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gormflath
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Ketsch

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Insgesamt 50 Bewertungen
Bewertung vom 02.08.2025
Gestern, Hélène

Rückkehr nach St. Malo


ausgezeichnet

Auf Spurensuche in der Bretagne

Nach dem Tod seines Vaters kehrt Yann in seine bretonische Heimat zurück. Dort in St. Malo möchte er im Haus der Familie die umfangreichen Dokumente sichten, die sein Vater, ein erfolgreicher Schiffsbauer, hinterlassen hat. Erinnerungen an unbeschwerte Tage in seiner Kindheit und Segelabenteuer mit seinem Zwillingsbruder werden wieder lebendig, aber was für Yann zunächst als Zeitvertreib gedacht war, wird immer spannender, als er auf alte Geheimnisse und Ereignisse stößt, die nicht nur eine neues Licht auf seine schwierige Familiengeschichte werfen, sondern auch auf historische Begebenheiten auf die der Küste vorgelagerten und unbewohnten Insel Cézembre.
Auf seiner ganz persönlichen Zeitreise stellt Yann einen Stammbaum seiner Familie zusammen und dabei taucht er immer tiefer ein in die bewegte Geschichte der bretonischen Küstenregion, die Insel Cézembre wird dabei zu einem roten Faden in der Erzählung. Als Leser erlebt man nicht nur die Wandlungen dieser Landzunge über Jahrhunderte hinweg , sondern auch die Höhen und Tiefen der Familie Kérambrun. Und so wird Yanns Reise in die Vergangenheit zu einer Suche nach Identität und Zugehörigkeit.

Der bewegende Familienroman wirkt authentisch und wird einfühlsam erzählt. Die Autorin schafft es, die Atmosphäre der malerischen Küstenstadt und seiner Umgebung der Bretagne atmosphärisch dicht und lebendig einzufangen. Die ruhige und manchmal tiefgründige Handlung lässt den Leser über Heimat, Familie und Selbstfindung nachdenken, was die emotionale Tiefe des Romans verstärkt.
Hélène Gestern erzählt so lebendig und in einer poetischen Sprache, dass man beinahe das Salz des Meeres auf den Lippen schmecken und die kalten Steine unter den Füßen spüren kann. Der ruhige Roman lebt durch die feinen Zwischentöne, berührt und versetzt seine Leser in eine andere Welt.
Schon das Buchcover mit den sich brechenden Wellen und dem silbrigen Licht über dem Atlantik spricht für eine Sehnsucht, die sich kaum in Worte fassen lässt.
Der Roman erfordert die Aufmerksamkeit des Lesers und genau das macht ihn zu etwas ganz besonderem in unserer schnelllebigen Zeit. Mich hat die Lektüre durch den Zauber des Schauplatzes Bretagne mit dem überwältigendem Meer und den Protagonisten restlos überzeugt. Mit diesem Buch lässt es sich zur Ruhe kommen, wie bei einem Langen Spaziergang am Meer.

