Was ist eigentlich normal?
Die Biografie des Ich- Erzählers wird unglaublich stark von seinem Familienstammbaum beeinflusst. Bis zur Urgroßmutter immer auftretende psychische Erkrankungen. Starke Psychopharmaka werden wie Bonbons gegessen. Selbstmordversuche gehören zum Alltag. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die Angst des Erzählers wahnsinnig zu werden, sein Leben durchdringt und auch das Studium der Psychologie und die Arbeit mit seinen Patienten helfen ihm da wenig.
Ein Roman, bei dem ich mir nicht sicher bin, ist es eine Familiengeschichte oder doch eher ein Sachbuch mit Familienanteil. Der Schreibstil ist knapp und beobachtend, zum Teil ironisch. Der Erzähler ringt permanent um Selbstkontrolle und ist mir menschlich komplett verloren gegangen. Alles wird beobachtet, seziert und wieder zusammengesetzt. Aber Gefühle oder Empathie, die hab ich vermisst. Ein wirklich interessantes Thema, aber ich komme mit dem sachlichen Erzählstil nicht klar - also nicht bei einem Roman.
Das hässliche Gesicht der netten Kleinstadt
Zwei Mädchen verschwinden spurlos. Für Deputy Emmy Clifton ist es besonders schwer, ist die eine Madison die Stieftochter ihrer Freundin. Und Madison wollte Emmy kurz vor ihrem Verschwinden noch etwas mitteilen, was Emmy aber ignoriert hat. Nun lebt sie mit dieser Schuld und auch die Freundschaft mit Madison’s Mutter ist zerbrochen. Und beide Mädchen hatten dunkle Geheimnisse.
12 Jahre später verschwindet wieder ein Teenagermädchen und Emmys Alptraum beginnt von vorn.
Karin Slaughter versteht es wieder meisterlich ein dunkles Karma in die nette Kleinstadt und ihrer Bürger zu platzieren. Der Spannungsaufbau ist subtil und doch mitreißend. Die Handelnden lernt man langsam, aber detailliert kennen. Man blickt in schwarze Abgründe, dort wo eben noch die Sonne schien. Und über Allem die Frage wer und warum? Wer Thriller mag, dem wird das Buch gefallen.
Blutsbande
Es entsprang dem Wahn des Urgroßvaters, pflanzte sich durch die Schrecken des 2. Weltkrieges fort und streckt de ne Tentakel bis in die Gegenwart. Ada, die schon jung Leid, Schmerz und Verrat erfahren hatte, hat nur einen Wunsch. Doch als ihr das Liebste genommen und sie ihr Weltbild in Trümmern sieht, kommt sie zurück. Die ist eine gute Jägerin und eine Beschützerin und diesmal wird die nicht scheitern.
Ein Buch, was es zu Beginn dem Leser nicht leicht macht. Es ist keine Geschichte, die einen mit offenen Armen empfängt. Sie will verstanden und erobert werden. Doch dann zieht sie einen in ihren Bann. Mir hat einzig das Abdriften ins Spirituelle nicht gefallen. Das war aus meiner Sicht überflüssig. Die Geister der Vergangenheit waren schon präsent genug.
Die Sprache ist kurz wie die Sätze. Der Erzählstil ist an Asa gerichtet. Das ist ein Ansatz, den ich so noch nicht gelesen habe. Ich brauchte etwas um mich daran zu gewöhnen. Als Fazit hätte man mich am Anfang des Buches gefragt, ob es mir gefällt, wäre meine Antwort nein gewesen. Ab dem ersten Drittel wurde es besser und irgendwann hatte es mich gepackt. Rückblickend würde ich sagen, es lohnt sich. Am Anfang ist es schwer aber es lohnt sich, dranzubleiben. Es hat echt was auch wenn es sehr blutig ist und eine Triggerwarnung gut wäre.
Rasant wie der Cancan
Selten hat mich eine Geschichte so kalt erwischt, mich eingesogen und bis zur letzten Seite nicht losgelassen. Das liegt zum einen an der sympathischen Ich- Erzählerin Charlotte als auch an der Geschichte selbst. Diese ist eine exklusive Mischung aus Mystery, Romantik, Drama und noch so viel mehr. Da ist Charlotte, die im berühmten Hotel Lichtenstein tanzen darf und auf dessen Magie hofft. Der Show-Boxer Willem, der ein Geheimnis trägt u d dessen Schicksal doch mit Charlotte verwoben ist. Nur was ist das Lichtenstein? Ein Hotel für Superreiche oder doch der Vorhof zur Hölle? Was passiert mit den Mitarbeitern, die plötzlich verschwinden? Und warum ist Charlottes ältere Schwester Wanda so dagegen, dass Charlotte ein Engagement im Lichtenstein hat, obwohl die doch selbst dort in der Wäscherei arbeitet? Fragen über Fragen - so viele ungelöste Geheimnisse. Ein Buch, was ich in einem Rutsch wie im Rausch gelesen habe. Wahnsinn.
