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Benni
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Erfurt

Bewertungen

Insgesamt 43 Bewertungen
Bewertung vom 14.10.2025
Huth, Peter

Aufsteiger


sehr gut

Ideologien

Christian Berg ist mit einem Klamotten-Label reich geworden, das großen Anklang in der rechten Szene gefunden hat. Allerdings hat er sich vok jeglichen Ideologien losgesagt und agiert als Verleger des bundesweit bekannten "Magazins". Trotzdem haftet ihm seine Vergangenheit an. Als es zu einem Wechsel des Chefredakteurs kommt, wird nicht Karrierist Felix Licht der Neue, sondern Berg entscheidet sich für Zoe Rauch. Sie gilt als jung, liberal und ist mit Migrationshintergrund das komplette Gegenteil von allem was man Berg bisher nachgesagt hatte.

Zentraler Punkt dieses Buchs ist das Gewinnen und Verlieren. Sei es Geld, Macht, Karriere, Liebe, Familie oder Anerkennung. Es ist ihnen allen gemein - Christian Berg, Felix Licht und Zoe Rauch - während die einen auf der Gewinnerseite sind, verlieren die anderen und umgekehrt. Am Ende der Geschichte, die mich gut unterhalten konnte, stellt man sich zwangsläufig die Frage, ob dieses andauernde Streben sich lohnt oder warum man sich Karriere und Stress antut?
Eine Antwort wird man freilich in diesem Buch nicht bekommen, das sich im wesentlichen leicht lesen lässt, aber auch gerade die mittleren Passagen sehr in die Länge zieht. Das Ende hätte dafür etwas mehr Erklärungen vertragen können, so schien es mir ein wenig unrealistisch.

Bewertung vom 14.10.2025
Rosa, Maya

Moscow Mule


sehr gut

Rauskommen

Zwei Freundinnen, das Moskauer Nachtleben, ein Studium und große Ambitionen. Das könnte die Kurzfassung für das Leben von Karina und Tonya sein. Ausgeschmückt bedeutet es aber neben vielen durchzechten und durchtanzten Nächten auch jede Menge Tränen, Entbehrungen und Enttäuschungen.

All das gibt Autorin Maya Rosa in "Moscow Mule" bildlich und detailreich wider. Während Tonya sich eher geschlagen gibt und mit Fleiß und Arbeit versucht in Moskau weiterzukommen, gibt Karina nicht auf. Sie greift nach jedem noch so irrwitzigen Strohhalm, denn ihr Ziel ist rauskommen - raus aus Russland, raus aus der Armut und raus aus dem Kleinhalten durch ihre Mutter. Neben dem politischen Gefüge in Russland schwingt hier auch sehr viel enttäuschte Tochterliebe mit. Diese Geschichte stimmt traurig, wenn man auch versucht dies mit aufgesetzter Fröhlichkeit zu verstecken.

Bewertung vom 14.10.2025
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


sehr gut

Holpriger Start

Lisa arbeitet neben ihrem regulären Job im Familienhotel ihres Vaters. Hier checkt eines Tages Daniela ein. Die Fremde ist freundlich, interessiert, hilfsbereit, aber auch verschlossen und geheimnisvoll. Subtil schleicht sie sich nach und nach überall ein und macht sich unabkömmlich. Scheinbar kommt das nur Lisa komisch vor. Einzig für ihren Mann Simon ist Daniela keine Unbekannte.

Auf den ersten Blick könnte "Schattengrünes Tal" von Kristina Hauff auch ein Heimatroman sein. Es braucht eine Weile, bis man die unscheinbare Fassade durchblickt und das Unheil dahinter erahnen kann. Unter diesen Anlaufschwierigkeiten leidet die Spannung zunächst etwas. Dafür ist die Botschaft dahinter mit Danielas manipulativen Fähigkeiten umso größer. Es entsteht eine Art Dreiecksbeziehung, bei der Daniela versucht Lisa und Simon gegeneinander auszuspielen. Das Ende des Buches nimmt dann in puncto Spannung richtig Fahrt auf und entschädigt für den holprigen Start.

