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Benni
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Erfurt

Bewertungen

Insgesamt 39 Bewertungen
Bewertung vom 25.09.2025
Sußebach, Henning

Anna oder: Was von einem Leben bleibt


ausgezeichnet

Mehrere Blickwinkel

Ein junges Mädchen, dem die Welt noch offen steht. So würde man aus heutiger Sicht vielleicht die Anfang zwanzig jährige Anna bezeichnen. Ende des neunzehnten Jahrhunderts bedeutet dies allerdings noch minderjährig und für unverheiratete Frauen eine Herausforderung zu sein. Dieser stellt sich Anna aber und geht als Lehrerin ins sauerländische Dörfchen Cobbenrode. Dort wächst sie zu einer geachteten und nicht ganz unumstrittenen Frau heran, die einen außergewöhnlichen Weg geht.

"Anna oder: was von einem Leben bleibt" ist die wahre Geschichte der Anna Raesfeld, erzählt von Henning Sussebach, einem ihrer Nachfahren. Auf geschickte Art werden Zeitzeugnisse und Vermutungen miteinander versponnen und verschiedene Versionen der möglichen Wahrheit aufgestellt. Mir hat der Bezug zur Realität sehr gut gefallen. Die Recherche zu Anna erscheint nachhaltig und gewissenhaft. Mehrere Blickwinkel werden zugelassen und nichts einfach nur beschönigt. Ein Buch wie ein Besuch im Heimatmuseum!

Bewertung vom 24.09.2025
Hennig, Markus

Die Sekundenochs


ausgezeichnet

Comic-Stil

Im Leben der Sekundenochs hat man Zeit, vor allem Zeit fürs Trödeln. Doch Tjörge wird das auf einmal zu langweilig und landet im Leben von Smilla. Für die läuft der Tag nicht so entspannt ab, immer ermahnt ihre Mutter sie zur Eile. Gemeinsam probieren Smilla und Tjörge die Angewohnheiten des anderen aus und stellen fest, dass das alles gar nicht so einfach ist.

"Die Sekundenochs" ist ein liebevolles Kinderbuch zum Vorlesen und selbst entdecken, dass auf spielerische Art den Umgang mit der Zeit vermittelt. Besonders positiv sind mir die doppelseitigen Illustrationen aufgefallen. Hierbei wechseln sich großflächige Szenen mit Abschnitten im Comic-Stil ab und ergeben damit eine tolle Mischung für kleine und größere Kinder.
Neben dem Lerneffekt zwischen den Zeilen gibt es somit auch jede Menge Unterhaltung und Zeit zum Schmunzeln. Für mich ein rundum gelungenes Kinderbuch.

Bewertung vom 24.09.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


sehr gut

Fremd im eigenen Leben

Nach dem unerfüllten Kinderwunsch von Antonia und Jakob liegt die gemeinsame Beziehung am Boden. Doch plötzlich wacht Antonia mit einem Baby im Arm auf, ihrem Baby. Der Vater ist nicht Jakob, sondern ihre erste große Liebe Adam. Doch weder an die Geburt noch an ihr vorheriges Leben kann Antonia sich erinnern und Jakob bleibt unauffindbar.

Anne Sauer schreibt mit "Im Leben nebenan" über eine große Verwirrung. Mir ist bis zum Ende nicht klar geworden worum genau es sich hier handelt, einen Traum, eine Fantasierung oder eine Psychose. Protagonistin Antonia wirkt auf mich jedenfalls wenig sympathisch und liebenswert. Ihr Verhältnis zu beiden Männern ist eher schwierig und fordernd ihrerseits. Auch ihre Einstellung zu dem ihr zwar einerseits fremden, andererseits aber doch so gewünschten Baby lässt mich etwas sprachlos zurück. Nichtsdestotrotz ließ sich das Buch locker und flüssig lesen, auch wenn es für mich am Ende mehr Auflösung gegeben haben sollte.

Bewertung vom 24.09.2025
Knecht, Doris

Ja, nein, vielleicht


sehr gut

Viel Charme

Die Zähne werden schlechter, die Falten tiefer - dieser stetig voranschreitende Alterungsprozess wird der Erzählerin plötzlich schmerzlich bewusst. Dabei ist sie eigentlich noch sehr fit, führt ein selbstbestimmtes Leben, kümmert sich um ihr kleines Häuschen mit Garten und den Hund. Aber wie wäre es mit einer neuen Liebe? Kann sie das noch? Und will sie das denn überhaupt, nochmal von vorne anfangen?

