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gormflath
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Ketsch

Bewertungen

Insgesamt 46 Bewertungen
Bewertung vom 25.04.2025
Die geheime Sehnsucht der Bücher
George, Nina

Die geheime Sehnsucht der Bücher


sehr gut

Die heilende Kraft der Literatur

Bei Monsieur Perdu bekommt man als Leser auf seinem Bücherschiff nie das Buch, das man lesen will, sondern genau das, was die Seele gerade braucht. Der leidenschaftliche Buchhändler möchte in seiner „Pharmacie Littéraire“ Menschen mit den richtigen Geschichten heilen und er kennt für jedes Leiden die passende Lektüre.
Auch seine Auszubildende, die junge Pauline, kümmert sich mit sehr viel Herz und Engagement um ihre Kunden. Dabei hat sie ein ebenso feines Gespür für Träume, Ängste, Sehnsüchte und ganz einfach für Menschen und die passenden Bücher. Ob sie auch auf ihr eigenes Herz hört?

Eines Tages steht die 12-jährige Françoise auf dem Bücherschiff. Das Mädchen schleppt so viele Geheimnisse mit sich herum, dass sie zunächst – ohne Hilfe anzunehmen – das Bücherschiff wieder verlässt: Françoise muss nämlich nicht nur für sich selbst sorgen, sondern auch für ihre Mutter, die dem Leben nicht gewachsen ist. Doch der Buchhändler Perdu und seine Assistentin Pauline haben ein Gespür entwickelt und wissen genau, wie sie nicht nur dem Mädchen, sondern auch deren Mutter mit der richtigen Lektüre helfen können.

Nach „Das Lavendelzimmer“ und „Die geheime Sehnsucht der Bücher“ ist Nina George erneut ein zauberhafter Roman gelungen, der in die Welt der Bücher entführt. Aus den erwähnten Bänden treten liebgewonnene Charaktere auch hier wieder in Erscheinung, wobei man den neuen Titel auch ohne Vorkenntnisse lesen und genießen kann. Die Autorin schreibt über die Höhen und Tiefen des Lebens und beweist in ihrem Roman über die heilende Mach der Literatur, wie das richtige Buch zu rechten Zeit Trost spenden kann und greift dabei auch immer wieder aktuelle Themen auf.
Am Ende legt das Bücherschiff wieder zu einer neuen Fahrt ab...
Nina George erzählt in einer bildlichen Sprache und versteht es bestens, ihre Leserinnen und Leser zu verzaubern.

Bewertung vom 11.04.2025
Licht und Schatten / Montmartre Bd.1
Lacrosse, Marie

Licht und Schatten / Montmartre Bd.1


ausgezeichnet

Montmartre im späten 19. Jahrhundert

Im Juni 1866 hilft die Hebamme Marianne der schwangeren Jeanne bei der Geburt ihrer Tochter Elise. Jeanne arbeitet als einfache Wäscherin auf dem Hügel von Montmartre und hat kaum genug, um selbst zu überleben.
Am gleichen Tag wird Marianne zum Boulevard de Clichy gerufen, denn dort, in der vornehmen Wohnung des betuchten Kunsthändlers Alphonse Dumas, liegt dessen Frau Amélie seit vielen Stunden in den Wehen. Nur die Hebamme Marianne kann bei der Geburt der Tochter Valérie helfen.
Das ist der Beginn der Geschichte zweier ungleicher Frauen in einem Paris, das uns heute kaum noch bekannt ist.

Elise Lambert wächst in großer Armut auf. Während sie noch die Schule besucht, muss sie danach stundenlang in der Wäscherei mitarbeiten, um das Überleben für sich und ihre kleine Familie zu sichern. Schon früh beneidet sie ihre Freundin Louise, die zwar in ebenso ärmlichen Verhältnissen lebt, sich aber nicht um Konventionen schert und sich ihre Freiheiten nimmt. Es ist Louise, die Elise fürs Tanzen begeistert und in ihr den Wunsch weckt, als Tänzerin in den schillernden Varietés von Montmartre berühmt werden. Etliche Schicksalsschläge stellen Elise vor große Herausforderungen. Während Louise als Tänzerin „La Goulue“ im Moulin Rouge der große Durchbruch gelingt, steht Elise zunächst lange in deren Schatten.