Bewertung vom 14.10.2025
Maschik, Anna

Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten


ausgezeichnet

Klare Botschaft

Was lernt man aus den Ängsten und Sorgen der Generationen vor uns? Und wie oft wird sich die Geschichte wiederholen? Ähnlich wie ein Koch- oder Tagebuch führt Anna Maschik uns durch die Chronologie einer Familie. Dieser Schreibstil, bei dem kurze prosaische Texte sich auch einfach nur mal mit Aufzählungslisten oder Ein-Wort-Absätzen abwechseln, war für mich das außergewöhnlichste an diesem Buch. Die Botschaft dahinter ist trotzdem klar rüber gekommen: wir schleppen die Probleme und Schatten unserer Vorfahren mit, verarbeiten sie weiter und spucken sie auf unbekannte Weise wieder aus. Es dauert hier ein bisschen bis man erkennt, dass Erzählerin Alma hier die jüngste im Bunde ist, dass sie diejenige ist, die die Bürden der vorangegangenen Familienmitglieder trägt. Von einer spannenden Erzählweise kann man hier sicher nicht sprechen, aber es ist allemal spannenden diesen besonderen Stil zu verfolgen und mitzuerleben wie er sein Ziel doch nicht verfehlt.

Bewertung vom 25.09.2025
Sußebach, Henning

Anna oder: Was von einem Leben bleibt


ausgezeichnet

Mehrere Blickwinkel

Ein junges Mädchen, dem die Welt noch offen steht. So würde man aus heutiger Sicht vielleicht die Anfang zwanzig jährige Anna bezeichnen. Ende des neunzehnten Jahrhunderts bedeutet dies allerdings noch minderjährig und für unverheiratete Frauen eine Herausforderung zu sein. Dieser stellt sich Anna aber und geht als Lehrerin ins sauerländische Dörfchen Cobbenrode. Dort wächst sie zu einer geachteten und nicht ganz unumstrittenen Frau heran, die einen außergewöhnlichen Weg geht.

"Anna oder: was von einem Leben bleibt" ist die wahre Geschichte der Anna Raesfeld, erzählt von Henning Sussebach, einem ihrer Nachfahren. Auf geschickte Art werden Zeitzeugnisse und Vermutungen miteinander versponnen und verschiedene Versionen der möglichen Wahrheit aufgestellt. Mir hat der Bezug zur Realität sehr gut gefallen. Die Recherche zu Anna erscheint nachhaltig und gewissenhaft. Mehrere Blickwinkel werden zugelassen und nichts einfach nur beschönigt. Ein Buch wie ein Besuch im Heimatmuseum!

Bewertung vom 24.09.2025
Hennig, Markus

Die Sekundenochs


ausgezeichnet

Comic-Stil

Im Leben der Sekundenochs hat man Zeit, vor allem Zeit fürs Trödeln. Doch Tjörge wird das auf einmal zu langweilig und landet im Leben von Smilla. Für die läuft der Tag nicht so entspannt ab, immer ermahnt ihre Mutter sie zur Eile. Gemeinsam probieren Smilla und Tjörge die Angewohnheiten des anderen aus und stellen fest, dass das alles gar nicht so einfach ist.

"Die Sekundenochs" ist ein liebevolles Kinderbuch zum Vorlesen und selbst entdecken, dass auf spielerische Art den Umgang mit der Zeit vermittelt. Besonders positiv sind mir die doppelseitigen Illustrationen aufgefallen. Hierbei wechseln sich großflächige Szenen mit Abschnitten im Comic-Stil ab und ergeben damit eine tolle Mischung für kleine und größere Kinder.
Neben dem Lerneffekt zwischen den Zeilen gibt es somit auch jede Menge Unterhaltung und Zeit zum Schmunzeln. Für mich ein rundum gelungenes Kinderbuch.

Bewertung vom 24.09.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


sehr gut

Fremd im eigenen Leben

Nach dem unerfüllten Kinderwunsch von Antonia und Jakob liegt die gemeinsame Beziehung am Boden. Doch plötzlich wacht Antonia mit einem Baby im Arm auf, ihrem Baby. Der Vater ist nicht Jakob, sondern ihre erste große Liebe Adam. Doch weder an die Geburt noch an ihr vorheriges Leben kann Antonia sich erinnern und Jakob bleibt unauffindbar.

Anne Sauer schreibt mit "Im Leben nebenan" über eine große Verwirrung. Mir ist bis zum Ende nicht klar geworden worum genau es sich hier handelt, einen Traum, eine Fantasierung oder eine Psychose. Protagonistin Antonia wirkt auf mich jedenfalls wenig sympathisch und liebenswert. Ihr Verhältnis zu beiden Männern ist eher schwierig und fordernd ihrerseits. Auch ihre Einstellung zu dem ihr zwar einerseits fremden, andererseits aber doch so gewünschten Baby lässt mich etwas sprachlos zurück. Nichtsdestotrotz ließ sich das Buch locker und flüssig lesen, auch wenn es für mich am Ende mehr Auflösung gegeben haben sollte.

