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galaxaura
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Köln

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Insgesamt 102 Bewertungen
Bewertung vom 19.08.2025
Shusterman, Neal

All Better Now.


gut

Was bedeutet Glück?

Der neue Roman von Neal Shusterman, „All Better Now“, erster Teil einer Dilogie und erschienen 2025 bei Fischer Sauerländer, kann leider nicht in vollem Umfang überzeugen. Ausgestattet mit einer genialen Ausgangsidee schafft es Shusterman nicht, das dadurch gegebene Potenzial voll einzulösen.

Kurz müssen wir über das Cover der deutschen Ausgabe sprechen, meiner Meinung nach leider ein Fail, zielend auf das angepeilte jugendliche Publikum (Zielgruppe ist 14+) strahlt den Lesewilligen vom Cover ein fetter Smiley entgegen, allerdings fasst diese Optik nicht die Dimension des Romans und lässt das Buch eher wie einen Ratgeber aus der Grabbelkiste wirken. Das Cover der englischsprachigen Ausgabe wird dem Buch da so viel mehr gerecht! Wäre ich nicht im Vorfeld medial auf das Buch aufmerksam geworden, ich hätte kaum danach gegriffen.

Shusterman konstruiert in der nahen Zukunft eine neue Pandemie namens Crown Royal, kurz CR – Ähnlichkeiten zu dem Coronavirus sind absolut gewollt. An diesem Virus kann man ähnlich wie bei Covid sterben – überlebt man die Infektion jedoch, ist man ab sofort glücklich und zufrieden. Das klingt doch super, oder? Das findet auch Mariel, die wahrlich kein leichtes Leben hat und für die das Virus eine Lösung darstellen könnte. Und auch Rón, der trotz aller Privilegien, die sein Leben ihm schenkt, schon immer mit Depressionen kämpft, setzt Hoffnung auf CR. Dagegen stehen die Mächtigen und Reichen der Welt, die Nutzziehenden des Kapitalismus, für die eine glückliche und zufriedene Menschheit der Supergau wäre. Der Konflikt der Interessen ist explosiv – und auch die Pharmaindustrie wittert natürlich Möglichkeiten, zumal das Glück sich immer mehr als Gewinn mit Nebenwirkungen entpuppt...

„Crown Royal“, die neue Pandemie, ist eine für mich gelungene Gegenkonstruktion zu Corona, bis zu so schönen Details wie dem, dass Erkrankte einen besonderen Geruch wahrnehmen, während Corona ja Geruchs- und Geschmackssinn zerstört in vielen Fällen. Es ist eine tolle philosophische Frage, die zugrunde liegt: Würde man in Kauf nehmen, vielleicht zu sterben, wenn der Lohn wäre, endlich zu wissen, was wahres Glück ist und dieses damit zu erleben? Generell strickt Shusterman viele philosophische und ethische Dilemmata in seinen Roman – in der Häufung ungewöhnlich für einen Jugendroman, was das Buch auf jeden Fall sehr geeignet für eine Schullektüre macht. Und auch als erwachsene Person kommt man immer wieder an den Punkt, wo es schwer ist, sich zu entscheiden und klar eine Position zu beziehen. Das erreicht Shusterman unter anderem dadurch, dass er letztlich keine der Hauptfiguren wirklich sympathisch gestaltet. Gut für die inhaltliche Debatte – leider aber schlecht für das Leseerlebnis, denn ich konnte einfach nie ganz in die Handlung einsteigen – und das trotz wirklich viel Action und Wendungen.
Ein zweiter Kritikpunkt ist die fehlende Tiefendimension, leider kommt Shusterman von seiner Grundidee aus nicht wirklich viel weiter und vor allem hat er die Folgen des CR-Virus nicht konsistent und glaubwürdig durchgestaltet. So gibt es viele Ungereimtheiten. Am Ende präsentiert Shusterman noch einmal eine ganz neue Figur in einer ganz neuen Form – und da hat mich der Roman leider endgültig verloren, weil hier erneut ein so großes Potenzial verschenkt wird. Denn Shusterman entscheidet sich für Esoterik und Schwurbelei, statt für klaren Kopf und Kalkül. Letzteres wäre eine Bedrohung und eine neue, ernstzunehmende Fragestellung gewesen, ersteres ist leicht wegzuwischen.
Das Finale formt einen erwartbaren Cliffhanger zu Band 2 – dieser wird allerdings auch mit viel Überkonstruktion herbeigeschrieben und verlässt endgültig jeden Pfad der Logik. Darum reizt es mich momentan nicht, Band 2 zu lesen, auch wenn die für diesen Band erarbeitete Grundkonstruktion erneut interessant ist. Ich habe das Gefühl, es wäre gut gewesen, hier auf eine Dilogie zu verzichten und den Stoff komprimiert in einen Band zu bringen, das hätte viele von mir empfundenen Längen aufgehoben.
Unter dem Aspekt des Jugendbuches glaube ich, dass es durchaus funktionieren kann, hier im Rahmen einer actiongeladenen Grundstory gesellschaftliche Fragen zu vermitteln. Dennoch dürften auch Jugendliche über die mangelnde Tiefe der Charaktere und die vielen Inkongruenzen stolpern. Dringend empfehlen würde ich das Buch für eine Verfilmung, dafür finde ich den Plot wirklich sehr geeignet. Alles in allem also kein Hype – aber solide lesbar.

