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Lu
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Hamburg

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Insgesamt 251 Bewertungen
Bewertung vom 25.11.2025
Hewlett, Rosie

Medea


ausgezeichnet

Ich mochte schon das Drama Medea von Euripides, deshalb wusste ich, dass der Stoff rund um Medea, die Nichte der Zauberin Circe, für diesen Roman einfach gut ist: eine mächtige Frau, eine toxische Liebe und ein Held, der bei näherer Betrachtung vielleicht gar keiner ist. In diesem Roman wird all das auf eine Weise neu erzählt, die spannend und modern ist.

Besonders überzeugend fand ich die kritische Perspektive auf Jason, die der Roman einnimmt. Statt als strahlender Anführer erscheint er hier als Paradebeispiel einer „red flag“ – ein Mann, der Selbstzweifel mit Charme übertüncht, Abhängigkeiten schafft und Medea letztlich in eine toxische Beziehung lockt. Ich habe mich beim Lesen richtig über ihn aufgeregt. Dieser Blick auf Jason verleiht dem alten Mythos eine hohe Aktualität und macht Medeas Entscheidungen und letztlich auch ihre Tragik greifbarer.

Trotz der über 500 Seiten blieb der Roman für mich durchgehend spannend. Ich habe den Roman fast in einem Zug verschlungen. Eine große Empfehlung für alle, die moderne Neuerzählungen griechischer Mythen lieben, besonders nach der Lektüre von Circe von Madeline Miller!

Bewertung vom 14.11.2025
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub und der unlösbare Code / Die Mordclub-Serie Bd.5


sehr gut

Der fünfte Band der Erfolgsserie ist gewohnt cozy und sympathisch: Die Rentner:innen-Detektive im Altersheim stürzen sich diesmal in einen Fall mit Hochzeitsvorbereitungen, Entführung, Bitcoin-Verschwörungen und einem geheimnisvollen Code.

Der Plot ist also zwar modern und durchaus spannend, aber die Truppe um Elizabeth, Joyce, Ron und Ibrahim bleibt für mich der entscheidende, alt vertraute Pluspunkt der Reihe. Der Humor funktioniert weiterhin: britischer Wortwitz, liebenswerte Eigenarten der Figuren, die mit Stil altern.

Insgesamt ist der fünfte Band ein stimmiges, liebenswertes weiteres Kapitel in der Thursday Murder Club-Serie mit einem neuen Fall, der zwar nicht unbedingt hoch spannend ist und teilweise Längen hat, aber Spaß macht. Wer die Reihe schätzt, wird hier nicht enttäuscht.

Bewertung vom 14.11.2025
Kebekus, Carolin

8000 Arten, als Mutter zu versagen


ausgezeichnet

Carolin Kebekus berichtet in diesem Buch über ihre Erfahrungen mit Schwangerschaft, Geburt und das große Chaos danach. Mit ihrem typischen Humor nimmt sie Klischees auseinander, erzählt von absurden Erwartungen und zeigt, wie groß die Diskrepanz zwischen idyllischen Babybildern in beigen Babyzimmern und echter, oft ziemlich ungeschönter Realität ist.

Besonders gelungen fand ich, dass sich ironische, witzige Episoden mit ernstgemeinten Reflexionen abwechseln. Kebekus macht sich zwar über den gesellschaftlichen Perfektionsdruck lustig, blendet aber nicht aus, wie verletzend Kommentare oder gut gemeinte Ratschläge sein können und wie viel Unsicherheit, Überforderung und auch körperliche Härte in dieser Lebensphase stecken. Der Ratschlag, sich selbst weniger Druck zu machen, wirkte deshalb sehr authentisch auf mich.

Dass das Buch gut lesbar ist, liegt auch an seinem Tempo: Die kurzen Kapitel, der pointierte Stil und die ehrliche Direktheit haben dafür gesorgt, dass ich es es an einem Vormittag in einem Rutsch durchlesen konnte - was bei Müttern im Stress sicher auch ein Plus ist! Insgesamt ist „8000 Arten, als Mutter zu versagen“ ein sehr sympathisches, kurzweiliges und überraschend tröstliches Buch. Es nimmt Druck raus, entlarvt Mythen und zeigt, dass niemand perfekt ist – und dass das völlig in Ordnung ist.

