Ich bin mit „Die Henkerstochter und die Schwarze Madonna“ zum ersten Mal in Oliver Pötzschs große Henkerstochter-Welt eingestiegen – und hatte zunächst Bedenken, ob ich ohne Vorwissen überhaupt mitkomme. Die Sorge war unbegründet: Schon nach wenigen Kapiteln war ich mitten im Bayern des Jahres 1681, in den engen Gassen von Altötting, wo Pilgerströme, kaiserliche Abgesandte und dunkle Machenschaften aufeinandertreffen.
Der Roman beginnt mit einer Wallfahrt der Henkerfamilie Kuisl und wächst sich rasch zu einem historischen Krimi aus: Mord, Giftanschlag und ein möglicher Anschlag auf die „Heilige Allianz“ gegen die Türken. Ich mochte, wie Pötzsch historische Fakten, religiöse Spannungen und echte Ermittlungsarbeit verzahnt. Die Figuren wirkten lebendig, vor allem der alte Scharfrichter Jakob Kuisl – mürrisch, klug und mit trockenem Humor – hat mich sofort für sich gewonnen.
Gelegentlich spürt man, dass es der neunte Band einer Reihe ist: Manche Nebenfiguren haben offenbar lange gemeinsame Vorgeschichten, die nur angedeutet werden. Doch selbst ohne diese Vorkenntnis blieb die Handlung verständlich und spannend. Für mich war dies ein stimmungsvoller, detailreicher historischer Krimi, der Lust macht, die früheren Abenteuer der Kuisl-Familie nachzuholen.
Ich habe "Ritter Sport – Ein Traum von Schokolade" mit großem Appetit gelesen – im wörtlichen wie übertragenen Sinn. Romy Herold (eigentlich ein Schreiber-Duo) erzählt die Geschichte von Clara und Alfred Ritter, die Anfang des 20. Jahrhunderts den Grundstein für die berühmte quadratische Schokolade legen.
Mich hat besonders fasziniert, wie lebendig diese Gründerzeit wirkt: dampfende Kessel, Kakaoduft, das Ringen um jede Rezeptur. Clara ist keine Statistin, sondern die treibende Kraft – entschlossen, erfinderisch, mit einem feinen Gespür für Genuss und Geschäft. Natürlich gibt es Rückschläge und private Dramen, aber der Ton bleibt optimistisch und warmherzig.
Manchmal geht’s ein wenig ins Romantische, doch gerade das macht den Reiz der Lektüre aus: ein historischer Roman, der Unternehmergeist, Familienleben und Schokoladenträume süß und spannend zugleich verpackt. Für mich war es eine genussvolle, inspirierende Lesezeit... und ja, ich habe danach sofort Lust auf eine Tafel "Ritter Sport" bekommen. ;-)
Ich habe "Der stille Freund" von Ferdinand von Schirach in einem Zug gelesen und dabei immer wieder innegehalten, weil mich einzelne Sätze regelrecht festgenagelt haben. Vierzehn Geschichten, scheinbar schlicht erzählt, führen von Berlin bis Namibia, von alten Gerichtsakten zu flirrenden Sommermorgen. Doch zwischen den klaren, fast nüchternen Worten öffnet sich eine ungeheure Tiefe.
Mich hat besonders fasziniert, wie von Schirach das große Menschliche in kleinen Gesten aufscheinen lässt: ein zufälliger Blick, eine kurze Begegnung, eine unscheinbare Entscheidung, die ein ganzes Leben wendet. Jede Geschichte wirkt wie ein präziser Schnitt durch das Gewebe der Wirklichkeit – und plötzlich sieht man, wie fragil und zugleich kostbar alles ist.
Der Titel ist Programm: Dieser Band ist für mich selbst zu einem stillen Freund geworden, der begleitet, tröstet und den Blick für das Wesentliche schärft. Selten hat mich ein Buch so leise und gleichzeitig so nachhaltig begeistert.
Ein erfrischender Ratgeber, der uns nicht sagt, was wir tun sollen, sondern was wir besser lassen sollten. Originell. Mit 52 Punkten zeigt er, wie wir uns das Leben leichter machen können, indem wir die typischen Fehler vermeiden, die wir oft aus Gewohnheit machen.
Ich finde den Ansatz echt cool! Statt ständig nach dem perfekten Weg zu suchen, hilft uns Dobelli, die Fallstricke zu erkennen, die uns oft ins Unglück stürzen. Wie übermäßiger Alkoholgenuss oder schlechte Beziehungen. Alles schon erlebt. Es macht Spaß, seine kurzen und witzigen Kapitel zu lesen, und ich musste bei vielen Beispielen schmunzeln, weil ich mich selbst wiedererkannt habe.
Das Buch gibt dir keinen Schmäh von wegen "Mach das und du bist glücklich". Vielmehr geht es darum, dass man mit ein bisschen mehr Bewusstsein und weniger Quatsch im Leben viel erreichen kann. Es war total befreiend, das zu lesen!
