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Lu
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 217 Bewertungen
Bewertung vom 28.04.2025
Unter den Sternen von Paris
Schützer, Karolina

Unter den Sternen von Paris


gut

„Unter den Sternen von Paris“ bietet auf den ersten Blick alles, was man sich von einem romantischen Wohlfühlroman wünschen würde: Die frisch geschiedene Sophia steht an einem Wendepunkt in ihrem Leben. Sie muss entscheiden, wie sie sich ihr zukünftiges Leben vorstellen soll - ob als rasende Reporterin in der ganzen Welt oder als Besitzerin einer kleinen Bar in Paris. Dazu kommen das hübsche Cover des Romans, die Magie von Paris, eine charmante Bar im Quartier Latin und eine Prise Familiengeheimnisse. Die Idee, Sophias Neuanfang mit der Entdeckung der Vergangenheit ihrer Großmutter zu verbinden, von der sie die Bar geerbt hat, hat definitiv Potenzial und die Kulisse hätte viele schöne Momente hergeben können.

Leider bleibt die Umsetzung hinter den Erwartungen zurück: Die Dialoge wirkten oft hölzern und die Figuren konnten mich emotional kaum erreichen. Zwischen Sophia und ihrem love interest entstand kein echtes Knistern und keine glaubwürdige Dynamik. Auch die große Enthüllung am Ende des Romans zur Vergangenheit der Großmutter fühlte sich für mich wenig zeitgemäß und konstruiert an – ein dramatischer Effekt, der eher künstlich wirkte als tatsächlich zu berühren. Überrascht ist hier wohl nur, wer wirklich konservative Ansichten hat.

Trotz allem ließ doch der Roman schnell und leicht lesen, die Beschreibung der Renovierung, die wohl in keinem Wohlfühlroman fehlen darf, mochte ich. Insgesamt eine nette Lektüre für zwischendurch, vor allem für Fans von Paris-Romanen – für mich persönlich fehlte es aber an Authentizität und Tiefe.

Bewertung vom 27.04.2025
Tradition trifft vegan
Unterweger, Lena

Tradition trifft vegan


sehr gut

„Tradition trifft vegan“ zeigt auf sympathische Weise, dass Südtiroler Klassiker wie Knödel, Apfelstrudel oder Gulaschsuppe auch ohne tierische Produkte richtig lecker sein können. Die junge Autorin setzt dabei auf klare Anleitungen, die alle mit Fotos der Gerichte illustriert sind und legt großen Wert auf saisonale und regionale Zutaten, sodass es für mich keine Zutaten gab, die ich nicht leicht bekommen könnte. Die Gerichte sind abwechslungsreich und liebevoll zusammengestellt – perfekt für alle, die die Südtiroler Küche neu entdecken möchten.

Trotzdem hätte ich mir an einigen Stellen etwas mehr Tiefgang gewünscht: Hinweise, wie sich Rezepte gesünder, schneller oder variantenreicher gestalten lassen, fehlen leider. Gerade Kochanfänger könnten hier zusätzliche Tipps wahrscheinlich gut gebrauchen, weil viele Gerichte doch sehr aufwendig und dann sehr mächtig sind. Zudem habe ich ein Rezept für Spinatknödel vermisst, die für mich einfach zur Südtiroler Küche dazugehören.

Insgesamt ein schönes, solides Kochbuch mit tollen Rezepten, aber es bleibt etwas Luft nach oben, was Kreativität und Flexibilität angeht.

Bewertung vom 22.04.2025
Only Margo (eBook, ePUB)
Thorpe, Rufi

Only Margo (eBook, ePUB)


sehr gut

Margo steht mit einem Baby und ohne Perspektive da, nachdem der Vater des Kindes – ihr ehemaliger Professor – sich aus dem Staub gemacht hat. In ihrer Verzweiflung landet sie auf der Plattform OnlyFans, wo sie beginnt, erotische Inhalte zu produzieren. Was als verzweifelter Schritt beginnt, wird bald zu einer Reise zu mehr Selbstbewusstsein, Solidarität und ungeahnter Sichtbarkeit – aber bald hat der schlechte Ruf ihrer neuen Arbeit auch negative Konsequenzen. Margo muss versuchen, zwischen den Ansprüchen anderer und materiellen Erfordernissen herauszufinden, was sie will.

„Only Margo“ hat mich mit seiner Mischung aus Humor, und Tiefgang positiv überrascht. Die Darstellung hätte leicht ins Klischeehafte abrutschen können. Stattdessen bekommt man eine erfrischend ehrliche, witzige und empowernde Geschichte, die das Thema Sexarbeit, weibliche Selbstbestimmung und digitale Öffentlichkeit mit überraschender Leichtigkeit behandelt, ohne oberflächlich zu sein.