Bewertung vom 07.11.2025
Wahl, Caroline

Die Assistentin (MP3-Download)


ausgezeichnet

Mit „Die Assistentin“ zeigt Caroline Wahl erneut, dass sie die Kunst beherrscht, Gesellschaftsbeobachtung, psychologische Genauigkeit und unterhaltsames Erzählen zu verbinden. Diesmal nimmt sie sich die Arbeitswelt vor: das Machtgefüge eines Verlags.

Charlotte beginnt als Assistentin in einem Verlag in München. Was als vermeintlich vernünftiger Neustart beginnt, entwickelt sich zu einem Albtraum. Ihr Chef erkennt ihr Potenzial und nutzt es aus. Schritt für Schritt gerät Charlotte in eine Dynamik aus Druck, Anpassung und Abhängigkeit, wie sie viele aus der modernen Arbeitswelt kennen: ständige Erreichbarkeit, Überforderung, das Gefühl, sich beweisen zu müssen. Ihr Chef überschreitet nach und nach immer mehr Grenzen.

Besonders interessant fand ich die Erzählstimme: eine allwissende Instanz, die kommentiert, vorwegnimmt, über das Erzählen eines Romans reflektiert und so immer wieder den Abstand schafft, den Charlotte selbst nicht findet. Dieses Spiel mit Perspektive und Metaebene hebt den Roman sprachlich deutlich von Wahls ersten Romanen ab, hat mir aber richtig gut gefallen. Die Dialoge sind dabei gewohnt pointiert und unterhaltsam, die Protagonistin ist typisch sympathisch unperfekt, während sie ihren eigenen Weg sucht. Trotz der Schwere des Themas liest sich auch dieser Roman leicht und flüssig – ein Buch, das man in einem Rutsch lesen möchte!

Bewertung vom 06.11.2025
Koppel, Benjamin

Großmutters Geheimnis


ausgezeichnet

Benjamin Koppels Roman „Großmutters Geheimnis“ ist ein vielschichtiger Familienroman über Schweigen, Erinnerung und die Weitergabe von Trauma über Generationen hinweg. Die Kapitel wechseln zwischen Alexanders Perspektive im modernen Kopenhagen und Ruths nachträglichen Tonbandaufnahmen aus einem Altenheim in New York, in denen sie zum ersten Mal über ihre verdrängte Vergangenheit während der NS-Zeit spricht. Besonders Ruths Erzählstimme fand ich dabei sehr authentisch, erst nach und nach entfaltet sich ihre Geschichte. Alexanders Geschichte fand ich aber auch interessant: Es geht recht ausführlich um eine Kinderwunschbehandlung mit seiner Freundin Gry. Das hatte ich so detailliert nicht erwartet, fand es aber insgesamt dann sehr stimmig.

Koppel verbindet in seiner Geschichte so die Themen Erbschaft und Identität mit aktuellen Fragen: unerfüllter Kinderwunsch, Beziehungsdruck, emotionale Überforderung. Alexanders Unfähigkeit, seiner Partnerin Gry in der schwierigen Zeit beizustehen, wird plausibel als Ausdruck eines tieferliegenden, generationsübergreifenden Traumas erzählt. Ruths Erzählung über ihre Jugend, Flucht und das Überleben als Jüdin ist der erschütternde Kern des Romans, der von Ruths Erzählstimme lebendig und erschütternd erzählt wird. Der gemeinsame Nenner der Familienmitglieder über die Zeiten hinweg ist dabei die Musik, deren Wirkung im Roman ausführlich beschrieben wird - wer insbesondere Mahler und Verdis Requiem liebt, wird an diesen Beschreibungen seine Freude haben.

Das Ende des Romans, an dem die beiden Erzählstränge zusammengeführt werden, kann man sicher begründet kritisieren, mir hat es aber gut gefallen und es hat mich berührt. Insgesamt war für mich deshalb auch Koppels zweiter Roman nach seinem Debüt „Annas Lied“ eine tolle Lektüre und ich werde auch sein nächstes Buch sehnsüchtig erwarten.