Bewertung vom 24.07.2025
Tuokko, Kaisu

Gerächt sein sollst du


sehr gut

Gelungener Auftakt für eine neue Krimireihe aus dem Norden

An der finnischen Schärenküste wird im beschaulichen Küstenort Kristinestad die Leiche des 17jährigen Jonas gefunden. Der Schüler war als Einzelgänger bekannt und wurde gemobbt, daher glaubt die Polizei zunächst an einen Suizid.
Kriminalkommissar Mats Bergholm leitet die Ermittlungen und trifft dabei auf seine Jugendliebe Eevi Manner, die den Fall als Journalistin begleitet. Schnell wird klar, dass Jonas ermordet wurde, der kleine Ort ist erschüttert von dieser Bluttat.
Lebendig und bildreich schildert Kaisu Tuokko in ihrem ersten Krimi die Geschichte. Abwechselnd erzählt sie aus den Perspektiven von Mats und Eevi, die sich durch diesen Fall wieder näher kommen. Kurze Kapitel und ein paar eingestreute Tagebucheinträge steigern geschickt die Spannung, lassen den Leser aber lange im Unklaren.
Nachdem die Journalistin Eevi einen wichtigen Hinweis erhalten hat, nähert sich die Polizei schrittweise der Wahrheit und den Hintergründen, die zu der Tat geführt haben. Am Ende überschlagen sich fast die Ereignisse bis hin zu der stimmigen Aufklärung.
Wie in jedem Krimi haben auch hier die Protagonisten einige Probleme in ihrem Privatleben. Auch wenn diese authentisch geschildert werden, nehmen sie für mein Empfinden ein bisschen zu viel Raum ein und werden zu detailreich geschildert. Es dauert für meinen Geschmack ein wenig zu lange, bis man sich an die Auslösung des Verbrechens macht.
Trotzdem ist der Titel ein guter Auftakt zu einer neuen Krimireihe aus dem hohen Norden, den ich sehr gerne gelesen habe. Es ist der erste Roman der Autorin und ich vergebe 4,5 Sterne für das Lesevergnügen.

Bewertung vom 03.07.2025
Pötzsch, Oliver

Der Totengräber und die Pratermorde / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.4


ausgezeichnet

Ermittlungen zwischen Prater und Zentralfriedhof

Wien, 1896: Ein neuer Fall führt Inspektor Leopold von Herzfeldt diesmal in den Wiener Prater. Dort ist während einer Zaubervorstellung direkt vor dem entsetzten Publikum die Assistentin des Zauberers Banton tatsächlich zersägt worden.

Julia Wolf, die inzwischen von der Polizeistation zu einem Job als Reporterin bei einer Zeitung gewechselt hat, zeigt ebenso Interesse daran, diesen Fall zu lösen und kommt dabei Leopold immer wieder in die Quere. Als Reporterin kommt sie an Informationen, die Leopold verschlossen bleiben, und so erfährt sie von mehreren auf mysteriöse Weise verschwundenen Frauen. Für ihre Recherchen verdingt sie sich sogar beim Zirkus und begibt sich in große Gefahr.
Unterdessen ermittelt Leopold – von dem Julia derzeit getrennt ist – mit Unterstützung des Totengräbers Augustin Rothmayer.

Neben den Pratermorden geht es natürlich auch diesmal um sehr viel Zwischenmenschliches, was die Story noch glaubhafter werden lässt. Die Beziehung zwischen Leopold und Julia liegt auf Eis, der sie kommen nicht voneinander los und möglicherweise müssen wir Leser auf einen 5. Band warten, um zu erfahren, ob die Beiden nun endgültig zusammenfinden? Der Totengräber Augustin schlägt sich währenddessen mit seiner pubertierenden Ziehtochter Anna herum, die mittlerweile lieber mit Jungs Fußball spielt anstatt auf dem Friedhof mitzuhelfen. Und im Prater treiben sich allerlei skurrile Gestalten herum und nicht jeder ist das, wonach es scheint.

Auch der 4. Band der Totengräber-Reihe kann ohne Vorkenntnisse der vorangegangenen Teile gelesen werden, denn als Leser ist man gleich mitten im Geschehen. Die komplexe Geschichte liest sich wie eine Sammlung zahlreicher Puzzleteile, die sich erst nach und nach zusammenfügen und am Ende zu einem perfekten Ganzen zusammenführen. Oliver Pötzsch hat wie immer einen sehr gut recherchierten und opulent erzählten historischen Krimi aus dem Wien der Jahrhundertwende geschaffen, der sowohl mit fesselndem Schreibstil als auch mit gut gezeichneten Charakteren überzeugt.