Bewertung vom 19.08.2025
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


sehr gut

„Das Geschenk“ der neue, gerade mal 138 Seiten lange Roman von Gaea Schoeters, erschienen 2025 im Paul Zsolnay Verlag, hat es erwartbar in den großen Fußstapfen von „Trophäe“ nicht leicht und ist insofern ein achtbarer Nachfolger. Schoeters bleibt dran an der Thematik des Postkolonialismus und des white gaze und führt die Handlung diesmal sogar direkt in die deutsche Hauptstadt Berlin, so dass das Setting für deutsche Lesende mit viel Vertrautem aufwartet.

Die Handlung, die sich etwas über ein Jahr erstreckt, ist ebenso schnell beschrieben, wie sie wundervoll grotesk ist: Im politisch korrekten Deutschen Bundestag wird ein Gesetz gegen die Einfuhr von Elfenbein verabschiedet – was den Präsidenten von Botswana als Produzenten von Elfenbein sehr aufbringt, ist er doch der Auffassung, deutsche Politiker sollten sich mit deutschen Inhalten beschäftigen und nicht einfach Urteile über sein Land fällen, wenn sie die wirtschaftlichen und ökologischen Folgen überhaupt nicht einschätzen können. Perfide und ein bisschen magisch hat er sich deshalb eine Lektion überlegt und lässt zwanzigtausend Elefanten in Berlin erscheinen, damit sich die Deutschen mal so richtig in die Situation einfühlen können. Und damit das Spiel auch nicht zu leicht gewonnen werden kann, gibt es noch eine Zugabe: Für jeden Elefanten, der zu Schaden kommt oder der eingesperrt wird, erscheinen zwei neue.

Was soll man sagen – „the elephant is in the room“. Was zunächst anmutet wie ein Aprilscherz wird zu einer Aufgabe, die die Mechanismen von Politik und die Arroganz westlicher Nationen paradigmatisch vorführt. Und dabei tauchen, sicher nicht zufällig, immer mehr Parallelen zur Flüchtlingsthematik und der AfD auf, was Schoeters gekonnt nicht thematisiert und auch nicht der Hauptfokus des Romans ist, vermutlich, aber es schwingt immer mit und es tut weh. Selbst das Konzept der Remigration taucht auf und wird in aller Deutlichkeit zuendegedacht. Vor allem aber wird deutlich, dass die Kulturarroganz und die postkoloniale Haltung, die in vielen Entscheidungen Europas immernoch mitschwingt, schnell an ihre Grenzen stoßen würde, wären wir selbst mit ähnlichen Voraussetzungen konfrontiert, wie die vielen unterschiedlichen Staaten in Afrika.

Gaea Schoeters schreibt dabei durchweg souverän und herrlich komisch, ihre Bildgewaltigkeit und Detailliebe ist beglückend, ihre Dialoge knackig und bissig und immer wieder ist auch Raum, noch etwas zu lernen, wie etwa Wissen über die Glass-Cliff-Theorie oder das Shifting-Baseline-Syndrom. Wie schnell aus politischen Idealen nur noch Taktik und Gewinnen wollen wird, wie wenig es Bereitschaft gibt, wirklich etwas zu verändern und Fakten Raum zu geben – das alles sind leider Realitäten und keine Fiktion. Und je länger der kurze Roman voranschritt, desto mehr mischten sich in meinem Kopf Elefanten mit Menschen, was die Bitterkeit der Handlung noch verschärfte. Eine kluge Parabel also auf unsere Zeit, auf unsere deutsche Gesellschaft, auf unsere Hochherrlichkeit und unsere Angst. Und ein erneut wacher Blick auf das Verhältnis zwischen erster und dritter Welt, das noch nie wirklich aus Hilfsbereitschaft bestand, sondern noch immer aus Herrschaftsdenken.

Dennoch fehlt etwas. Die Genialität von Trophäe bestand darin, dass wir lesend so tief in den Abgrund der Gedanken und Psyche eines Täters eingestiegen sind, dass es nicht mehr möglich war, sich davon zu distanzieren. Das Geschenk dagegen hält die Distanz durchweg aufrecht und hat zumindest bei mir zu keinem Zeitpunkt Identifikation oder emotionales Einsteigen hervorgerufen. Mir fehlen auch Lösungen. Lösungen, bei denen die Parabel nicht nur in der Parabel steckenbleibt. Lösungen, für die es keine Magie braucht, sondern Realität.

Rein literarisch habe ich den Roman oder vielleicht doch eher die Novelle? aber sehr genossen. Ein richtiger guter Snack, der auch zum Nachdenken anregt, auf jeden Fall zu empfehlen.

