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C. Loeb
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München

Bewertungen

Insgesamt 7 Bewertungen
Bewertung vom 24.11.2025
Kopetzky, Steffen

Damenopfer


ausgezeichnet

Ich habe dieses Buch aufgeschlagen und bin darin förmlich verschwunden. Eigentlich wollte ich nur "mal kurz reinlesen" und plötzlich saß ich mitten in Petrograd, dann in Kabul, dann wieder im Berlin der 1920er. An der Seite von Larissa Reissner, dieser unfassbaren Frau, die gleichzeitig Revolutionärin, Journalistin, Strategin und Beobachterin ihrer Zeit war.

Was mich sofort gepackt hat, war Kopetzkys Sprache. Ich hatte das Gefühl, er führt mich durch ein Kaleidoskop aus Stimmen, Erinnerungen, Dokumenten, und dennoch fügt sich alles zu einem erstaunlich klaren Bild. Und Larissa selbst! Kopetzky zeigt sie in all ihrer Widersprüchlichkeit, mutig und verletzlich, brillant und impulsiv, kompromisslos politisch. Für mich ist sie eine Frau, die aus den Seiten heraus leuchtet.

Als ich das Buch beendet habe, war ich gleichzeitig erfüllt und ein bisschen traurig, weil ich diese Welt, diese Sprache, diese Frau nicht loslassen wollte. Ich bin restlos begeistert!

Bewertung vom 24.11.2025
Melzener, Axel;Neviandt, Julia Nika

Blut und Spiele in Colonia


ausgezeichnet

Letztes Jahr hatte ich "Schatten über Colonia" gelesen und nun mit Freuden festgestellt, dass es einen Nachfolger gibt. Wieder ein Krimi im römischen Köln, mit den beiden sympathischen Ermittlern Lucretia und Quintus, die einen verzwickten Fall in der antiken Metropole am Rhenus lösen.

Der zweite Band ist etwas anders, auf gute Weise. Trug der erste noch Züge einer epischen Abenteuergeschichte in der Militär eine große Rolle spielte, so ist "Blut und Spiele" ein spannender Krimi der durch Zeitdruck für die Detektive einen enormen Vorwärtsdrang erzeugt. Ich konnte das Buch nicht mehr weglegen, nachdem ich über die ersten 50 Seiten hinaus war! Es liest sich teilweise wie ein Thriller und eine Wendung jagt die nächste. Das ist sehr gut erzählt.

Größte Stärke sind für mich die Hauptfiguren. Quintus, der germanische Einwanderer der sich in der römischen Gesellschaft hocharbeiten will, und die hochintelligente Lucretia, die in ihrer frauenfeindlichen Zeit hoffnungslos unterfordert ist, bilden ein sehr dynamisches und berührendes Ermittlergespann, wie man das selten findet. Diese mit über 500 Seiten nicht kleine Zeitreise ins römische Germanien hat mir sehr viel Spaß gemacht!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.11.2025
Ellenbeck, Silke

Verbrannter Eukalyptus - Historischer Australien-Roman


weniger gut

Ich lese viele historische Romane. Australien, 19. Jahrhundert, Strafkolonie, zwei entflohene Sträflinge? Da dachte ich sofort: Das ist meins. Der Titel "Verbrannter Eukalyptus" klang nach Landschaft, Abenteuer, Staub, Hitze, und irgendwie alldem, was ich an diesem Genre mag. Aber leider blieb es für mich bei der guten Idee.

Den Anfang mochte ich. Die Vorstellung, zwei Männer auf der Flucht durch die wilde, ungezähmte Natur Australiens zu begleiten, fand ich stark. Silke Ellenbeck beschreibt diese Welt mit viel Liebe zum Detail. Ich konnte mir die Steppe, das Licht, das Knistern der Trockenheit vorstellen. Auch die Figuren sind gut angelegt, Hagen und Henry haben Tiefe und Brüche.