Bewertung vom 14.05.2025
Thiel, Aylin

Trauma ENDLICH überwinden


ausgezeichnet

Mut zur Traumaüberwindung

Die erfahrene Psycho- und Traumatherapeutin Dr. Aylin Thiel nimmt ihre Leser in diesem Buch mit auf eine sehr emotionale Reise und zeigt nicht nur, wie ein Trauma unser ganzes Leben (oft unbewusst) beeinflusst, sondern wie man sich als Betroffener seine Verletzungen erkennen und mit einem ganzheitlichen Ansatz heilen kann.
Ohne erhobenen Zeigefinger beleuchtet die Autorin das Thema Entwicklungstrauma, anhand anschaulicher Fallbeispiele erläutert sie, wie sich eigene Muster durchbrechen lassen. Auch für Laien gut verständlich erklärt die Funktionsweise unseres Gehirns und welche Reaktionsmuster wir zeigen, wenn wir in der Kindheit traumatischen Erlebnissen ausgesetzt wurden.
Unterteilt in insgesamt 17 gut strukturierte Kapitel liefert Aylin Thiel Erklärungen, denen man sich als Laie stellen kann. Mit Übungen, Reflexionsfragen und Ritualen kann man sich als Betroffener sehr gut mit seiner eigenen Situation auseinandersetzen und letztendlich davon befreien.
Traumatisierte Menschen fühlen sich innerlich leer, sind erschöpft und nach außen funktionieren sie nur noch. Ihre innerlichen Wunden können zahlreiche Gründe wie Missbrauch, Vernachlässigung oder destruktive Familiensituationen haben. Wenn man sich den Ursachen nicht stellen kann, entstehen Ängste, Depressionen, Panikattacken und andere immer wiederkehrende Probleme, die einen immer wieder in ungesunde Beziehungen stürzen.
Dr. Aylin Thiel schreibt nicht nur mit großer Fachkompetenz, sondern auch mit viel Empathie und bleibt dabei praxisnah für alle Menschen, die ihr Trauma nicht länger verdrängen, sondern endlich Lebensfreude spüren möchten.
Der sehr warmherzig geschriebene Ratgeber motiviert zur Selbsthilfe und hilft dabei, seine erlebten Emotionen zu verarbeiten und aufzulösen. Es ist kein einfacher Weg, den man nebenbei gehen kann, aber ein äußerst lohnender. Und wie man diesen Weg gehen kann, zeigt die Therapeutin in ihrem Buch Schritt für Schritt.

Bewertung vom 25.04.2025
George, Nina

Die geheime Sehnsucht der Bücher


sehr gut

Die heilende Kraft der Literatur

Bei Monsieur Perdu bekommt man als Leser auf seinem Bücherschiff nie das Buch, das man lesen will, sondern genau das, was die Seele gerade braucht. Der leidenschaftliche Buchhändler möchte in seiner „Pharmacie Littéraire“ Menschen mit den richtigen Geschichten heilen und er kennt für jedes Leiden die passende Lektüre.
Auch seine Auszubildende, die junge Pauline, kümmert sich mit sehr viel Herz und Engagement um ihre Kunden. Dabei hat sie ein ebenso feines Gespür für Träume, Ängste, Sehnsüchte und ganz einfach für Menschen und die passenden Bücher. Ob sie auch auf ihr eigenes Herz hört?

Eines Tages steht die 12-jährige Françoise auf dem Bücherschiff. Das Mädchen schleppt so viele Geheimnisse mit sich herum, dass sie zunächst – ohne Hilfe anzunehmen – das Bücherschiff wieder verlässt: Françoise muss nämlich nicht nur für sich selbst sorgen, sondern auch für ihre Mutter, die dem Leben nicht gewachsen ist. Doch der Buchhändler Perdu und seine Assistentin Pauline haben ein Gespür entwickelt und wissen genau, wie sie nicht nur dem Mädchen, sondern auch deren Mutter mit der richtigen Lektüre helfen können.

