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Momone
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Bewertung vom 20.05.2014
Das wilde Määäh / Das wilde Mäh Bd.1
Walder, Vanessa

Das wilde Määäh / Das wilde Mäh Bd.1


ausgezeichnet

Irgendwann zwischen Nacht und Morgen setzt ein Zweibeiner ein schwarzes Wollknäuel im Wald aus, das prompt anfängt, ganz jämmerlich zu heulen: Määäh. Angezogen von diesem Laut versammeln sich alle Waldtiere und beraten, um welche Art von Tier es sich handeln könnte und warum es leicht nach Mensch duftet. Behalten will es keiner, alle befürchten Ärger und so bietet der Fuchs an, es zu "kosten". Doch eines kann das Tierchen schon: anderen über die Nase lecken. Das ist gleichzeitig der anerkannte Wolfsgruß und da die betreffende Nase der Rudelführerin Rhea gehört, adoptiert sie den Kleinen kurzerhand. Nur seine große Schwester Feder fragt noch verwirrt "Ham-ham?" Das wird dann gleich sein Name: Ham.

Nun kann auch eine Kinderbuchautorin die Naturgesetze nur begrenzt umwerfen und so bleibt Ham ein eigenartiger Wolf: Er ist Vegetarier, sosehr er sich auch bemüht, das Eichhörnchen zu fressen. Seine Zähne sind ganz falsch, zwei davon hat er sogar auf dem Kopf. Seine Pfoten sind auch nicht richtig. Sein Fell ist anders. Er kann nicht so gut laufen und heulen und jagen und knurren wie seine Geschwister.
Seine Familie stört das nicht. Jeder hat seine Gaben und entsprechend seine Aufgaben ... doch Ham selbst spürt, dass etwas nicht stimmt. Vor allem, als er sich mit Rehbock Flöckchen anfreundet und nicht die geringste Lust verspürt, ihn zu fressen. Das dankt der ihm mit einer Freundschaft, die echter und tiefer nicht sein könnte.
Und als Ham erfährt, dass er kein gebürtiger Waldbürger ist und sich auf die Suche nach seinen Wurzeln macht, sind beide an seiner Seite: Familie und Freunde.

Bei den folgenden Abenteuern sind sowohl Feders Führungsqualitäten als auch Flöckchens Loyalität gefragt. Doch am Ende siegt vor allem eine von Hams Eigenschaften: Seine unerschütterliche Liebenswürdigkeit. Die wird von Madame Katze gehörig auf die Probe gestellt, doch auch diese Diva erweist sich als nötig für das merkwürdige Rudel, andernfalls würde der Ausbruchsversuch des Jungstiers Quentin schon nach wenigen Stunden enden.

Als roter Faden zieht sich Hams Suche nach seiner Herkunft durch das Buch und auch als erwachsener Leser ist man gespannt, warum er im Wald gelandet ist. Gleichzeitig führt die Geschichte aber auch über verschiedene Stationen ganz selbstverständlich die großen Themen mit: Freiheit versus Bequemlichkeit/Schutz, Gene versus Selbstbestimmung.

Allein das macht das Buch schon zu etwas Besonderem. Bislang galten Kinderbücher mit "Moral" schon fast als "unmoralisch". Weil erhobener Zeigefinger und so weiter. Walder macht aber in ihrem Buch nie einen Hehl daraus, wo ihr Herz schlägt: Familie, so die Aussage, ist schön und wichtig und natürlich will jeder wissen, wo er herkommt. Doch wo man hingehört, das verrät einem nicht das Blut. Und so schön es ist, regelmäßig Fressen vorgesetzt zu bekommen, von Zäunen beschützt zu werden und in einem warmen Stall zu schlafen - es kostet einen die Freiheit. Und wer sie wieder haben will, nachdem er sie aufgegeben hat, der muss etwas dafür tun. Zeitgemäßer könnte eine Aussage kaum sein.

Was für mich an diesem Buch aber das Schönste ist, sind die traumhafte Sprache und der umwerfende Humor. Es gibt wenige Bücher, bei denen ich laut auflache - durch das "Wilde Määäh" wurde es eines mehr.
Sprachlich ist das Buch ein Juwel. Der erzählende Text erinnert an alte Klassiker wie Bambi oder Das Dschungelbuch, Wind in den Weiden ... Die Dialoge hingegen könnten so ähnlich heutigen Klassenzimmern entspringen. Gerade Flöckchen, Feder und Ham unterhalten sich wie heranwachsende Kinder und Jugendliche. Und das klingt so natürlich und echt, dass es das reinste Vergnügen ist.

Das Cover hat mich schon magisch angezogen, die Illustrationen im Inneren finde ich (mit Ausnahme der etwas statisch anmutenden Gruppenbilder) noch besser. Kompliment an Zapf!

Alles in allem ein wunderbares, zeitloses Kinderbuch, bei dem einfach alles stimmt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.