Die Fünfziger Jahre - gesellschaftskritisch gesehen
Detailliert wird das Leben der zwei Hauptfiguren Vera und Eberhard beschrieben, wie sie sich kennen lernen, durchgehend aus Veras Sicht - wie sie zusammenziehen, ihre Urlaube und der Aufstieg des Gatten. So unterschiedlich sie sind, scheint das Zusammenleben doch einigermaßen harmonisch. Durch die gehobene Stellung ihres Mannes eingezwängt in gesellschaftliche Verpflichtungen, erfüllt Vera dessen Erwartungen, und das hohe Einkommen entschädigt für manches - bis der Zeitgeist sich ändert ...
Die Symbiose der zwei Protagonisten wird in einer etwas geschraubten, umständlichen Sprache und in Schachtelsätzen geschildert. Es ist in der Gegenwart geschrieben, für mich gewöhnungsbedürftig. Selbst in den Momenten, wo es "zur Sache" geht, wirkt die Erzählweise distanziert, und Sympathie stellt sich für die Hauptdarsteller kaum ein.
Hildegard von Bingen - Weisheiten einer Klosterfrau des Mittelalters
Das Büchlein enthält neben einigem Kräuterwissen als medizinische Hilfe und einfachen Rezepten aus der Zeit vor 900 Jahren hauptsächlich Hildegards Regeln für gottgefällige Lebensweise, Mäßigung, Pflichtbewusstsein und Geduld - wie es einer Klosterfrau geziemt. Doch sie gibt auch Ratschläge für das Zusammenleben von Mann und Frau, männliche und weibliche Lust, die durchaus nicht lebensfern und altmodisch wirken. Wichtige Weisheiten für schwierige Lebenslagen und heilsame Sprüche - natürlich religiös gefärbt - ergänzen das kleine Buch, das auch heutigen Menschen noch etwas geben kann.
Das Leben hat viele Farben
Den einzelnen Kapiteln sind Farben vorangestellt - blutrot, kreideweiß, altgold, betongrau, stahlblau ... Ein buntes Kaleidoskop tut sich auf - in der griesen (grauen) Gegend nahe der Elbe und den weiteren Orten, in die es die Personen verschlägt. Der Roman umspannt eine wirklich lange Zeitdauer von 1967 über 1989, wo sich mit der Wende vieles ändert, bis zum Jahr 2010. In ruhigem Erzählstil entwickelt sich die Geschichte zweier Dorfkinder - Andi und Jule.
Im Verlauf des Buchs erfährt man, was das Leben in der damaligen DDR für Heranwachsende bedeutete, FDJ-Hemden, Pionierhalstücher, Lehre und drei Jahre Wehrdienst bei der NVA machen, bevor man für das Studium zugelassen wird - außer wenn die Eltern Beziehungen zu wichtigen Menschen haben ... Der bodenständige Andi geht diesen Weg, aber Jule zieht es in die weite Welt, auf der Suche nach ihrem Vater. In Rückblenden wird später erst klar, wie es zu der Situation kommt, wie die Eltern von Jule zueinander gefunden haben und wieder getrennt wurden - Ruth, die dem Ruf des Herzens folgt ist und eine dem Vater genehme Verbindung sausen lässt, und Tom, der als Fotograf in den Westen reisen will, aber inhaftiert wird.
Ziemlich unwahrscheinliche Geschichte - dass sich Menschen nach jahrelanger Suche doch nicht treffen und dass man andererseits, ohne lange gesucht zu haben, jemanden wiederfindet. Man wünscht dem jungen Paar doch ein Happy End, aber ...
Trotz einiger etwas langatmiger Beschreibungen ist dieser Roman angenehm zu lesen.
Biographie und historischer Roman zugleich
Dieses Buch von Philippe Collin beschreibt den verschlungenen Lebensweg von Frank Meier, einem österreichischen Juden und beruht auf wahren Begebenheiten. Die Weltgeschichte greift hier in die persönliche Geschichte ein. "The Artistry of Mixing Drinks" ist das Buch, das Frank Meier, Barmann des Ritz in Paris, geschrieben hat und das ihn bekannt und berühmt gemacht hat. In Auszügen aus seinem Tagebuch lernt der Leser die Personen kennen, die auf seinen verschiedenen Stationen (London, New York, Fremdenlegion) eine Rolle spielten und denen er nun in der Gegenwart wieder begegnet - im von den Nazis besetzten Paris während der Kriegsjahre. Frank Meier als Barmann im Luxushotel, seine Kunden sind Berühmtheiten, Diplomaten, Geschäftsleute, Denunzianten, Schriftsteller, Schwarzmarkthändler, Luxusdirnen und Offiziere der Wehrmacht. Ihnen kredenzt er die weltberühmten Drinks. Was er hinterm Tresen hört, kann ihn und mehrere Freunde in Lebensgefahr bringen, denn jeder seiner Gäste unterhält Beziehungen in den unterschiedlichsten Kreisen ...