Nach „Das Lavendelzimmer“ und „Die geheime Sehnsucht der Bücher“ ist Nina George erneut ein zauberhafter Roman gelungen, der in die Welt der Bücher entführt. Aus den erwähnten Bänden treten liebgewonnene Charaktere auch hier wieder in Erscheinung, wobei man den neuen Titel auch ohne Vorkenntnisse lesen und genießen kann. Die Autorin schreibt über die Höhen und Tiefen des Lebens und beweist in ihrem Roman über die heilende Mach der Literatur, wie das richtige Buch zu rechten Zeit Trost spenden kann und greift dabei auch immer wieder aktuelle Themen auf.
Am Ende legt das Bücherschiff wieder zu einer neuen Fahrt ab...
Nina George erzählt in einer bildlichen Sprache und versteht es bestens, ihre Leserinnen und Leser zu verzaubern.

Bewertung vom 11.04.2025
Lacrosse, Marie

Licht und Schatten / Montmartre Bd.1


ausgezeichnet

Montmartre im späten 19. Jahrhundert

Im Juni 1866 hilft die Hebamme Marianne der schwangeren Jeanne bei der Geburt ihrer Tochter Elise. Jeanne arbeitet als einfache Wäscherin auf dem Hügel von Montmartre und hat kaum genug, um selbst zu überleben.
Am gleichen Tag wird Marianne zum Boulevard de Clichy gerufen, denn dort, in der vornehmen Wohnung des betuchten Kunsthändlers Alphonse Dumas, liegt dessen Frau Amélie seit vielen Stunden in den Wehen. Nur die Hebamme Marianne kann bei der Geburt der Tochter Valérie helfen.
Das ist der Beginn der Geschichte zweier ungleicher Frauen in einem Paris, das uns heute kaum noch bekannt ist.

Elise Lambert wächst in großer Armut auf. Während sie noch die Schule besucht, muss sie danach stundenlang in der Wäscherei mitarbeiten, um das Überleben für sich und ihre kleine Familie zu sichern. Schon früh beneidet sie ihre Freundin Louise, die zwar in ebenso ärmlichen Verhältnissen lebt, sich aber nicht um Konventionen schert und sich ihre Freiheiten nimmt. Es ist Louise, die Elise fürs Tanzen begeistert und in ihr den Wunsch weckt, als Tänzerin in den schillernden Varietés von Montmartre berühmt werden. Etliche Schicksalsschläge stellen Elise vor große Herausforderungen. Während Louise als Tänzerin „La Goulue“ im Moulin Rouge der große Durchbruch gelingt, steht Elise zunächst lange in deren Schatten.

Valérie wächst dagegen sehr behütet und in großem Wohlstand auf. Ihre Mutter, die bei ihrer Geburt fast gestorben wäre, neigt zur Frömmigkeit und lässt keine Gelegenheit aus, ihre freiheitsliebende Tochter zu kritisieren. Valéries Vater dagegen erkennt sehr früh das zeichnerische Talent seiner Tochter und ermöglicht ihr schließlich – gegen den Wunsch der Mutter – den Besuch an der Kunstakademie, wo sie als einzige Frau studieren darf. Dort lernt Valérie so bekannte Persönlichkeiten wie den jungen Maler Henri de Toulouse-Lautrec kennen. Auch Valérie muss gegen Schicksalsschläge kämpfen, um ihr Glück zu erreichen.

Marie Lacrosse, die zunächst unter ihrem wirklichen Namen Marita Spang mehrere historische Romane veröffentlichte, lässt in ihrem neuen Zweiteiler „Montmartre“ nicht nur die Zeit des späten 19. Jahrhunderts in Paris wieder aufleben, sondern beschreibt in zwei Handlungssträngen das Leben zweier Frauen, das unterschiedlicher nicht verlaufen könnte.
Die damaligen Verhältnisse in Montmartre werden von der Autorin bestens recherchiert dargestellt. Auf der Butte, ganz oben im Stadtteil Montmartre, der gerade erst zu Paris eingemeindet wurden, lebte das bitterarme Volk im Slum. Dorthin waren nämlich die Bewohner, wie auch Elise und ihre Familie, durch zahlreiche Sanierungsmaßnahmen Baron Haussmanns vertrieben worden. Dagegen wächst Valérie Dumas als Tochter eines wohlhabenden Kunsthändlers in privilegierten Verhältnissen sogar mit Dienstboten auf.
Die Autorin, die auch bekannt für die Kaufhaus-Saga um das KaDeWe ist, lässt irgendwann das Leben ihrer beiden Protagonistinnen kreuzen. Mittendrin in der berühmten Künstlerszene von Montmartre treffen wir beim Lesen viele historische Persönlichkeiten, deren Namen uns auch heute noch geläufig sind.
Dieser erste Band des Zweiteilers weist trotz rund 600 Seiten keine Längen auf, sondern hat mich voller Begeisterung in die damalige Zeit eintauchen lassen. Ich freue mich bereits auf die Fortsetzung, die im November diesen Jahres erscheint und werde bei meinem nächsten Paris-Besuch an Elise und Valérie denken.