Stilistisch fand ich die Perspektivwechsel zwischen Innen- und Außenblick von bzw. auf Margo besonders interessant. Sie verleihen der Geschichte Tiefe und erlauben es, Margo wirklich kennenzulernen. Dass Margo nicht nur auf sich allein gestellt ist, sondern mit Mitbewohnerhin Suzie und ihrem Vater Jinx auch schräge, aber herzensgute Unterstützer:innen an ihrer Seite hat, macht das Ganze zu einem echten Wohlfühlroman. Wer Lust auf einen feministischen Roman mit Witz, Herz und Haltung hat: lesen!

Bewertung vom 22.04.2025
Schicksalsstunden einer Demokratie
Ullrich, Volker

Schicksalsstunden einer Demokratie


ausgezeichnet

Ein absolut lesenswertes Sachbuch für alle, die sich für Geschichte interessieren und noch nicht so viel Vorwissen haben – aber auch für alle, die verstehen wollen, wie zerbrechlich Demokratie sein kann. Volker Ullrich erzählt, wie die Weimarer Republik entstanden ist, welche Chancen sie hatte – und wie sie schließlich scheiterte. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf den großen Ereignissen, sondern auch auf den Menschen, die mit ihren Entscheidungen Geschichte geschrieben haben. Von Rathenau bis Papen sind hier alle wichtigen Persönlichkeiten versammelt, aus deren Schicksalen und Entscheidungen wir heute lernen können.

Mich hat vor allem beeindruckt, wie klar und nahbar Ullrich schreibt. Das ist keine trockene Geschichtsstunde, sondern ein spannend erzähltes Sachbuch mit vielen Aha-Momenten – und leider erschreckend vielen Parallelen zur Gegenwart. Dass Demokratie nicht einfach da ist, sondern aktiv geschützt werden muss, zeigt dieses Buch sehr eindringlich. Gleichzeitig macht mir die Analyse auch Hoffnung, dass Faschismus eben nicht unaufhaltbar ist, sondern durch Entscheidungen verhindert werden kann.

Perfekt für alle, die sich mehr politischen Kontext und geschichtliches Hintergrundwissen wünschen – oder einfach gute, kluge Sachbücher lieben.

Bewertung vom 20.04.2025
Beeren pflücken
Peters, Amanda

Beeren pflücken


sehr gut

Im Sommer 1962 verschwindet die kleine Ruthie spurlos vom Rand eines Beerenfeldes in Maine. Ihre Mi'kmaq-Familie ist aus Nova Scotia angereist, um als Saisonarbeiter:innen Blaubeeren zu pflücken. Joe, das nun jüngste Kind der Familie, macht sich Vorwürfe, weil er Ruthie zuletzt gesehen hat. Was folgt, ist eine Erzählung voller Schmerz und Schweigen: Die Familie wird nie ganz heilen, besonders Ruthies Bruder Joe bleibt ein Leben lang gezeichnet von der Ungewissheit und dem Verlust. Parallel dazu begleitet der Roman Norma in Maine. Sie wächst unter der kühlen Strenge ihres Vaters und der klammernden Liebe ihrer Mutter auf. Wiederkehrende Albträume und ein tiefes Gefühl von Unstimmigkeit und fehlender Zughörigkeit begleiten sie bis ins Erwachsenenalter.

Amanda Peters gelingt es auf sehr einfühlsame Weise, zwei Welten miteinander zu verweben: Die indigene Perspektive, geprägt von Armut, Rassismus und tiefer Familientrauer, und die privilegierte Welt Normas, in der die Wahrheit ebenso sorgfältig verdrängt wird wie das eigene Unbehagen. Die Sprache, gelungen übersetzt von Brigitte Jakobeit, ist schlicht, aber eindringlich.

Sowohl Joe als auch Norma wachsen nicht glücklich auf und leiden im Erwachsenenalter unter ihren Gefühlen von Unzulänglichkeit und Schuld, aber auch unter anderen Schicksalsschlägen wie Krankheit und Tod. Schmerz und Schweigen sind eigentlich immer präsent. Deshalb war die Lektüre für mich recht düster. Das wird zwar mit dem letzten Teil des Romans etwas ausgeglichen, dennoch ist dieser so auf Rührung ausgelegt, dass man Taschentücher bereit halten sollte. Wenn man das mag, ist es wirklich ein Roman, der zu Herzen geht – und einem das Herz auch mal schwer macht.