"Ja, nein, vielleicht" spricht viele Dinge an, die spätestens ab einem gewissen Alter jeder fühlt und weiß. Diese Erkenntnisse werden aber nicht plump vermittelt, sondern vielmehr wie nebenbei festgestellt. Dabei kommt die Protagonistin durchaus sympathisch rüber. Manche Stellen waren mir persönlich etwas zu sehr in die Länge gezogen, aber Autorin Doris Knecht hat viel Charme in diesen Roman gesteckt.
Das Buch ist eine leichte Lektüre mit einem ernsten Hintergrund, was man für sich daraus macht, hängt vom Leser ab.

Bewertung vom 15.08.2025
Reid, Taylor Jenkins

Atmosphere


sehr gut

Interessantes Themenfeld

Die Raumfahrt boomt Anfang der 1980er Jahre und fasziniert die Gesellschaft. Für Frauen ist ein Arbeitsplatz bei der NASA alles andere als selbstverständlich. Und trotzdem ist es Joans großer Traum, eines Tages ins Weltall fliegen zu können. Als eine ausgezeichnete Astrophysikerin bringt sie alle Voraussetzungen dazu mit und schafft es tatsächlich in ein Trainingsprogramm. Nachteil daran, sie kann nur noch wenig für ihre Nichte Frances da sein und muss am Ende möglicherweise ihre neu gewonnene Liebe aufs Spiel setzen.

Taylor Jenkins Reid hat als Schauplatz für ihren Roman "Atmosphere" ein außergewöhnliches und interessantes Themenfeld gewählt. Mit vielen wissenschaftlichen Hintergrundinformationen waren die Erkenntnisse rund um die Raumfahrt das spannendste für mich an diesem Buch. Die sich dabei entspinnende Liebesgeschichte dagegen war an vielen Stellen sehr langatmig und zu sehr ausgeschmückt. Nichtsdestotrotz hat mir das Buch gefallen und ich kam über die kleinen Durchhänger gut hinweg.

Bewertung vom 14.08.2025
Laabs, Laura

Adlergestell


sehr gut

Unvoreingenommene Sicht

Drei Mädchen kommen in die erste Klasse. Aber nicht nur das Schulleben ist neu für die drei, sondern das ganze System - es ist die Zeit der Wiedervereinigung in Deutschland. Während die Erzählerin bei ihrer alleinerziehenden Mutter noch relativ behütet aufwächst, haben es Lenka mit ihrem cholerischen Vater und Chaline mit ihrer labilen Mutter und dem vorbestraften Bruder noch schwerer. Gemeinsam erleben sie die Höhen und Tiefen am Berliner Adlergestell und werden langsam erwachsen in der neuen Welt.

Dieser Roman lebt von der teils naiv-kindlichen und vor allem unvoreingenommenen Sicht der minderjährigen Erzählerin. Laura Laabs widmet sich vor allem den drei Mädchen als Hauptcharakteren, wobei auch die Sichtweise einiger beteiligten Erwachsenen beleuchtet wird.
"Adlergestell" verfolgt ungeschönt und einfach die wichtigste Zeit im Leben dreier haltloser Heranwachsender.
Dabei kann man auch darüber hinwegsehen, dass die Sprache einfach und umgangssprachlich gehalten ist. Es entspricht damit der Erzählperspektive. Besonders herausragend ist, dass auch nachträglich keine Anklagen gemacht werden. Der Leser muss seine Schlüsse zwischen den Zeilen ziehen.

Bewertung vom 11.08.2025
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


ausgezeichnet

Gekonnte Satire

Tausende Elefanten in Deutschland?! Was auf den ersten Blick nach Tierpark zum Anfassen klingt, wird für Bundeskanzler Winkler zum bitteren Ernst. Nachdem der Bundestag ein neues Gesetz gegen den Elfenbeinhandel verabschiedet hat, antwortet die Regierung Botswanas mit einem besonderen Geschenk und überführt 20.000 Elefanten in die freie deutsche Wildbahn. Die Lösung dieses Problems führt nicht nur Populisten auf den Plan, sondern stellt die Gesellschaft vor ungeahnte Herausforderungen.