Es ist die spannende Geschichte eines außergewöhnlichen Lebens - interessant auch der Anhang mit Fotos von einigen der Akteure und kurzer Zusammenfassung ihres Schicksals nach Kriegsende.
Eine Winternacht 1880 - ein mysteriöses Verbrechen
Mika, ein zwölfjähriges Mädchen, lebt um 1880 in Stockholm in einem Waisenhaus. In einer bitterkalten Nacht wird ein neugeborenes Findelkind dort abgegeben. In der gleichen Nacht geschieht ein Mord. Gibt es einen Zusammenhang? Wer lügt oder hat etwas zu verbergen? Mikas hartes Leben hat sie sensibel gemacht für Feinheiten, die Erwachsene leicht übersehen. Sie hat eine besondere Beobachtungsgabe entwickelt und wird ausgewählt, um dem ermittelnden Kommissar Valdemar Hoff zur Hand zu gehen. Können die zwei ungleichen Ermittler den mysteriösen Fall aufklären?
Meisterhaft hat Johan Rundberg die unheimliche Atmosphäre geschildert - in den nächtlichen Straßen, im ärmlichen Waisenhaus, sogar im Leichenkeller, in dem Mika zusammen mit dem Kommissar die Ermittlungen beginnt.
Ein spannender Krimi für Kinder ab 10 Jahren
Die Welt der Kleinstlebewesen - mit faszinierenden Bildern
In Sachbüchern über Naturthemen teilt die junge Biologin Jasmin Schreiber ihre Begeisterung für die Welt im Kleinen. Wenn wir es sehen könnten, würden wir nur noch staunen und bewundern: das Gewimmel im Moospolster, unter Steinen oder im Totholz, die seltsamen Kreaturen, die unseren Augen wegen ihrer Winzigkeit verborgen bleiben und die Vielfalt ihrer Farben und Formen. Unbemerkt existieren dort furchterregende Kreaturen mit Hörnern und Panzern ebenso wie drollige Winzlinge. Prächtige Makrofotos bringen uns diese Miniaturwelt nahe.
Jasmin Schreiber hat sich auf das Erforschen dieser besonderen Lebensräume in Wasserpfützen oder im Waldboden spezialisiert. Im Text schildert sie die Faszination, die das Entdecken der Natur auf sie ausübt. Eindringlich ruft sie auch zum Schutz dieser Kleinstlebewesen auf, denn ohne deren Arbeit - das Zersetzen von abgestorbenen Pflanzen und toten Tieren - wäre die Erde längst unbewohnbar. Diese kleinen Lebewesen halten den Kreislauf des Lebens in Gang. Sehr schöne Fotos von Insekten und anderen Kleinstlebewesen in ihrer natürlichen Umgebung - ein Buch, das jedem Naturfreund gefallen wird!
Sehr spannend - mit einer unerwarteten Wendung
Ein geheimnisvoller Fremder kommt in das abgelegene Küstendorf, wo der Krabbenfischer Thomas Flett ein einfaches Leben führt. Der Amerikaner engagiert ihn, um ihn mit seinem Pferdekarren bei Ebbe im Watt zu möglichen Drehorten zu fahren. Der junge Krabbenfischer ist fasziniert von den Einblicken in die Glitzerwelt des Filmbusiness, von dem der Gast erzählt.
Offenbar ist trotz des scheinbaren Erfolges und der erworbenen "Reichtümer" nicht alles so erstrebenswert, wie es scheint. Ist Atchison wirklich zum ersten Mal in der Gegend, ein Locationscout auf der Suche nach Drehorten, ist das überhaupt sein richtiger Name? Lange wird philosophiert auf der Fahrt zum Wasser an einem trüben, nebligen Morgen. Die Beiden reflektieren ihre Lebensumstände - bis es plötzlich lebensgefährlich wird. Vollkommen unerwartet kommt das Übernatürliche ins Spiel.
Anfangs hatte Thomas sich von der Bekanntschaft mit dem Amerikaner den Zugang zu einem besseren Leben erhofft. Den gibt es auch, denn seine geheimen Wünsche erfüllen sich - aber anders als er es sich vorgestellt hat. Auf der letzten Seite führt ein Link zu Thomas' erstem selbst komponierten Song, und man kann "Seascraper" hören.
Ein Frauenschicksal zu Anfang des vorigen Jahrhunderts
Der Autor Henning Sußebach hat sich vorgenommen, das Leben seiner Urgroßmutter Anna nachzuzeichnen, die 1887 mit zwanzig Jahren als Lehrerin in ein kleines Dorf im Sauerland zieht. Nur wenige Anhaltspunkte für Nachforschungen gibt es, einige Fotos, zwei Poesiealben aus ihrer Jugend, einige Notizbücher, Briefe und Dokumente. Daraus rekonstruiert er ihr Leben.