Valérie wächst dagegen sehr behütet und in großem Wohlstand auf. Ihre Mutter, die bei ihrer Geburt fast gestorben wäre, neigt zur Frömmigkeit und lässt keine Gelegenheit aus, ihre freiheitsliebende Tochter zu kritisieren. Valéries Vater dagegen erkennt sehr früh das zeichnerische Talent seiner Tochter und ermöglicht ihr schließlich – gegen den Wunsch der Mutter – den Besuch an der Kunstakademie, wo sie als einzige Frau studieren darf. Dort lernt Valérie so bekannte Persönlichkeiten wie den jungen Maler Henri de Toulouse-Lautrec kennen. Auch Valérie muss gegen Schicksalsschläge kämpfen, um ihr Glück zu erreichen.

Marie Lacrosse, die zunächst unter ihrem wirklichen Namen Marita Spang mehrere historische Romane veröffentlichte, lässt in ihrem neuen Zweiteiler „Montmartre“ nicht nur die Zeit des späten 19. Jahrhunderts in Paris wieder aufleben, sondern beschreibt in zwei Handlungssträngen das Leben zweier Frauen, das unterschiedlicher nicht verlaufen könnte.
Die damaligen Verhältnisse in Montmartre werden von der Autorin bestens recherchiert dargestellt. Auf der Butte, ganz oben im Stadtteil Montmartre, der gerade erst zu Paris eingemeindet wurden, lebte das bitterarme Volk im Slum. Dorthin waren nämlich die Bewohner, wie auch Elise und ihre Familie, durch zahlreiche Sanierungsmaßnahmen Baron Haussmanns vertrieben worden. Dagegen wächst Valérie Dumas als Tochter eines wohlhabenden Kunsthändlers in privilegierten Verhältnissen sogar mit Dienstboten auf.
Die Autorin, die auch bekannt für die Kaufhaus-Saga um das KaDeWe ist, lässt irgendwann das Leben ihrer beiden Protagonistinnen kreuzen. Mittendrin in der berühmten Künstlerszene von Montmartre treffen wir beim Lesen viele historische Persönlichkeiten, deren Namen uns auch heute noch geläufig sind.
Dieser erste Band des Zweiteilers weist trotz rund 600 Seiten keine Längen auf, sondern hat mich voller Begeisterung in die damalige Zeit eintauchen lassen. Ich freue mich bereits auf die Fortsetzung, die im November diesen Jahres erscheint und werde bei meinem nächsten Paris-Besuch an Elise und Valérie denken.

Bewertung vom 23.03.2025
Die Nacht / Art Mayer-Serie Bd.3
Raabe, Marc

Die Nacht / Art Mayer-Serie Bd.3


ausgezeichnet

Geniale Verstrickungen mit der Vergangenheit

In einem Waldstück südlich von Berlin stehen mehr als 200 Hektar Wald in Flammen, als Art Mayer und seine junge Kollegin Nele Tschaikowski vom BKA in einer längst aufgegebenen Wohnwagensiedlung einem anonymen Hinweis zu der vermissten Dana Karasch nachgehen.

