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Emmmbeee
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Österreich

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Insgesamt 27 Bewertungen
Bewertung vom 05.10.2025
Kaiser, Vea

Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels


ausgezeichnet

Erzählerisches Feuerwerk

Nachdem ich Vea Kaisers Erstlingswerk „Blasmusikpop“ bereits gelesen hatte, erlebte ich sie 2013 an den Solothurner Literaturtagen. Als sie beim Vorlesen zu der Stelle gelangte, wo die Nordic Walkerinnen den jungen Johannes im Gemüsegarten seiner Eltern den Rausch ausschlafen sahen, brach sie auf der Bühne in einen Lachkrampf aus, der sich gewaschen hatte. Erst verblüfft, dann total angesteckt wieherte das zahlreich erschienene Publikum mit, bis die Autorin sich nach Minuten wieder fassen konnte.
Nun also dieses neue Werk, in dem eine junge Frau aus dem Gemeindebau namens „Veza Canetti-Hof“ (die Ehefrau von Elias Canetti hieß so) mit wenig Geld zu überleben versucht. Neben ihrer Arbeit im Grand Hotel Frohner schaut sie zu ihrer dementen Mutter und hat bald auch ein Baby (mit einem Vater, der zu nichts zu gebrauchen ist) noch obendrauf. Dennoch schafft sie es einige Treppen empor, wenn auch nur dank einiger sinistrer Manipulationen.
Der ganze Roman „Fabula Rasa“ ist erneut ein ausuferndes, würziges Erzähl- und Sprachfestival. Kaiser stürmt durch die Geschichte, dass es ein Vergnügen ist. Man spürt, dass sie ihre Figuren innig liebt und diese bereitwillig mitspielen. Mit längst anerkanntem Fabuliertalent hopst die Handlung leichtfüßig von Satz zu Satz, dennoch ist die Story aber durchaus lebensnahe und ernsthaft, soll sie doch auf Tatsachen beruhen. So gesehen passt sie haargenau zu Wiens städtischem Hintergrund.
Groteske Situationen, dreiste Betrügereien, sehr wirklichkeitsnahe Szenen mit kleinen Kindern und nichtsnutzigen Menschen (sowohl als auch) wechseln sich ab mit nahegehenden Bemühungen einer jungen Frau ums Überleben als alleinerziehende Mutter.
Mit viel Verve und einzigartigem erzählerischem Furor, mit unwiderstehlicher Schlagfertigkeit, Tempo und Witz galoppiert die Autorin durch die Geschichte, übersprudelnd und furios schildernd. Tragikomik wechselt sich ab mit Einfühlungsvermögen, der Auftritt von Herzensbrechern mit dem Einbrechen erfolgreich verlaufender skurriler Katastrophen. Es ist ein heftig geschüttelter Mix aus dem, was ein Leben von ganz unten herauf mit sich spülen kann, ein sprachlicher Farbtopf, verarbeitet zu pittoresken Bildern. Trotz allen Irrsinns geschrieben mit liebevollem Blick und Klugheit, jedoch ohne erhobenen Zeigefinger.
Zwar nicht im Dialekt verfasst, aber dicht übersät mit Wiener Ausdrücken, die ein Glossar am Ende des Romans nur teilweise erklärt. Zur Ergänzung: ein Tschecherl ist ein schäbiges Gasthaus; Gfüüte (Gefüllte) sind wohlhabendere Leute.
Mal so ausgedrückt und zusammengefasst: Der Titel Fabula Rasa verheißt in freier Interpretation auch das, was zwischen den Buchdeckeln zu lesen ist: ein rasantes Drauflosfabulieren um eine Familiengeschichte, was ja Vea Kaisers Spezialität und Markenzeichen ist. Lesevergnügen von A bis Z, ich empfehle diese Lektüre sehr!

