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Turu
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Iserlohn

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Insgesamt 10 Bewertungen
Bewertung vom 23.09.2012
Bretonische Verhältnisse / Kommissar Dupin Bd.1
Bannalec, Jean-Luc

Bretonische Verhältnisse / Kommissar Dupin Bd.1


ausgezeichnet

Mord in der Cité des peintres Pont Aven
Jeder Kunstliebhaber, der schon einmal die Südküste der Bretagne bereist hat, kennt die malerischen Orte Concarneau und das für seine Künstlerkolonie des ausgehenden 19. Jahrhunderts bekannte Pont Aven. Hier lebten und arbeiteten große Maler wie Gauguin und hinterließen bis heute sichtbare Spuren.

Mit großer Intensität und realistisch vermittelt der unter einem Pseudonym schreibende Jean-Luc Bannalec, ein Deutsch-Bretone, die poetische Atmosphäre dieser Region in seinem ersten Kriminalroman „Bretonische Verhältnisse“. Er macht den Leser mit der Landschaft und den verwinkelten Stadtbildern ebenso lebendig vertraut wie mit bretonischen Gewohnheiten und Eigenheiten wie Starrköpfigkeit, Wortkargheit und Bauernschläue. Ich kenne die Bretagne, daher folge ich ihm gerne durch die beschriebenen verwinkelten Straßen und Gässchen bis hin zu seinem Lieblingsplatz, einer roten Bank in einem verborgenen Winkel am Aven, wo er allein und in Ruhe über den Fall nachzudenken pflegt.

Hier also muss Monsieur le Commissaire Dupin, ein vor zwei Jahren aus Paris strafversetzter Kommissar, ein sympathischer, wenn auch eigensinniger Vertreter seines Standes, in Vertretung seines Kollegen, der gerade Urlaub macht, zwei Morde aufklären. Seine Vorgesetzten und Kollegen haben es nicht immer leicht mit seiner Vorgehensweise im Alleingang, aber sie schätzen ihn. Und wenn er nicht genug Kaffee getrunken hat, kann er bärbeißig und ruppig mit seiner Umgebung umgehen.

Was ist geschehen? Der 91 jährige Hotelbesitzer des Hotel Central in Pont Aven , Pierre-Louis Pennec, ein Kunstliebhaber und strenger Wahrer der Tradition, wurde mit vier Messerstichen ermordet in seinem Restaurant aufgefunden. Wer kann Interesse an dem Tod dieses alten Mannes haben?

Nun muss man wissen, dass es sich bei dem Hotel Central um den oben genannten berühmten Künstlertreffpunkt des ausgehenden 19. Jahrhunderts handelt und dass der Verstorbene und dessen Mutter große Förderer der Künstler und deren Kunst gewesen waren. Die Wände des Restaurants schmücken daher zahlreiche Kopien berühmter Gemälde.

Dupin und seine fleißigen Kollegen Kadeg und Riwal kommen bei ihren Ermittlungen kaum voran, da die zahlreichen Verdächtigen eisern schweigen. Hilfreich sind ihnen einzig der Arzt des Ermordeten und die Notarin, die dessen Testament aufgesetzt hat.

Als in der zweiten Nacht nach dem Mord an Pierre-Louis Pennec in das Restaurant eingebrochen wird, ohne dass etwas gestohlen wird oder man irgendwelche Spuren entdecken kann, wird Dupin auf eine merkwürdige Gauguin-Kopie an der Wand aufmerksam. Zugleich wird ihm der Tod des ungeliebten Sohnes des alten Pennec gemeldet. Man hat ihn unterhalb der Klippen im Meer tot aufgefunden. War es Mord, Selbstmord oder ein Unfall?

Mit Hilfe einer Kunstexpertin aus Brest, deren Rat Dupin immer wieder einholt, mit seinem kriminalistischen Spürsinn, gewissermaßen einem speziellen Bauchgefühl, seinem starrköpfigen Eigensinn und der fleißigen Recherchen seiner beiden Mitarbeiter, gelingt es ihm, diesen undurchsichtigen Fall innerhalb von 4 Tagen zu lösen.

Der Roman ist spannend und liest sich wunderbar flüssig. Die Sprache ist stellenweise etwas gewöhnungsbedürftig. Begriffe wie Stupendes, pittoresk oder ridikül finden sich zwar im Duden, wirken aber doch etwas fremd.

Mir hat dieser Roman sehr gefallen. Er eignet sich bestens als Urlaubslektüre. Leser, die die Bretagne lieben und sich ein wenig dort auskennen, wird er nicht allein durch den vielsagenden Titel und sein gelungenes Cover in seinen Bann ziehen. Die Karte im Innenteil des Umschlags lädt geradezu ein zu einer Fahrt ins Finistère.