Bewertung vom 08.08.2025
Johnston, Bret Anthony

We Burn Daylight


ausgezeichnet

Die Sterne sehen aus wie Einschusslöcher

„We burn daylight“ von Bret Anthony Johnston, erschienen 2025 bei C.H. Beck, hat mir durchweg den Atem abgeschnürt. Es ist ein eindrückliches, beklemmendes Werk, das tiefe Einblicke in die Struktur von Sekten gibt, ohne dabei auch nur ein einziges gängiges Klischee zu benutzen. Johnston schreibt tiefgehend und mit viel Zeit, er ist ein Meister der Atmosphäre und der genauen Charakterzeichnung und: Der Andeutung. Denn mit diesem Mittel hält er die Lesenden durchweg in einer leisen Panik, ohne diese jemals wirklich zu lösen.

Johnston teilt die Handlung in Abschnitte, die er den Pferden der Offenbarung der Bibel zuordnet, was sehr viel Sinn ergibt. Er erzeugt von Anfang an durchweg eine hochbedrohliche Atmosphäre, ohne dass etwas Konkretes passiert. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, weil ich ständig dachte, gleich explodiert es, gleich passiert etwas greifbar Schlimmes. Nach einem kurzen Prolog, den die Lesenden erst am Ende des Buches angelangt einordnen können, geht es in die Haupthandlung, die eine sehr clever konstruierte Mischung aus Coming of Age, Liebesgeschichte, Gesellschaftskritik und historischem Rückblick formt. „Es ist die Zeit des Leidens gekommen, das Warten ist vorbei“ – das setzt den Pace und das Thema für das Buch und wurde von mir unterbewusst sehr abgespeichert.

Wir befinden uns also im Jahr 1993 und die beiden Hauptcharaktere Roy und Jaye, zwei Teenager, die zufällig in Waco aufeinandertreffen, waren mir direkt sympathisch, sie sind beide etwas verschroben, aber auf die gute Art, ich liebe solche Charaktere. Sie sind jung und formbar, sollte man denken, sind aber zum Glück viel zu sperrig, um leicht geformt werden zu können. Wir befinden uns in Waco, Texas und ohne dass ich jemals dort gewesen wäre, fühlt sich der Ort öde und staubig an. Und während sich im Hintergrund des Geschehens eine immer stärkere und fanatischere Religionsgemeinschaft formt, finden im Vordergrund zwei sehr besondere Menschen Halt aneinander, der jedoch durchweg bedroht ist.

Ich mochte die formale Grundidee total, das ist richtig gut gemacht, die kurzen Erinnerungsausschnitte aus einem Podcast, die vielen Stimmen, die aus der Vergangenheit erzählten und durchweg das Gefühl geben, hier ist eine Katastrophe passiert, für die sich keiner zuständig fühlen möchte, gepaart mit den wechselnden Erzählkapitelperspektiven von Roy und Jaye. Durch das langsame Entblättern des Geschehens und die Multiperspektive wird klar, warum Sekten so gut funktionieren, wie es eine Schüchternheit des Außen gibt, genau hinzusehen und eigentlich alle immer ganz froh sind, keinen Handlungsbedarf zu sehen, weil es doch nur ein bisschen verrückt und gar nicht so schlimm ist, wie auch Menschen sukzessive von Lamb, dem Führer der Religionsgemeinschaft, infiltriert werden, indem er seine Message nur in kleinen Stücken weitergibt und so gar keine Leaderpersönlichkeit ist auf der Oberfläche, selbst fast eher wie ein Opfer wirkt, nahezu hilfsbedürftig, aber dadurch die Menschen und vor allem die Frauen anzieht. Dabei schafft es Johnston sehr gut, uns durchweg die Armseligkeit und Verwahrlosung, den subtilen und teils auch gar nicht subtilen Missbrauch deutlich zu machen. Mir hat das richtig körperliche Schmerzen bereitet beim Lesen und auch sehr viel Ekel. Es ist einfach total gut beobachtet und gebaut. Verrückt, dass Menschen, die in das System geraten, diesen Ekel nicht mehr empfinden.

Zwischendurch immer wieder unglaublich zerstörerische und vorausdeutende Poesie: „Die Sterne sehen aus wie Einschusslöcher.“ Generell schreibt Johnston auf sprachlich unglaublich hohem Niveau und lässt sich die Schönheit der Sprache immer wieder über die Gefährlichkeit der Ereignisse legen. In quälender Langsamkeit wird hier gezeigt, was Ideologie gefährlich macht bis zu einem vollkommen absurd wirkenden Showdown, den Johnston meisterhaft parallel führt, Atmosphäre und Dynamik vom innen und außen so gegensätzlich, der Staat wirkt lost und unvorbereitet, dadurch die komplette Eskalation. So gut gemacht, die Perspektive von Jaye für innen, Perspektive von Roy für außen, klassische antike Mauerschau, Machtlosigkeit im Nicht-Handeln drinnen wie draußen.

Das Ende des Buches formt einen weiteren genialen Coup mit einem Kreisschluss, der alles bisher Gelesene noch einmal neu wirken lässt. Mich hat dieser Roman unglaublich berührt und gepackt, ich hätte nie damit gerechnet, aber das ist wirklich ein Hammer Buch, ich könnte einen eigenen Roman über diesen Roman schreiben. Johnston erzählt die Sekte und die Infiltration, ohne sie zu erzählen, ohne je konkret zu werden. Für mich ein Meisterwerk, weil er genau damit die Struktur aufblättert – aber auch zeigt, wie sehr Gesellschaft solche Strukturen mitträgt durch aktives Unter- und Übertreiben, durch keine wirkliche intensive Auseinandersetzung. Ich bin geflashed von diesem Buch.