Bewertung vom 02.10.2025
Yueran, Zhang

Schwanentage


sehr gut

Treu ergeben

Obwohl das Kindermädchen einer reichen chinesischen Familie im Begriff ist, ihre Entführungspläne mit ihrem Zögling umzusetzen, muss sie anders reagieren, als ihr Chef verhaftet wird und seine Frau verschwindet. Jetzt trägt Yu Ling plötzlich die ganze Verantwortung für den Jungen und das Haus. Wie sie mit der Situation umgeht, will ich nicht verraten, das muss jeder Interessierte selbst lesen.
Hier geht es um eine sehr loyale junge Frau, sowohl was ihre Familie als auch ihre Arbeitgeber betrifft, damals wohl eine Rarität unter den Angestellten. Und das, obwohl sie ringsum eine große Wankelmütigkeit wahrnimmt, auch bei ihren Chefs. Einzelne Außenstehende und ungünstige Tatsachen kommen hinzu und fordern sie in ihren Entschlüssen. Was im Zug der Handlung recht unwahrscheinlich wird, ist, dass sie bescheiden und still bleibt, wie das auch in der fernöstlichen Literatur zum überwiegenden Teil deutlich erkennbar ist. Doch geht es in der Handlung keineswegs um Traditionen, sondern um das moderne Leben, um Umstürze und neue Rechte.
Der Sprachstil ist frisch, zeitgemäß, fließend, hat Drive und Farbe, Spannung besteht von Beginn an. Die Figuren, vor allem die weiblichen, sind scharf umrissen, wobei Yu Ling eindeutig die Sympathien und ein großes Maß an Mitleid für sich verbuchen kann.
Das Coverbild deutet keineswegs auf die Schwäne im Titel hin, eher auf ein gewisses Maß an Macht, Unterdrückung und Eitelkeit. Es gefällt mir trotzdem gut in seiner Dynamik.
Mir ist aufgefallen, dass dieses Buch nicht nur eine ganz eigene Haptik spüren lässt, sondern auch einen eigenen, leicht säuerlichen Geruch hat.

Bewertung vom 29.09.2025
Maschik, Anna

Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten


sehr gut

In wenigen Worten viel erzählt

In diesem Roman ist vieles ungewohnt: der Titel, das Cover, der locker gestreute Text und natürlich die Personen und die Vorgänge. Es ist eine eher ungewohnte Art des Erzählens, wenn auch Rückblenden in der Gegenwart geschrieben sind. Das alles hat mich von Beginn an mitgerissen, und ich habe an einem Stück von A bis Z gelesen.
Schon dass mit der Schlachtung eines Schafes begonnen wird, nimmt einem rasch gefangen. Ich habe das dampfende Blut förmlich gerochen. Der Roman kommt in Zitaten, Aufzählungen, Sprüchlein, Listen daher, in zwei Fällen bleibt es auch beim Titel und einer vielsagenden leeren Seite darunter. Oder mit gänzlich weißen Seiten.
Viele Szenen sind natürlich auch zeitversetzt. Was die Erzählerin Alma uns wissen lässt, klingt manchmal sehr unwahrscheinlich, ja märchenhaft, dann wieder bestechend real. Aber das Wahrscheinliche ist eigentlich gar nicht so wichtig, denn es geht um das Erzählen und damit das Tätigwerden der Fantasie des Lesers. Doch durchaus der Wirklichkeit entsprechend sind die politischen Veränderungen und dadurch ihr Einwirken auf die Familie.
Mir ist aufgefallen, dass auch viel Kälte aus den Zeilen strömt. Sogar das Saure der Tropfen der Zitronen ist in der Geschichte immer wieder deutlich spürbar. Sowohl als Einsprengsel der Schilderung gewisser Härten als auch als Verbindungselement zwischen den Szenen. Manche Geschehnisse hätten mich jedoch noch weiter interessiert.
Karg wie der geschilderte Alltag ist auch die klare, schlichte und schnörkellose Sprache. Die formale Gestaltung des Buches gestattete es einer schon sehbehinderten Seniorin wie mir, den Text leicht zu lesen, wegen der lockeren Kapitelführung und dem großen Druck. Die Kapitelabstände laden den Leser ein, weiße Stellen mit eigenen Fantasien zu füllen.
Ich habe erwartet, einen vier-Generationenroman mit bedeutend mehr Text vorzufinden. Doch auch mit wenigen Worten, manchmal nur Andeutungen, ist außerordentlich viel erzählt. Bravo, das muss man erst einmal können! Es braucht sicher Mut, damit einen Erstlingsroman vorzulegen und Erfolg anzustreben. Dieser wird der Autorin Anna Maschik ganz bestimmt gelingen.
Die Covergestaltung finde ich genial, das Buch fällt in Auslage und Büchertisch sofort ins Auge. Eine Lese-Empfehlung!