6 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.09.2012
In diesem Sommer
Olmi, Véronique

In diesem Sommer


sehr gut

Eine Gesellschaft - so krank wie eine alte Kiefer
Denis und Delphine sind zu Reichtum gekommen und haben sich mit den Jahren auseinander gelebt. In der Normandie besitzen sie ein gemütliches Haus, in dem sie seit Jahren mit Freunden und ihren zwei Kindern im Schatten einer alten Kiefer, die alle lieben, das Wochenende zum 14. Juli verbringen. Der Ablauf dieses Wochenendes ist stets geprägt von bestimmten Ritualen, die ein Garant für das Gelingen eines gemütlichen fröhlichen Zusammenseins sind. Es soll so sein wie immer, das ist der Wunsch aller. Doch obgleich die Rituale die gleichen bleiben, haben sich die Teilnehmer dieser Gesellschaft verändert. Da sind zum einen die erwachsenen Kinder Alex und Jeanne, die dieses Mal mit je einem Freund anreisen, dann das sich verliebt gebende Ehepaar Marie und Niclas sowie die bindungsunfähige Lola, die regelmäßig mit einem neuen Liebhaber zu diesem Treffen anreist. Sie alle haben Probleme, die sie hier an diesem Wochenende vergessen wollen. Niclas leidet unter Depressionen, über deren Ursache er mit Marie nicht spricht. Marie, eine alternde Schauspielerin, kämpft gegen das Alter und die Pfunde. Lola, die Bindungsunwillige, trägt schwer an ihrer Vergangenheit und Samuel, ihr Begleiter, möchte unbedingt dazugehören. Als in diese Runde Dimitri tritt, ein junger Mann, der Jeanne Avancen macht, gerät das Gefüge aus der Balance. Nichts wird an und nach diesem Wochenende sein, wie es immer war. Der Titel des Buches von Véronique Olmi „In diesem Sommer“ lässt auf eine leichte Sommerlektüre schließen. Während sie eine Idylle mit Meeresrauschen und gemütlichem Beisammensein im Garten unter der alten, Schatten spendenden Kiefer zeichnet, lässt die Autorin den Leser hinter die Fassade der Protagonisten blicken und erkennen, dass diese nichts als Probleme haben.. Delphine, die zu Beginn des Romans mein Mitgefühl weckte, entpuppt sich als eine kalte, frustrierte, egoistische Ehefrau und Mutter. Voller Vorurteile lehnt sie Dimitri und auch Jeannes Freundin Rose schon bei der ersten Begegnung ab. Einfühlsam bringt die Autorin dem Leser Denis nahe, der trotz seines finanziellen Erfolges ungeliebt und unglücklich ist. Wie eine Art Katalysator wirkt Dimitri in dieser Gesellschaft. Dieser junge Mann bleibt uns fast unbekannt, aber seine Funktion erfüllt er, bevor er wieder verschwindet, indem er Bewegung in dieses ohne ihn starre Gefüge von Ritual, Kompromiss und Verdrängung bringt. Lola vertraut ihm ihr innigstes Geheimnis an, Niclas stellt sich durch ihn seinen Schuldgefühlen und Jeanne gibt sich ihm hin. Obgleich dieser Roman unterhaltsam ist, ist er nicht als leichte Sommerlektüre zu empfehlen. Er verdeutlicht neben der beschriebenen Einsamkeit ein in unserer Gesellschaft weit verbreitetes Phänomen: das der Sprachlosigkeit. Würden Denis und Delphine die richtigen Worte finden, hätte ihre Ehe vielleicht eine Chance. Der Roman könnte auch dazu anregen, über eigene Beziehungsmuster nachzudenken. weiterlesen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.09.2012
Der ungeladene Gast
Jones, Sadie