Bewertung vom 31.07.2025
Jackson, Holly

Not Quite Dead Yet


sehr gut

Fast schon Fantasy

„Not Quite Dead Yet“, erschienen 2025 bei Bastei Lübbe, der neue Roman von Erfolgsautorin Holly Jackson, ist ein Roman mit guter Spannungskurve, der die Ankündigung, dass Holly Jackson mit diesem zum ersten Mal einen reinen Erwachsenenroman schreibt, allerdings nicht einlöst. Insgesamt fordert der Roman seinem lesenden Publikum viel Bereitschaft ab, Unwahrscheinliches zu akzeptieren – ist die lesende Person dazu bereit, findet sie sich auf einer angenehmen Lesereise mit vielen Plottwists ein, die keine schlaflosen Nächte bereitet, aber dramaturgisch durchweg gut gebaut ist und viel Spaß macht.

Bevor wir tiefer einsteigen, ein kurzes Shout-Out an das kluge Coverdesign von Erin Fitzsimmons und Scott Biel, dieses Cover erschließt sich erst auf den zweiten Blick und ist dann einfach richtig gut. Sowieso ist die Buchaufmachung in gewohnt guter und nachhaltiger Qualität, hier macht Bastei Lübbe immer alles richtig, die Liebe zum gedruckten Buch ist spürbar.

Die Grundkonstruktion des Thrillers ist, das muss man Holly Jackson lassen, einfach genial, den eigenen Mörder zu suchen, weil man schon weiß, dass man an den Folgen einer Verletzung sterben wird und nichts dagegen tun kann, das ist richtig klug gesetzt. Ein kurzer Sprung in die Story also, ohne zu viel zu spoilern: Jet, 27 Jahre alt, wird am Ende des Halloween-Tages in ihrem Zuhause niedergeschlagen – mit fast letalem Ausgang, ihr alter Bekannter Billy entdeckt sie gerade rechtzeitig, Jet kann im Krankenhaus gerettet werden, die Sache hat nur einen Haken: Ein Knochensplitter in ihrem Kopf wird binnen sieben Tagen sicher ihren Tod verursachen. Alternativ könnte sie sich für eine OP entscheiden, mit nur einer sehr geringen Chance auf Erfolg und Überleben. Für Jet ist die Sache klar: Sie wird die sieben Tage nutzen, um ihre:n zukünftigen Mörder:in zu finden.

Mehr Details sollen nicht verraten werden, denn Jackson legt klug immer neue Spuren und führt die Lesenden in eine abgründige Konstruktion, in der eigentlich so gut wie jeder Charakter etwas auf dem Kerbholz hat und Gut und Böse schwer zu trennen sind. Der in Jet tickenden Bombe geschuldet, ist der Handlungsverlauf rasant und gedrängt, ein hohes Tempo setzt den Rhythmus, so dass man das Buch eigentlich nicht gern aus der Hand legt.

Jet ist ein toller Charakter, sie ist unglaublich trocken, und ich liebe ihren Humor. Sie hat etwas Gradlinig-kantiges und ist dabei dennoch sehr verletzlich. Mir gefällt gut, wie sich ihre Geschichte ganz langsam immer mehr zusammensetzt und sich viele Leerstellen mit der Zeit immer weiter auffüllen. Die weiteren Charaktere geraten etwas holzschnittartig, hier hätte ich mir für die Figuren mehr Tiefe gewünscht. Jackson schreibt gewohnt flüssig und stark, sie kennt ihr Handwerk, problematisch sind die großen Ungereimtheiten und Übertreibungen, es ist schon sehr erstaunlich, zu was Jet in der Lage ist, nachdem sie eben noch mit Schädel-Hirn-Trauma und fast verstorben im Krankenhaus lag. Viele kleine Details stimmen nicht und werden nicht aufgelöst. Mich hat das zunehmend dann doch verärgert, weil so für mich kein emotionales Einsteigen möglich war, dafür habe ich die Augenbrauen dann doch zu viel hochgezogen beim Lesen. Sehr gut gelungen ist aber, wie Jackson immer neue Charaktere als Verdächtige platziert, so dass die lesende Person erst sehr spät im Buch eine Ahnung entwickeln kann, wer Jets nahendes Ableben verursacht hat.

Ohne zu spoilern: Das Ende des Buches ist sehr gut gebaut und wartet auch noch mit einem formalen Twist auf. Insgesamt habe ich das Buch, nachdem ich mich vom Pfad der Logik verabschiedet habe (den zu verlassen gibt die Autorin im Nachwort immerhin auch zu), gern gelesen, es war spannend, hat ein hohes Tempo, ich mag den Schreibstil, und ich bin auch Fan von Jet als Charakter, aber die vielen Glaubwürdigkeitslücken sind schon hart. Ein gutes Buch zum einfach nur Konsumieren, hängenbleiben wird mir da nicht viel. Ich würde es auch definitiv in den Bereich YA einsortieren, so richtig erwachsen fand ich den Plot nicht – ein Buch wird nicht dadurch ein Erwachsenenroman, dass man die Protagonistin ins Alter von 27 setzt – vor allem nicht, wenn diese sich durchgehend wie ein Teenager verhält. Hier tut der Verlag meiner Meinung nach Holly Jackson keinen Gefallen mit dieser Einordnung, denn dadurch wird die Messlatte nach oben gesetzt und Holly Jackson kann nicht drüberspringen. Hat aber Spaß gemacht! Und bettet sich gut ein in das Werk von Holly Jackson, wer also einen entspannten Thriller mit bissigem Humor und schrägen Charakteren sucht, wird hier gut bedient.