Bewertung vom 28.09.2025
Graw, Theresia

In uns der Ozean


ausgezeichnet

Lesenswerter biografischer Roman

Eine junge Amerikanerin, welche die Natur nicht nur liebt, sondern auch die großen und globalen Zusammenhänge in ihr erkennt, muss kurz vor ihrer Promotion das Biologiestudium abbrechen. Obwohl sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiter forscht und auf große Gefahren und Schäden durch den ungezügelten Gebrauch des „Wundermittels“ DDT stößt, findet sie kaum Gehör. Auch, weil sie als unmündig betrachtet wird, weil sie unverheiratet geblieben ist. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde auch im ernsthaften Krankheitsfall nicht mit den Frauen selbst gesprochen, sondern nur mit ihren Ehemännern. Gar noch die damals verbotene gleichgeschlechtliche Liebe unter Frauen wurde als Tabu behandelt. Das Buch spricht also nicht nur ein großes Thema an.
Es geht hauptsächlich um die Vorarbeit und das Verfassen von Rachel Carsons Buch „Silent Spring“. Dabei ist es ein ebenso unterhaltsamer Text wie Carsons (1907 – 1964) andere Natur-Romane, welche dem einen umstrittenen Werk vorangegangen sind und von denen die Leser begeistert waren. Erschütternd ist, wie sie selbst, vermutlich unter dem Einfluss von DDT-Einsätzen schwer krebskrank wird, sodass sie den Triumph ihrer Mahnung nur noch todkrank erleben darf.
Ich muss gestehen, dass ich Carsons Bücher (allesamt Bestseller) bis jetzt nicht kenne. Doch müssen sie ebenso lebendig und farbig geschrieben worden sein wie dieser biografische Roman über Carson, verfasst von Theresia Graw. Fließend und spannungsgeladen ist ihr Schreibstil, deutlich die Figuren gezeichnet, ihr Handeln nachvollziehbar. Manchmal möchte man eingreifen und den einen oder anderen ignoranten Menschen rütteln, damit er nicht so in seinen Vorurteilen verhaftet bleibt und keine so unvernünftigen Entscheidungen trifft. Während in den meisten angeführten Fällen die Männer (Frauen hatten damals ja wenig zu melden) in ihrer Argumentation schwammig blieben und keine ihrer Behauptungen wirklich belegen konnten, kämpfte diese mutige Frau mit erwiesenen Fakten, und das bis ans Ende ihrer Kräfte.
Mir hat dieses Buch nicht nur durch seinen Unterhaltungswert gefallen, sondern weil jeder Leser unendlich viel daraus lernen kann. Ich würde es jedem, ob naturinteressiert und umweltbewusst oder nicht, in die Hand drücken.