Dana ist Arts Nachbarin, und seit ihrem Verschwinden lebt deren achtjährige Tochter Milla mit der immer mehr an Demenz leidenden Oma alleine in der Wohnung. Art hat die Kleine ins Herz geschlossen und kümmert sich, so oft es sein unregelmäßiger Dienst erlaubt, um das Mädchen.
Bei der Polizei scheint sich niemand mehr für die Vermisste zu interessieren und so bittet Art einen mächtigen Freund aus der Politik um Hilfe und ahnt nicht, welche Schatten aus der Vergangenheit hervortreten.
In einem der alten Wohnwagen finden Art und Nele eine aufgeschlitzte Leiche, es ist Richard Dressel, Richter am Berliner Kammergericht, der vor drei Tagen von seiner Frau als vermisst gemeldet wurde.
Dort ganz in der Nähe werden kurz darauf mehrere weitere Tote in einer Senke gefunden, was eine ganze Maschinerie in Gang setzt: Art und Nele werden von den Ermittlungen ausgeschlossen und beurlaubt, das LKA will die Fälle, die offensichtlich miteinander zusammenhängen, an sich reißen - aber Art und seine Kollegin stochern unerbittlich weiter im Sumpf der Vergangenheit.

Was ist mit Rocco geschehen? Der kleine Junge ist fünfzehn Jahre vor seiner Halbschwester Dana ebenso in der Wohnwagensiedlung verschwunden. Und obwohl damals Hundertschaften nach ihm suchten, wurde er weder gefunden noch taucht seine Akte irgendwo auf.
Welche Verbindung hat die Witwe des ermordeten Richters zu einem Jugendfreund Danas aus der Siedlung?
Was steckt hinter dem Tod von Walter Bauer, Danas Vater und welche Ziele verfolgt Jan Südel vom Verfassungsschutz?
Nach „Der Morgen“ und „Die Dämmerung“ beweist Marc Raabe auch im dritten Teil der Art-Mayer-Serie, dass er sein Handwerk bestens versteht. Er schreibt in zwei Zeitebenen und lässt in der verlassenen Wohnwagensiedlung längst Vergangenes wieder aufleben, während dazu parallel die aktuellen Entwicklungen den Spannungsbogen bis zum rasanten Ende des Pageturner aufrecht erhalten.
Nebenbei beobachten wir als Leser auch das private Geschehen der beiden Hauptprotagonisten, das ebenso schwierig zu sein scheint wie die komplexen Ermittlungen.

Auch dieser Band hat mich von der ersten Seite an so gepackt, dass ich fast die ganze Nacht durch lesen musste, bevor ich das Buch weglegen konnte. Für mich ist dieser Thriller ein echtes Highlight und ich freue mich jetzt schon sehr, dass im Frühjahr 2026 mit „Im Morgengrauen“ ein vierter Teil erscheinen wird.

Bewertung vom 10.03.2025
Haus Waldesruh
Krems, David

Haus Waldesruh


sehr gut

Vergangenheitsbewältigung

Aus Marcos Initiative hin treffen sich die ehemaligen Schulfreunde Anna, Lea, Ferdinand und besagter Marco für ein gemeinsames Wochenende in einem Forsthaus, von dem Marco angibt, dass es seinem Onkel gehört.
Seit der Matura – dem österreichischen Abitur - hatten sie untereinander kaum Kontakt und zunächst scheint die Freude über das Wiedersehen groß zu sein. Auch Frank, der Lea zur Waldhütte gefahren hat, wird zum Bleiben eingeladen, obwohl er doch gar nicht zur ehemaligen Freundesgruppe gehört.

Schnell wird klar, dass in der Runde eine Person fehlt, nämlich Max, der sich damals kurz nach dem Schulende das Leben genommen hat. Marco macht bis heute den gehassten Klassenlehrer Treichel für den Tod seines Freundes verantwortlich – und schon bald wird klar, dass er das gemeinsame Wochenende keineswegs ohne Hintergedanken geplant hat. Alte Konflikte brechen auf, nach und nach kommen lang gehütete Geheimnisse an die Oberfläche und die Stimmung im Jagdhaus droht zu kippen. Als dann auch noch ein unerwarteter Gast eintrifft, ist die Katastrophe nicht weit.