Der ungeladene Gast


sehr gut

Eine sonderbar geistreiche Nacht
Schauplatz des Geschehens am 30. April 1912 ist das einsam gelegene, hochverschuldete Landgut Sterne der sich für vornehm haltenden Familie Torrington in der Nähe von Manchester. Diese besteht aus der 48jährigen überaus schönen und eleganten Charlotte, die in zweiter Ehe mit dem behinderten Juristen Edward Swift verheiratet ist und ihren 3 Kindern Clovis, Emerald, die ihren 20. Geburtstag feiern will, und dem bemerkenswerten Nachkömmling Imelda, genannt Smudge. Die finanziellen Nöte, in der sich die Familie befindet, ändern nichts an deren üppigem Lebensstil. Zahlreiche dienstbare Geister arbeiten in der Küche und in den Pferdeställen. Man bereitet für den Abend mit großer Sorgfalt Emeralds Geburtstagsparty vor. Als Gäste werden Emeralds Freundin Patience und deren Bruder Ernest, sowie der reiche, ledige Nachbar John Buchanan erwartet. Angemessen erlesene Speisen, feinste Tischwäsche und angemessene Kleidung sind an diesem Abend ein Muss. Emeralds Stiefvater wird an der Feier nicht teilnehmen können. Er muss sich nach Manchester begeben, um von einem ihm verhassten Mann Geld zur Begleichung der Schulden zu leihen. Nur so kann er eine Versteigerung des Anwesens seiner so geliebten, schönen Frau Charlotte in letzter Minute verhindern. Als Emeralds großer Bruder Clovis die Gäste mit der Kutsche vom Bahnhof abholt, trifft er auf eine Gruppe Hilfe suchender Reisender, die gerade ein schweres Zugunglück erlebt und überlebt haben. Da es weit und breit kein anderes Haus gibt, müssen die Verunglückten auf Sterne eine vorläufige Bleibe finden, bis sie von der Eisenbahngesellschaft abgeholt werden können. Das Eintreffen dieser ca. 20köpfigen Reisegruppe, alles Passagiere der 3. Bahnklasse, wird im Hause Sterne kaum zur Notiz genommen. Die Fremden stören die feierlich Hergerichteten. Man bringt sie alle im Frühstücksraum unter, versorgt sie nur mit Tee und überlässt sie ihrem Schicksal, bis sie lautstark auf sich aufmerksam machen und somit zum Problem werden. Ein verspätet eintreffender Überlebender der 1. Klasse namens Traversham-Beechers, wird von Clovis auf Grund seines augenscheinlich vornehmen Standes eingeladen, mit der Festtagsgesellschaft zu speisen. Charlotte erschrickt, als sie ihn sieht, sagt aber nichts. Zunächst gewinnt der Fremde die Sympathie der Gastgeber. Doch im Laufe des Abends entwickelt er sich zum Sprecher der unglücklich Gestrandeten und zum unangenehmen Wortführer der Festtagsgesellschaft Das von ihm angeblich zur Unterhaltung vorgeschlagene Gesellschaftsspiel entpuppt sich als bösartiges Psycho-Spiel. Dem Fremden gelingt es dabei auf subtile Weise, nicht nur Charlotte und ihre Haushälterin bloßzustellen, ja, geradezu zu vernichten, sondern auch die verdeckten, bösartigen Charakterzüge aller am Spiel beteiligten Personen offenzulegen. Auf den ersten 200 Seiten führt die Verfasserin die Protagonisten mal pointiert, mal humorvoll in ihrem von Klassenbewusstsein und Standesdünkel geprägten Milieu vor. Im letzten Drittel des Buches versteht Sadie Jones es, Spannung aufzubauen, Unheimliches, Unwahrscheinliches geschehen zu lassen und das so schön gezeichnete Bild der feinen Gesellschaft mit ihren Konventionen, ihrer Eleganz und Schönheit wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen zu lassen. In dieser Nacht, es ist die Walpurgisnacht, werden Geister lebendig und unterdrückte, ungeahnte Leidenschaften ausgelebt. Als der Morgen graut, sind die sonderbaren Passagiere und der ungeladene Gast verschwunden und mit ihnen Dünkel und Hochmut der Protagonisten.
Ein sonderbares, lesenswertes Buch.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.02.2012
Der Frühling / Hyddenworld Bd.1
Horwood, William

Der Frühling / Hyddenworld Bd.1


sehr gut

Eine Prophezeiung wird wahr
Frühling, der erste Band der Tetralogie Hyddenworld, ist die breit angelegte Hinführung zu dem geplanten Fantasy-Epos von William Horwood. Diese verbindet historische mit real existierenden und fiktiven Orten in Englalond, dem heutigen England und basiert auf Legenden, Mythen und Prophezeiungen aus uralten Zeiten.
Die Handlungsträger der Geschichte sind Menschen und Hydden. Dies sind kleine Wiesen- und Grabenbewohner, die nah bei den Menschen wohnen. Da aber die Menschen aus Gleichgültigkeit verlernt haben, die Natur und ihre kleinen Mitbewohner zu beachten, sind sie blind geworden für diese Parallelwelt. Die Hydden hingegen, der Natur sehr nah, nehmen am technischen Fortschritt der Menschen teil, leiden auch unter dessen Folgen und können durch Henges sogar in die Menschenwelt übertreten. Der Wechsel in die Hyddenwelt dagegen gelingt nur den wenigen Menschen, die sich den Glauben an die Hydden bewahrt haben.
Die Welt der Hydden und der Menschen steht vor einer von den Menschen provozierten Umweltkatastrophe, die laut einer Prophezeiung aus dem 7. Jahrhundert nur dadurch verhindert werden kann, dass die Fragmente einer Brosche, dies sind vier verloren gegangene Edelsteine, die die Kraft der vier Jahreszeiten widerspiegeln, wieder zusammengefügt werden.