Bewertung vom 24.09.2025
Rytisalo, Minna

Zwischen zwei Leben


gut

Konnte mich nicht überzeugen

Nach einer Trennung und dem Flüggewerden ihrer Kinder besinnt sich eine Frau auf sich selbst und beginnt ein neues Leben. Vieles geht ihr durch den Kopf. Wie weit hat sie nur die Ansprüche der anderen Leute um sich herum erfüllt? Wie oft nahm sie sich selbst zurück, wurde im Hier und Jetzt immer blasser und substanzloser? Wie von unendlich weit her tauchen die Stimmen allseits bekannter weiblicher Märchenfiguren auf, die ihrerseits in ihrer vorgängigen Geschichte versucht hatten, entgegen dem feindlich gesinnten Umfeld sich durchzusetzen und den eigenen Weg zu beschreiten. Auch Jennys Schwester und ihre Therapeutin melden sich zu Wort und versuchen zu raten und zu helfen. Lasst es mich vergleichen mit dem Hintergrundchor (aus dem Off) wabernder Geister auf einer Bühne.
In einer schönen, gepflegten, beinahe schon poetischen Sprache führt uns Minna Rytisalo in die Welt ihrer Heldin Jenny Hill, vormals Jenni Mäki. Den Überlegungen konnte ich gut folgen, mich in ihr Denken einfühlen, denn die Erwartungen anderer Leute und die Auseinandersetzung damit kenne ich zur Genüge. Doch habe ich die erzählerische Spannung vermisst, den Drive, eine vorantreibende Handlung. Über weite Strecken kam es mir recht langatmig vor. Die Figuren der Personen, auch die der Jenny selbst, scheinen mir eher konturenlos gezeichnet.
Das Cover finde ich – sorry! – eher kraftlos langweilig. Etwas weniger Rosa würde vielleicht mehr Energie vermitteln, denn die kommt erst gegen Schluss in Ansätzen vor.
Es tut mir leid, aber mich hat der Roman nicht zu fesseln vermocht, die Aufmerksamkeit beim Lesen vermochte ich nie lange zu halten. Ich wüsste auch nicht, wem ich den Roman empfehlen könnte.

Bewertung vom 21.09.2025
Kuhn, Yuko

Onigiri


sehr gut

Symbol für familiäre Zuneigung

Bevor ihre Mutter von der Demenz gänzlich eingeschränkt ist, fährt ihre Tochter Aki mit ihr nach Japan. Anlass ist auch der Tod ihrer dortigen Großmutter. In Rückblenden wird das Leben einer Familie zwischen zwei Welten, Japan und Deutschland, dargestellt. Es sind große Gegensätze, zwischen denen Aki und ihr Bruder Kenta während ihrer Kindheit und Jugend in Europa lavieren, um nur ja keine Fehler zu machen. Die Demenzkranke, eine Japanerin, hat in Deutschland studiert, einen Deutschen geheiratet und hat mit ihm zwei Kinder. Von ihrer Schwiegerfamilie nie richtig angenommen, hat die Frau ihr Leben dennoch auf bewundernswerte Weise gemeistert.

Jedes der zwölf Kapitel ist mit einem Begriff betitelt, der für einen bestimmten Themenbereich steht. Im Glossar wird erläutert, was mit den japanischen Wörtern gemeint ist. Sowohl der Buchtitel als auch das Cover geben anfangs vermutlich vielen Lesern ein Rätsel auf. Bei Google ist zu erfahren: „Onigiri (Reisbällchen) ist ein beliebter japanischer Snack aus gepresstem Reis, der oft mit Nori-Algen umhüllt und mit einer Füllung wie Lachs oder Umeboshi versehen ist… Onigiri ist ein Symbol für familiäre Zuneigung, ein praktischer Proviant für Ausflüge und ein Ausdruck japanischer Esskultur, der Einfachheit und Kreativität vereint.“ Das sind also mundgerechte Reishäppchen mit getrockneten Algen.
Es geht im Roman auch um die Unterschiede zwischen den Generationen, zwischen Ost und West, erst recht um die Stolpersteine, die eine Demenzerkrankung mit sich bringt.

Sehr nahegehend, aber auch teils unterkühlt-distanziert, gleichzeitig mit menschlicher Größe wird der Text von der Tochter erzählt, in oft fremdartigen Bildern, und für sich selbst kann man als Lesende viel daraus lernen. Die Zeitsprünge können verwirrend sein, man muss sehr aufmerksam lesen, und auch der kleine Druck war für mich anstrengend. Das umfassende Glossar ergänzt das winzige Wissen, das ich von der japanischen Kultur bisher hatte. Ein Buch, das es wert ist, aufmerksam gelesen zu werden. Ein immenses Bravo für dieses Debüt!

Bewertung vom 14.09.2025
Wood, Benjamin

Der Krabbenfischer


gut

Muss es wie im Gestern bleiben?