Der Roman, hinter dem ich nach der Leseprobe zunächst einen Krimi vermutet habe, entpuppt sich – wie auf der Buchrückseite zu lesen – als Kammerspiel und ist als handliches Buch mit 230 Seiten schnell zu lesen.
In ruhigem Schreibstil beschreibt der Autor die Szenerie, die durch die Dialoge recht lebendig wirkt. Trotzdem wurde mir beim Lesen keiner der Protagonisten so richtig sympathisch und ein Teil der Story ist vorhersehbar.
Der Roman gliedert sich in drei Teile, wobei der erste Teil den größten Raum einnimmt. So dauert es auch fast bis zur Mitte des Buches, bis die Geschichte an Fahrt aufnimmt. Gegen Ende bietet das Buch ein paar Überraschungen, wenn auch für meinen Geschmack nicht allesamt glaubwürdig.
Trotzdem habe ich das Buch gern gelesen. Die fehlende Spannung machten für mich ein paar Details wett, die zum Nachdenken anregten.

Bewertung vom 08.03.2025
Die Kammer
Dean, Will

Die Kammer


ausgezeichnet

Klaustrophobische Atmosphäre tief unter Wasser

Bei ihrem Einsatz bei einer Ölpipeline in der Nordsee in über 100 m Wassertiefe - ausgehend vom Taucherbasisschiff DSV Deep Topaz - müssen sechs Sättigungstaucher mehrere Tage in der eisernen Tauchkammer zum Druckausgleich verbringen. Der überaus anstrengende Job auf engstem Raum ist für die Taucher zwar Routine, wird dieses Mal jedoch zum Horrortrip, denn nach dem ersten Tauchgang gibt es einen Toten. Für die Männer und Ellen Brooke, die einzige Frau im Team, gibt es kein Entkommen aus der Druckkammer, und so müssen sie mit dem toten Kollegen ausharren. Wenig später kommt es zu einem weiteren rätselhaften Todesfall – nun wird zwar endgültig der Tauchgang abgebrochen, aber die verbliebenen Taucher müssen in der Kammer bleiben, da eine zu schnelle Dekompression tödlich enden würde.

Aus Ellens Sicht erzählt Autor Will Dean, wie die Taucher ihre Zeit zwischen Schlafkojen, Aufenthaltsraum und der winzigen Nasszelle verbringen. Detailliert schildert er den Lebensraum ohne Privatsphäre, in einer Enge, in der man nicht aufrecht stehen kann. Alle sind aufeinander angewiesen und in der langen Zeit, die sie miteinander verbringen müssen, erzählen sie sich gegenseitig Geschichten aus ihren zahlreichen Militär- und Taucheinsätzen.
Ruhig erzählt Ellen von Szenen, in denen man regelrecht die beklemmende und klaustrophobische Atmosphäre greifen kann. Die Zeit bis zum Ausstieg aus dem Druckbehälter scheint nicht enden zu wollen, und die anfangs gute Stimmung kippt immer mehr in Misstrauen. Die Taucher sind von der Schiffsbesatzung in puncto Heliumgas, Lebensmittel und Medikamenten abhängig und fragen sich bald, ob der Besatzung noch zu trauen ist oder ob einer der Kameraden ein Mörder ist. Die Situation zehrt an den Nerven, Minuten werden zu Stunden und mit jedem Tag steigt die Spannung ins Alptraumhafte.
Immer wieder muss man beim Lesen innehalten, so lebhaft wird diese Ausnahmesituation erzählt, bis am Ende lose Fäden zusammenfinden. Bis zum Schluss bleibt die Spannung erhalten, ebenso wie die Frage nach dem Täter bzw. der Todesursache bis zum Ende offen bleibt.
Das für mich absolut neue Setting in diesem beklemmenden Thriller mit außergewöhnlicher Atmosphäre hat mich sehr angesprochen. Passend dazu finde ich die Covergestaltung mit der Hilfe suchenden Hand hinter einem Bullauge.
Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 24.02.2025
Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1
Johnsrud, Ingar

Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1


ausgezeichnet

Realistischer Politthriller, der aktueller nicht sein könnte

In Norwegen stehen Neuwahlen bevor und bei der Terrorabwehr herrscht höchste Alarmbereitschaft, denn Hinweise deuten einen bevorstehenden Anschlag rechtsnationaler Extremisten an mit dem Gift Rizin an. Die beiden Antiterror-Ermittler Liselott Benjamin und Martin Tong versuchen mit allen Mitteln den Anschlag zu vereiteln und dazu parallel die in diesem Zusammenhang verübten Morde aufzuklären. Noch ist nicht klar, ob der Wahlkampf mit dem geplanten Terroranschlag zusammenhängt...