Aber dann verliert sich die Geschichte. Es gibt Passagen, die sich ziehen wie Kaugummi. Immer wenn ich dachte: Jetzt nimmt das Fahrt auf, bremst der Roman wieder ab. Szenen, die spannend beginnen, enden in langen Reflexionen oder Nebenschauplätzen. Mir fehlte einfach ein klarer dramatischer Bogen. Ich musste mehrmals neu ansetzen, weil ich zwischendurch das Interesse verloren habe und das passiert mir selten.

Am Ende hab ich das Buch zwar fertig gelesen, aber eher aus Prinzip. Die Grundidee und das Setting sind wirklich großartig, und ich glaube mit strafferem Tempo und etwas mehr Fokus hätte das ein richtig gutes Buch werden können. So bleibt es für mich ein Roman mit Potenzial, der aber zu sehr in der eigenen Sprache steckenbleibt. Der Funke sprang bei mir nicht über.

Bewertung vom 23.10.2025
Gralle, Albrecht

Das goldene Zeichen: Historischer Krimi (eBook, ePUB)


sehr gut

Dieses Buch habe ich eher zufällig entdeckt, und ehrlich gesagt wundere ich mich, dass es so unbekannt geblieben ist. Für mich ist es ein echter Geheimtipp für alle, die historische Krimis lieben, besonders, wenn sie ein Faible für Köln und seine bewegte Geschichte haben.

Die Geschichte spielt im Jahr 1106, als Köln prachtvoll und fromm, aber auch gefährlich, von Intrigen durchzogen war. Mehrere rätselhafte Morde erschüttern die Stadt, und jedes Mal findet man ein goldenes Zeichen am Tatort. Der englische Mönch Egwin beginnt zu ermitteln, während die junge Fiona, deren Leben eng mit der Kirche verbunden ist, immer tiefer in das Netz aus Schuld, Macht und Geheimnissen hineingezogen wird.

Was mich beeindruckt hat, war die Atmosphäre. Aber Gralle verliert sich nie in bloßen Beschreibungen. Stattdessen schafft er Figuren, die glaubwürdig, fehlerhaft und menschlich sind. Der Kriminalfall selbst ist spannend, aber auf eine stille, überlegte Weise. Kein Blutrausch, sondern ein Rätsel das sich Schicht für Schicht entfaltet.

"Das goldene Zeichen" ist für mich ein verborgener Schatz unter den historischen Krimis: klug, atmosphärisch, gut recherchiert. Wer Köln liebt, wer sich für die geistige und menschliche Welt des Mittelalters interessiert, und Spannung lieber durch Nachdenken als Action erlebt, sollte das Buch für sich entdecken.

Bewertung vom 18.10.2025
Eik, Jan

Trügerische Feste: Historischer Krimi (eBook, ePUB)


gut

Schon nach den ersten Seiten war ich mitten im Berlin des Jahres 1701, wo sich Friedrich I. gerade zum König in Preußen krönen lässt. Zwischen Festvorbereitungen, höfischem Glanz und politischer Intrige geschieht ein Mord, und plötzlich hat das prächtige Berlin auch seine dunklen Schatten...

Ich mochte besonders die Figur des Ermittlers Fahrenholtz. Er ist kein Held, der mit dem Säbel durch die Straßen rennt, sondern ein ruhiger, kluger Beobachter, der mit Logik, Menschenkenntnis und trockenem Witz arbeitet. Diese unaufgeregte Art passte für mich perfekt in die Zeit und machte den Roman glaubwürdig. Die Epoche wird sehr gut beschrieben und das Buch versprüht viel Atmosphäre.

Der Kriminalfall selbst ist mir persönlich etwas zu ruhig erzählt, kein rasantes Spektakel, sondern eine Geschichte, die sich langsam entfaltet und dabei viel über Macht, Moral und Gesellschaft erzählt. Ich musste mich manchmal etwas gedulden. Es ist ein Buch zum Eintauchen, nicht zum Durchjagen. Aber unterm Strich doch ein sorgfältig komponierter historischer Krimi mit Stil und gewisser Tiefe.