Bewertung vom 28.06.2025
Bröhm, Alexandra

Yrsa. Die Liebe der Wikingerin (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Erneut ein Volltreffer

„Yrsa – Die Liebe der Wikingerin“, die Fortsetzung der Wikingersaga um die Kriegerin Yrsa aus der Feder von Alexandra Bröhm, erschienen 2025 im Ullstein Verlag, begeistert nicht weniger als der Vorgängerroman und zieht erneut mit einer spannenden Story die Lesenden komplett in den Bann. Dabei funktioniert der zweite Band durchweg auch ohne Vorkenntnis des ersten Bandes, da die Autorin alle wichtigen Informationen geschickt einflicht – aber ich würde dennoch dazu raten, den ersten Band auch zu lesen, ganz einfach, weil es sich lohnt! Auch die Ausstattung des Buches steht dem Band 1 in nichts nach, erneut eine wirklich wunderschöne Covergestaltung mit goldenen Prachtmotiven und Verzierungen auf diesmal blauem Hintergrund. Bei dem knapp 600 Seiten dicken Buch wurde nicht an der Papierqualität gespart, es liegt gut in der Hand und blättert sich angenehm. Im Innencover findet sich eine Karte, die bei der geografischen Orientierung hilft.

In unseren Händen halten wir also wieder einen richtig guten Schmöker, der sich vorm Kamin ganz sicher genauso gut macht wie im Strandkorb – aber wer könnte schon bis zur Kaminzeit warten? Nachdem die junge Wikingerin Yrsa sich im ersten Band freigekämpft hat, ist sie nun bei ihrem Traum angekommen, als Kämpferin an der Seite ihres Love Interests Avidh die Meere zu bereisen und durch Überfälle ihren Lebensunterhalt zu gestalten. Ein ethisch fragwürdiger Traum, zugegeben, und vielleicht lässt Bröhm Yrsa auch deshalb schnell feststellen, dass Romantik auf dieser Reise keinen Platz hat. Was als Raubzug beginnt, wird zu einer ganz persönlichen Reise zu den eigenen Wurzeln, zum Kampf um Liebe und Verrat, zur Konfrontation mit Ängsten und Wünschen und letztlich auch zur Frage, um was es einem im Leben eigentlich geht, was ist einem das eigene Leben wert?

Bröhm trifft über weite Strecken genau die richtige Dosis an Spannung, gemeinen Verwicklungen und Intrigen, lang gehegten Geheimnissen, einem Hauch von Mystik und Magie, gut eingebetteter Historie und Plot-twists. Bröhm ist wieder ein Pageturner gelungen, sie schreibt atmosphärisch stark und erfindet lebendige Charaktere, sie webt viel gut recherchiertes Wissen um die Wikingerzeit ein, ohne dass das je aufträgt, und der Spannungsbogen trägt bis zum letzten Moment. Persönlich hätte ich auf die doch sehr groß geratene Prise Spice in der gewählten Ausführlichkeit gut verzichten können und zwischendurch gibt es schon auch einige Seiten, die nicht wirklich zur Handlung beitragen, so dass dem Roman 50 Seiten weniger noch etwas mehr Straffheit geschenkt hätten. Spannend sind dagegen die Andeutungen, dass Yrsa eventuell doch Seherkräfte von ihrer Mutter geerbt haben könnte, allerdings wird auch dieser Strang nicht wirklich verfolgt, schade, hier läge noch einiges an Potenzial, könnte sich dort Yrsas eigentliche Bestimmung verbergen? Extrem gut gelungen ist aber, wie Bröhm die dauerhafte Bedrohung von Frauen durch das männliche Geschlecht in die Geschichte einarbeitet und die vielen Formen, die diese annimmt. Wie auch die vielen Beobachtungen über die Gesellschaft der Zeit, fällt das gar nicht auf, es ist ganz selbstverständlich Teil der Geschichte.

Insgesamt wurde hier erneut ein sehr runder Roman geschaffen, den ich mit Freude und großer Spannung gelesen habe. Die Reihe ist als Dilogie angelegt und der Roman ist in sich abgeschlossen – für mich bietet das Ende jedoch durchaus Stoff für einen dritten Band. Ob Alexandra Bröhm sich von ihren Yrsa-Fans dazu bewegen lässt? Ich hoffe es doch sehr! Also alle schnell den zweiten Band kaufen und über den Sommer lesen.

Einen Bonusstern würde ich gerne für das Nachwort vergeben können – dieses ist wirklich ganz besonders gelungen. Bröhm gibt dort eine umfängliche Einordnung ihres Schreibens in den historischen Kontext, und das liest sich noch einmal genau so spannend wie das ganze Buch.

