Sprengsätzen zu versehen mit den Ziel, sie zu versenken. Es waren sehr effiziente Kriegswaffen und sollten sie wider Erwarten doch entdeckt werden, sind sie entsprechend ausgerüstet, um ihr Gerät zu zerstören und sich selbst dem verräterischen Tauchanzug zu entledigen.

Elena Arbués entscheidet sich, für die Italiener die Lage auszukundschaften. Sie als Spanierin kann ohne größere Probleme auf die britische Seite wechseln, auch hat sie in einem befreundeten Buchhändler eine Tarnadresse und doch kann sie als Spionin jederzeit auffliegen. Ein gefährliches, ja ein durchaus tödliches Spiel beginnt.

Arturo Perez-Revertes Roman basiert auf realen Ereignissen. Lediglich die hier agierenden Personen sind fiktiv, auch einige Situationen sind der Handlung angepasst. 1942 und 1943 - während des Zweiten Weltkrieges - versenkten oder beschädigten italienische Kampftaucher in Gibraltar und in der Bucht von Algeciras insgesamt vierzehn Schiffe der Alliierten. Diese Info lese ich, bevor ich mit der Gruppe Orsa Maggiore, wie sie sich nannten, abtauche.

Diese Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Zum einen sind es die Protagonisten - die Tauchgruppe und auch Elena - mit denen ich hautnah am gefährlichen Geschehen bin. Und dann führt der Autor Jahrzehnte später mit einigen der damaligen Helden Gespräche. In diese Art der Erzählung musste ich mich erst einfinden, da lediglich ein neuer Absatz die unterschiedlichen Zeiten und Sichtweisen voneinander trennt. Bald aber war ich tief drin, sodass ich mich auf diese gefährlichen Szenarien ganz einlassen konnte.

„Liebe und Sabotage in Zeiten des Krieges“ ist eher Sabotage in vielen Facetten denn Liebe, die eher angedeutet wird. Was mir sehr zupass kommt, denn ein Zuviel davon wäre diesem Kriegs- und Spionageroman abträglich gewesen. So aber stimmt die Balance, diese unglaubliche und dicht erzählte Geschichte ist für jeden historisch Interessierten sehr zu empfehlen.

Bewertung vom 05.09.2025
Ægisdóttir, Eva Björg

Verschworen / Mörderisches Island Bd.5 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Absoluter Lesegenuss

Den Wiedereinstieg nach der Babypause hat sich Polizeikommissarin Elma etwas weniger stressig vorgestellt. In Akranes, einer isländischen Hafenstadt in der Region Vesturland, nördlich von Reykjavík, wird die Leiche des vierzigjährigen Þorgeir gefunden. Dem ersten Anschein nach ist er mit sieben Messerstichen ermordet worden. Hat die Botschaft über seinem Bett, mit Blut geschrieben, etwas mit seinem Tod zu tun? Bald ist klar, dass es sich um den Auszug eines Kirchenliedes handelt, der Sinn dahinter jedoch erschließt sich weder Elma noch ihrem Vorgesetzten Hörður.

Der mittlerweile fünfte Island-Krimi führt zwischendurch fünfundzwanzig Jahre zurück in ein Ferienlager, in dem Þorgeir mit seinen Jugendfreuden die Ferien verbrachte. Damals kam es zu einem Unfall mit Todesfolge, die Ermittlungsakte jedoch, die Elma anfordert, gibt nicht viel her. Aber Elma lässt nicht locker, sie ahnt einen Zusammenhang mit ihrem heutigen Fall.

Da ich die Vorgängerbände aus der Reihe „Mörderisches Island“
verschlungen habe, war ich auf Band fünf sehr neugierig, der mich letztendlich eine schlaflose Nacht gekostet hat.

Als erstes war es das Personenregister, das ich als hilfreich empfand, denn gerade die isländischen Namen sind mir nicht geläufig. Es ist in Personengruppen unterteilt, der Lesefluss ist schon allein deshalb gegeben. Die Story ist raffiniert aufgebaut, ich erlebe ein und dieselbe Szene aus verschiedenen Blickwinkeln, die ich zeitversetzt lese. Daneben und dazwischen sind es viele, die mir verdächtig erscheinen, jedoch scheint bei jedem mehr als ein entscheidendes Detail zu fehlen. Ein ziemlich großer, alter Blutfleck, der mit einem Teppich abgedeckt ist, gibt Rätsel auf. Warum wird der erwähnt? Und das nicht nur einmal? Hat er eine Bedeutung? Elma nimmt Þorgeirs Umfeld, sein heutiges und sein damaliges Leben, auseinander.