Bewertung vom 23.03.2025
Raabe, Marc

Die Nacht / Art Mayer-Serie Bd.3


ausgezeichnet

Geniale Verstrickungen mit der Vergangenheit

In einem Waldstück südlich von Berlin stehen mehr als 200 Hektar Wald in Flammen, als Art Mayer und seine junge Kollegin Nele Tschaikowski vom BKA in einer längst aufgegebenen Wohnwagensiedlung einem anonymen Hinweis zu der vermissten Dana Karasch nachgehen.

Dana ist Arts Nachbarin, und seit ihrem Verschwinden lebt deren achtjährige Tochter Milla mit der immer mehr an Demenz leidenden Oma alleine in der Wohnung. Art hat die Kleine ins Herz geschlossen und kümmert sich, so oft es sein unregelmäßiger Dienst erlaubt, um das Mädchen.
Bei der Polizei scheint sich niemand mehr für die Vermisste zu interessieren und so bittet Art einen mächtigen Freund aus der Politik um Hilfe und ahnt nicht, welche Schatten aus der Vergangenheit hervortreten.
In einem der alten Wohnwagen finden Art und Nele eine aufgeschlitzte Leiche, es ist Richard Dressel, Richter am Berliner Kammergericht, der vor drei Tagen von seiner Frau als vermisst gemeldet wurde.
Dort ganz in der Nähe werden kurz darauf mehrere weitere Tote in einer Senke gefunden, was eine ganze Maschinerie in Gang setzt: Art und Nele werden von den Ermittlungen ausgeschlossen und beurlaubt, das LKA will die Fälle, die offensichtlich miteinander zusammenhängen, an sich reißen - aber Art und seine Kollegin stochern unerbittlich weiter im Sumpf der Vergangenheit.

Was ist mit Rocco geschehen? Der kleine Junge ist fünfzehn Jahre vor seiner Halbschwester Dana ebenso in der Wohnwagensiedlung verschwunden. Und obwohl damals Hundertschaften nach ihm suchten, wurde er weder gefunden noch taucht seine Akte irgendwo auf.
Welche Verbindung hat die Witwe des ermordeten Richters zu einem Jugendfreund Danas aus der Siedlung?
Was steckt hinter dem Tod von Walter Bauer, Danas Vater und welche Ziele verfolgt Jan Südel vom Verfassungsschutz?
Nach „Der Morgen“ und „Die Dämmerung“ beweist Marc Raabe auch im dritten Teil der Art-Mayer-Serie, dass er sein Handwerk bestens versteht. Er schreibt in zwei Zeitebenen und lässt in der verlassenen Wohnwagensiedlung längst Vergangenes wieder aufleben, während dazu parallel die aktuellen Entwicklungen den Spannungsbogen bis zum rasanten Ende des Pageturner aufrecht erhalten.
Nebenbei beobachten wir als Leser auch das private Geschehen der beiden Hauptprotagonisten, das ebenso schwierig zu sein scheint wie die komplexen Ermittlungen.