Bewertung vom 24.06.2025
Oecal, Achim

Fast & Tasty


ausgezeichnet

Titel und Inhalt synchron

„Fast & Tasty“ von Achim Oceal, auch bekannt als @kitchenachim ist ein Kochbuch, das hält, was sein Name verspricht. Die knallig gelbe Farbe macht gute Laune und guten Appetit – den braucht der kochende Mensch auch, denn die vielfältigen Rezepte sind wirklich schnell gekocht und vielfältig.

Achim Oecal kommt nach einer kurzen Einleitung zu seiner Kochphilosophie direkt zur Sache. Aufgeteilt in verschiedene Unterkapitel wie Snacks und Fingerfood, Salate, vegetarische Gerichte, Fleischgerichte, Pasta und Süßspeisen, bleiben hier keine Wünsche offen. Die Rezepte sind gut und übersichtlich erläutert und präsentiert, die Fotos großformatig und ansprechend. Ganz besonders toll: Bei jedem Rezept sind Besonderheiten wie vegetarisch, glutenfrei usw. direkt verzeichnet. Und Oecal bietet immer direkt auch noch Varianten an für Toppings, andere Gewürze, Kombinationen, gibt Infos zu unbekannteren Lebensmitteln und Tipps für Beilagen und mögliche Ergänzungen. Ein zusätzliches Plus: Ein Verzeichnis nach Zutaten, so dass man schnell fündig wird, wenn man beispielsweise noch Feta im Kühlschrank hat, der verbraucht werden sollte – ein Blick ins Register und schon findet man alle Rezepte mit Feta, einfach genial.

Als Mensch mit oft sehr wenig Zeit zum Kochen habe ich hier viele neue Inspirationen gefunden. Ein kleines Manko: Ich hätte mir Nährwerte der Rezepte gewünscht, und ein Großteil der Rezepte ist relativ hochkalorisch, so dass hier noch ein paar schlankere Rezepte der Sammlung gutgetan hätten.

Insgesamt aber eine wirklich runde Sache mit vielen wirklich leckeren Gerichten, die auch tatsächlich in der versprochenen Zeit auf den Tisch gebracht werden können, was in vielen Kochbüchern dieser Art nicht der Fall ist. Eine absolute Empfehlung für Menschen, bei denen der Terminplan oft eng getaktet ist. Man sieht dem Buch die Begeisterung, mit der Achim Oecal kocht, auf jeder Seite an.

Bewertung vom 01.06.2025
Cors, Benjamin

Aschesommer / Gruppe 4 ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Asche zu Asche

Mit „Aschesommer“, erschienen 2025 bei dtv, legt Benjamin Cors erneut einen Thriller mit Pageturner-Qualität vor, der seinem Vorgänger „Krähentage“ in nichts nachsteht. Der Thriller funktioniert dabei durchaus als Stand-Alone, wobei die Kenntnis von Krähentage einen einige Details besser verstehen lässt und hey, Krähentage ist ebenfalls eine Lesereise mehr als Wert, also warum nicht vorher lesen, wenn noch nicht geschehen.

Die Gruppe 4 um Jakob Krogh und Mila Weiss, die sich in „Krähentage“ neu gegründet und gefunden hat, wird mit einem neuen Serienmörder (oder -mörderin? Wer weiß das schon?) konfrontiert. Die Morde sind perfide mit Paläontologie und der Erdzeitgeschichte verknüpft, genauer gesagt, mit dem großen Massensterben, das immer wieder durch diese weht, ein Stichwort hier wäre Eiszeit. Schnell wird eine Verbindung hergestellt zu einem potenziellen Täter – der die Taten aber nicht begangen haben kann, ist diese Person doch in Sicherheitsverwahrung in einer geschlossenen Anstalt. Die Zeit läuft gegen die Gruppe 4 – und der Sommer und die in ihm wehenden Sonnenblumen treiben den Ermittelnden zunehmend den Schweiß ins Gesicht. Können sie das Ruder noch herumreißen oder sind sie der Geschichte der Erde ausgeliefert?

Cors schreibt enorm dicht und mit hohem Tempo, das Buch ist in Tagen organisiert und von diesen vergehen gerade mal fünf. Der Spannungsaufbau ist von Beginn an krass und der Spannungsbogen reißt bis zum Ende nie ab. Die Dramaturgie ist perfekt durchinszeniert, hier ist alles stimmig. Und je weiter der Fall voranschreitet, desto mehr verknüpft sich das Geschehen mit den privaten Geheimnissen von Mila und Jakob, die immer mehr ihre Masken voreinander fallen lassen müssen. Das geht an die Substanz und lesend leidet man mit. Schon Krähentage war persönlich – jetzt geht es ans Eingemachte. Die Atmosphäre ist so gut gegriffen, dass man lesend quasi die Sonne über den Feldern flirren sieht.

Zwei kleine Mankos weist der Thriller auf, in Teilen ist das Geschehen dann doch vorhersehbar, und das Team der Gruppe 4 verkommt streckenweise etwas zu Statist:innen, so sehr ist die Handlung auf Jakob und Mila fokussiert. Das tut dem Lesegenuss aber wenig Abbruch, und so wurde dieser Thriller in nur zwei Tagen durchgesuchtet, mehr als die fünf der Handlung wird sicher kein:e Leser:in brauchen.