"Das Geschenk" ist eine gekonnte politische und gesellschaftliche Satire. Autorin Gaea Schoeters zeichnet ein überaus realistisches Bild an Reaktionen auf ein eigentlich so unvorstellbares Ereignis. Mit großer Ernsthaftigkeit werden die Verknüpfungen der Politik und daraus folgende Reaktionsketten dargelegt. Dabei kommen auch die einzelnen Charaktere und persönliche Hintergründe nicht zu kurz. Dieses fiktive Szenario, das trotz allem auf einen realen Konflikt aus dem Jahr 2024 zurückzuführen ist, regt intensiv zum Nachdenken über die Gesellschaft an und zeichnet erschreckend ehrlich das menschliche Wesen nach.

Bewertung vom 11.08.2025
Myers, Benjamin

Strandgut


ausgezeichnet

Mittelmäßig Tiefgang

Das Alter macht Bucky zunehmend zu schaffen, sein bester Freund in der Nähe von Chicago ist der Apotheker. Eigentlich verlässt er seine Heimatstadt nicht.
Doch da kommt auf einmal diese Einladung aus England. Bucky, der vor vielen Jahren mal zwei Hits als Soulsänger hatte, soll auf einem Weekender in Scarborough auftreten und vor seiner unbekannten Fangemeinde singen. Dort lernt er Dinah kennen, die von seinen Songs fasziniert ist.

"Strandgut" ist ein atmosphärischer Roman der in gediegener Geschwindigkeit die Geschichte von zwei Außenseitern erzählt. Beide hadern mit dem Ausgang ihres Lebens, den Möglichkeiten, die sie vielleicht gehabt hätten und sind doch nicht in der Lage etwas grundlegend zu ändern. In ruhigem Erzähltempo und ohne große Spannungsspitzen führt Autor Benjamin Myers durch den Roman. Für mich ist das Stärke und Schwäche zugleich. Einerseits ist es bemerkenswert so gleichförmig zu schreiben ohne langweilig zu werden, andererseits hatte ich mir mehr Dynamik zwischen den Personen gewünscht. Ein nachdenkliches Buch, nett zu lesen, aber nur mit mittelmäßig Tiefgang.

Bewertung vom 04.07.2025
Kullmann, Katja

Stars


sehr gut

Unterschwelliger Humor

War es ein Anschlag, ein Versehen, eine Botschaft? Carla Mittmann ist verunsichert, eingeschüchtert, verwirrt nachdem ein Stein durch ihre Fensterscheibe geflogen ist. Unten auf dem Gehweg steht eine Botschaft für sie. Nach einigem Zögern ändert sie ihr Leben radikal, macht ihr Hobby - Horoskope verfassen - zum Haupterwerb und hat damit Erfolg.

"Stars" ist eine philosophische Geschichte über eine mittelalte Frau, die man so in jeder Stadt finden könnte. Mit einem unterschwelligen Humor und ungewöhnlichen Schreibstil wird man mitgenommen auf die Reise der Verwandlung der Hauptfigur.
An manchen Stellen war mir die Verwirrung etwas zu groß und ich hatte mir gegen Ende eine Auflösung des großen Ganzen gewünscht, die dann doch ausgeblieben ist. Trotzdem hat mich das Buch gut unterhalten und ließ sich leicht und zügig lesen.

Bewertung vom 20.06.2025
Grandl, Peter

Reset


ausgezeichnet

Reale Fiktion

Die Welt steht Kopf. Sämtliche Nachrichten, Telefonate, Videos und alle digital übermittelten Daten werden von einer KI aus einem Computervirus verändert. Niemand weiß mehr was echt ist. So kommt es auch dazu, dass das undenkbar passiert: ein Oberst der Luftwaffe macht ein mutmaßlich von Terroristen entführtes, voll besetztes, Passagierflugzeug über deutschem Luftraum unschädlich - spricht er schießt es ab. Der Jagd nach dem Urheber hat weltweit begonnen.

Peter Grandl ist mit "Reset" ein atemberaubender Pageturner gelungen. Von Seite eins an, wird man mitgerissen in einen rastlosen Thriller, bei dem sich die Ereignisse überschlagen. Was auf den ersten Blick vielleicht als übertriebene Fiktion erscheint, wird bei genauerem Hinsehen immer realer. Die weltweite wie auch persönliche Abhängigkeit von digitalen Medien, technischen Geräten und der Überflutung von Information wird einem immer wieder deutlich vor Augen geführt. Wer sich nicht vor negativen Szenarien fürchtet, muss dieses Buch unbedingt gelesen haben!