Und dazwischen sind es die privaten Momente mit Sævar und ihrer kleinen Tochter Adda, die nun er in Elternzeit betreut, welche die Ermittlungsarbeit auflockern. Hörður wiederum hat an ganz anderer Front zu kämpfen, ein Sturz setzt ihm ziemlich zu. Die Aufklärung steht aber dennoch stets im Vordergrund. Elma ist auf der richtigen Spur, was nicht jedem gefällt, sie aber nicht davon abhält, sowohl den Vorkommnisse im Ferienlager vor langer Zeit als auch den heutigen Verbrechen nachzugehen.

Eva Björg Ægisdóttir bietet eine wendungsreiche Story, die sich ziemlich vielschichtig präsentiert, um auf verschlungenen Pfaden dann doch gelöst zu werden. Ihre charakterlich starken Figuren sind allesamt glaubhaft, allen voran natürlich Elma und Hörður neben Sævar, der – so wie es den Anschein hat – schwer an einem Geheimnis trägt, das sich vielleicht im nächsten Band offenbart. Und natürlich werde ich wieder dabei sein, im „Mörderischen Island“.

Bewertung vom 03.09.2025
Menger, Ivar Leon

Der Tower (eBook, ePUB)


sehr gut

Willkommen im Pramtower

Nova ist ziemlich fertig. Ihr Freund hat sie verlassen, die Wohnung wurde ihr gekündigt und auch braucht sie einen neuen Job. Und da – sie kann es noch gar nicht fassen:

„Ich bin der glücklichste Mensch der Welt, summt sie, als sich vor ihr das gigantische Hochhaus wie ein Leuchtturm im violettfarbenen Himmel erhebt. Ihr neues Zuhause.“

Es ist die Chance ihres Lebens, als sie ganz unerwartet einen Anruf erhält, in dem ihr eine gewisse Kim eröffnet, dass sie ab sofort im Pramtower wohnen wird. Und das für ein ganzes Jahr, völlig kostenlos. Ihre Bewerbung dafür liegt sechs Monate zurück und jetzt, zur genau richtigen Zeit, hat sie mehr als nur eine neue Wohnung, der luxuriöse Pramtower ist ein absoluter Traum, der jedoch ganz schnell ausgeträumt ist…

…denn bald bekommt der schöne Schein Risse. Der Tower ist komplett KI-gesteuert, ihre Stimme ist ihr Schlüssel für ihr Domizil, jeder Wunsch wird ihr erfüllt, jeden Freitag ist ein Etagentreffen anberaumt - mit Anwesenheitspflicht. Bald erfährt sie vom Suizid ihrer Vormieterin, Nachbarn benehmen sich seltsam, sie hat bald das Bedürfnis, hier wegzuziehen.

Mit KI werden wir immer mehr konfrontiert, das Thema ist sehr aktuell. Dass ein Hochhaus mitten in Berlin KI-gesteuert ist, ist durchaus als realistisch anzusehen. Ivar Leon Menger treibt es auf die Spitze, Novas anfängliche Faszination kippt, ihr Nachbar behauptet gar, dass Kim, die Stimme der Künstlichen Intelligenz, ihn festhält. Glaubt sie ihm? Eins steht fest: Kim ist stets gegenwärtig, KI sieht alles, KI hört alles, KI hat die Macht. Aber warum sollte sie an einem Mieter festhalten?

Das Szenario eines komplett KI-gesteuerten Gebäudes, in dem man nichts braucht als seine eigene Stimme, hat was - solange der Mensch die Oberhand behält, andernfalls wird man zur ferngesteuerten Marionette.
Die Story ist arg überzogen, klar. Die Figur Nova agiert in ihrer Naivität eher als eine Getriebene. Zu leichtgläubig, ja unbedarft vertraut sie den falschen Leuten. Ob eine selbständige junge Frau wirklich dermaßen einfältig ist, wage ich zu bezweifeln. Und doch habe ich um sie gebangt und mit ihr gelitten, was auch der durchgehend beklemmenden Atmosphäre geschuldet ist, die der Autor bestens versteht, herzustellen. Von Anfang an hatte ich viele Fragezeichen im Kopf, während des Lesens war ich hin- und hergerissen, lange, sehr lange konnte ich nicht absehen, wohin das Ganze führt, ob sich doch noch alles einigermaßen zum Guten wenden wird. Bis zuletzt ist nicht klar, wer hier ein doppeltes Spiel spielt. Denn wenn man denkt, alles sei überstanden, dann ist es das noch lange nicht. Ein Thriller – so spannend wie beklemmend, der ganz old school, ohne KI, gut unterhält.