Einmal mehr also ein brennend guter Thriller aus der Hand von Benjamin Cors mit einem diesmal deutlich mehr geschlossenen Ende als es in Krähentage der Fall war – was aber hoffentlich nicht gegen eine Fortsetzung der Reihe spricht? Ich votiere klar für einen Band 3!

Bewertung vom 29.05.2025
Vuong, Ocean

Der Kaiser der Freude


ausgezeichnet

Alles rausholen

„Der Kaiser der Freude“ von Ocean Vuong, lang erwartet und jetzt 2025 endlich erschienen im Carl Hanser Verlag, ist ein schon vorab gehypter Roman, was einem Roman ja das Leben schwer machen kann – doch hier: Keine Sorge. Dieser Roman wird den Lesenden das Herz zerreißen.

Vuong erzählt die Geschichte von dem jungen Hai und der alten Grazina, die eine schicksalhafte Nacht als Notgemeinschaft zusammenwürfelt. Und wer jetzt schreit, diese Idee ist doch uralt! Der hat Recht und das Geniale an Vuongs Buch ist, dass die Idee völlig nebensächlich ist. Dieses Buch strahlt durch die Tiefe, in der Vuong Beziehungen auslotet und Leben beschreibt.

Wir befinden uns in einem furchtbar öden amerikanischen Ort, wo genau, ist vollkommen egal, nicht egal ist, wie perfekt und atmosphärisch der Autor die Trostlosigkeit und Ausweglosigkeit, das ewige Grau und den Beton, die Ballung von Diner und Imbiss in einer absoluten Tristesse beschreibt, sogar die Natur ist hier ständig nass und matschig. Und dennoch gelingt es Vuong, durchweg auch ein Gefühl von Lieben und Zugehörigkeit, von Heimat und merkwürdiger Geborgenheit einzufangen, so dass nicht umsonst irgendwann der Satz fällt: East Gladness ist der beste Ort der Welt.

Hai hat ein erstes Studium abgebrochen, weil er einen Freund verloren hat, seiner enttäuschten Mutter gaukelt er vor, nun zum Medizinstudium in Boston aufzubrechen, und als er sich zugedrogt auf einer Brücke befindet, die über einen Fluss geht und überlegt, allem ein Ende zu setzen, wird er von Grazina davon abgehalten und zieht bei ihr ein. Grazina ist alt, dement und voller wilder Gedanken und Erinnerungen. Allein können beide nicht weiter. Miteinander eigentlich auch nicht, wie soll der Blinde dem Tauben den Weg zeigen und andersherum, aber andererseits: Wenn zwei Experten des Chaos aufeinandertreffen, dann kann halt doch ein Schuh draus werden. Hai findet Arbeit in einem Schnellrestaurant, wo auch sein sehr spezieller Cousin Sony arbeitet (ja, wie die Firma) und natürlich auch noch eine große Handvoll weiterer gescheiterter Existenzen.

Wie sich diese Menschen in ihrem täglichen Versagen Halt geben, wie sie miteinander Dinge erleben, die vollkommen abwegig sind, wie sie eigentlich nie über Gefühle sprechen, weil sie die tief unten abgekapselt haben, aber beim Lesen so unendlich viel Gefühl erzeugen, wie Vuong zeigt, dass die wahren Außenseiter die Herrschenden, die Funktionierenden, die Reichen sind, die alle auch das Leben verlernt haben, es ist einfach unglaublich berührend. Getragen wird das alles von einer wahnsinnig schönen Sprache und einem subtilen, zärtlichen Humor, von einzigartigen Bildern und Gedanken. Vuong greift in seiner Erzählung Amerika perfekt, er spielt souverän auf der Klaviatur des Alltagsrassismus, macht transgenerationelles Trauma spürbar und zeigt, dass es Wunden gibt, die nie heilen werden, zeigt aber auch: „Okay“ wird gemeinhin unterschätzt. In East Gladness ist das Glück vielleicht nur in Fragmenten zu finden. Dafür wohnt hier eine Ehrlichkeit, die selten ist.

„Sag mir, was willst du anfangen / Mit deinem einzigen wilden und kostbaren Leben?“, fragt Ocean Vuong in „Der Kaiser der Freude“. Ich empfehle auf jeden Fall als Teil der Antwort dieses Buch zu lesen. Und auf Brötchen im Matsch herumzuhüpfen. Und Karotten zu essen. Und vielleicht den ein oder anderen Traum anzugehen und dabei zu scheitern. Aber dabei die beste Schicksalsgemeinschaft der Welt zu finden. Ein großartiges Buch, das mich zutiefst berührt hat. Das braucht keinen Hype. Das ist einfach: Gladness.

Bewertung vom 25.05.2025
Riedl, Matthias;Andresen , Viola;Klasen, Jörn

Die Ernährungs-Docs - Unsere 100 besten Anti-Bauchfett-Rezepte


ausgezeichnet

Erkenntnisse und Hilfe zum Thema „Unerwünschtes Bauchfett“

„Die Ernährungsdocs – Unsere 100 besten Anti-Bauchfett-Rezepte“ ist ein wirklich gut gelungenes Kochbuch mit Informationsteil für alle Menschen, die dem Bauchfett zu Leibe rücken möchten.