Zwei Tage lang sind Lesende mit Thomas Flett auf Krabbenfang unterwegs. Er lebt wie in einer Traumwelt, zuckelt mit Pferd und Karren so dahin und achtet lediglich auf die gefährlichen Sandlöcher. Das alles ohne langes Nachdenken, kritisches Hinterfragen oder höhere Wünsche, in sich zurückgezogen, zufrieden und bescheiden. Von seiner Mutter lässt er sich herumscheuchen, um des Hausfriedens willen. Erst ein angereister Regisseur, der sich wegen seiner Filme für Toms Arbeit interessiert, öffnet ihm das Fenster in eine andere Welt. Wie wäre es dort draußen? Was für Möglichkeiten gäbe es dort für ihn? Muss denn wirklich alles so bleiben wie zur Zeit von Grandpa?
Ein nahegehender Roman, verfasst in schöner stimmungsvoller Sprache. Ich kann die widerstreitenden Gedanken des jungen Mannes sehr gut nachvollziehen, und die Geschichte ist so gut erzählt, dass ich mich mittendrin befand.
Dreimal begleiten wir Thomas in den sandigen Meeresstrand hinaus, und jedes Mal ist das entsprechende Kapitel mit Erstes Niedrigwasser, Zweites und dann nochmals Erstes Niedrigwasser überschrieben: eine Besonderheit.
Der Autor verzichtet auf Drive, der hätte hier nur gestört. Er lässt dem Handlungsfluß seinen Lauf, ähnlich der sanften Brandung des Meeres gegen die flache Sandküste. Vergleichbar auch der Gangart des angeschirrten Pferdes. Dass der Roman in der Gegenwart geschrieben wurde, verstärkt noch den Eindruck der Entschleunigung.
Die Story lässt dem Leser ein Open End, und das ist gut so, denn auf diese Art bleibt Raum für eigene Gedanken und selbstständiges Weiterführen eines möglichen weiteren Weges. Was aber etwas mühsam war: Über viele Strecken liest es sich etwas zäh, zudem wird mit optischen Auflockerungen sehr sparsam umgegangen.
Das Cover wirkt so, wie die Atmosphäre geschildert ist, dämmrig, verregnet, nass und kalt. Ich habe beim Lesen gefröstelt. Meine Empfehlung deshalb: Bei einer heißen großen Tasse Tee lesen! Das Werk als einen literarisch-poetischen Spaziergang betrachten, mit Pausen lesen, vielleicht abwechselnd mit einem spannenden Roman?

Bewertung vom 05.09.2025
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


gut

Belastendes Präsent

Dieses Geschenk im Titel erweist sich als das reinste Trojanische Pferd in Elefantengestalt. Es wurde gemacht, um zu demonstrieren, dass Europa sich nicht in die Politik oder Wirtschaft anderer Erdteile einzumischen oder ihnen einfach so mit Einfuhrbeschränkungen Repressalien aufs Auge zu drücken hat. Genauer: Um die von Botswana, was Elfenbein und damit Elefanten im weitesten Sinn betrifft. Zumal hierzulande kaum jemand über die Dickhäuter und ihre Lebensumstände und Bedürfnisse Bescheid weiß.
Über Nacht tummeln sich 20.000 Elefanten in Deutschland und beschwören natürlich Ratlosigkeit, Überforderung und Chaos herauf. Die Frage bleibt offen, wie sie denn nun ins Land gelangt sind. Das hätte mich schon noch interessiert. Nur „Magic“ als Erklärung reicht nicht.
Gaes Schoeters erzählt ausführlich von Regierungskrisen, ökologischen und botanischen Problemen, was sich für meinen Lesegeschmack allerdings manchmal allzu lange hinzieht, sodass ich angefangen habe, querzulesen. Da hat mir ihr Roman „Trophäe“ bedeutend besser gefallen.
Mit seiner Komplexität des Themas ist das vorliegende Werk auf alle Fälle ein Roman, der zum Nachdenken einlädt und anregt. Eigentlich naheliegend, dass die Elefantenjagd nach der vermeintlichen Lösung aufs neue losgeht und man das „Geschenk“ dem Tod ausliefert. Traurig!
Gefallen hat mir die Besonderheit beim Druck, dass in den Null-Ziffern der Mittelpunkt bezeichnet wurde. Zwar weiß ich nicht, was der Zweck sein soll, aber es lässt vielerlei Deutungen zu. Passender scheinen mir allerdings zwei Punkte nebeneinander zu sein, denn die könnten die Rüsselspitze eines Elefanten symbolisieren. Sehr gut finde ich das Cover, es zieht sofort die Blicke auf sich.