Als in dem Volk der Hydden ein Junge, namens Yakob, geboren wird, der sich zu einem Riesen entwickelt, senden ihn dessen Eltern zu seinem eigenen Schutz in die Menschenwelt. Von diesem Riesengeborenen, der sich von nun an Jack nennen soll, so sagt eine alte Legende, soll die Rettung für das Universum kommen. Von nun an begleitet der Leser diesen Hydden Jack auf seiner Reise durch die Menschen- und in die Hyddenwelt. Ängsten, Verfolgung und Grausamkeiten ist er ausgesetzt, nachdem man in Hyddenworld von seiner Existenz erfahren hat. Dass er alle Angriffe überlebt, verdankt er dienstbaren Helfern aus beiden Welten. Besonders die Liebe zu Katherine lässt ihn sein Schicksal annehmen und letztendlich in die Menschenwelt zurückkehren. Gemeinsam sind sie auf dem richtigen Weg, die Welt zu retten.
Horwood ist es mit einer fast märchenhaft altertümlichen Sprache gelungen, Hyddenworld mit den zahlreichen Charakteren für den Leser sichtbar zu machen.
Ich halte den ersten Band „Frühling“ für einen gelungenen Auftakt zu dem geplanten Epos und freue ich auf den nächsten Band.

Bewertung vom 15.04.2011
Töchter des Schweigens
Barceló, Elia

Töchter des Schweigens


ausgezeichnet

Erdrückende Schuldgefühle
Elia Barceló zeichnet detailliert und psychologisch geschickt die Charaktere von sieben sehr unterschiedlichen Frauen nach, die im Jahre 2007 um die 50 Jahre alt sind. Sie alle verbindet die Zugehörigkeit zu einer Clique hoffnungsvoller, unzertrennlicher Abiturientinnen aus Elda (Alicante), die im Jahre 1974 an einer Abschlussklassenfahrt nach Mallorca teilnimmt. Auf dieser Fahrt jedoch geschieht etwas Schlimmes, das als dunkles Geheimnis, über das keine Einzige von ihnen jemals zu sprechen wagt, das Leben aller überschattet.
Warum die großen Erwartungen, die die ehemaligen Abiturientinnen an das Leben hatten, nicht erfüllt werden und mit welcher Last sie ihr Leben lang leben müssen, das erzählt dieser großartige Roman

Als Rita, ehemals „das Herz“ der Clique, die inzwischen in London eine Berühmtheit geworden ist, ihren Heimatort in Begleitung ihrer Agentin Ingrid besucht, kommt es zu einem ersten Wiedersehen der sieben Frauen nach mehr als 30 Jahren und zur Katastrophe. Da Ingrid als Außenstehende nicht eingeweiht ist in das einvernehmliche Stillschweigen aller über die Ereignisse von damals, lässt sie mit einem Mallorca- Film die Vergangenheit wieder aufflammen. Kurz darauf findet Rita die Leiche ihrer Freundin Lena in deren Wohnung vor und gerät in Verdacht, sie ermordet zu haben. Die polizeilichen Untersuchungen scheinen erfolglos zu bleiben.

Geschickt lässt die Verfasserin nun in stetigem Szenen- und Zeitenwechsel die Leser teilhaben an Gesprächen und Ereignissen, die mal in der Gegenwart, also 2007 in Elda stattfinden oder im Jahre 1974 während der Klassenfahrt auf Mallorca. Immer neue Geschehnisse, unerklärliche Verhaltensweisen, Niederträchtigkeiten und dunkle Geheimnisse werden offenbar und erhalten bzw. steigern die Spannung bis zum Ende des Romans.
Eine geniale Komposition und Inszenierung, wie ich meine.