Bewertung vom 02.09.2025
Dorweiler, Ralf H.

Das Lied des Vogelhändlers


ausgezeichnet

Historischer Roman über Kreuzritter, dem deutschen Thronstreit und noch mehr

Ralf H. Dorweiler führt in seinem historischen Roman „Das Lied des Vogelhändlers“ in die Zeit des deutschen Thronstreits, als die Adelshäuser der Staufer und der Welfen um die Krone des Heiligen Römischen Reiches streiten.

Vor diesem geschichtlichen Hintergrund lese ich von dem Dritten Kreuzzug ins Heilige Land, den Barbarossa anführt, wir schreiben das Jahr 1190. Nachdem sie ihren Onkel verloren hat, schließt sich Franziska von Hellenau den Ordensschwestern an, die für den mitreisenden Bader arbeiten. Sie erwirbt viel Wissen und bald wird sie zu dem schwer verletzten Markgrafen Hermann IV. von Baden gerufen, der Falkner Rupert ist stets an seiner Seite. Als Alleinreisende inmitten des Kreuzzuges ist sie sich bewusst, dass sie von einer ganz bestimmten Sorte Mann als Freiwild angesehen wird, nicht jeder ist ein Ehrenmann und so manch bieder auftretende Gestalt entpuppt sich als Lügner und Intrigant, der sich aber dennoch ob seines miesen Charakters lange durchschlängeln kann.

Der Roman wird in zwei Zeitebenen erzählt, einmal 1190 während des Kreuzzuges und dann auf Burg Hachberg, zehn Jahre später. Jedes Kapitel ist einem Vogel gewidmet, angefangen vom Wanderfalken bis hin zur Krähe. Durch die den Kapiteln vorangestellten Zeit- und Ortsangaben weiß man stets, welchem Erzählstrang man folgt und vorneweg findet man das gut strukturierte Personenverzeichnis, das vor allem anfangs sehr hilfreich ist.

Es ist zwei Tage vor Beginn des großen Turniers, das auf Burg Hachberg im Schwarzwald stattfinden wird. Am Donnerstag, den 11. Mai 1200 beobachte ich Wigbert, den Vogelhändler, als er sich dem Nest des Wanderfalken-Paares nähert. Zwei Küken sind geschlüpft, nur eins davon raubt Wigbert, denn für eine Nachbrut ist es in diesem Jahr schon zu spät. Diese Klettertour ist nicht ungefährlich, der Felsen ist rutschig, die Falken verteidigen ihre Brut, das ist nichts für schwache Nerven. Wigbert, der Vogler, sorgt auch so für Nachschub, er wird mit seinem Mündel Almut am Rande des Turniers seine Vögel den feinen Herrschaften anbieten.

Ralf H. Dorweiler zeigt eine längst vergangene Zeit auf, voller Intrigen und Machtkämpfe. Mittendrin ist auch Walther von der Vogelweide, dessen Ruhm bis in unsere Tage anhält. Der Thronstreit zwischen dem Staufer Philipp von Schwaben und dem Welfen Otto von Braunschweig, in den sich Papst Innozenz III. einmischt und letztendlich entscheidet, ist in die Handlung gut eingeflochten. Die beiden Handlungsstränge nähern sich an, ich erfahre am Rande auch so einige damals übliche Gepflogenheiten wie etwa das Mitnehmen eines Vogels im Käfig als Sensor der Luftqualität eines Stollens, erlebe die Schlacht gegen die Rum-Seldschuken. Im direkten Gefolge des Kaisers waren Media, Wundärzte, Feldschere und Bader dabei und zehn Jahre später dann staune ich über das üppige Gelage auf Burg Hachberg, bei dem nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Ein Anschlag – wem galt er? Ich habe hier nur einige wenige Sequenzen herausgezogen, der Roman bietet sehr viel mehr.