Eine seit 20 Jahren andauernde Tragödie
Julie verschwand in dieser Septembernacht in 2003 mit 16 Jahren spurlos. Es gibt nur einen Brief des Entführers, der eine lächerlich geringe Summe fordert. Doch wurde das Lösegeld nicht übergeben. Jetzt 20 Jahre später sucht Julies Vater immer noch nach seiner Tochter. Unterstützt wird er von Liv, die einen True Crime Podcast betreibt und Cold cases wieder hervorholt. Nur was soll jetzt noch Neues ans Licht kommen? Besonders an diesem Buch ist, dass es weitestgehend von Theo - Julies Papa erzählt wird. Theo, der an fortgeschrittener Demenz leidet und dessen Verstand sich ab und an ausknipst wie eine Lampe. Romy Hausmann ist es meiner Meinung nach, sehr gut gelungen Theo eine Stimme zu verleihen ohne ins kitschige oder mitleidsvolle abzugleiten. Hier muss die Autorin sehr lange Recherchearbeit geleistet haben. Aber Theo trägt das Buch aus meiner Sicht. Die anderen Personen wie die bereits erwähnte Liv (die selbst eine Vielzahl von Problemen mit sich trägt), die zweite Tochter von Theo - Sophia - die am Rande des Nervenzusammenbruchs balanciert und der Exfreund von Julie, der alsTäter herhalten musste und daran zerbrochen ist.
Nicht so schön fand ich den Schluss - hier wurde es für mich sehr unrealistisch. Und einige Handlungsstränge, die den Leser wahrscheinlich verwirren sollten, fand ich komplett überflüssig weil sie nichts zur Geschichte beigesteuert haben.
Ein lesenswertes Buch für das ich 4 Sterne vergebe.
Dyst-utopisch
Neal Shusterman schockt nach Corona mit der nächsten Seuche. Aber bei diesem Virus ist der, der es überlebt glücklich und entspannt und die, die sterben, Tun dies in einem Moment des Glücks. Allerdings sind die Genesenen nicht nur glücklich, sondern sie verschenken ihr Hab und Gut, sind komplett umweltbewusst und bis zur Selbstaufopferung hilfsbereit. Das gefällt natürlich der Wirtschaft nicht und somit wird versucht, ein Gegenvirus, dass die Menschen unglücklich macht, zu entwickeln. Und in diesem Gemenge treffen Rón (aus reichem Elternhaus) und die mittellose Mariel zusammen. Weltverbesserer und Realismus prallen aufeinander und da ist noch Morgan - die Meisterin der Manipulation. Ein durchaus gut und spannend geschriebenes Buch. Ich hätte mir gewünscht, dass die Charaktere etwas detaillierter ausgearbeitet worden wären, so dass man mit ihnen besser hätte mitfühlen können. Sie bleiben für mich wie hinter einem transparenten Schleier. Ich kann sie zwar sehen, aber die Details bleiben verborgen. Aber egal spannend und unterhaltsam ist das Buch - eine Mischung aus Dystopie und Utopie- und zum Nachdenken kommt man auch.
Ein Thriller der leisen Töne
Alice ist während eines Ausfluges mit ihren Geschwistern und dem Kindermädchen im Naturhistorischen Museum verschwunden. Trotz dass das Mädchen zusammen mit den Museumsangestellten sofort mit der Suche begonnen und das Museum schon geschlossen hatte. Ist Alice vielleicht doch in den bitterkalten Wintertag hinausgelaufen oder an eine falsche Person geraten? Kommissar Nils Gunnarsson beginnt zu ermitteln, unterstützt wird er von der Journalistin Ellen, die sich mit dem Kindermädchen anfreundet und in die Abgründe von Alice Familie blickt.
Was meint Alice kleinerer Bruder, dass sie das Mädchen nicht finden werden, weil diese im Wald bei den Elchen ist. Welchen Wald meint das Kind? Man befindet sich doch in Göteborg, ist es der Park oder ein Synonym? Ein Thriller der leisen Töne. Er ist spannend und subtil. Irgendwie hat jeder ein Motiv und dann doch wieder nicht. Man rätselt mit - Mord, Unfall, versteckt sich Alice in den Tiefen des Museums und findet nicht zurück?