In ihrer sehr direkten, lebendigen Sprache, teilweise brutal und ernüchternd, mit einer geschickten Mischung aus Dialogen und Berichten deckt Elia Barceló die Gefühle, Beweggründe und Handlungen der Beteiligten auf. Die Protagonisten sind die Frauen, deren Solidarität beispielhaft ist. Die männlichen Akteure wirken auffallend unsympathisch und zeichnen sich durch Machogehabe und Egoismus aus.
Das Cover des Buches gibt hervorragend die geheimnisvolle und bedrohliche Atmosphäre des Romans wieder.
Ich kann den Roman nur empfehlen, glaube allerdings, dass er eher Frauen begeistern wird. Besonders gefällt mir auch, dass der Leser im Nachwort erfährt, was aus den verschiedenen Personen geworden ist.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.03.2011
Die Vergolderin
Glaesener, Helga

Die Vergolderin


ausgezeichnet

Im Mittelpunkt dieses spannenden, gut recherchierten Romans, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts spielt, steht Elisabeth Weißvogel, eine außergewöhnlich mutige Frau.
Sie trägt die Verantwortung für ihre zwei Geschwister und ist eine talentierte Vergolderin. Als Frau verstößt sie aber mit ihrer Tätigkeit gegen mittelalterliches Recht.
Das Leben hat sie kämpferisch, hart und misstrauisch gemacht. Dadurch verspielt sie beinahe ihr Lebensglück.
Ihr Schicksal ist unentrinnbar verwoben mit dem des blinden Kaufmanns Martin Clavius. Dieser hat ihr in einer schicksalhaften Begegnung das Leben gerettet und erbittet nun seinerseits ihre Hilfe. Dabei erlebt sie die Braunschweiger Gesellschaft, die vor Intrige, Neid, Verrat, Vergewaltigung und Mord nicht zurückschreckt.
Ich kann diesen facettenreichen, fesselnden Roman wärmstens empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.02.2011
Jacob beschließt zu lieben
Florescu, Catalin Dorian

Jacob beschließt zu lieben


ausgezeichnet

Gefühlte Welten

Das Geschehen des Romans erstreckt sich von Mitte der 20er Jahre bis zu den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und reicht in Rückblenden bis ins 17. Jahrhundert zurück.

Im Mittelpunkt der Ich-Erzählung stehen die Vater-Sohn-Konflikte von Jakob Obertin mit k, dem Vater, und Jacob mit c, seinem ungeliebten Sohn.
Jacobs Eltern waren eine Vernunftehe eingegangen. Elsa, seine Mutter, hatte auf dubiose Weise in Amerika ihr Glück gemacht und war mit viel Geld zurückgekommen. Nach der Geburt ihres Sohnes wird sie nur noch als schweigender Teil der Familie in Erscheinung treten. Ihr Ehemann Jakob, ein ehemaliger mittelloser Stallbursche, hatte sie allein mit der Absicht geheiratet, den Bauernhof der Obertins in Besitz zu nehmen, von ihrem Geld zu profitieren, sich durch die Heirat den angesehenen Namen Obertin anzueignen und einen Erben zu zeugen. Dieser von Geburt an schwächliche Sohn Jacob wird vom Vater jedoch abgewiesen. Menschliche Wärme und Fürsorge findet der Junge nur bei einer Zigeunerin und bei seinem Großvater. Von diesem erfährt er im Laufe der Zeit in Rückblenden, warum und auf welche zum Teil kriminelle Weise seine Vorfahren im 18. Jahrhundert ihre Heimat Lothringen verlassen hatten und in das rumänische Banat ausgewandert waren Ihre Hoffnungen, sollten sich jedoch nicht erfüllen.

Jacob durchlebt in jungen Jahren mehr Tiefen als Höhen. Nirgends ist er wirklich zu Hause. Er verliert seine große Liebe, wird vom herrschsüchtigen Vater brutal misshandelt, verraten und enterbt. „Er ist mein Sohn, also mache ich mit ihm, was ich will,“ lässt der Verfasser den Vater sagen (S. 110). Jakob kämpft ums Überleben und gewinnt an Stärke. In seiner Not stößt er dabei immer wieder auf fremde Menschen, die ihm helfen, sei es bei der Deportation nach Sibirien oder bei der Zwangsumsiedlung. Er arrangiert sich notgedrungen mit den Gegebenheiten und zuletzt sogar mit seinem Vater. Er verschmerzt, was unverzeihlich ist, und beginnt von Neuem, denn er ist daran gewöhnt, dass „Katastrophen zu den Obertins gehören“ (S. 113).

Florescu hat mit diesem Roman den Bogen weit gespannt: Liebe zu Grund und Boden, Ängste und Nöte in schweren Zeiten, politische Konflikte und Gewissenskonflikte, Diktatur, Grausamkeiten und Denunziation sowie zarte Liebesgefühle verschmelzen zu einem Gesamtwerk, das höchste Anerkennung verdient

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.