In einem Einführungsteil erfährt die lesende Person alles Wichtige zum Thema Bauchfett und kann dabei wahrscheinlich ein paar neue Fakten kennenlernen, zum Beispiel, dass Fett leider nicht gleich Fett ist und dass gerade das Bauchfett verantwortlich für viele ernstzunehmende Erkrankungen sein kann. Auch neu für mich war der Teufelskreis, der entsteht, wenn erst einmal zu viel Bauchfett entstanden ist. Damit der Mensch mit dieser Erkenntnis nicht traurig zurückbleiben muss, bietet das Buch jede Menge praktische Hilfe. Diese geht über allgemeine und wirklich sehr leicht umzusetzende Maßnahmen über in einen großen Rezeptteil.

Unter den Rezepten sollte wirklich für jede Person etwas zu finden sein. Der Großteil ist vegetarisch, und ausreichend viele Rezepte sind leicht zu kochen und gut in den Alltag zu integrieren. Allein die Frühstücksideen sind nicht unbedingt die schnelle Nummer, hier kann mensch aber über meal prep einiges rausholen. Dennoch wäre es wünschenswert, hier noch ein paar Rezepte zu integrieren, die auch für Menschen, die morgens wenig Zeit haben, gut machbar sind. Toll ist aber die Vielfalt der Rezepte, sogar an den süßen Zahn wurde gedacht und auch die Portionsgrößen sind realistisch und machen satt. Das ganze Buch ist durchzogen von sehr schönen Abbildungen und die Rezepte sind großflächig angelegt, so dass das Lesen und Nachkochen noch mehr Spaß macht.

Für mich eine runde Sache, die mich sehr motiviert, dem Bauchfett den Kampf anzusagen. Eine gut gelungene Mischung aus Information und Kochbuch. Sehr zu empfehlen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.05.2025
Adichie, Chimamanda Ngozi

Dream Count


sehr gut

Vom Träumen und Aufwachen

„Dream Count“, der neue Roman von Chimamanda Ngozi Adichie, erschienen 2025 im S. Fischer Verlag, ist eine beeindruckende Erzählung über vier Frauen, die sich jede auf ihre Art in ihren Träumen verloren haben und dadurch das Träumen immer mehr verlernt haben, gebremst von einer nach wie vor zutiefst rassistischen und kolonialen Realität.

Chimamanda Ngozi Adichie schreibt gleichermaßen flüssig und hochkomplex, sieh scheut sich nicht davor, ihren Leser:innen eine Menge Inhalt zuzumuten, holt einen aber auch mit einer klaren und schwungvollen Prosa ab. Sie schreibt spannende Figuren, die es schwer als Lesende bleibt mensch ein bisschen draußen in der beobachtenden Position, was dem Gefüge sehr gut tut, da es nie gefühlig wird. Die vier Frauen, denen wir folgen, sind Chiamaka, Zikora, Kadiatou und Omelogor. Die Handlung spielt primär in Amerika, wichtig für alle Personen ist aber ein nigerianischer Hintergrund. Adichie positioniert alle Frauen zwischen Tradition und Emanzipation, zwischen Individualität und Zugehörigkeit, zeigt ihren Kampf um Autonomie und ihre Sehnsucht nach Gemeinsamkeit. Sie legt den Finger in die Wunde von toxischen Beziehungen und Alltagsrassismus, Unterdrückung und Ausbeutung der Frau, sexuelle Gewalt und Statuskampf, hinterfragt Wurzeln und Stempel, die Menschen aufgedrückt werden. Die vier Frauen sind miteinander verknüpft, auch wenn jeder ein eigener Abschnitt gehört, am Ende steht aber jede für sich allein.

Der Dream Count des Titels klingt nicht zufällig nach Body Count. Wo die einen Körper zählen, die sie berühren, zählen andere Träume, die sich ins Nichts auflösen. Was tun, wenn frau beim letzten Traum angekommen ist? Sehr verdichtet zeigt die Autorin wie patriarchale Strukturen im Großen und Kleinen wirken. Gleichzeitig lässt uns Adichie auch in komplexere, intersektionale Verbindungen blicken. Ihr Feminismus ist nicht. Sie zeigt die patriarchalen Strukturen so unaufgeregt auf, wie sie uns im Alltag begegnen.

Die Autorin reißt in ihrem Roman jedoch noch sehr viel mehr Themen an, die alle interessant sind, leider fehlt dem Roman insgesamt dadurch aber Fokus. Hier wäre weniger doch mehr gewesen, denn so bleiben Facetten der einzelnen Geschichten am Wegesrand liegen und gehen nicht in die Tiefe. So verliert sich das Buch nach vier interessanten Frauengeschichten im fünften Teil leider ein bisschen im Nirgendwo. Dennoch absolut lesenswert, wegen vier so verschiedenen Frauenfiguren, die alle auf ihre Art stumpf geworden sind an einem Leben, das sie täglich in Frage stellt – und wegen viel Learning über die Perspektive von People of Color.