Bewertung vom 03.11.2025
Bähr, Julia

Hustle


ausgezeichnet

Julia Bährs Debütroman „Hustle“ ist eine ebenso unterhaltsam leichtfüßige Lektüre wie bittere Bestandsaufnahme des Lebens im Spätkapitalismus. Im Zentrum steht Leonie, die für einen neuen Job nach München ziehen muss und dort schnell merkt, dass man mit einem akademischen Abschluss in Biologie dort keine Miete zahlen kann. Bald merkt sie, dass sie in München nur gut leben kann, wenn sie aufhört, sich an die Regeln zu halten. So findet sie Anschluss an eine Freundinnenbande, die mit Kreativität und krimineller Energie ihre Ziele verfolgt.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen: Er liest sich leicht, ist zügig und locker erzählt und trifft den Ton unserer Zeit erstaunlich genau. Bährs Sprache ist pointiert und ironisch, ohne die sozialen Probleme zu verharmlosen. Besonders gelungen fand ich, wie sie humorvoll, aber scharf beobachtet zeigt, dass in Großstädten selbst ein solides Gehalt kaum noch für eine Wohnung reicht. Das Thema hat mich persönlich sehr angesprochen – die Wohnungsnot, das Dauerhustle, der Druck, immer mehr leisten zu müssen.

Der Roman bietet damit nicht nur Unterhaltung, sondern auch Kapitalismuskritik für den Alltag: klug, charmant und mit viel Gespür für die Widersprüche moderner Lebensentwürfe. Ein kurzweiliger, relevanter Roman, der Spaß macht und gleichzeitig zum Mitdenken und Mitfiebern anregt. Ich werde die Autorin definitiv im Auge behalten!

Bewertung vom 02.11.2025
Fagan, Kate

Die drei Leben der Cate Kay


gut

„Die drei Leben der Cate Kay“ von Kate Fagan erzählt die Geschichte einer Frau, die immer wieder in neue Leben flieht und dabei ihren Lebensentscheidungen in der Vergangenheit doch nie entkommen kann. Aus Anne Marie Callahan wird Cass Ford, später schließlich die weltberühmte Bestsellerautorin Cate Kay.

Die Idee, eine gefeierte, aber anonyme Schriftstellerin ihre eigene Geschichte erzählen zu lassen, fand ich spannend. Auch der Erzählstil ist angenehm flüssig, und die Übersetzung von Claudia Voit liest sich ebenso stimmig. Dennoch konnte mich der Roman nicht vollständig fesseln. Nach einem starken Beginn verliert die Handlung zunehmend an Tempo – einige Passagen wirkten auf mich zu langatmig und ich habe mich teilweise gefragt, warum diese Geschichte eigentlich erzählenswert sein soll.

Obwohl das Buch Themen wie Schuld, Identität, Queerness und Neuanfang aufgreift, fehlte mir fast bis zum Schluss die emotionale Tiefe, um wirklich mit Cate mitzufiebern. Das hat der Roman erst am Schluss noch geschafft. Insgesamt war es für mich also ein solider, gut lesbarer Roman über die die Frage, ob man die eigene Geschichte je wirklich hinter sich lassen kann – für mich aber ohne den erhofften Sog.

Bewertung vom 29.10.2025
Knörnschild, Julia

Luise braucht 'ne Pause


sehr gut

„Luise braucht ’ne Pause“ ist ein liebevoll gestaltetes Bilderbuch, das Kindern (und ihren Eltern!) auf kindgerechte Weise zeigt, wie wichtig es ist, Pausen zu machen und neue Energie zu tanken: Nach einem anstrengenden Kindergartentag ist Luise völlig erschöpft – und auch ihre Mama steht unter Strom. Erst ein gemeinsamer Ausflug in den Park bringt beide wieder ins Gleichgewicht: Toben, frische Luft und Fantasie helfen, die Batterien von „Energie“, „Kreativität“ und „Freude“ wieder aufzuladen.