Bewertung vom 29.08.2025
Huth, Peter

Aufsteiger


ausgezeichnet

Was für eine Story!

Ein ehrgeiziger Journalist hat seine Beförderung auf einen hohen Posten vor Augen, zum Greifen nah, mit ihm rechnen alle in seinem Umfeld mit dem Aufstieg. Doch dann – kommt alles ganz anders. Völlig anders, und was daraus wird, besonders gegen Schluß, damit rechnet nun wirklich kein Leser.
Im Grund eine fürchterliche Geschichte, wenn wir uns an die Stelle des Möchtegern-Aufsteigers denken, aber dadurch natürlich ein hervorragender Stoff für einen Roman. Da geht es durch menschliche Höhen und vor allem Tiefen, und zwar bei allen Beteiligten. Viel Geschirr zerbricht dabei, und teilweise habe ich mit den Beteiligten sehr gelitten. Spannend verläuft die Story besonders ab dem ersten Fünftel.
Dazwischen gewährt und der Autor in eher kurzen Sequenzen die Sicht aus anderer Perspektive, was das Werk angenehm durchlüftet und die Hergänge verständlicher macht. Äußerst überraschend der Schluss, das hätte ich so nicht erwartet. Und erst das „Outing“!
Hingegen wäre mir lieber gewesen, ich hätte den Klappentext nicht gelesen. So weiß der Leser von Anfang an, was Felix Licht im Lauf des ersten Tages geschehen wird, ein Teil der Spannung ist dahin und der Gesamteffekt bleibt aus. Schade!
Insgesamt aber eine sehr lesenswerte Story, ein angenehmer Erzählstil, spannend geschrieben. Ich werde das Buch gerne weiterempfehlen.

Bewertung vom 21.08.2025
Flitner, Bettina

Meine Mutter


gut

Schonungsloses Mutterbild

Ein erschütterndes Bild ihrer Familie wird von der Autorin Bettina Flitner gezeichnet und tut sich vor dem Leser auf. Dass sie als Tochter der verstorbenen Gisela Elfriede Helene Annemarie, kurz Gila genannt, und damit allernächste Verwandte bei der Beerdigung wenig bis nichts an Trauer empfindet, kommt nicht selten vor. Der Schmerz und die Traurigkeit warten auch bei anderen Menschen häufig bis später. Dass die Verstorbene aber gleich lapidarisch vom Großvater abgewertet wird, ist grausam, auch den Hinterbliebenen gegenüber.
Beim Lesen tut sich eine für mich ungewohnte Welt auf, denn da zieht sich die Dynastie einer Arztfamilie hin, die ja sogar eine Sanatoriumsbesitzerfamilie ist, gespickt mit Tragödien. Gleich mehrere Selbstmorde im nahen Umfeld sind keine Kleinigkeit für die Verwandtschaft. Und dann mischen klarerweise auch noch die beiden großen Kriege mit. Schonungslos wird vieles in der Vergangenheit hinterfragt und hat wohl in der näheren Umgebung viel Unmut verursacht.
Erzählt ist diese Geschichte in einem recht lebendigen Stil, voller Farbe und Drive, durchsetzt von Spannung. Die Figuren sind deutlich und lebhaft gezeichnet, besonders die Damen. Schritt für Schritt geht es dem Ende zu, und man möchte am liebsten eingreifen, damit die Geschichte nicht so furchtbar endet. Es tut zeitweise richtig weh, den Weg lesend mitzugehen. Da kann wohl niemand unberührt bleiben. Ich musste öfters eine andere Lektüre vornehmen, um mich nicht in die Tiefe ziehen zu lassen.
Empfehlen möchte ich das Buch eigentlich nur starken Persönlichkeiten. Denn in vielen Familien kommen ähnliche Dinge vor, deshalb gehen einem die Schicksale rasch näher, als man möchte. Man muss einen emotionalen Abstand einhalten.