Bewertung vom 24.09.2025
Knecht, Doris

Ja, nein, vielleicht


sehr gut

Viel Charme

Die Zähne werden schlechter, die Falten tiefer - dieser stetig voranschreitende Alterungsprozess wird der Erzählerin plötzlich schmerzlich bewusst. Dabei ist sie eigentlich noch sehr fit, führt ein selbstbestimmtes Leben, kümmert sich um ihr kleines Häuschen mit Garten und den Hund. Aber wie wäre es mit einer neuen Liebe? Kann sie das noch? Und will sie das denn überhaupt, nochmal von vorne anfangen?

"Ja, nein, vielleicht" spricht viele Dinge an, die spätestens ab einem gewissen Alter jeder fühlt und weiß. Diese Erkenntnisse werden aber nicht plump vermittelt, sondern vielmehr wie nebenbei festgestellt. Dabei kommt die Protagonistin durchaus sympathisch rüber. Manche Stellen waren mir persönlich etwas zu sehr in die Länge gezogen, aber Autorin Doris Knecht hat viel Charme in diesen Roman gesteckt.
Das Buch ist eine leichte Lektüre mit einem ernsten Hintergrund, was man für sich daraus macht, hängt vom Leser ab.

Bewertung vom 15.08.2025
Reid, Taylor Jenkins

Atmosphere


sehr gut

Interessantes Themenfeld

Die Raumfahrt boomt Anfang der 1980er Jahre und fasziniert die Gesellschaft. Für Frauen ist ein Arbeitsplatz bei der NASA alles andere als selbstverständlich. Und trotzdem ist es Joans großer Traum, eines Tages ins Weltall fliegen zu können. Als eine ausgezeichnete Astrophysikerin bringt sie alle Voraussetzungen dazu mit und schafft es tatsächlich in ein Trainingsprogramm. Nachteil daran, sie kann nur noch wenig für ihre Nichte Frances da sein und muss am Ende möglicherweise ihre neu gewonnene Liebe aufs Spiel setzen.

Taylor Jenkins Reid hat als Schauplatz für ihren Roman "Atmosphere" ein außergewöhnliches und interessantes Themenfeld gewählt. Mit vielen wissenschaftlichen Hintergrundinformationen waren die Erkenntnisse rund um die Raumfahrt das spannendste für mich an diesem Buch. Die sich dabei entspinnende Liebesgeschichte dagegen war an vielen Stellen sehr langatmig und zu sehr ausgeschmückt. Nichtsdestotrotz hat mir das Buch gefallen und ich kam über die kleinen Durchhänger gut hinweg.

Bewertung vom 14.08.2025
Laabs, Laura

Adlergestell


sehr gut

Unvoreingenommene Sicht

Drei Mädchen kommen in die erste Klasse. Aber nicht nur das Schulleben ist neu für die drei, sondern das ganze System - es ist die Zeit der Wiedervereinigung in Deutschland. Während die Erzählerin bei ihrer alleinerziehenden Mutter noch relativ behütet aufwächst, haben es Lenka mit ihrem cholerischen Vater und Chaline mit ihrer labilen Mutter und dem vorbestraften Bruder noch schwerer. Gemeinsam erleben sie die Höhen und Tiefen am Berliner Adlergestell und werden langsam erwachsen in der neuen Welt.

Dieser Roman lebt von der teils naiv-kindlichen und vor allem unvoreingenommenen Sicht der minderjährigen Erzählerin. Laura Laabs widmet sich vor allem den drei Mädchen als Hauptcharakteren, wobei auch die Sichtweise einiger beteiligten Erwachsenen beleuchtet wird.
"Adlergestell" verfolgt ungeschönt und einfach die wichtigste Zeit im Leben dreier haltloser Heranwachsender.
Dabei kann man auch darüber hinwegsehen, dass die Sprache einfach und umgangssprachlich gehalten ist. Es entspricht damit der Erzählperspektive. Besonders herausragend ist, dass auch nachträglich keine Anklagen gemacht werden. Der Leser muss seine Schlüsse zwischen den Zeilen ziehen.