Jedes Detail, jede einzelne Charakter ist in sich stimmig, die Handlung logisch aufgebaut, alle Szenen sind lebendig beschrieben, ich hatte stets das Gefühl, direkt dabei zu sein, ich war tief drin in der Erzählung.

Von Ralf H. Dorweiler habe ich bis dato noch nichts gelesen, werde dies jedoch nach „Das Lied des Vogelhändlers“, diesem absolut lesenswerten Buch, bald ändern. Er versteht es bestens, das Historische mit den fiktiven Elementen zu einer unterhaltsamen, gut lesbaren Geschichte zu verbinden - ein empfehlenswerter Roman, nicht nur für geschichtlich interessierte Leser.

Bewertung vom 02.09.2025
Engels, Lars

Halloweenkind (eBook, ePUB)


sehr gut

Geheimnisvoll, abgründig, gruselig

Süßes oder Saures – wer kennt diesen Spruch nicht. Halloween ist die Nacht der Geister und nicht nur die Kinder verkleiden sich, auch die Erwachsenen schlüpfen in ihr schaurig-schönes Kostüm. Sie bleiben im Hintergrund, während die Kinder, unter ihnen auch der 11jährige Joshua, von Haus zu Haus gehen, um ihre Taschen mit möglich viel Süßem zu füllen. So weit, so in Ordnung.

Wäre da nicht das nun zwei Jahre zurückliegende Verschwinden von Vincent, der jetzt zwölf Jahre alt sein müsste. Er verschwand am 31.10.2022 um ca. 19.45 Uhr. Er trug ein Geisterkostüm, das dem heutigen von Joshua aufs Haar gleicht. Und nun ist es Joshua, der spurlos verschwindet. Er war mit Erik unterwegs, beide Jungs haben sich der größeren Ausbeute wegen kurz getrennt. Als Erik mit seinen Süßigkeiten zu den wartenden Eltern zurückkehrt, fehlt von Joshua jede Spur. Lediglich sein blutbespritztes Kostüm wird später gefunden.

Die Ausgangssituation ist unwirklich und gleichzeitig bedrohlich. Die Polizei schaltet sich ein und auch Lea, die als Opferhilfe tätig ist, wird aktiv. Sie gehört zum Freundeskreis der Eltern, kennt also die direkt beteiligten Personen gut. Eine groß angelegte Suchaktion ergibt nicht viel, ein Geisterhaus gerät in den Focus, ein Käfer gibt Rätsel auf und immer mehr hat es den Anschein, als ob jeder etwas zu verbergen hätte. Hat Joshuas Verschwinden direkt mit dem noch immer ungeklärten Fall Vincent zu tun?

Halloween war für mich bereits Ende August, aber dennoch nicht weniger gruselig. Lars Engels inszeniert dieses Drama gewollt á la Steven King, die scheinbar perfekte Idylle der Familien bröckelt, je mehr man hinter die mühsam aufrechterhaltenden Fassaden blickt, so manch sorgsam gehütetes Geheimnis wird enthüllt. Das Lügenkonstrukt bekommt mehr und mehr Risse, danach ist nichts mehr, wie es einmal war.
„Die Lebenden und die Geister" sind der Story vorangestellt, was angesichts der doch vielen Charaktere hilfreich ist. Bis die Story Fahrt aufnimmt, dauert es schon ne ganze Weile, ich hätte mir so einiges verkürzt gewünscht. Als dann eine Person auftaucht, nachdem Joshua verschwindet, wird es richtiggehend verwirrend, die Spannung zieht an, es gibt unerwartete Wendungen, ich fiebere mit, spüre ihre Ängste, bin irritiert und geschockt.

„Halloween“ ist ein gut inszenierter Thriller mit Schockmomenten, die es an Halloween ja durchaus geben sollte, dessen wahre Hintergründe er lange nicht preisgibt. Ein für Thriller-Fans kurzweiliger Lese- und Gruselstoff, den ich – nach dem etwas zähen, zu langen Anfang – am Stück verschlungen habe.

Bewertung vom 01.09.2025
Izquierdo, Andreas

Über die Toten nur Gutes / Ein Trauerredner ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Spannende Lesestunden garantiert

Alles beginnt im Beerdigungsinstitut Amelung im Osten Flensburgs und dort endet es auch. Naja, fast – der Glücksburger Friedhof ist es zum Schluss, in dem sich eine kleine Trauergemeinde einfindet. Was dazwischen alles geschieht, davon berichtet Andreas Izquierdo in diversen Tonarten - je nachdem, wie die Dinge stehen.