Währenddessen geht der Wahlkampf in die heiße Phase: Christina Nielsen, die Spitzenkandidatin der Arbeiterpartei sieht sich kurz vor der Machtübernahme und bedient sich dafür auch zweifelhafter Mittel, um ihre Macht zu sichern. Während ihres Wahlkampfs tendiert ihre Partei von der sozialen Mitte nach rechts und bald weiß man nicht mehr, wem überhaupt noch zu trauen ist und wer welche Ziele verfolgt.
Mittendrin steht Jens Meidell als juristischer Berater. Immer mehr lässt er sich in die politischen Intrigen verstricken und gerät unter Druck. Wie weit ist er bereit zu gehen, um der Arbeiterpartei zurück zur Macht zu verhelfen? Kann er seine eigene dunkle Vergangenheit hinter sich lassen?

Wenige Seiten umfassende Kapitel beschreiben den Countdown, die letzten Wochen und Tage bis zur Parlamentswahl aus unterschiedlichen Perspektiven. Johnsrud ist ein realistischer Pageturner gelungen, den man nicht mehr aus der Hand legen möchte.
Ingar Johnsrud hat mich als Spannungsautor bereits mit seiner „Fredrik Beier – Trilogie“ überzeugt, aber dieser Politthriller als Auftakt einer neuen Serie ist an Spannung und vor allem Aktualität im Hinblick auf die politischen Entwicklungen in Europa nicht zu überbieten – geht es doch um Rechtsterrorismus, Wahlkampfintrigen, Datenmanipulation und Macht.
Ich bin schon jetzt gespannt auf die beiden Folgebände und empfehle diesen Nordic Noir-Thriller ohne Abstriche!

Bewertung vom 02.02.2025
Schmerz
Jónasson, Jón Atli

Schmerz


sehr gut

Zwei Außenseiter ermitteln in Reykjavík

Als im Thingvellir-Nationalpark bei einer Klassenfahrt ein Teenager spurlos verschwindet, steht der Reykjaviker Kripochef Ellidor vor einem großen Problem: Bei einer groß angelegten Razzia gegen einen polnischen Clan werden sämtliche Einsatzkräfte dringend gebraucht – außer Rado und Dora.
Rado ist zwar ein erfolgreicher Ermittler, gleichzeitig jedoch Schwiegersohn des polnischen Clanchef, daher muss Ellidor ihn aus den Ermittlungen heraushalten.
Dora kämpft nach wie vor seit einem missglückten Einsatz gegen ihre Hirnverletzung. Seit der schweren Kopfverletzung hat sich ihr Wesen sehr verändert, sie ist häufig unkontrolliert und aufbrausend. Trotzdem hat Dora ein sehr gutes Gespür und findet in den Fallakten der Kollegen oft die entscheidenden Lösungen. Sie bewältigt Schreibtischarbeiten und ist auch aufgrund ihrer Schmerzmittelabhängigkeit nur bedingt einsatzfähig.

Ausgerechnet Dora und Rado müssen nun den Fall der verschwundenen Schülerin übernehmen. Die beiden Außenseiter müssen erst zusammenfinden, aber beide haben nichts zu verlieren und wachsen schließlich über sich selbst hinaus. Dora ist eine Kämpfernatur und lässt sich nicht unterkriegen – und Rado erkennt ihre Stärken, das schweißt die beiden ungleichen Ermittler zusammen.
Der isländische Autor ist ein vielfach ausgezeichneter Bühnen- und Drehbuchautor, der sich hier ganz neu einem völlig anderen Genre widmet, dem Nordic Noir.
Seine Charaktere sind glaubhaft gezeichnet und die Lösung beider Fälle, der Razzia samt ihrer Folgen sowie der Vermisstenfall, wirken nachvollziehbar. Die Idee hinter dem Roman ist ein aktuelles Thema, gemischt mit Gesellschaftskritik und trockenem Humor. Der Cliffhanger am Ende des Buches verspricht eine baldige Fortsetzung (für die auf der hinteren Umschlagseite bereits geworben wird).