Auch dieser Band hat mich von der ersten Seite an so gepackt, dass ich fast die ganze Nacht durch lesen musste, bevor ich das Buch weglegen konnte. Für mich ist dieser Thriller ein echtes Highlight und ich freue mich jetzt schon sehr, dass im Frühjahr 2026 mit „Im Morgengrauen“ ein vierter Teil erscheinen wird.

Bewertung vom 10.03.2025
Krems, David

Haus Waldesruh


sehr gut

Vergangenheitsbewältigung

Aus Marcos Initiative hin treffen sich die ehemaligen Schulfreunde Anna, Lea, Ferdinand und besagter Marco für ein gemeinsames Wochenende in einem Forsthaus, von dem Marco angibt, dass es seinem Onkel gehört.
Seit der Matura – dem österreichischen Abitur - hatten sie untereinander kaum Kontakt und zunächst scheint die Freude über das Wiedersehen groß zu sein. Auch Frank, der Lea zur Waldhütte gefahren hat, wird zum Bleiben eingeladen, obwohl er doch gar nicht zur ehemaligen Freundesgruppe gehört.

Schnell wird klar, dass in der Runde eine Person fehlt, nämlich Max, der sich damals kurz nach dem Schulende das Leben genommen hat. Marco macht bis heute den gehassten Klassenlehrer Treichel für den Tod seines Freundes verantwortlich – und schon bald wird klar, dass er das gemeinsame Wochenende keineswegs ohne Hintergedanken geplant hat. Alte Konflikte brechen auf, nach und nach kommen lang gehütete Geheimnisse an die Oberfläche und die Stimmung im Jagdhaus droht zu kippen. Als dann auch noch ein unerwarteter Gast eintrifft, ist die Katastrophe nicht weit.

Der Roman, hinter dem ich nach der Leseprobe zunächst einen Krimi vermutet habe, entpuppt sich – wie auf der Buchrückseite zu lesen – als Kammerspiel und ist als handliches Buch mit 230 Seiten schnell zu lesen.
In ruhigem Schreibstil beschreibt der Autor die Szenerie, die durch die Dialoge recht lebendig wirkt. Trotzdem wurde mir beim Lesen keiner der Protagonisten so richtig sympathisch und ein Teil der Story ist vorhersehbar.
Der Roman gliedert sich in drei Teile, wobei der erste Teil den größten Raum einnimmt. So dauert es auch fast bis zur Mitte des Buches, bis die Geschichte an Fahrt aufnimmt. Gegen Ende bietet das Buch ein paar Überraschungen, wenn auch für meinen Geschmack nicht allesamt glaubwürdig.
Trotzdem habe ich das Buch gern gelesen. Die fehlende Spannung machten für mich ein paar Details wett, die zum Nachdenken anregten.

Bewertung vom 08.03.2025
Dean, Will

Die Kammer


ausgezeichnet

Klaustrophobische Atmosphäre tief unter Wasser

Bei ihrem Einsatz bei einer Ölpipeline in der Nordsee in über 100 m Wassertiefe - ausgehend vom Taucherbasisschiff DSV Deep Topaz - müssen sechs Sättigungstaucher mehrere Tage in der eisernen Tauchkammer zum Druckausgleich verbringen. Der überaus anstrengende Job auf engstem Raum ist für die Taucher zwar Routine, wird dieses Mal jedoch zum Horrortrip, denn nach dem ersten Tauchgang gibt es einen Toten. Für die Männer und Ellen Brooke, die einzige Frau im Team, gibt es kein Entkommen aus der Druckkammer, und so müssen sie mit dem toten Kollegen ausharren. Wenig später kommt es zu einem weiteren rätselhaften Todesfall – nun wird zwar endgültig der Tauchgang abgebrochen, aber die verbliebenen Taucher müssen in der Kammer bleiben, da eine zu schnelle Dekompression tödlich enden würde.