In "Die Heilerin vom Rhein" wird das Leben einer der faszinierendsten Frauen des Mittelalters lebendig. Zunächst dachte ich, Hildegard sei nur eine Nonne, die ein paar Kräutertinkturen und Dinkelkekse erfunden hat. Doch dieser Roman zeigt, dass sie weit mehr draufhatte: Sie war Komponistin, Schriftstellerin, Heilerin und Visionärin. Ihre Kindheit war geprägt von einer strengen Erziehung unter einer fanatischen Vorsteherin, die ihr Gehorsam gegenüber Männern einbläute. Während sie mit ihren göttlichen Eingebungen kämpfte und die Absurdität der kirchlichen Machtstrukturen erkannte, begann sie, für ihre Talente einzustehen.
Das Buch schildert eindrucksvoll, wie Hildegard trotz aller Widrigkeiten ihren Platz in einer von Männern dominierten Welt behauptet. Besonders spannend wird es mit dem Aufeinandertreffen von Richardis und Siger, die Hildegard dazu ermutigen, ihre Fähigkeiten im Heilwesen zu nutzen. Gleichzeitig gibt es eine interessante Liebesgeschichte, die das Ganze noch aufregender macht.
Die Erzählung zieht einen durch die Zeit von den Klöstern im Rheinland bis zu den Kreuzfahrerländern und bietet dabei einen tiefen Einblick in Hildegards beeindruckendes Werk, das bis heute viele Menschen inspiriert. Auch wenn es manchmal etwas langatmig wirkt, ist es dennoch ein fesselndes Buch, das die Stärke und Modernität dieser außergewöhnlichen Frau aufzeigt. Wer sich für Geschichte, Frauenpower und spirituelle Inspiration interessiert, ist hier richtig.
Den Erfolg von Sebastian Fitzek kann ich nur bedingt nachvollziehen. Ich versuche immer mal wieder, mit seinen Büchern warm zu werden aber es fällt mir sehr schwer. Vielleicht ist der Psychothriller einfach auch nicht mein Genre. Gut, das Buch war ein Geschenk, daher habe ich es dann auch gelesen. Dabei ist die Grundidee mit dem Begleittelefon für Frauen, die nachts allein unterwegs sind, eigentlich toll. Bloß was daraus gemacht wird, hat mich weniger überzeugt.
Dies ist ein Thriller, der mehr schockiert als fasziniert. Der Autor erzählt die Geschichte von einem Telefonat zwischen einem ehrenamtlichen Begleiter und einer Frau, die von ihrem Ehemann und einem Serienkiller bedroht wird. Dabei spart er nicht an blutigen und brutalen Details, die den Leser eher abstoßen als mitreißen. Die Figuren sind stereotyp, die Handlung ist voller Zufälle. Die Frau wird als hilfloses Opfer dargestellt, das nur auf die Rettung durch den Mann wartet. Der Serienkiller ist ein sadistischer Psychopath, der seine Opfer nach einem Kalender auswählt.
Der Autor versucht, die Spannung durch einige überraschende Wendungen zu erhöhen, doch diese wirken eher unglaubwürdig. "Der Heimweg" ist ein Thriller, der sich an LeserInnen richtet, die auf der Suche nach Sensationen und Gewalt sind, aber nicht nach Tiefe und Qualität.
Die Kingsbridge-Reihe von Ken Follett erstreckt sich über mehrere Jahrhunderte. Ich mag ja solche Ansätze. In “Die Waffen des Lichts”, dem neuesten Buch, geht es um die Zeit der Industrialisierung in diesem Ort. Neuland für mich, damit hatte ich mich noch nie richtig befasst. Es hat sich gelohnt, ich habe dieses Buch regelrecht verschlungen!
Inhalt: Das Leben der Menschen wird Ende 18. Jhd. durch die neuen Maschinen und damit einher gehende Veränderung der Arbeitswelt total auf den Kopf gestellt. Einige Menschen profitieren von den Möglichkeiten und erlangen Wohlstand, während andere durch die Veränderungen ins Abseits geraten, was für soziale Spannungen sorgt. Die Grausamkeit des neuen Kapitalismus steht der mittlealterlicher Schlachten auf ihre Weise in nichts nach. Es gibt viel Trauer und Bitterkeit in dieser Geschichte, aber auch Aufbruchsstimmung und Optimismus. Dieser emotionale Kontrast ist sehr gut gelungen.