Ich bin bei diesem Roman etwas zwiegespalten. Einerseits finde ich das Thema sehr gut gewählt, den Schreibstil flüssig, die Protagonisten glaubhaft und letztendlich die beiden miteinander verknüpften Fälle sehr gut gelöst. Andererseits erscheint es mir recht unrealistisch, denn eine Ermittlerin wie Dora, die derart unter ihrer Hirnverletzung leidet, wäre in Wirklichkeit nicht im Polizeidienst und schon gar nicht mit solchen Ermittlungen und Freiheiten betraut. Im Laufe des Buches muss sie zweimal erneut operiert werden und jedes Mal steht ihr Leben auf der Kippe und jedes Mal steht sie wieder auf, macht weiter und findet auch noch die Lösung.
Ich habe das Buch sehr gern gelesen und regelrecht verschlungen, freue mich auch absolut auf die Fortsetzung – aber in meiner Bewertung ziehe ich trotzdem ein Sternchen ab.

Bewertung vom 26.01.2025
Kummersee
Schwarz, Iver Niklas

Kummersee


ausgezeichnet

Das Grauen im Kummersee

Viele Jahre nach dem Tod ihres Bruders Tom kehrt Lena in ihr Heimatdorf Horlow zurück. Als Polizistin hat sie alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Personenschutz für das Vorauskommando eines sehr umstrittenen Bauvorhabens übernehmen zu dürfen. Dort im Wendland an der ehemals innerdeutschen Grenze sollen die Vermesser prüfen, ob sich der Kummersee als potenzielles Endlager eignet – und in eben diesem See ertrank vor dreißig Jahren Lenas Bruder unter mysteriösen Umständen. Lena hat dieses Trauma nie verarbeitet und hofft nun, dem Tod ihres Bruders auf den Grund gehen zu können.
Nicht nur eine Gruppe junger Umweltaktivisten versucht, die Arbeit der Vermesser zu stören, auch andere Kreise versuchen zu sabotieren, und Lena weiß bald nicht mehr, wem sie überhaupt noch trauen kann: Ihre eigene Mutter scheint sie abzuweisen, alte Schauergeschichten über den See leben wieder auf und die ehemalige Nachbarin, die Lena früher so vertraut war, spricht in Rätseln.
Als einer der beiden Vermessungsingenieure am Ufer des Kummersees einem bizarren Mord zum Opfer fällt, stürzt sich Lena kopfüber in die Ermittlungen. Gemeinsam mit ihrem Jugendfreund Andi kommt sie einem ungeheuerlichen Geheimnis auf die Spur, das sehr weit in die Vergangenheit reicht. Lena muss ihre schlimmsten Ängste überwinden, bis sie entdeckt, was in diesem See lauert – denn das Böse, das damals ihren Bruder das Leben kostete, lauert immer noch unter der Wasseroberfläche und darf nicht hinausgelangen…
Das düstere und zugleich atmosphärische Debüt von Iver Niklas Schwarz ist an Hochspannung kaum zu übertreffen! Auch wenn das Taschenbuch mehr als 500 Seiten aufweist, gibt es keinerlei Längen. Ganz im Gegenteil, der Autor schafft es gleich von Anfang an, Spannung zu erzeugen und durch zahlreiche Geheimnisse der Dorfbewohner, die Sagen rund um den Kummersee und nicht zuletzt durch die dramatischen Ereignisse die gruselige Atmosphäre bis zum Ende mit gut gezeichneten Charakteren nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern immer mehr zu steigern.
Der rasante Thriller mit Mystery- und Horror-Elementen hat mich absolut überzeugt und zählt für mich jetzt schon zu den Jahreshighlights. Ich hoffe auf weiteren Lesestoff von diesem Autor.