Diesen festen Termin, den Mads Madsen als Trauerredner hat, verschläft er fast. Jetzt aber schnell, die Trauergäste warten, der Verblichene sowieso. Gerade mal so hat er es doch noch geschafft, er steht vor dem offenen Sarg des Mannes, dem heute seine Rede gilt. Nur nicht verhaspeln, nur keine Daten durcheinanderbringen – Mads redet frei, das ist er seinen Toten schuldig.

Schon die ersten Seiten ziehen mich ins Buch, denn was ich hier erlebe, ist so einzigartig, so abgefahren, gespannt lese ich weiter, folge Mads, der bald darauf schlaftrunken einen Anruf entgegennimmt. „Patrick ist tot.“ Es wird gewünscht, dass Mads die Trauerrede hält. Er braucht einiges an Infos von ihm, dem Freund aus Kindertagen. Lange hat er nichts mehr von ihm gehört, also macht er sich dran, seinem Leben nachzuspüren. Der Unfall, dem Patrick das Leben gekostet hat, müsste logischerweise auch die Polizei interessieren. Hier tritt die Hauptkommissarin Luisa Mills, kurz Mills genannt, auf den Plan. Ihr gefällt es so gar nicht, dass Mads in dieser Sache ermittelt, ihm bleibt allerdings nichts anderes übrig, denn in seinen Augen interessiert Mills sich nicht die Bohne für den Hergang des Unfalls.

An den Büchern von Andreas Izquierdo komme ich nicht vorbei, sein einnehmender Schreibstil und seine Themenauswahl sind neben den lebendigen Charakteren Garant für eine gute Story. Die witzig-spritzigen Dialoge, die mir so manches Schmunzeln entlocken, haben es mir besonders angetan. Neben den launigen Szenen geht es bedrohlich und mitunter tödlich zur Sache, der Krimi hat auch seine durchaus ernsten Seiten, die sehr nachdenklich stimmen.

Mit Mads, dem Trauerredner, der als Detektiv fungiert, hat er einen einzigartigen, liebenswerten und zielstrebigen Hauptakteur erschaffen, der mit seinen 28 Jahren unter einem Dach mit seinem Vater, dem etwas schrulligen, aber durchaus pfiffigen Fridtjof, lebt. Als Hobby-Detektiv lebt es sich mitunter gefährlich, mit so manch finsterer Gestalt muss Mads sich auseinandersetzen. Nur gut, dass sein Schwager Robert Anwalt ist, denn zuweilen kann so einer sehr nützlich sein. Ein ganz besonderer Charakter ist der Thanatopraktiker Herr Barnardy, der in aller Stille für den perfekten Abschluss sorgt. Mehr sei nicht verraten.

„Über die Toten nur Gutes“ ist ein kurzweiliges, vergnügliches Lesevergnügen, das viel mehr als „nur“ eine Trauerrede zu bieten hat. Ein zweiter Band wird im Herbst 2026 erscheinen, dann heißt es „Niemals geht man so ganz“ – ich freu mich drauf.

Bewertung vom 30.08.2025
Müller, Titus

Die Dolmetscherin


ausgezeichnet

Sehr lesenswert

Titus Müller legt in seinem exakt recherchierten, sehr empfehlenswerten Buch „Die Dolmetscherin“ den Focus auf den ersten Nürnberger Prozess, in dem sich die 24 Hauptangeklagten der Planung, der Vorbereitung, der Einleitung und Durchführung eines Angriffskrieges, Verbrechen an der Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen sowie Massenmord in den Vernichtungslagern zu verantworten hatten.

Im Badeort Mondorf-les-Bains, im Großherzogtum Luxemburg, internierte die US-Armee führende Nazi-Größen. Mit Görings Anreise werfen wir einen ersten Blick in das Palace-Hotel, in dem die ersten Verhöre stattfanden. Es war im Mai 1945, kurz nach Deutschlands Kapitulation. Görings Größenwahn kommt durch, er gibt sich auch später, als er nach Nürnberg übergeführt wird, von sich überzeugt, verhöhnt und verachtet die Justiz, führt diese bei jeder sich bietenden Gelegenheit nur zu gerne vor. Er liebt dramatische Auftritte, wähnt sich noch immer – trotz seiner Degradierung - als Hitlers Nachfolger.