Ein Thriller der leiden Töne, der zum genauen Hinsehen und Hinhören auffordert. Eine Geschichte, die aufzeigt, wie vielschichtig der Mensch ist und dass man sein genaues Wesen nie enträtseln wird. Das Buch ist sehr lesenswert, wenn es nicht unbedingt der blutige Schocker sein muss.
Nicht so abwegig
Ein Virus befällt Rechner, Mobilgeräte - eigentlich alles, was in irgendeiner Art und Weise mit dem Internet verbunden ist. Und dieses Virus versendet Fake-Nachrichten und zwar täuschend echt. Kein Wunder wir alle haben massig Daten, Videos und Fotos im Netz - so dass das von Peter Grandl geschilderte Szenario nicht abwegig ist. Und auf einmal steht die Welt am Rande des Atomkriegs, Abfangjäger Steigen auf, um angeblich entführte Flugzeuge abzufangen.
Eine düstere Geschichte, die am Anfang zäh anfängt, aber sich später zu einem echten Pageturner entwickelt. Der Autor schafft es sehr überzeugend darzustellen, wie vulnerabel unsere Wirtschaftssysteme sind und spätestens bei der Hyperinflation kommt man mächtig ins Grübeln. Das bunt zusammengewürfelte Expertenteam, was das Virus stoppen und den Urheber finden soll, besteht mal aus ganz normalen Menschen, die durchaus Schwächen haben und Fehler machen. Und die Welt existiert weiter, indem man auf analoge Inhalte zurückgreift. Analoge Telefone, Fax- und Funkgeräte sogar die alten Zeitungsdruckmaschinen werden zusammen mit dem längst verrenteten Bedienpersonal aus dem Museum geholt. Ein gut zu lesendes Buch. Man muss nur am Anfang durchhalten, finde ich. Dann packt es einen.
Wandern und / oder Überleben
Julia wird von ihrer alten Freundin Nadin überrascht, die sie als Junggesellenabschied zu einer Wanderung - nein zu Julias Traumwanderung nach Schweden einlädt. Julia drückt Befürchtungen, immerhin hatten sie und Nicki sich komplett aus den Augen verloren, weg und kommt mit. Bedenkzeit gibt es nicht. Der Trip startet bereits am kommenden Tag. Julias Hoffnung, dass sie und Nicki sich wieder näher kommen könnten, scheinen sich nicht zu bewahrheiten. Nicki ist in sich gekehrt und abweisend. Nach ihrer ersten Übernachtung im Zelt ist Nicki früh verschwunden und Julia allein. Es ist Herbst - auf dem Wanderweg ist niemand und was ist mit Nicki? Ist ihr etwas zugestoßen? Julia macht sich auf die Suche und verirrt sich komplett. Nur mit den Sachen, die sie am Leib trägt und etwas Proviant muss sie überleben und einen Weg zurück finden. Oder findet irgendwas sie früher?
Ein spannend geschriebenes Buch, was zusätzlich zum Nervenkitzel immer wieder Rätsel und einstreut. Der Horror und die Spannung sind subtil. Aber diese leiden Töne machen die Geschichte so besonders. Auch die kursiv dargestellten Erinnerungen lassen manches in Julias Leben in anderen Licht erscheinen. Sie wird verändert von dieser Reise zurückkommen- wenn sie überlebt.
Inspiration
Dieses Buch hat mich Salate in einem ganz anderen Licht sehen lassen und zwar keine Nudel- oder Kartoffelsalate oder auch der grüne Blattsalat. Nein Valentina Raffaelli verbindet Gemüse und Obst mit Blattgrün auf sehr kreative Weise und schafft so neue Geschmackserlebnisse zum Beispiel die Kombination Blattpfirsich mit Radieschen oder eine Panzanella mit Erdbeeren und bunter Bete. Rezepte wie man verschiedene Zutaten selbst herstellen kann, runden das Buch ab. Leider orientiert sich die Autorin bei der Wahl der Zutaten an ihrer italienischen Heimat, was uns hier vor Herausforderungen stellt. Bei vielen Kombinationen hab ich das Problem ein Teil ist reif und der andere nicht. Hier ist Flexibilität und Rumspielen angesagt. Aber das macht für mich ein gutes Kochbuch aus. Man bekommt Vorschläge und kann sich bei der Umsetzung kreativ austoben. Die Salate, die ich ausprobiert habe, kamen bei meiner Familie gut an und ich werde weiter mit dem Buch arbeiten. Mir schmeckt es.
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