Bewertung vom 06.10.2025
Kehlmann, Daniel

Tyll


gut

Ich liebe Daniel Kehlmann. "Die Vermessung der Welt" zählt zu meinen Lieblingsbüchern, weil es Wissen, Witz und Menschlichkeit so klug verbindet. Deshalb war meine Vorfreude auf "Tyll" riesig. Und ja, der Roman hat mich beeindruckt – aber nicht so, wie ich das erwartet hatte.

Kehlmann verlegt die Figur des Narren Ulenspiegel mitten in den Dreißigjährigen Krieg und zeigt eine Welt voller Elend, Aberglauben und Willkür. Die Sprache ist präzise, oft von einer leisen Ironie getragen, und manche Szenen sind schlicht brillant.

Und doch: Ich bin da nicht ganz hineingekommen. Die episodische Struktur – mal hier, mal dort, mal Jahre dazwischen – liess mich oft wieder neu ansetzen. Ich vermisste einen emotionalen Faden, eine Figur, an der ich wirklich hängenbleiben konnte. Tyll selbst bleibt ein Rätsel, der ist mehr Symbol als Mensch. Das ist sicherlich gewollt, aber mir hat manchmal das Herz im Text gefehlt.

Trotzdem ist Tyll ein starkes Buch. Nur ist es diesmal ein Roman, den ich mehr bewundere als liebe. Handwerklich graßartig, sprachlich virtuos, aber innerlich blieb ich ein Stück weit draußen vor der Bühne, während der Narr sein schönes Spiel trieb.

Bewertung vom 29.09.2025
Mantel, Hilary

Wölfe / Tudor-Trilogie Bd.1


ausgezeichnet

Hier habe ich das Gefühl gehabt, direkt in die Zeit Heinrichs VIII. hineinzufallen. Statt trockener Historie liefert Mantel ein scharfes, gegenwärtiges Porträt des englischen Hofes zu Beginn der Reformation. Schon die ersten Seiten klingen wie ein leises, gefährliches Flüstern: Hinter jeder Tür lauern Machtspiele, Intrigen und das unbarmherzige Spiel um Nähe zum König.

Im Zentrum steht Thomas Cromwell, Sohn eines gewalttätigen Schmieds, der sich mit Verstand, Loyalität und taktischem Genie bis zum engsten Berater Heinrichs hochkämpft. Mantel macht aus ihm keinen glatten Helden, sondern einen Menschen voller Ambivalenzen – zärtlich zu seiner Familie, kühl berechnend in der Politik. Ich habe selten erlebt, dass ein historischer Roman so konsequent durch die Wahrnehmung seiner Hauptfigur erzählt ist: Man denkt, fühlt, plant mit Cromwell.

Wölfe bildet den Auftakt der Thomas-Cromwell-Trilogie, die mit Falken (engl. Bring Up the Bodies) und Spiegel und Licht (engl. The Mirror & the Light) weitergeht. Alle drei Bände wurden preisgekrönt, die ersten beiden erhielten den Man Booker Prize – eine literarische Seltenheit. Gemeinsam entfalten sie den Bogen von Cromwells Aufstieg bis zu seinem dramatischen Sturz und bieten ein Panorama des religiösen und politischen Umbruchs im 16. Jahrhundert.

Mich hat besonders Mantels Sprache begeistert: glasklar, manchmal ironisch, immer präzise. Sie lässt die Gerüche der Gassen und das Flackern der Kerzen spürbar werden und verwebt historische Fakten mit psychologischer Tiefe, ohne belehrend zu wirken. Für mich ist Wölfe ein grandioser historischer Roman – lebendig, klug und so modern erzählt, dass man beim Zuklappen kaum glauben kann, dass diese Ereignisse fünf Jahrhunderte zurückliegen.