Bewertung vom 19.04.2025
Wut und Liebe
Suter, Martin

Wut und Liebe


sehr gut

Noah ist Künstler, Anfang dreißig, charmant, etwas verloren – und gerade frisch verlassen. Seine Freundin Camilla hat sich mehr vom Leben erhofft als das Mitfinanzieren ihres Partners und einen langweiligen Job. Als sie ihn für die Perspektive eines besseren Lebensstandards verlässt, trifft Noah eine alte Dame, die ihm Geld anbietet, um für sie Rache zu nehmen. Noah kommt zunehmend in Versuchung.

Diese Grundidee hat mich an Dürrenmatts Besuch der alten Dame erinnert: Was, wenn ein Verlassener seine große Liebe nur zurückgewinnen kann, indem er sich auf einen zweifelhaften Deal einlässt? Doch leider brauchte der Roman aus meiner Sicht recht lange, um in Fahrt zu kommen. Die ersten zwei Drittel plätscherten für mich dahin – kurze, leicht konsumierbare Kapitel, viele kleine Beobachtungen, die leichtfüßig geschildert werden, aber wenig Tiefe.

Was mich außerdem gestört hat und mir jetzt schon in mehreren anderen Romanen negativ aufgefallen ist, ist der übermäßige Alkoholkonsum sämtlicher Figuren, der beiläufig geschildert wird, als wäre es ganz normal, jeden Abend mindestens eine Flasche Wein zu zweit zu leeren. Und auch die Vorliebe der jungen Protagonist:innen für klassische Boomer-Küche wirkte auf mich eher wie eine Vorliebe des älteren Autors als ein glaubwürdiger Charakterzug für Millenials.

Und dennoch: Im letzten Viertel nimmt der Roman Fahrt auf und das intelligente Ende hat mir gut gefallen. Für diesen Abschluss und die interessante Grundidee lohnt sich die Lektüre am Ende dann doch.

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Bewertung vom 18.04.2025
Der Duft des Wals
Ruban, Paul

Der Duft des Wals


sehr gut

Ein toter Wal, ein All-inclusive-Resort und eine Familie am Abgrund – Der Duft des Wals ist ein bitterböser, schräg-komischer Roman über den Zerfall: von Beziehungen, Illusionen und ganzen Urlaubsparadiesen.

Judith, Hugo und ihre Tochter Ava flüchten ins mexikanische Luxusresort, um ihre bröckelnde Familie zu kitten. Während Judith eigentlich schon innerlich abgeschlossen hat und mit einem Angestellten flirtet, versucht Hugo mit touristischem Eifer und neuen Rastazöpfen das Ruder herumzureißen. Ava durchschaut das Schauspiel längst – und zieht sich in sich zurück. Daneben gibt es noch weitere Charaktere: ein verliebter Angestellter und eine Stewardess mit Geistererscheinungen. Als ein toter Wal angespült wird und sein Verwesungsgeruch unerträglich wird, beginnt die schöne Fassade des Resorts zu bröckeln.

Paul Ruban, flüssig übersetzt von Jennifer Dummer, gelingt eine absurde und manchmal fast groteske Erzählung, die mit viel bösem Humor das Scheitern inszeniert. Für mich hatte das Buch ganz klar White Lotus-Vibes: Menschen, die in ihrer eigenen Wohlstandsbubble den Zerfall nicht wahrhaben wollen, bis es zu spät ist. Besonders gelungen fand ich die wechselnden Perspektiven von Judith, Hugo und Ava – jede:r mit eigener Sprache und Sicht auf das Unausweichliche. Manche Ideen wie die Geistererscheinungen waren für meinen Geschmack etwas überdreht, passten aber zum surrealen Grundton. Trotzdem war der Roman kurzweilig und unterhaltsam geschrieben, sodass ich ihn an einem Nachmittag gerne gelesen habe.

Bewertung vom 15.04.2025
Ms Darling und ihre Nachbarn (eBook, ePUB)
Sampson, Freya

Ms Darling und ihre Nachbarn (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein Haus, zwei Einzelgängerinnen und ein Abriss, der alles verändert: Freya Sampson erzählt in Ms. Darling und ihre Nachbarn mit viel Wärme, Witz und britischer Exzentrik die Geschichte einer unwahrscheinlichen Freundschaft und eines Viertels, das zusammenhält.

Dorothy Darling ist 77, hat ihre Nachbarschaft genau im Blick, ist sehr ordentlich und voller Prinzipien. Kat ist 25, lebt unangepasst und ist frisch bei einem Nachbarn als Untermieterin eingezogen – natürlich völlig inakzeptabel in Dorothys streng geordneter Welt. Doch als Shelley House, ihr geliebtes Zuhause, abgerissen werden soll, m. Was entsteht, ist nicht nur eine Zweckgemeinschaft, sondern eine bewegende Verbindung zweier sehr unterschiedlicher Frauen, die viel mehr gemeinsam haben, als es zunächst scheint.