Die fiktive Figur Asta ist es, die als Dolmetscherin fungiert. Die gebürtige Deutsche ist in jungen Jahren in die USA ausgewandert, sie beherrscht beide Sprachen perfekt in Wort und Schrift und überzeugt mit ihrem Gespür für sprachliche Feinheiten. Zunächst wird sie in Luxemburg und dann in Nürnberg als Simultandolmetscherin eingesetzt. Ihrer Figur haftet etwas Düsteres an, auch für Geheimdienste ist sie interessant, sie lebt äußerst gefährlich.

Zwischendurch dann ist es Leo, den sie schon in Luxemburg als normalen Kriegshäftling kennenlernt. Ihre Wege kreuzen sich immer wieder, auch er kehrt zurück nach Nürnberg, zu seiner kleinen Familie. Und auch er hat noch eine Rechnung offen, die ihn in riskante Bahnen lenkt.

Titus Müller führt seine Leser von den ersten Verhören in Luxemburg hin zu der Anklage der vier alliierten Mächte, Robert H. Jackson (USA) ist einer der vier Hauptankläger. Die 24 Angeklagten sind hinlänglich bekannt, ich muss sie hier nicht näher bezeichnen. Im Roman allerdings werden uns neben Göring noch etliche der hohen Nazi-Funktionäre in ihren Eitelkeiten und ihrer menschenverachtenden Gesinnung und ihren Taten, die sie vehement leugnen, nähergebracht. Es ist schwer auszuhalten, was diese Massenmörder von sich geben, wie sie sich in ihrer Überheblichkeit auch im Angesicht der drohenden Verurteilung geben.

Und - wir sind im zerbombten Nachkriegsdeutschland. Da ist Leo, der seine Familie in einem Kellerloch wiederfindet. Der Krieg hat nicht nur Städte zerstört, jeder einzelne kämpft ums Überleben. Anhand seines Sohnes und seiner Frau wird die Tragik der Überlebenden offenbart. Und auch Asta hat ein Privatleben, das durch fremde Kräfte in eine äußerst gefährliche Richtung gelenkt wird.

Zunächst haben mich die Hintergründe der Nürnberger Prozesse interessiert. Gelegentlich musste ich innehalten und tief durchatmen, so manch Detail zeigt die inhumane Vorgehensweise der Nazis schonungslos auf. Dennoch will ich es wissen, wie zynisch sie waren, wie barbarisch sie agierten. „Die Dolmetscherin“ ist ein spannender, ein lebendig erzählter historischer Roman, der unsere Geschichte gut lesbar wiedergibt, der gelesen werden sollte.

Bewertung vom 27.08.2025
Strobel, Arno

Welcome Home - Du liebst dein neues Zuhause. Hier bist du sicher. Oder? (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Wenn das Zuhause zum Albtraum wird

Ines und Marco Winkler haben sich ihren Traum vom Eigenheim erfüllt. Sie ziehen mit ihrer vierjährigen Tochter Emilia in ein Neubaugebiet, das sich „Auf Mons“ nennt. Kaum angekommen, stellt sich ihre Nachbarin Johanna vor, die sie zu einem geselligen Abend einlädt, bei dem sie noch andere Nachbarn kennenlernen. Alle sind sie nett, alle sind sie hilfsbereit.

Schon in der ersten Nacht geschieht Seltsames. Marco wird von einem Geräusch im Erdgeschoss wach, ihr Labradoodle James knurrt bedrohlich, das Licht fällt aus. In der Nacht darauf ist es Ines, die einen Schatten vor ihrem Bett sieht, sie weckt Marco und - wieder bleibt es dunkel. Und wieder ist die Hauptsicherung herausgesprungen. Als dann Ines von ihrem Fenster aus im noch unbewohnten Nachbarhaus Merkwürdiges beobachtet, ruft Marco die Polizei. Diese beruhigt sie. Am nächsten Tag stürmt James los, kaum dass er aus dem Haus ist. Marco ihm nach. Und was er in diesem leerstehenden Haus findet, lässt ihn zusammensacken. Er findet eine Leiche, grausamst zugerichtet.