Bewertung vom 19.01.2025
Die Schanze
Menz, Lars

Die Schanze


sehr gut

Schatten der Vergangenheit

Nach der Trennung von ihrem Freund sucht die junge Ärztin einen Neuanfang kehrt an den Ort ihrer Kindheit zurück, wo sie eine in die Jahre gekommene Hausarztpraxis übernimmt. Kurz darauf geschieht ein Mord. Bereits der Empfang und die Praxisübergabe klappen nicht wie geplant, und dann geschieht in der Kleinstadt noch in derselben Nacht von Ellens Rückkehr ein dramatischer Mord.
Als Ellen den Toten an der Schanze hängen sieht, kommen die schrecklichen Erinnerungen ihrer Abiturfeier wieder hoch, die sie damals veranlasst haben, den Ort am Rande der Alpen zu verlassen. Bei dem Toten handelt es sich um Johannes, der mit einem elektrischen Viehtreiber misshandelt und dann erhängt wurde. Johannes ist Grubers Sohn, der Bürgermeister und Lokalpolitiker ist und so Manches zu verbergen hat.
Als der zweite Mord geschieht – Max, ebenfalls Sohn des alten Gruber – weiß Ellen nicht mehr, wem sie im Ort überhaupt noch vertrauen kann. Wie zuverlässig sind der Ex-Polizist Haußer, der seine kranke Frau pflegt, Ellens Schwester Saskia und deren unzuverlässiger Mann Bruno, der ehemals unscheinbare Klassenkamerad Vogl und der Lokalreporter Merab?
Wer hat das stärkste Motiv für die Morde, etwa Ellen selbst?
Der erste Roman von Lars Menz liest sich kurzweilig und flüssig. Von Beginn an liegt eine bedrückende Atmosphäre über dem Ort und Ellen deckt immer mehr Geheimnisse aus der Vergangenheit auf. Die detailgenauen Schilderungen der Morde sind wahrlich nichts für schwache Nerven, aber dem Autor ist ein spannender Roman gelungen, den man nicht so leicht aus der Hand legt.

Bewertung vom 10.01.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


sehr gut

Gespräche über die Liebe

Der einst gefeierte Autor Eduard Brünhofer sitzt auf der Fahrt von Wien nach München im Zug. In München erwartet ihn kein angenehmer Termin, denn er hat seit Jahren keinen Liebesroman mehr bei seinem Verlag abgeliefert und der bereits erhaltene Vorschuss ist schon längst ausgegeben. Während der Fahrt wollte Brünhofer sich auf den bevorstehenden Verlagstermin vorbereiten, aber mit ihm im Abteil sitzt „eine Frau frühen mittleren Alters“, die ihn in ein Gespräch verwickelt.
Sehr geschickt stellt sie es an, sie bringt Brünhofer dazu, seine Ehejahre mit Gina zu reflektieren und trotzt ihm ein eindringliches Gespräch über die Liebe ab.
Catrin Meyr ist ebenso wortgewandt wie ihr Gegenüber, sie analysiert ihn und seine Antworten so dermaßen geschickt, dass der Autor gar nicht anders kann, als immer mehr von sich preiszugeben.
Erst ganz am Ende des Buches kommt eine überraschende Wendung, mit der ich nicht gerechnet habe, die aber das Buch um Einiges aufwertet.
Ich habe alle bisherigen Bücher von Daniel Glattauer gelesen - an „Gut gegen Nordwind“ kommt dieses hier leider nicht ganz heran, auch wenn Glattauer erneut mit trockenem Humor und Wortwitz brilliert. Hier sind es eher die Gedanken des alternden Autors Brünhofer anstelle von durchgehenden Dialogen, die einem als Leser in einen Sog ziehen, nach dem Klappentext habe ich etwas Anderes erwartet.