Aus Ellens Sicht erzählt Autor Will Dean, wie die Taucher ihre Zeit zwischen Schlafkojen, Aufenthaltsraum und der winzigen Nasszelle verbringen. Detailliert schildert er den Lebensraum ohne Privatsphäre, in einer Enge, in der man nicht aufrecht stehen kann. Alle sind aufeinander angewiesen und in der langen Zeit, die sie miteinander verbringen müssen, erzählen sie sich gegenseitig Geschichten aus ihren zahlreichen Militär- und Taucheinsätzen.
Ruhig erzählt Ellen von Szenen, in denen man regelrecht die beklemmende und klaustrophobische Atmosphäre greifen kann. Die Zeit bis zum Ausstieg aus dem Druckbehälter scheint nicht enden zu wollen, und die anfangs gute Stimmung kippt immer mehr in Misstrauen. Die Taucher sind von der Schiffsbesatzung in puncto Heliumgas, Lebensmittel und Medikamenten abhängig und fragen sich bald, ob der Besatzung noch zu trauen ist oder ob einer der Kameraden ein Mörder ist. Die Situation zehrt an den Nerven, Minuten werden zu Stunden und mit jedem Tag steigt die Spannung ins Alptraumhafte.
Immer wieder muss man beim Lesen innehalten, so lebhaft wird diese Ausnahmesituation erzählt, bis am Ende lose Fäden zusammenfinden. Bis zum Schluss bleibt die Spannung erhalten, ebenso wie die Frage nach dem Täter bzw. der Todesursache bis zum Ende offen bleibt.
Das für mich absolut neue Setting in diesem beklemmenden Thriller mit außergewöhnlicher Atmosphäre hat mich sehr angesprochen. Passend dazu finde ich die Covergestaltung mit der Hilfe suchenden Hand hinter einem Bullauge.
Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 24.02.2025
Johnsrud, Ingar

Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1


ausgezeichnet

Realistischer Politthriller, der aktueller nicht sein könnte

In Norwegen stehen Neuwahlen bevor und bei der Terrorabwehr herrscht höchste Alarmbereitschaft, denn Hinweise deuten einen bevorstehenden Anschlag rechtsnationaler Extremisten an mit dem Gift Rizin an. Die beiden Antiterror-Ermittler Liselott Benjamin und Martin Tong versuchen mit allen Mitteln den Anschlag zu vereiteln und dazu parallel die in diesem Zusammenhang verübten Morde aufzuklären. Noch ist nicht klar, ob der Wahlkampf mit dem geplanten Terroranschlag zusammenhängt...

Währenddessen geht der Wahlkampf in die heiße Phase: Christina Nielsen, die Spitzenkandidatin der Arbeiterpartei sieht sich kurz vor der Machtübernahme und bedient sich dafür auch zweifelhafter Mittel, um ihre Macht zu sichern. Während ihres Wahlkampfs tendiert ihre Partei von der sozialen Mitte nach rechts und bald weiß man nicht mehr, wem überhaupt noch zu trauen ist und wer welche Ziele verfolgt.
Mittendrin steht Jens Meidell als juristischer Berater. Immer mehr lässt er sich in die politischen Intrigen verstricken und gerät unter Druck. Wie weit ist er bereit zu gehen, um der Arbeiterpartei zurück zur Macht zu verhelfen? Kann er seine eigene dunkle Vergangenheit hinter sich lassen?

Wenige Seiten umfassende Kapitel beschreiben den Countdown, die letzten Wochen und Tage bis zur Parlamentswahl aus unterschiedlichen Perspektiven. Johnsrud ist ein realistischer Pageturner gelungen, den man nicht mehr aus der Hand legen möchte.
Ingar Johnsrud hat mich als Spannungsautor bereits mit seiner „Fredrik Beier – Trilogie“ überzeugt, aber dieser Politthriller als Auftakt einer neuen Serie ist an Spannung und vor allem Aktualität im Hinblick auf die politischen Entwicklungen in Europa nicht zu überbieten – geht es doch um Rechtsterrorismus, Wahlkampfintrigen, Datenmanipulation und Macht.
Ich bin schon jetzt gespannt auf die beiden Folgebände und empfehle diesen Nordic Noir-Thriller ohne Abstriche!