Arno Strobel versteht es, jeden, wirklich jeden verdächtig erscheinen zu lassen. Ich hatte bald meine Verdächtige(n), ließ mich dann doch eines Besseren belehren, denn es wäre zu voreilig, die Täterperson sofort zu präsentieren. Die Frage, wie sich dieser Unbekannte seine Opfer holt, obwohl sämtliche Türen und Zugänge und auch die Fenster gut gesichert sind, gibt Rätsel auf. Zumal es auch keinerlei Einbruchspuren gibt. Und doch scheint sich jemand in die Häuser zu schleichen, sie zu beobachten und blitzschnell zuzuschlagen. Denn es bleibt nicht bei diesem einen Opfer. Die Polizei scheint eher untätig zu sein, also nehmen die Siedlungsbewohner die Bewachung selber in die Hand, können allerdings nichts verhindern.

Die ganze Dramatik, die sich immer weiter aufbaut, sehe ich durch Marcos Augen. Nicht nur er will, dass dieser Albtraum aufhört, auch ich möchte es. Aber es kommt noch schlimmer, nach etwa der Hälfte des Buches bin ich zutiefst geschockt, ich fasse es schlichtweg nicht. Es ist wie ein böser Traum, der leider keiner ist, denn all diese Vorkommnisse sind nur zu real.

„Du liebst dein neues Zuhause. Hier bist du sicher. Oder?“ Das Gegenteil ist hier der Fall, nichts ist sicher, niemand darf sich in Sicherheit wiegen. Arno Strobel hat es wiederum geschafft, mir den Albtraum schlechthin zu präsentieren. Die ganze Zeit über kriechen meine Gedanken durch sämtliche Gehirnwindungen, schaffen es aber nicht ans Ziel. „Welcome Home“ – ein spannender Psycho-Thriller, der von der ersten bis zur letzten Seite fesselt.

Bewertung vom 25.08.2025
Braun, Larissa

Liberantas - Im Licht der Vergebung (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Liberantas - das faszinierende Finale

Nachdem ich die ersten beiden Bücher verschlungen habe, war ich natürlich gespannt auf das finale dritte Buch. Was wird aus Elainy und Awan? Werden sie sich lieben dürfen, werden sie sich verlieren oder werden sie gar getötet, befohlen von Odium, dem Herrscher von Liberantas?

„Im Licht der Vergebung“ beginnt traurig, Elainy wird von allen Geschöpfen umschwirrt. Wut, Einsamkeit, Trauer, Angst und Verzweiflung werden von ihren Emotionen angezogen, auch ein Confido, ein Geschöpf, das den Weg weist, ist da. Wohin führt ihr weiterer Weg? So viel sei verraten, sie ist stark. „Du musst mir versprechen, dass du jedes Hindernis nimmst, Elainy. Denn die Alternative wäre, davor stehen zu bleiben und zu verlieren.“ Diesen so wahren, sehr weisen Satz hat einst ihre Mutter ihr mitgegeben, sie erinnert sich daran.

Elainy weiß, dass es in Liberantas keine Zukunft gibt. Nicht für sie, nicht für Awan und auch für die anderen nicht, denn Liberantas darf nicht weiterbestehen.

Sie lernt, zu kämpfen. Nicht nur in Awan hat sie einen Mitstreiter, auch auf Milo ist Verlass. Kian, der sie einst hierher gebracht hat, offenbart seine wahre Seite und auch von Marty, ihrem so lange vermissten Bruder, hört sie. Wohin dies alles führt, was der Kampf bringen wird, sei nicht verraten, nur so viel - es ist ein spannendes und nervenaufreibendes und sehr gefährliches Auf und Ab.

Schon das erste Buch „Im Schatten der Erinnerung“ hat mich fasziniert, ich hätte das nie gedacht. Und natürlich haben mich die Folgebände „Im Nebel der Furcht“ und dieses hier „Im Licht der Vergebung“ unbändig gelockt. Ich war in einer fremden Welt fernab der Erde, in der Liebe verboten ist, die aber mit einem Schlaraffenland aufwartet, von dem man nur träumen kann.

Spicy New Adult Romantasy ist nicht unbedingt das Buchgenre, das ich bevorzuge, aber „Liberantas“ in seiner Gänze möchte ich nicht missen. Was ich noch kurz erwähnen möchte, sind die tiefgründigen Gedanken, die den Kapiteln vorangestellt sind. Am liebsten würde ich sie hier alle zitieren, was den Rahmen sprengen würde. Und natürlich klärt das Glossar über all die Wesen und Geschöpfe auf, die in Liberantas leben.