Ich mochte die Figuren unheimlich gern – sie sind zwar teilweise etwas klischeehaft gezeichnet, aber auf eine charmante, selbstironische Weise. Außerdem werden die Erwartungen immer wieder gebrochen, was die Geschichte lebendig und überraschend macht. Auch die Botschaft, dass Gemeinschaft zählt, dass man sich helfen kann, selbst wenn man sich zunächst fremd ist, hat mich sehr berührt. In modernen Großstädten ist so eine Gemeinschaft leider gar nicht mehr vorstellbar. Der Roman ist dabei durchweg unterhaltsam, das Ende war mir allerdings fast einen Tick zu voll mit Wendungen – aber insgesamt genau das richtige Buch zum Abschalten, Lächeln und sich gut aufgehoben fühlen. Ein echtes Wohlfühlbuch mit Charakteren, die einem sofort ans Herz wachsen.

Bewertung vom 13.04.2025
Das Haus der Türen
Eng, Tan Twan

Das Haus der Türen


ausgezeichnet

Das Haus der Türen ist einer dieser Romane, die nicht laut auftrumpfen, sondern sich langsam entfalten – getragen von einer eleganten und bildhaften Sprache, die mir unheimlich gut gefallen hat. Die Geschichte spielt im kolonialen Malaysia der 1920er-Jahre und dreht sich um Lesley Hamlyn, eine Frau, die in der britischen Oberschicht lebt. Mit dem Besuch von Schriftsteller W. Somerset Maugham, der mit seinem Assistenten zwei Wochen bei Lesley und ihrem Mann lebt, beginnt Lesley, ihm von ihrer Vergangenheit zu erzählen: ihrer Affäre mit einem chinesischen Intellektuellen, ihrem politischen Engagement und dem Mordprozess ihrer besten Freundin, die einen Mann erschossen hat.

Tan Twan Eng gelingt es trotz des insgesamt langsamen Erzähltempos durch seine Sprache schnell, eine Atmosphäre aufzubauen, die mich in ihren Bann gezogen hat, was bestimmt auch an der gelungenen Übersetzung von Michaela Grabinger liegt. Malaysia mit seinen Gerüchen, Farben und Spannungen zwischen den Kulturen ist hier nicht nur eine Kulisse. Der Roman verhandelt große Themen wie Kolonialismus, Identität, gesellschaftliche Rollen und queeres Begehren – aber er tut dies leise, vielschichtig, mit viel Feingefühl.

Ich kann absolut nachvollziehen, warum der Roman für den Booker Prize nominiert war. Ich empfehle ihn allen, die historische Romane mit Tiefe und Atmosphäre lieben und an der kolonialen Geschichte von Malaysia interessiert sind.

Bewertung vom 09.04.2025
Tuberkulose
Green, John

Tuberkulose


ausgezeichnet

John Green hat mich schon mit seinen Romanen begeistert – und jetzt auch mit seinem Sachbuch über Tuberkulose. In gewohnt leichtem und flüssigem Stil schreibt er über die tödlichste Infektionskrankheit der Welt. Vor dem Lesen wusste ich selbst nur wenig über Tuberkulose, aber Green trifft aus meiner Sicht genau die richtige Mischung aus Fakten und anrührenden Geschichten, um mich als Leserin gleichzeitig emotional und kognitiv zu erreichen.

Besonders deutlich zeigt er, dass Tuberkulose nicht nur ein medizinisches Problem ist, sondern auch eine Frage sozialer Gerechtigkeit. Es geht um das Verhältnis des globalen Nordens zum globalen Süden, um fehlende Aufmerksamkeit für eine Krankheit, die jährlich 1,5 Millionen Menschen das Leben kostet – obwohl es seit Jahrzehnten wirksame Medikamente gibt. Green fordert klar und eindringlich: Zugang zu lebensrettender Behandlung, erschwinglichere Medikamente, mehr Engagement für eine der größten Gesundheitskrisen unserer Zeit.

Trotz des ernsten Themas liest sich das Buch unglaublich kurzweilig und regt gleichzeitig nachhaltig zum Nachdenken an. Gerade weil ich mich für globale Gesundheitspolitik interessiere, wird mich dieses Buch wohl noch länger begleiten, es bleibt auf jeden Fall in meinem Regal und hat zahlreiche Eselsohren. Außerdem freut es mich, dass das Thema globaler Gerechtigkeit zwischen globalem Norden und Süden durch Green für ein Massenpublikum zugänglich wird.