Parallel zu der persönlichen Geschichte spielt sich ja auch die Zeitgeschichte ab - in Deutschland und international. Sie wird auch aufgezeichnet - Erfindungen, Krieg, politische Entwicklungen, Auszüge aus Verwaltungsvorschriften mit teils kuriosen Einzelheiten. Dabei wird es ganz deutlich, wie stark diese Gesetze und Konventionen die junge Lehrerin einengen. Beispielsweise musste sie unverheiratet bleiben - das Lehrerinnen-Zölibat ... (In meiner Schulzeit in den fünfziger Jahren haben wir die Lehrerinnen auch noch als "Fräulein" angeredet.) Auf Annas Klassenfotos sind alle, Kinder wie Lehrer, so schrecklich steif und ernst ... ihr Gesicht streng, fast schon mit bitteren Zügen. Dann Heirat - das bedeutet Ausscheiden aus dem Schuldienst und Verlust der Pension - und nach wenigen Wochen schon verwitwet. Wie hart schlägt das Schicksal manchmal zu! Doch Anna gibt nicht auf - als Nachfolgerin des früh verstorbenen Mannes übernimmt sie die Poststelle und die Gastwirtschaft. Sie zieht ihren Jungen alleine auf. Nach zehn Jahren heiratet sie zum zweiten Mal und bekommt ein kleines Mädchen. Am Ende ihres Lebens muss Anna noch eine schwere, unheilbare Krankheit ertragen - ohne die Medikamente, Antibiotika und Schmerzlinderung, die wir heute haben. Da hat mir die tapfere Frau noch mehr Leid getan.
Dieses Buch hat mir die Generation um die vorletzte Jahrhundertwende näher gebracht: unsere Urgroßeltern. Wenn sie nicht gelebt hätten, gäbe es uns heute nicht. Beim Lesen des Buches ist mir (wieder mal) klar geworden, wie viel Zeit und wie viele kleine Schritte nötig waren, um Schulen, Technik, Verkehr auf den Level zu bringen, der heute Standard ist.
Ich bewundere den Mut, mit dem frühere Generationen das Leben angegangen sind - ohne die vielfältigen Hilfsmittel und Informationsmöglichkeiten, die heute zur Verfügung stehen.
Auf jeden Fall kann man das Zitat unterschreiben: wir sind Zwerge auf den Schultern von Riesen ... und Riesinnen.
Die Zukunft der Menschen - per aspera ad astra!
Tim Julian Ruster, auch bekannt als ASTRO-TIM aus YouTube, TikTok und Instagram, zeichnet mit diesem Buch ein optimistisches, technologiefreundliches Bild von der Zukunft der Menschheit. Von wegen - Erde kurz vor dem Kollaps, Homo sapiens als Krankheit des Planeten ... Woher kommt dieser Optimismus? Erst mal gibt die bisherige Forschung ja Hoffnung auf positive Entwicklung. Die einzelnen Kapitel beginnen mit einem kurzen Rückblick - der Stand der Zivilisation vor 50, 100, 200, 400, 800 oder auch 1.000 Jahren - und dann geht es mit Riesenschritten in die genauso weit entfernte Zukunft. Wie werden die Menschen wohl in der fernen Zukunft, wenn sie längst Stationen im Weltraum besiedelt haben, auf unser Leben im Jahre 2025 zurückblicken? Tim Ruster entwickelt Zukunftsvisionen, die weit über unsere Vorstellungskraft hinausgehen. Er sieht das Buch als Aufruf, mit Vorfreude und Zuversicht in die Zukunft zu blicken.
Spannendes Buch - locker geschrieben und mit Anekdoten versehen wird es eher Jugendliche ansprechen, aber Erwachsene profitieren auch von den einfachen Erklärungen komplizierter wissenschaftlicher Theorien.
Eine Mutter verschwindet
Verletzungen, Verlust, Ängste - das hat ihre Mutter bei Marianne angerichtet, als sie einfach ohne Erklärung aus der Familie verschwand. Die Achtjährige hat sehr genaue Erinnerungen an ihre Kindheit - Glück und Geborgenheit, die sie in der Nähe der Mutter spürte, aber auch Geheimnisse, alter Aberglaube, magische Beschwörungsformeln ... Schade, dass man die Kinderreime - oder sind es Zaubersprüche - nicht kennt, die jedes Kapitel einleiten. Man müsste natürlich auch das mittelalterliche Gedicht "Pearl" kennen, in dem ein Mann eine Perle verliert und sie schließlich nach langem Suchen und Trauern wieder findet: sie hat sich in eine perlenbekleidete Jungfrau verwandelt und lebt mit anderen Mädchen in einem paradiesischen Garten auf der anderen Seite des Flusses. Symbolhaft wie so vieles, das Marianne glaubt und empfindet. Psychische Probleme hat die verschwundene Mutter ihr vererbt. Eindrucksvoll schildert Marianne, wie sie eine vorübergehende Psychose erlebt. Hätte man das Kind aufgeklärt über alles, was die Erwachsenen (das ganze Dorf) wussten, wäre ihr mancher Irrweg erspart geblieben. Denn sie muss warten, bis sie selber erwachsen und Mutter einer Tochter ist, bevor sich das Geheimnis lüftet, warum ihre Mutter aus der Familie fortging. Nach alledem kann sie ihr vergeben. Ein sehr eindringlicher Roman!
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