Es war eine kurzweile, eine wunderschöne, aber auch eine mitunter gefährliche Reise, die nun zu Ende geht. Ich danke Larissa Braun für unterhaltsame Lesestunden, ich habe jedes einzelne Buch sehr genossen.

Bewertung vom 25.08.2025
Hart, Emilia

Unbeugsam wie die See (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eine tiefgehende, eine ungewöhnliche, eine wunderschöne Geschichte

„Folge dem Ruf der Sirenen…“ Es sind die Gedanken, die mich ins Jahr 1800 zu den Zwillingsschwestern Mary und Eliza blicken lassen und andere, welche die Geschichte weitertragen - weiter zu Lucy, zum Hier und Jetzt, das im 2019 verortet ist. Dazwischen dann (zehn Jahre zuvor) lese ich von der 16jährigen Jess in ihrem Tagebuch.

Alles beginnt mit einer Geburt, fernab jeglicher Zivilisation. Erst spät wird klar, wie diese ersten Zeilen mit dem Geschehen zusammenhängen. Zunächst ist es Lucy, die - von Albträumen geplagt - sich in einer so bedrohlichen wie verfänglichen Situation wiederfindet, von der sie sich sofort befreien muss. Sie flieht Hals über Kopf zu ihrer Schwester Jess, von der sie schon lange nichts mehr gehört hat. Jess lebt seit geraumer Zeit an der australischen Küste in einem Haus, direkt am Meer. Sie ist für ein paar Tage weggefahren, lässt Melody, ihre Nachbarin, Lucy wissen. Wohin, weiß keiner so genau. Also wartet Lucy, sie findet ein Tagebuch, beginnt zu lesen…

Unter den Gefangenen (allesamt Frauen) auf der Naiad sind auch Mary und Eliza. Sie werden direkt vom Gefängnis aufs Schiff verfrachtet, das von Irland nach Australien unterwegs ist. Der Erzählstrang um die beiden Schwestern verrät nach und nach von ihrer Familie, von den menschenunwürdigen Bedingungen auf dem Schiff und noch so viel mehr.

Es ist eine mystische Erzählweise. So wunderschön und doch verworren und sehr beklemmend. Eine Meerjungfrau auf hoher See bedeutet nichts Gutes, von Schuppen auf der Haut wird berichtet und von den Häutchen zwischen den Fingern. Die Schwestern leiden unter einer Wasserallergie und doch scheint das Meer eine magische Anziehungskraft auf sie auszuüben. Träume verbinden die beiden Geschwisterpaare, alles ist geheimnisumwoben. Und da sind Stimmen, die sie immer wieder hören, all dies ist nicht recht greifbar. Es sind mehrere Ereignisse, die nebeneinander stehen, die abwechselnd erzählt werden, deren Ausgangspunkt der fiktive Ort Comber Bay ist.

Die Autorin hat den geschichtlichen Hintergrund um die britischen Sträflinge, unter denen auch Iren waren, ihrem Roman vorangestellt. Sie wurden ins ferne Australien verschifft, da die Gefängnisse daheim überfüllt waren. Sie hat Mary und Eliza auf eines dieser Schiffe verfrachtet, das Geheimnis um Baby Hope gesellt sich dazu, ebenso die acht Männer, die im Laufe der Jahre spurlos verschwunden sind. „Wie viele Leben hat diese Felswand im Laufe der Jahre enden sehen? Die Gefangenen auf der Naiad, die acht verschwundenen Männer, vielleicht sogar die Mutter von Baby Hope…“

Beide Zeitebenen haben etwas Mystisches, vor allem die Beschreibungen um das Wasser auf ihrer Haut kommen mir wie entrückt vor. Aber da ist noch mehr, auch das Tagebuch ist zunächst verwirrend, bis es doch mehr und mehr Licht ins Dunkle bringt. Wie die beiden Geschwisterpaare letztendlich miteinander verflochten sind, was Gemälde damit zu tun haben, erfahren wir schon auch. „Unbeugsam wie die See“ ist eine tiefgehende, eine ungewöhnliche Geschichte, das Meer als verbindendes Element.

Es ist mein erster Roman von Emilia Hart. An ihre Erzählweise musste ich mich herantasten, war aber bald gefangen in ihrer Geschichte um starke Frauen, die sich gegenseitig stützen und trotz aller Widrigkeiten nicht aufgeben.