Mir hat das Buch vor allem wegen seiner Botschaft gefallen – dass Erschöpfung ganz normal ist und Pausen keine Schwäche, sondern etwas ganz Natürliches sind. Die Illustrationen von Anna Katharina Jansen sind wunderbar farbenfroh, detailreich und laden auf den Doppelseiten zum Entdecken ein. Besonders gelungen fand ich die Idee der „aufzuladenden Batterien“ – ein anschauliches Bild, das auch schon jüngeren Kindern hilft, ihre Gefühle zu verstehen.

Ein kleiner Wermutstropfen: Die Geschichte zeigt eine eher privilegierte Familienrealität – Luise lebt in einem behüteten Umfeld, hat ein eigenes Zimmer und ihre Mutter hat nachmittags Zeit für sie. Der Vater taucht nicht auf. Hier hätte ich mir gewünscht, dass auch andere Lebenssituationen stärker mitgedacht werden, gerade weil das Thema Pausen alle Kinder betrifft. Auf den Fäkalteil bei der Achtsamkeitsübung, schöne Dinge zu suchen, hätte ich auch verzichten können.

Trotzdem überzeugt „Luise braucht ’ne Pause“ mit seiner verständlichen Erzählweise und der Einladung, Achtsamkeit spielerisch in den Alltag zu holen.

Bewertung vom 26.10.2025
Illies, Florian

Wenn die Sonne untergeht


ausgezeichnet

Florian Illies ist wieder in seinem Element: fein beobachtend, elegant formulierend und mit einem unverkennbaren Gespür für Zwischentöne. In „Wenn die Sonne untergeht. Familie Mann in Sanary“ widmet er sich der wohl berühmtesten deutschen Künstlerfamilie im Exil der 1930er Jahre – den Manns – und zeichnet ein dichtes Porträt der Monate, in denen die Familie in Südfrankreich Zwischenstation macht.

Wie schon in seinen bisherigen Büchern gelingt Illies auch hier, akribisch recherchierte historische Fakten mit Atmosphäre, Witz und Tiefe zu verbinden. Sein Blick auf die Familie Mann ist nie voyeuristisch, sondern liebevoll distanziert: Er zeigt die Eigenheiten, Eitelkeiten und Empfindlichkeiten dieser außergewöhnlichen Familie aus den verschiedenen Perspektiven, die klug nebeneinander arrangiert werden. Man spürt den heißen Sommer, die politische Bedrohung und die Zerissenheit der Familienmitglieder. Die Sprache ist, auch typisch Illies, mal einfühlsam und poetisch, dann wieder pointiert und leicht ironisch.

Wer Ilies‘ andere Bücher mochte, wird auch dieses hier lieben. Ich habe es auf jeden Fall sehr gerne gelesen und freue mich schon auf das nächste.

Bewertung vom 24.10.2025
Osagiobare, Nora

Daily Soap


gut

Nora Osagiobare erzählt in Daily Soap eine Familiengeschichte, die sich irgendwo zwischen Satire, Gesellschaftsroman und bissiger Medienkritik bewegt. Im Zentrum steht Toni, eine junge Frau, die sich zwischen Alltagsrassismus, familiärem Wahnsinn und Selbstzweifeln behaupten muss – und dabei in ihrer Lieblingsserie wenigstens kurz Zuflucht findet. Doch als die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen, wird aus der Soap ein Spiegelbild unserer Gegenwart.

Sprachlich und formal ist das Buch mutig: Osagiobare spielt mit Formen und Erzählstrukturen. Fließtext, aber auch Dialoge und Fußnoten ergeben ein wunderbar überdrehtes Ganzes, das die mediale Überforderung der Figuren abbildet. Die ironischen Einschübe und die schnellen Szenenwechsel sind ebenfalls interessant gemacht. In der EBook-Variante waren die Fußnoten allerdings leider immer am Ende eines Kapitels zu finden, was ich nicht so praktisch fand. Ich hoffe, das ist in der Printversion anders. Auch die Themen, die der Roman anspricht, haben mir gut gefallen. Für mich war die Ironie aber insgesamt zu dominant und die Pointen waren zu sehr auf Lacher aus, das ist einfach nicht meins.

Insgesamt ist Daily Soap ein ungewöhnlicher, moderner Roman, der provoziert, unterhält und zum Nachdenken bringt – auch wenn mir der Humor insgesamt zu dominant war.