Die Figuren wie Sal und Kit sind liebevoll gezeichnet, ich konnte immer nachfühlen was in ihnen vorgeht. Am meisten konnte ich mich auf Elsie einlassen, die eine Schule gründen will. Sie stellen sich dem Kampf einer Generation, für mehr Gerechtigkeit. Das Thema Automatisierung, und wie Menschen sich selbst überflüssig machen, ist ja momentan wegen K.I. wieder in aller Munde momentan. Follett wird diese Parallele, und damit verbundene Warnungen, nicht zufällig gewählt haben und liefert somit eine echte Zeitgeist Punktlandung. Ich bin sehr angetan und werde das Buch im Winter ein zweites Mal lesen. Unterhaltung und Historie perfekt vereint, auf Follett bleibt auch nach Jahrzehnten Verlass!
"Schatten über Colonia" (E-Book) ist ein Roman der im römischen Köln spielt, für mich mal was anderes. Eine Welt der Kontraste, einerseits hochentwickelt für ihre Zeit, andererseits rauhbeinig. Dadurch interessant. Lucretia, deren Vater mit einer Fischsauce reichgeworden ist, und Quintus, ein zugewanderter halber Germane der sich in der Stadt als Anwalt versucht, sind die Helden. Sie werden in Überfälle von freien Germanen verwickelt und müssen ihre Stadt retten.
Mehr sei hier nicht verraten, denn es läuft auf eine überraschende Auflösung zu. Das Buch balanciert Ermittlung, privates Drama und eine Priese Abenteuer gut aus. Es entwickelt vor allem durch die Dialoge der cleveren Hauptfiguren Charme. Auch Nebenfiguren wie der überforderte Governeur und die undurchschaubare Heilerin bleiben in Erinnerung.
Das Buch enthält viele historische Beschreibungen, die das ganze doch etwas in die Länge ziehen, was aber zugleich diese Welt enorm plastisch wirken lässt. Ich habe jedenfalls viel über die Römerzeit erfahren. Lucretia und Quintus sind ein liebenswürdiges Gespann und es ist zu hoffen, dass die beiden wie ganz am Ende angedeutet, vielleicht noch mehr Fälle lösen.
13 von 13 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.
Ich war sehr neugierig auf "Land im Sturm" von Schiewe wegen des Ansatzes. Dass man das Schicksal einer Familie, oder in dem Fall zwei, über Jahrhunderte weg erzählt, ist nicht neu (Ken Follett). Das alles in einen Roman zu packen, statt in mehrere erscheint dagegen ein gewagtes Projekt. 900 Seiten ist das Resultat schwer und man braucht etwas, bis man durch ist. In dieser Story steht deutsche Geschichte im Mittelpunkt, genauer gesagt, 5 Zeitabschnitte.
Der Roman fängt im Jahr 995 mit der Lechfeldschlacht an, in der die Familien von Arnulf dem Schmied, und die von Ewald von Billung gegen die Ungarn kämpfen. Später setzen sie ihre abenteuerliche Reise fort: Sie wagen sich in der Hansezeit auf die Ostsee, nehmen am Zweiten Kreuzzug gegen die Wenden teil und kämpfen im 30jährigen Krieg sowie gegen Napoleon. Ihre Geschichte ist eine Achterbahn aus Erfolg, Leid und Wiederaufstehen. Schließlich stehen sie während der Revolution 1848 vor einer schweren Entscheidung: Fürsten oder Demokratie?
Dies ist ein enorm ambitioniertes Buch, das sein Konzept sehr gut umsetzt. Ich will mir gar nicht ausmalen wieviel der Autor dafür recherchieren musste. Alle Epochen waren lebendig und die Figuren sind immer sehr greifbar. Und es ist nicht so melodramatisch seicht wie die "Wanderhuren" die so gar nicht mein Ding sind. Lehrreich und spannend, einfach. Aus Deutschland und über Deutschland einer der besten historischen Romane der letzten Jahre wie ich finde.
Mir gefallen historische Geschichten, die auf wahren Begebenheiten basieren. So ist es auch in der "Douglas-Schwestern" Trilogie von C. Jacobi. Die Parfumkette mit dem markanten Logo kennt wahrscheinlich jeder. Hier wird nun erklärt, wie diese Firma aufgebaut wurde. Und es sind in diesem Fall zwei starke Frauen, eigentlich sogar drei, die dahintersteckten! Die Geschichte handelt von den Schwestern Anna und Maria Carstens, die 1910 ihre erste Parfümerie in Hamburg eröffnen. Den Namen Douglas leihen sie sich durch einen Deal mit und von Berta Kolbe, die die gleichnamige Seifenfabrik betreibt. Win-win für alle.
Doch die Schwester müssen mutig gegen alle Widerstände kämpfen, auch in der eigenen Familie, um aus ihrem Herzensgeschäft ein Imperium zu machen. Natürlich gibt es viele Neider und Leute, die ihnen einreden dass sie es nicht schaffen. Aber es ging ja gut aus, wie wir heute in jeder Fußgängerzone sehen können. ;-) Eine tolle Gründerinnen Story, die Mut macht das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sehr gut geschrieben und getaktet, sodass man immer noch eine Seite mehr lesen will. Alle drei Bände lohnen sich.
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